HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

HANDBUCH ARBEITSRECHT

Ta­rif­ver­trag

In­for­ma­tio­nen zum The­ma Ta­rif­ver­trag: Hen­sche Rechts­an­wäl­te, Kanz­lei für Ar­beits­recht
Münzen, Münzhaufen

Auf die­ser Sei­te fin­den Sie In­for­ma­tio­nen zu der Fra­ge, was ein Ta­rif­ver­trag ist und wie er zu­stan­de kommt, wer ei­nen Ta­rif­ver­trag rechts­ver­bind­lich ver­ein­ba­ren kann, was in Ta­rif­ver­trä­gen üb­li­cher­wei­se ge­re­gelt ist und wel­che Ar­ten von Ta­rif­ver­trä­gen es gibt.

 

Au­ßer­dem fin­den Sie Hin­weis da­zu, un­ter wel­chen Um­stän­den ein Ta­rif­ver­trag auf Ihr Ar­beits­ver­hält­nis an­zu­wen­den ist, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen Ab­wei­chun­gen vom Ta­rif­ver­trag mög­lich sind und wer über Ta­rif­ver­trä­ge in­for­miert.

von Rechts­an­walt Dr. Mar­tin Hen­sche, Fach­an­walt für Ar­beits­recht, Ber­lin

War­um sind Ta­rif­verträge wich­tig?

Ta­rif­verträge ent­hal­ten wich­ti­ge Rech­te, auf die Sie sich als Ar­beit­neh­mer Ih­rem Ar­beit­ge­ber ge­genüber mögli­cher­wei­se be­ru­fen können, vor al­lem natürlich Ansprüche auf Lohn und Ge­halt oder auf Zu­schläge für Über­stun­den oder Fei­er­tags­ar­beit. Aber auch an­de­re fi­nan­zi­el­le Ansprüche sind oft in Ta­rif­verträgen fest­ge­legt, so z.B. Ansprüche auf ei­ne Ab­fin­dung, ein Weih­nachts­geld oder ein Ur­laubs­geld u.s.w.

Ta­rif­verträge gel­ten auch dann, wenn Sie und Ihr Ar­beit­ge­ber da­von nichts wis­sen. Wenn Sie al­ler­dings von Ih­ren ta­rif­ver­trag­li­chen Ansprüchen aus Un­kennt­nis des Ta­rif­ver­tra­ges kei­nen Ge­brauch ma­chen, ver­fal­len die­se Ansprüche oft in kur­zer Zeit auf­grund von Aus­schlus­fris­ten oder sie verjähren. Dann ha­ben Sie Ih­re Rech­te bzw. Ihr Geld un­wie­der­bring­lich ver­lo­ren.

Es lohnt sich da­her im­mer her­aus­zu­fin­den, wel­che Ta­rif­verträge auf Ihr Ar­beits­verhält­nis an­zu­wen­den sind.

Was ist ein Ta­rif­ver­trag und wer schließt Ta­rif­verträge ab?

Ein Ta­rif­ver­trag ist ein Ver­trag zwi­schen ei­ner Ge­werk­schaft und - auf der an­de­ren Sei­te - ei­nem Ar­beit­ge­ber­ver­band oder ei­nem ein­zel­nen Ar­beit­ge­ber. Die­ser Ver­trag re­gelt die Ar­beits­be­din­gun­gen der von ihm er­faßten Ar­beits­verträge. In § 1 Abs.1 Ta­rif­ver­trags­ge­setz (TVG) heißt es da­zu:

"§ 1 In­halt und Form des Ta­rif­ver­tra­ges.
(1) Der Ta­rif­ver­trag re­gelt die Rech­te und Pflich­ten der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en und enthält Rechts­nor­men, die den In­halt, den Ab­schluß und die Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen so­wie be­trieb­li­che und be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Fra­gen ord­nen können."

