Update Arbeitsrecht 03|2025 vom 31.03.2025
Entscheidungsbesprechungen
LAG Köln: Zeugnisse müssen nicht auf den Ausscheidenszeitpunkt datiert werden
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 05.12.2024, 6 SLa 25/24
Haben die Parteien keine anderen Vereinbarungen getroffen und geht es nicht um eine Zeugnisberichtigung, sind Zeugnisse unter dem Datum der tatsächlichen Ausfertigung zu erteilen.
§ 109 Gewerbeordnung (GewO); §§ 242, 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Rechtlicher Hintergrund
Arbeitnehmer haben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 109 Abs.1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis.
Das Zeugnis muss Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (einfaches Zeugnis). Auf Wunsch des Arbeitnehmers müssen auch Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis bewertet werden (qualifiziertes Zeugnis).
Zeugnisse müssen klar und verständlich formuliert sein (§ 109 Abs.2 Satz 1 GewO). Nach der Rechtsprechung müssen sie einerseits Wahrheit entsprechen, aber wohlwollend sein. Daher dürfen etwaige Minderleistungen nicht so deutlich angesprochen werden, dass das Zeugnis nachteilige Folgen für das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers haben kann.
Gemäß § 109 Abs.2 Satz 2 GewO dürfen Zeugnisse keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, mit denen verdeckte Aussagen über den Arbeitnehmer getroffen werden. Geheime Botschaften sind verboten.
Daher wäre es unzulässig, Formulierungen in ein Zeugnis aufzunehmen, aus denen hervorgeht, dass sich der Arbeitgeber von dem Zeugnisinhalt distanziert oder es gar nur deshalb erteilt, weil er dazu nach rechtlichen Auseinandersetzungen mit gerichtlicher Hilfe gezwungen wurde.
Einen solchen Hinweis hatte ein Berliner Arbeitgeber in ein Zeugnis aufgenommen, nachdem er sich in einem Kündigungsschutzprozess per Vergleich zur Zeugniserteilung nach den Vorgaben der Arbeitnehmerin verpflichtet hatte. Sein Zeugnis enthielt die Hinweise „i.A. des Arbeitsgerichts“ sowie „(Zeugnis erstellt durch Rechtsanwältin A)“. Das war ein klarer Verstoß gegen § 109 Abs.2 Satz 2 GewO, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 28.11.2023, 26 Ta 1198/23; s. dazu Update Arbeitsrecht 25|2023).
Vor diesem Hintergrund halten es die meisten Personaler und Arbeitnehmer für selbstverständlich, dass Zeugnisse unter dem Austrittsdatum erstellt werden müssen, d.h. dass die Datumsangabe auf dem Zeugnis dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses entsprechen muss. Denn andernfalls, d.h. bei einer späteren Datumsangabe, könnte der Leser des Zeugnisses auf die Idee kommen, dass sich die Parteien über das Zeugnis gestritten haben.
Dieser gängigen Meinung ist das LAG Köln in einer aktuellen Entscheidung entgegengetreten: LAG Köln, Urteil vom 05.12.2024, 6 SLa 25/24.
Sachverhalt
In einem vor dem Arbeitsgericht Aachen geführten Prozess einigten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.2023 und auf die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit der Note „gut“.
Der Vergleich wurde erst einen Monat nach der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen, nämlich am 28.03.2023. Er wurde zwei Wochen später - am 11.04.2023 - bestandskräftig.
In Erfüllung dieses Vergleichs erteilte der Arbeitgeber ein Zeugnis und notierte dort als Ausstellungsdatum „im April 2023“.
Damit war der Arbeitnehmer nicht einverstanden und klagte erneut, diesmal auf Berichtigung des erteilten Zeugnisses. Das Gericht sollte seinen (Ex-)Arbeitgeber verurteilen, das Zeugnis - Zug um Zug gegen Rückgabe des erteilten Zeugnisses - dahingehend zu berichtigen, dass es das Ausstellungsdatum 28.02.2023 trägt.
Das Arbeitsgericht Aachen wies die Klage ab. Denn der Arbeitgeber hatte den Zeugnisanspruch erfüllt, so dass er gemäß § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen war (Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 07.12.2023, 1 Ca 2444/23).
Entscheidung des LAG Köln
Das LAG Köln wies die Berufung des Arbeitnehmers zurück. Zur Begründung heißt es:
Das vom Kläger vorgebrachte Argument, der Zeitpunkt für die Beurteilung von Leistung und Verhalten sei der letzte Arbeitstag, ist nicht überzeugend. Denn auch das Verhalten an diesem letzten Arbeitstag kann noch Gegenstand der Beurteilung sein, so das LAG.
Außerdem tritt die Fälligkeit des Zeugnisanspruchs erst ein, wenn sich der Arbeitnehmer entschieden hat, ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis zu verlangen. Dieses Wahlrecht hatte der Arbeitnehmer im Streitfall aber erst mit Abschluss des gerichtlichen Vergleichs vom 28.03.2023 ausgeübt.
Zudem lag das Datum des streitigen Zeugnisses („im April 2023“) nicht so lange nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 28.02.2023, dass das Zeugnis dadurch entwertet werden könnte. Ein Zeitraum von etwa vier bis acht Wochen wie im Streitfall ist kein Problem, so das LAG. Eine so geringe Verzögerung kann durch Arbeitsdichte, Krankenstand oder Urlaubszeit entstanden sein.
Daher schließt sich das LAG der Meinung des Arbeitsgerichts an, dass die im Zeugnis enthaltene Datumsangabe im Streitfall dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entsprach. Das Ausstellungsdatum eines Zeugnisses muss - und kann daher - im Allgemeinen dem Datum seiner Ausfertigung entsprechen, so das LAG.
Ausnahmen von dieser Regel will das LAG nur bei der Zeugnisberichtigung gelten lassen und in dem Fall, dass sich die Parteien auf einen bestimmten Zeugnisinhalt - nebst Datum - geeinigt haben.
Praxishinweis
Das Urteil des LAG Köln weicht zwar von der üblichen Praxis der Zeugniserteilung ab, ist aber rechtlich überzeugend.
Arbeitnehmer und ihre Anwälte sollten daher bei Aufhebungsverträgen und gerichtlichen Vergleichen auf die Klarstellung achten, dass das Zeugnis unter dem Ausscheidensdatum als Ausfertigungsdatum erteilt werden muss.
Denn unabhängig von der rechtlichen Argumentation des LAG Köln ist es üblich, dass Austrittsdatum und Ausstellungsdatum eines (guten) Zeugnisses überreinstimmen. Eine Abweichung fällt daher jedenfalls aus dem Rahmen.
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 05.12.2024, 6 SLa 25/24
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.11.2023, 26 Ta 1198/23
Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag
Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung des Arbeitsvertrags (Überblick)
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