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Absicherung der SOKA-Bau-Tarifverträge per Gesetz
17.02.2017. Mit seinen Beschlüssen vom 21.09.2016 (10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15) und vom 25.01.2017 (10 ABR 43/15 und 10 ABR 34/15) hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Allgemeinverbindlichkeit (AVE) der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes für die Jahre 2008, 2010 sowie 2012 bis 2014 beseitigt und die Bau-Sozialkassen damit in Bedrängnis gebracht.
Mittlerweile hat der Gesetzgeber reagiert und im Schnellverfahren die Allgemeinverbindlichkeit dieser Tarifverträge wieder hergestellt, nämlich rückwirkend per Gesetz: Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz - SokaSiG).
- Die Beschlüsse des BAG zur Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) der SOKA-Bau-Tarifverträge und ihre Folgen
- Inhalt des SokaSiG
- Viel pro und wenig contra im Gesetzgebungsverfahren
- Verbotene Gesetzesrückwirkung durch das SokaSiG?
- Bau-Tarifpartner und Arbeitgeberverbände des handwerklichen Baunebengewerbes rauchen angeblich die Friedenspfeife
- Fazit: Das SokaSiG führt zur Rechtssicherheit für die Sozialkassen, aber (noch) nicht unbedingt für Arbeitgeber des handwerklichen Baunebengewerbes
Die Beschlüsse des BAG zur Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) der SOKA-Bau-Tarifverträge und ihre Folgen
Nach der bis zum August 2014 geltenden alten Fassung (a.F.) von § 5 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Tarifvertragsgesetz (TVG) konnte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen Tarifvertrag nur dann für allgemeinverbindlich erklären und seine Rechtsnormen dadurch auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber und deren Arbeitnehmer erstrecken, wenn die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigten, die „unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags" fielen. Tarifgebunden sind Arbeitgeber, die als Mitglieder des Arbeitgeberverbandes oder als Tarifvertragspartei einen Tarifvertrag anwenden müssen (§ 3 Abs.1 TVG).
Die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) ist bei den Tarifverträgen über die Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA Bau) besonders wichtig, denn sie sind gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, die nur dann funktionieren, wenn sich alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Baubranche daran beteiligen. Das gilt für die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse (ULAK), die mit den Arbeitgeberbeiträgen Urlaubsleistungen und Berufsbildungszuschüsse finanziert, ebenso wie für die Zusatzversorgungskasse (ZVK), die für zusätzliche Rentenleistungen zuständig ist. Welche Betriebe Beiträge zur ULAK und zur ZVK abführen müssen, ist im Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) geregelt.
Mit seinen Beschlüssen vom 21.09.2016 (10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15) und vom 25.01.2017 (10 ABR 43/15 und 10 ABR 34/15) kippte das BAG die AVEen der SOKA-Bau-Tarifverträge für die Jahre 2008, 2010 sowie 2012 bis 2014. Begründet wurden diese Entscheidungen damit, dass das BMAS die Anzahl der Arbeitnehmer, die in tarifgebundenen Betrieben beschäftigt waren, falsch berechnet hatte. Außerdem, so das BAG, hätte der Arbeitsminister bzw. die Arbeitsministerin persönlich über die AVEen entscheiden müssen, was aber in den fraglichen Jahren nicht geschehen ist (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 17/039 Soka-Bau-Tarifverträge unwirksam).
Die laut BAG fehlerhafte Berechnung des 50-Prozent-Quorums begründete das BAG damit, dass die allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge einen (wesentlich) größeren Geltungsbereich hatten als vom BMAS bei den AVEen angenommen. Denn viele an sich unter die SOKA-Bau-Tarifverträge fallenden Betriebe werden traditionell von dem Antrag auf AVE herausgenommen, was sich in der sog. "Großen Einschränkungsklausel" widerspiegelt, die Bestandteil jeder AVE ist.