Während Ta­rif­verträge auf der Ar­beit­ge­ber­sei­te so­wohl von ei­nem Ar­beit­ge­ber­ver­band als auch von ei­nem ein­zel­nen Ar­beit­ge­ber ab­ge­schlos­sen wer­den können, können auf der Ar­beit­neh­mer­sei­te nur Ge­werk­schaf­ten Ta­rif­verträge ver­ein­ba­ren. Ein Be­triebs­rat zum Bei­spiel oder ei­ne Grup­pe von Ar­beit­neh­mern können da­her kei­ne Ta­rif­verträge ab­sch­ließen. Sie sind nicht "ta­riffähig".

Wann ist ei­ne Ar­beit­neh­mer­or­ga­ni­sa­ti­on ei­ne Ge­werk­schaft?

Ei­ne Ge­werk­schaft, die auf der Grund­la­ge des TVG Ta­rif­verträge ab­sch­ließen kann, ist nach der Recht­spre­chung nicht je­de be­lie­bi­ge Ar­beit­neh­mer­or­ga­ni­sa­ti­on, son­dern nur ei­ne sol­che, die fol­gen­de Merk­ma­le auf­weist:

  1. Die Or­ga­ni­sa­ti­on muss auf frei­wil­li­ger pri­vat­recht­li­cher Grund­la­ge ge­bil­det wer­den: Durch den Staat vor­ge­ge­be­nen Be­rufs­verbände mit recht­li­chem Bei­tritts­zwang sind kei­ne Ge­werk­schaf­ten.
  2. Sie muss das Ziel ei­ner ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lung der Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen ver­fol­gen, d.h. „ta­rif­wil­lig“ sein. Or­ga­ni­sa­tio­nen, die kei­ne Ta­rif­verträge ab­sch­ließen wol­len - wie z.B. ein Be­am­ten­ver­ein - sind kei­ne Ge­werk­schaf­ten.
  3. Die Or­ga­ni­sa­ti­on muss auf Dau­er an­ge­legt sein, d.h. ei­ne ge­wis­se fes­te Struk­tur be­sit­zen. Spon­ta­ne Ar­beit­neh­mer­zu­sam­men­schlüsse für die Dau­er ei­ni­ger Streik­wo­chen sind kei­ne Ge­werk­schaf­ten.
  4. Die Ar­beit­neh­mer­or­ga­ni­sa­ti­on muss von an­de­ren Verbänden, ins­be­son­de­re von der Ar­beit­ge­ber­sei­te als dem so­zia­len Ge­gen­spie­ler un­abhängig sein. Ei­ne vom Ar­beit­ge­ber „ge­spon­ser­te“ Ver­ei­ni­gung ist kei­ne Ge­werk­schaft.
  5. Die Or­ga­ni­sa­ti­on muss das Ta­rif- und Ar­beits­kampf­recht an­er­ken­nen und nach de­mo­kra­ti­schen Grundsätzen or­ga­ni­siert sein. Der FDGB war da­nach kei­ne Ge­werk­schaft.
  6. Sch­ließlich muss ei­ne Ar­beit­neh­mer­or­ga­ni­sa­ti­on „so­zi­al mäch­tig“, d.h. „durch­set­zungs­stark“ sein, um als Ge­werk­schaft gel­ten zu können. So­zia­le „Mäch­tig­keit“ heißt zwar nicht un­be­dingt Be­reit­schaft zum Streik. Je­den­falls aber muss die Or­ga­ni­sa­ti­on in der La­ge sein, der Ar­beit­ge­ber­sei­te durch die Ausübung von „Druck“ ta­rif­ver­trag­li­che Zu­geständ­nis­se ab­zu­trot­zen.

Die im Deut­schen Ge­werk­schafts­bund zu­samm­gen­ge­schlos­se­nen Or­ga­ni­sa­tio­nen erfüllen die­se Vor­aus­set­zun­gen oh­ne Zwei­fel. Aber vie­le klei­ne­re Or­ga­ni­sa­tio­nen, oft auch sol­che mit "christ­li­chem" An­spruch, sind nur ih­rem ei­ge­nen An­spruch nach ei­ne Ge­werk­schaft, in Wahr­heit aber nicht. Die Fra­ge, ob ei­ne be­stimt­me Or­ga­ni­sa­ti­on ei­ne Ge­werk­schaft im Sin­ne des TVG ist oder nicht, d.h. ob sie ta­riffähig ist oder nicht, ent­schei­den die Ar­beits­ge­rich­te.

