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Anerkennungstarifvertrag und künftige Lohnerhöhungen
18.04.2017. Gewerkschaftsmitglieder können von ihrem tarifgebundenen Arbeitgeber gemäß § 4 Abs.1 Tarifvertragsgesetz (TVG) den jeweils gültigen Tariflohn verlangen, d.h. ihr Lohnanspruch steigt im Laufe der Zeit entsprechend den tariflichen Lohnrunden.
Wer die Anwendung von Tarifverträgen nur aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel verlangen kann, hat nur dann einen solchen "dynamischen" Tariflohnanspruch, wenn die Bezugnahmeklausel künftige Tariffassungen in den Arbeitsvertrag einbezieht.
In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass ein Anerkennungstarifvertrag, mit dem der Arbeitgeber die Anwendung bestimmter Branchentarifverträge für sein Unternehmen zusagt, keine sehr zuverlässige Grundlage für dynamische Tariflohnansprüche ist: BAG, Urteil vom 22.03.2017, 4 AZR 462/16.
- Kann der Arbeitgeber durch Kündigung eines Anerkennungstarifvertrags die dort in Bezug genommenen Tarifverträge statisch „einfrieren“?
- Streit im Chemieunternehmen: Arbeitnehmer tragen zur Sanierung durch zeitweisen Lohnverzicht bei, der Arbeitgeber ist dafür zu einem Anerkennungstarifvertrag bereit
- BAG bestätigt seine Rechtsprechung zu den Rechtswirkungen eines verweisenden Tarifvertrags, der nur noch nachwirkt
Kann der Arbeitgeber durch Kündigung eines Anerkennungstarifvertrags die dort in Bezug genommenen Tarifverträge statisch „einfrieren“?
Ist ein Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglied und ist auch sein Arbeitgeber (entweder als Tarifpartei eines Firmentarifvertrags oder als Mitglied eines Arbeitgeberverbandes) an einen Tarifvertrag gebunden, dann gilt der Tarifvertrag gemäß § 4 Abs.1 TVG zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wie ein Gesetz, d.h. unmittelbar und zwingend. Abweichungen vom Tarif sind nur zugunsten des Arbeitnehmers zulässig (§ 4 Abs.3 TVG).
Aus dieser sog. „normativen Wirkung“ des Tarifvertrags kann sich der Arbeitgeber auch nicht herausmogeln, indem er aus dem Arbeitgeberverband austritt, denn dann greift § 3 Abs.3 TVG ein. Nach dieser Vorschrift bleibt die Tarifgebundenheit so lange bestehen, bis der Tarifvertrag durch Kündigung oder durch Ablauf der vereinbarten Laufzeit endet. Solange diese Nachbindung gemäß § 3 Abs.3 TVG dauert, bleibt die gesetzesgleiche („normative“) Wirkung des Tarifvertrags bestehen. Abweichungen per Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung sind daher im Nachbindungszeitraum nur möglich, wenn sie sich zugunsten des Arbeitnehmers auswirken (§ 4 Abs.3 TVG).
Eine schwächere Form der Weitergeltung eines Tarifvertrags ist die sogenannte Nachwirkung im Sinne von § 4 Abs.5 TVG, die mit Ablauf des Tarifvertrags beginnt, d.h. ab dem Zeitpunkt, in dem der Tarifvertrag wirksam gekündigt ist oder seine Laufzeit vorbei ist. Im Nachwirkungszeitraum gelten die Normen des Tarifvertrags zwar immer noch, können aber durch andere Vereinbarungen ersetzt werden, z.B. durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung (§ 4 Abs.5 TVG). Solche Abweichungen vom nachwirkenden Tarifvertrag können sich auch zulasten des Arbeitnehmers auswirken.
Etwas kompliziert wird die tarifrechtliche Lage, wenn ein Tarifvertrag auf andere Tarifverträge verweist, und zwar so, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung gelten sollen. Wird dann der verweisende Tarifvertrag gekündigt und wirkt daher nach seinem Ablauf nur noch gemäß § 4 Abs.5 TVG nach, sind die Verweisungsfolgen nach der Rechtsprechung des BAG eingeschränkt: Kommt es während der Nachwirkung des verweisenden Tarifvertrags zu einer Änderung der in Bezug genommenen Tarifverträge, sind diese Änderungen von der Verweisung nicht mehr erfasst (BAG, Urteil vom 22.02.2012, 4 AZR 8/10, Rn.27).
Im Ergebnis wird dadurch die Verweisung aus Arbeitnehmersicht entwertet, denn die praktisch wichtigsten Tarifänderungen sind Tariflohnerhöhungen, von denen der Arbeitnehmer aber nicht mehr profitiert, wenn er sich nur auf einen nachwirkenden Verweisungs-Tarifvertrag berufen kann.
Aber gilt diese für Arbeitnehmer ungünstige Rechtsprechung auch, wenn ein auf andere Tarifverträge verweisender Tarifvertrag arbeitsvertraglich festgeschrieben ist? Eine solche (vom Arbeitgeber vorformulierte) arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel müsste zumindest eindeutig sein, denn Unklarheiten wirken sich gemäß dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulasten des Arbeitgebers aus (§ 305c Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB).
