Update Arbeitsrecht 18|2024 vom 31.12.2024
Leitsatzreport
Arbeitsgericht Köln: Anspruch einer Gewerkschaft auf Unterlassung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern bei Streiks
Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 13.12.2024, 19 Ga 86/24
§§ 1004, 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); Art.9 Abs.3 Grundgesetz (GG); § 11 Abs.5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
Leitsatz der Redaktion:
Eine Gewerkschaft, die einen rechtlich zulässigen Streik führt, kann von dem bestreikten Arbeitgeber auf der Grundlage von § 11 Abs.5 Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) die Unterlassung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern in dem bestreikten Betrieb verlangen.
Hintergrund:
Gemäß § 11 Abs.5 Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) darf ein Entleiher Leiharbeitnehmer nicht tätig werden lassen, wenn sein Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Dies gilt gemäß § 11 Abs.5 Satz 2 AÜG ausnahmsweise nicht, wenn der Entleiher sicherstellt, dass Leiharbeitnehmer weder unmittelbar noch mittelbar mit Arbeiten beschäftigt werden, die bislang von streikenden Arbeitnehmern verrichtet wurden. In dem Fall des Arbeitsgerichts Köln hatte eine Gewerkschaft eine Verlagsgesellschaft im Eilverfahren auf Unterlassung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern verklagt. Der Antrag war zeitlich auf die Arbeitskampfmaßnahmen vom 09.12.2024 bis zum Ablauf des 13.12.2024 beschränkt (d.h. des Tags der gerichtlichen Entscheidung). Da die Verlagsgesellschaft im Verhandlungstermin am 13.12.2024 erklärte, dass man alle Leiharbeitnehmer für den Rest des Tages nach Hause geschickt habe, wies das Arbeitsgericht Köln die Klage ab, da sie unzulässig war. Denn die Gewerkschaft hatte für ihren Eilantrag kein Rechtschutzbedürfnis mehr. Außerdem war der Antrag teilweise zu unbestimmt. Trotzdem führt das Arbeitsgericht (nicht urteilstragend) aus, dass es den Anspruch der Gewerkschaft dem Grunde nach anerkennen würde. Denn das Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern für Streikbrucharbeiten in § 11 Abs.5 Satz 1 AÜG schützt die in Art.9 Abs.3 Grundgesetz (GG) garantierte Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft, die ein „sonstiges Recht“ im Sinne von § 823 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist. Außerdem ist § 11 Abs.5 Satz 1 AÜG ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs.2 BGB. Daher können Gewerkschaften auf der Grundlage einer sinngemäßen („analogen“) Anwendung von § 1004 BGB von bestreikten Arbeitgebern die Unterlassung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern zu Streikbrucharbeiten verlangen, falls dieser Einsatz gegen § 11 Abs.5 Satz 1 und 2 AÜG verstößt.
Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 13.12.2024, 19 Ga 86/24
Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit, Zeitarbeit)
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