Sind die von der CG­ZP ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge wirk­sam?

Nein, denn die CG­ZP (die "Ta­rif­ge­mein­schaft Christ­li­cher Ge­werk­schaf­ten für Zeit­ar­beit und Per­so­nalSer­vice-Agen­tu­ren") ist nicht in der La­ge, Ta­rif­verträge ab­zu­sch­ließen, d.h. sie ist ta­rif­unfähig. Die Ta­rif­unfähig­keit der CG­ZP hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) En­de 2010 als letz­te In­stanz ent­schie­den (BAG, Be­schluss vom 14.12.2010, 1 ABR 19/10 - wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell 11/034 BAG: Die CG­ZP kann kei­ne Ta­rif­verträge ab­sch­ließen).

Wei­terführen­de In­for­ma­tio­nen da­zu, wel­che recht­li­chen und fi­nan­zi­el­len Aus­wir­kun­gen die­se Ent­schei­dung für die Lohn­ansprüche von Zeit­ar­beit­neh­mern hat, de­ren Ar­beits­verträge auf die Schein-Ta­rif­verträge der CG­ZP be­zug neh­men, fin­den Sie hier: Hand­buch Ar­beits­recht: CG­ZP.

Was re­geln Ta­rif­verträge und wel­che Ar­ten von Ta­rif­verträgen gibt es?

In Ta­rif­verträgen sind zunächst ma­te­ri­el­le Ar­beits­be­din­gun­gen ge­re­gelt, so vor al­lem die Lohnhöhe und die Ar­beits­zei­ten der er­faßten Ar­beit­neh­mer, Fra­gen des Ur­laubs (Ur­laubs­dau­er, Ur­laubs­geld), Ansprüche auf Gra­ti­fi­ka­tio­nen u.s.w. Die­se Fra­gen sind in der Re­gel Ge­gen­stand so­ge­nann­ter Lohn- und Ge­halts­ta­rif­verträge. Sol­che Ta­rif­verträge ha­ben ei­ne ver­gleichs­wei­se kur­ze Dau­er von meis­tens 1 bis 3 Jah­ren.

Darüber hin­aus sind in Ta­rif­verträgen aber auch for­mal-ju­ris­ti­sche Din­ge ge­re­gelt wie zum Bei­spiel die Fra­ge, wie lan­ge ei­ne Pro­be­zeit dau­ern darf, was als "Pau­se" zählt und was als "Ar­beit", was bei der rich­ti­gen Ein­grup­pie­rung von Ar­beit­neh­mern zu be­ach­ten ist und wel­che "Spiel­re­geln" bei der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses gel­ten (da­zu gehören vor al­lem Kündi­gungs­fris­ten und Aus­schlußfris­ten). Die­se Re­ge­lungs­ge­genstände sind meis­tens in so­ge­nann­ten Rah­men­ta­rif­verträgen ent­hal­ten. Der­ar­ti­ge Ta­rif­verträge ha­ben meis­tens ei­ne länge­re Dau­er als die Lohn- und Ge­halts­ta­rif­verträge.

Je nach­dem, wer auf der Ar­beit­ge­ber­sei­te ei­nen Ta­rif­ver­trag ab­ge­schlos­sen hat, un­ter­schei­det man wei­ter­hin zwi­schen Ver­bands­ta­rif­ver­trag (= Flächen­ta­rif­ver­trag) und Fir­men­ta­rif­ver­trag (= Haus­ta­rif­ver­trag). Der Ver­bands- bzw. Flächen­ta­rif­ver­trag wird vom Ar­beit­ge­ber­ver­band ab­ge­schlos­sen. Von ihm sind al­le Be­trie­be er­faßt, de­ren In­ha­ber Mit­glie­der des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des sind. Der Fir­men- bzw. Haus­ta­rif­ver­trag wird da­ge­gen von ei­nem ein­zel­nen Ar­beit­ge­ber ab­ge­schlos­sen. Er gilt da­her nur für den Be­trieb die­ses Ar­beit­ge­bers.