Streit im Chemieunternehmen: Arbeitnehmer tragen zur Sanierung durch zeitweisen Lohnverzicht bei, der Arbeitgeber ist dafür zu einem Anerkennungstarifvertrag bereit
Im Jahre 2010 konnte ein insolventes Chemieunternehmen unter Beteiligung der Gewerkschaft und der Betriebsräte an einen Erwerber veräußert werden. Grundlage war ein Anerkennungstarifvertrag (ATV), mit welchem sich der Erwerber im Prinzip dazu bereit erklärte, die für die Chemieindustrie geltenden Tarifverträge anzuwenden, und zwar in ihrer jeweiligen Fassung, d.h. „dynamisch“.
In dem ATV war auch ein einmaliger, für das Jahr 2010 geltender Verzicht der Arbeitnehmer auf bestimmte Lohnbestandteile vorgesehen. Der ATV war erstmals per Ende 2011 kündbar.
Die Arbeitnehmer des Unternehmens erklärten sich im Sommer 2010 durch arbeitsvertragliche Einzelvereinbarung mit dem ATV einverstanden.
Nachdem der Arbeitgeber den ATV fristgerecht per Ende 2011 gekündigt hatte, gab er später vereinbarte Tariflohnerhöhungen der Chemieindustrie nicht mehr an die Arbeitnehmer weiter.
Einer der betroffenen Arbeitnehmer zog vor das Arbeitsgericht und beantragte festzustellen, dass auf sein Arbeitsverhältnis weiterhin die Tarifverträge der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie für die westdeutsche Chemieindustrie in ihrer jeweils aktuellen Fassung Anwendung finden. Mit dieser Klage hatte er weder vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe (Urteil vom 07.10.2015, 5 Ca 231/15) noch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg Erfolg (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.03.2016, 9 Sa 44/15).
BAG bestätigt seine Rechtsprechung zu den Rechtswirkungen eines verweisenden Tarifvertrags, der nur noch nachwirkt
Auch in Erfurt hatte der Kläger kein Glück. Das BAG wies seine Revision zurück.
Zur Begründung bezieht sich das BAG auf seine oben genannte Rechtsprechung, der zufolge ein nur noch nachwirkender Tarifvertrag, der auf andere Tarifverträge verweist, eine beschränkte Wirkung hat. Die Verweisung durch einen nachwirkenden Tarifvertrag ist nämlich ab dem Zeitpunkt, in dem die Nachwirkung beginnt, statisch. Künftige Änderungen der von dem Verweisungstarifvertrag erfassten Tarifverträge kommen daher den Arbeitnehmern nicht zugute, die sich (nur) auf den Verweisungstarifvertrag berufen können.
Bezogen auf den vorliegenden Fall ist das BAG der Meinung, dass die im Sommer 2010 getroffene arbeitsvertragliche Vereinbarung ausschließlich eine Bezugnahme auf den ATV enthielt, denn nur dieser Tarifvertrag wurde in der Bezugnahmeklausel erwähnt. Außerdem lag der ATV der arbeitsvertraglichen Vereinbarung als Anlage bei. Damit konnte sich der Kläger mit seiner Argumentation nicht durchsetzen, dass er einen vertraglichen Anspruch auf Bezahlung gemäß denjenigen Chemie-Tarifverträgen hatte, die im ATV genannt waren. Hierzu stellt das BAG klar:
„Durch diese Regelungstechnik haben die Arbeitsvertragsparteien festgelegt, dass sie die weitere Anwendbarkeit der tarifvertraglich in Bezug genommenen Flächentarifverträge von der Fortwirkung des individualvertraglich in Bezug genommenen ATV abhängig machen wollten. Dass die Regelungen der Flächentarifverträge - wie der Kläger meint - auch unabhängig vom ATV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden sollten, ist der individualvertraglichen Vereinbarung nicht zu entnehmen.“
Fazit: Es macht einen großen Unterschied, ob der Arbeitsvertrag eine Bezugnahmeklausel enthält, der zufolge die Lohntarifverträge einer bestimmten Branche in ihrer jeweiligen Fassung auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind, oder ob die Bezugnahmeklausel lediglich einen Firmen- bzw. Anerkennungstarifvertrag für anwendbar erklärt, der dann seinerseits auf bestimmte Flächen- bzw. Lohntarifverträge verweist. Denn von einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel kommt der Arbeitgeber nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers los, wohingegen der Arbeitnehmer keinen rechtlichen Einfluss auf die Fortgeltung eines Anerkennungstarifvertrags hat.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.3.2017, 4 AZR 462/16
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.02.2012, 4 AZR 8/10
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11.03.2016, 9 Sa 44/15
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Bezugnahmeklausel
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsvereinbarung
- Handbuch Arbeitsrecht: Insolvenz des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 17/230 Pacta sunt servanda - auch im Arbeitsrecht
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- Arbeitsrecht aktuell: 12/198 Tarifvertrag und Betriebsübergang
- Arbeitsrecht aktuell: 10/188 Bezugnahmeklauseln beenden Nachwirkung eines Tarifvertrags
- Arbeitsrecht aktuell: 08/119 Abschied von der Gleichstellungsabrede - Teil III
- Arbeitsrecht aktuell: 07/54 Abschied von der Gleichstellungsabrede - Teil II
- Arbeitsrecht aktuell: 07/10 Bundesarbeitsgericht verabschiedet „Gleichstellungsabrede“
Letzte Überarbeitung: 1. April 2019
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