Wann gilt ein Ta­rif­ver­trag für Ihr Ar­beits­verhält­nis?

Es gibt im Prin­zip drei ver­schie­de­ne Gründe, aus de­nen ein Ta­rif­ver­trag auf Ihr Ar­beits­verhält­nis an­zu­wen­den ist.

Ers­te Möglich­keit: Der Ta­rif­ver­trag gilt des­halb, weil Sie Mit­glied der Ge­werk­schaft sind, die den Ta­rif­ver­trag ab­ge­schlos­sen hat, und weil gleich­zei­tig auch Ihr Ar­beit­ge­ber an den Ta­rif­ver­trag ge­bun­den ist, weil er nämlich ent­we­der Mit­glied des ta­rif­ver­trags­sch­ließen­den Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des ist (Fall des Ver­bands­ta­rif­ver­tra­ges) oder selbst als Par­tei dem Ta­rif­ver­trag ab­ge­schlos­sen hat (Fall des Fir­men­ta­rif­ver­tra­ges). Man spricht bei die­ser Art der Gel­tung ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges von Ta­rif­wir­kung.

Zwei­te Möglich­keit: Der Ta­rif­ver­trag gilt des­halb, weil Sie mit Ih­rem Ar­beit­ge­ber im Ar­beits­ver­trag ver­ein­bart ha­ben, daß ein be­stimm­ter Ta­rif­ver­trag auf Ihr Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­den soll. Man spricht hier von Gel­tung des Ta­rif­ver­tra­ges kraft ein­zel­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung ("Be­zug­nah­me"). Hier spielt es kei­ne Rol­le, ob Sie Mit­glied ei­ner Ge­werk­schaft sind oder ob Ihr Ar­beit­ge­ber ta­rif­ge­bun­den ist, d.h. Mit­glied ei­nes Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des ist oder selbst ei­nen Ta­rif­ver­trag ab­ge­schlos­sen hat.

Drit­te Möglich­keit: Der Ta­rif­ver­trag wird vom Bun­des­mi­nis­ter für Ar­beit und So­zi­al­ord­nung für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt. Man spricht hier von Gel­tung des Ta­rif­ver­tra­ges kraft All­ge­mein­ver­bind­lich­keit. Ei­ne sol­che Maßnah­me kann der Bun­des­mi­nis­ter un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen dann tref­fen, wenn die "nor­ma­le" Wir­kung des Ta­rif­ver­tra­ges (sie­he oben - ers­te Möglich­keit) nicht aus­reicht, um in ei­ner be­stimm­ten Bran­che für genügend ein­heit­li­che Ar­beits­be­din­gun­gen zu sor­gen und da­mit die Ar­beit­neh­mer aus­rei­chend zu schützen. Auch hier ist es für die An­wend­bar­keit des Ta­rif­ver­tra­ges un­er­heb­lich, ob Sie Mit­glied ei­ner Ge­werk­schaft sind oder ob Ihr Ar­beit­ge­ber ta­rif­ge­bun­den ist, d.h. Mit­glied ei­nes Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des ist oder selbst ei­nen Ta­rif­ver­trag ab­ge­schlos­sen hat.

Kann Ihr Ar­beits­ver­trag von den Rechts­nor­men ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges ab­wei­chen?

Bei der Fra­ge, ob man im Ein­zel­ar­beits­ver­trag von den Nor­men ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges ab­wei­chen kann, kommt es dar­auf an, aus wel­chen der oben ge­nann­ten drei Gründen der Ta­rif­ver­trag auf den Ar­beits­ver­trag über­haupt an­zu­wen­den ist.

Bei der ers­ten Möglich­keit (Ta­rif­wir­kung) ist ei­ne Ab­wei­chung durch den Ar­beits­ver­trag im all­ge­mei­nen nicht möglich, da der Ta­rif­ver­trag "un­mit­tel­bar und zwin­gend" auf das Ar­beits­verhält­nis ein­wirkt. Ei­ne ab­wei­chen­de Re­ge­lung ist im Aus­nah­me­fall aber dann zulässig, wenn sie durch den Ta­rif­ver­trag er­laubt ist oder wenn sie in ei­ner Re­ge­lung be­steht, die für den Ar­beit­neh­mer güns­ti­ger ist als die ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lung. Da­zu heißt es in § 4 Abs.1 Satz 1 und Abs.3 TVG:

"§ 4 Wir­kung der Rechts­nor­men.
(1) Die Rechts­nor­men des Ta­rif­ver­tra­ges, die den In­halt, den Ab­schluß und die Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen ord­nen, gel­ten un­mit­tel­bar und zwin­gend zwi­schen den bei­der­seits Ta­rif­ge­bun­de­nen, die un­ter den Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­tra­ges fal­len.
  (...)
(3) Ab­wei­chen­de Ab­ma­chun­gen sind nur dann zulässig, so­weit sie durch den Ta­rif­ver­trag ge­stat­tet sind oder ei­ne Ände­rung der Re­ge­lun­gen zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ent­hal­ten."

Die­se Grundsätze gel­ten auch dann, wenn der Ta­rif­ver­trag kraft All­ge­mein­ver­bind­lich­keit auf das Ar­beits­verhält­nis an­zu­wen­den ist (drit­te Möglich­keit): Die Par­tei­en des Ar­beits­ver­tra­ges können nur dann von ei­nem für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Ta­rif­ver­trag ab­wei­chen, wenn ei­ne sol­che Ab­wei­chung im Ta­rif­ver­trag ge­stat­tet ist oder wenn die Ab­wei­chung für den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer güns­ti­ger ist als der Ta­rif­ver­trag, von dem ab­ge­wi­chen wird.

An­ders ist es aber dann, wenn der Ta­rif­ver­trag nur kraft ein­zel­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung gilt (zwei­te Möglich­keit). Hier kann Ihr Ar­beit­ge­ber zwar auch nicht "ein­fach mal so" von dem Ta­rif­ver­trag ab­wei­chen, weil er da­mit ge­gen den Ar­beits­ver­trag ver­s­toßen würde. Al­ler­dings kann er im Ein­ver­neh­men mit Ih­nen je­der­zeit den Ar­beits­ver­trag so ändern, daß vom Ta­rif­ver­trag ab­ge­wi­chen wird.

Im Fal­le der Gel­tung des Ta­rif­ver­tra­ges auf­grund ein­zel­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung (zwei­te Möglich­keit) hat der Ar­beit­ge­ber außer­dem auch die Möglich­keit, sich durch ei­ne Ände­rungskündi­gung von dem Ta­rif­ver­trag zu be­frei­en:

Durch die Ände­rungskündi­gung wird zunächst das bis­he­ri­ge Ar­beits­verhält­nis be­en­det (und da­mit die Ein­be­zie­hung des Ta­rif­ver­tra­ges). Kommt es dann im nächs­ten Schritt zu ei­ner ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung über die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu geänder­ten Be­din­gun­gen (sprich: oh­ne den Ta­rif­ver­trag), dann ist der Ta­rif­ver­trag durch die Ände­rungskündi­gung bzw. den Ände­rungs­ver­trag wirk­sam "ab­be­dun­gen" wor­den, d.h. die Par­tei­en des Ar­beits­ver­trags ha­ben sich in recht­lich zulässi­ger Wei­se dar­auf ge­ei­nigt, daß der Ta­rif­ver­trag künf­tig nicht mehr für sie gel­ten soll. Al­ler­dings können Ar­beit­neh­mer, die Kündi­gungs­schutz ge­nießen, das mit der Ände­rungskündi­gung ver­bun­de­ne Ände­rungs­an­ge­bot un­ter Vor­be­halt an­neh­men und die recht­li­che Zulässig­keit der Ver­tragsände­rung ar­beits­ge­richt­lich über­prüfen las­sen. Ein­zel­hei­ten hier­zu fin­den Sie un­ter dem Stich­wort Ände­rungskündi­gung.

Was ist ein Ta­rif­so­zi­al­plan?

Kommt es zu Be­triebsände­run­gen, d.h. zum Bei­spiel zu ei­ner Be­triebs­sch­ließung oder ei­ner Mas­sen­ent­las­sung, kann der Be­triebs­rat gemäß § 111 und § 112 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) den Ab­schluss ei­nes So­zi­al­plans ver­lan­gen und ggf. un­ter Ein­schal­tung der Ei­ni­gungs­stel­le er­zwin­gen. In So­zi­alplänen sind in vor al­lem Ab­fin­dun­gen für Ar­beit­neh­mer ent­hal­ten, falls de­ren Ar­beits­platz nicht er­hal­ten wer­den kann. Außer­dem wer­den oft Um­zugs­bei­hil­fen für Ar­beit­neh­mer, de­ren Ar­beits­platz nur bei ei­nem Orts­wech­sel ge­ret­tet wer­den kann, ver­ein­bart oder auch Maßnah­men der be­ruf­li­chen Qua­li­fi­zie­rung.

Ta­rif­so­zi­alpläne sind Ta­rif­verträge, die in Fällen von Be­triebsände­run­gen an­stel­le oder ne­ben ei­nem So­zi­al­plan ab­ge­schlos­sen wer­den, d.h. als An­lass und Re­ge­lungs­ge­gen­stand ei­ne so­zi­al­plan­pflich­ti­ge Be­triebsände­rung ha­ben. In sol­chen Fällen schal­tet sich al­so ne­ben dem Be­triebs­rat auch die Ge­werk­schaft ein und ver­han­deln über die­sel­ben Re­ge­lungs­ge­genstände, über die So­zi­al­plan­ver­hand­lun­gen geführt wer­den (könn­ten), al­ler­dings mit dem Ziel ei­nes Ta­rif­ver­trags.

Ta­rif­so­zi­alpläne sind nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) zulässig (Ur­teil 06.12.2006, 4 AZR 798/05). Die Ge­werschaf­ten dürfen auch Streiks zur Er­zwin­gung von Ta­rif­so­zi­alplänen führen.

Wer in­for­miert über Ta­rif­verträge?

Prak­tisch kom­men Sie meis­tens oh­ne große Pro­ble­me an die für Sie wich­ti­gen Ta­rif­verträge her­an, in­dem Sie sich an die Ge­werk­schaft wen­den, die den Ta­rif­ver­trag ab­ge­schlos­sen hat. Die Kol­le­gen dort sind in al­ler Re­gel aus­kunfts- und hilfs­be­reit. Oft wird noch nicht ein­mal ei­ne Schutz­gebühr für die Über­sen­dung des Ta­rif­ver­tra­ges ver­langt.

Wenn Sie Mit­glied der Ge­werk­schaft sind, ha­ben Sie auf­grund Ih­rer Zu­gehörig­keit zur Or­ga­ni­sa­ti­on so­gar ei­nen Rechts­an­spruch auf Aus­kunft.

Darüber hin­aus sind Ge­werk­schaft und Ar­beit­ge­ber­ver­band gemäß 9 DVO TVG (Durchführungs­ver­ord­nung TVG) recht­lich da­zu ver­pflich­tet, al­len von dem Ta­rif­ver­trag be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­ge­bern (al­so nicht nur ih­ren Mit­glie­dern) ei­ne Ko­pie des Ta­rif­ver­tra­ges ge­gen Er­stat­tung der Selbst­kos­ten zu über­las­sen, wenn der Ta­rif­ver­trag für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt wor­den ist.

Außer­dem müssen auch die Ar­beit­ge­ber et­was für die Be­kannt­heit von Ta­rif­verträgen tun. Sie müssen nämlich die für den Be­trieb maßgeb­li­chen Ta­rif­verträge an ge­eig­ne­ter Stel­le im Be­trieb aus­le­gen (§ 8 TVG). Ob dies in der Pra­xis auch ge­schieht und ob Sie sich als Ar­beit­neh­mer auf die da­durch er­lang­ten In­for­ma­tio­nen ver­las­sen soll­ten, ist natürlich ei­ne an­de­re Fra­ge.

 

Sch­ließlich gibt es ein bei dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les (BMAS) geführ­tes Ta­rif­re­gis­ter, das sämt­li­che gel­ten­den Ta­rif­verträge enthält, d.h. die all­ge­mein­ver­bind­li­chen und auch die nicht all­ge­mein­ver­bind­li­chen. Die­ses Re­gis­ter ist ge­setz­lich durch § 6 TVG vor­ge­schrie­ben. Nach § 16 DVO TVG ist die Ein­sicht des Ta­rif­re­gis­ters so­wie der re­gis­trier­ten Ta­rif­verträge je­dem ge­stat­tet. Außer­dem wer­den auf An­fra­ge Auskünf­te über die Ein­tra­gun­gen er­teilt.

Die Stel­le des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ar­beit und So­zia­les in Bonn, die Auskünf­te über das Ta­rif­re­gis­ter gibt, lau­tet::

Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les
Re­fe­rat IIIa3
53107 Bonn

Ein Ver­zeich­nis der für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Ta­rif­verträge fin­den Sie im In­ter­net auf der Home­page des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ar­beit und So­zia­les (BMAS) un­ter www.bmas.de.

Ne­ben dem Ta­rif­re­gis­ter des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ar­beit und So­zia­les gibt es die Ta­rif­re­gis­ter der Ar­beits- und So­zi­al­mi­nis­te­ri­en der 16 Bun­desländer. Auch in den Bi­blio­the­ken der Ar­beits­ge­rich­te können Sie Ta­rif­verträge nach­le­sen.

Wo fin­den Sie mehr zum The­ma Ta­rif­ver­trag?

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen, die Sie im Zu­sam­men­hang mit dem The­ma Ta­rif­ver­trag in­ter­es­sie­ren könn­ten, fin­den Sie hier:

Kom­men­ta­re un­se­res An­walts­teams zu ak­tu­el­len Fra­gen rund um das The­ma Ta­rif­ver­trag fin­den Sie hier:

Ar­beits­recht ak­tu­ell 2022

Ar­beits­recht ak­tu­ell 2021

Ar­beits­recht ak­tu­ell 2020

Ar­beits­recht ak­tu­ell 2019

Ar­beits­recht ak­tu­ell 2018

Ar­beits­recht ak­tu­ell 2017

Ar­beits­recht ak­tu­ell 2016

Ei­ne vollständi­ge Über­sicht un­se­rer Beiträge zum The­ma Ta­rif­ver­trag fin­den Sie un­ter:
Ur­tei­le und Kom­men­ta­re: Ta­rif­ver­trag

Letzte Überarbeitung: 23. September 2022

Was können wir für Sie tun?

Wenn Sie Fra­gen im Zu­sam­men­hang mit der Gel­tung oder der Aus­le­gung ei­nes Ta­rif­ver­trags ha­ben oder wenn es Pro­ble­me mit der Durch­füh­rung oder der Be­en­di­gung ei­nes Ar­beits­ver­trags gibt, auf den ein Ta­rif­ver­trag an­zu­wen­den sind, be­ra­ten wir Sie je­der­zeit ger­ne.

Je nach La­ge des Fal­les bzw. ent­spre­chend Ih­ren Wün­schen tre­ten wir ent­we­der nach au­ßen nicht in Er­schei­nung oder aber wir ver­han­deln in Ih­rem Na­men mit Ih­rem Ar­beit­ge­ber.

Für ei­ne mög­lichst ra­sche und ef­fek­ti­ve Be­ra­tung be­nö­ti­gen wir fol­gen­de Un­ter­la­gen:

  • Ar­beits­ver­trag
  • Ge­halts­nach­wei­se
  • Kün­di­gung, Ab­mah­nung, Ver­set­zung oder ähn­li­ches (falls vor­han­den)

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 4.0 von 5 Sternen (34 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de