So fallen z.B. Betriebe des Garten- und Landschaftsbaus (GaLa-Betriebe) unter den Geltungsbereich der SOKA-Bau-Tarife, wenn sie mit mehr als 50 Prozent ihrer Gesamtarbeitszeit Bauleistungen erbringen, also z.B. Wege pflastern oder Erdarbeiten ausführen. Sie werden aber infolge der Großen Einschränkungsklausel bereits dann von der AVE ausgenommen (obwohl sie an sich unter die Tarifverträge fallen), wenn sie mindestens zu 20 Prozent Grünarbeiten verrichten und Mitglied in einem GaLa-Arbeitgeberverband sind. Somit werden GaLa-Betriebe, die unter den Geltungsbereich der SOKA-Bau-Tarifverträge fallen (weil sie mit mehr als 50 Prozent der Arbeitszeit Bauleistungen erbringen) trotz ihrer maximal 80 Prozent Bauleistungen von der AVE ausgenommen, wenn sie in einem GaLa-Arbeitgeberverband organisiert sind.
Und da das BMAS bei der Berechnung des 50-Prozent-Quorums nur diejenigen Betriebe berücksichtigte, die unter Berücksichtigung der Großen Einschränkungsklausel unter die allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge fielen, war die Gesamtzahl der Betriebe bzw. der bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer (viel) zu gering gegriffen. Das wiederum hatte zur Folge, dass man rechnerisch leichter zu dem Ergebnis kam, dass mindestens 50 Prozent dieser (zu klein geschätzten) Zahl aller Bau-Arbeitnehmer in tarifgebundenen Betrieben beschäftigt ist. Hier lag der Fehler, so das BAG.
Infolge der BAG-Beschlüsse mussten sich die ULAK und die ZVK auf Beitragsrückforderungen gefasst machen. Solche Forderungen konnten im Prinzip alle nicht tarifgebundenen Arbeitgeber für die Jahre 2008, 2010 und 2012 bis 2014 stellen, denn sie hatten nur deshalb (und oft zähneknirschend) Beiträge abgeführt, weil sie von den AVEen betroffen waren.
Ob die drohenden Beitragsrückforderungen allerdings in die Milliarden gehen würden, ist fraglich, da ein großer Teil der Beiträge nur die laufende Bezahlung von Urlaubsansprüchen sichert. Die ULAK verwaltet nämlich die Urlaubsbeiträge treuhänderisch und zahlt die Gelder wieder aus, wenn ein Baubetrieb einem Arbeitnehmer Urlaub gewährt und dafür Geld braucht. Daher dürfte ein erheblicher Teil der zu Unrecht abgeführten Beiträge im Laufe der vergangenen Jahre bereits wieder an die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber zurückgeflossen sein.
Inhalt des SokaSiG
Das Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz (SokaSiG) besteht im Wesentlichen darin, dass diejenigen Sozialkassentarifverträge, deren Allgemeinverbindlichkeit vom BAG verneint wurde oder deren Allgemeinverbindlichkeit von weiteren BAG-Entscheidungen bedroht ist, vom Gesetz selbst für allgemein verbindlich erklärt werden. Daher hat das SokaSiG zwar nur einige wenige Paragraphen, listet dafür aber in 36 Anlagen die vom Gesetz "geretteten" Tarifverträge einzeln auf. Deren Rechtsnormen werden durch die Verweisungs-Paragraphen des SokaSiG beginnend mit dem 01.01.2006 für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber in jeweiligen Geltungsbereich rechtsverbindlich gemacht.
Die Verweisungen beziehen sich zum größten Teil rückwirkend auf Tarifverträge, die für vergangene Jahre Geltung besaßen und die mittlerweile durch Folge-Tarifverträge ersetzt wurden. So heißt es z.B. in § 7 Abs.2 SokaSiG:
"Für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2015 gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 in der aus der Anlage 27 ersichtlichen Fassung in seinem Geltungsbereich für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer."
Auch die o.g. Große Einschränkungsklausel hat das SokaSiG übernommen, nämlich in einer 37. und letzten Anlage zu § 10 SokaSiG. In dieser Gesetzesanlage finden sich die aus der Vergangenheit bekannten betrieblichen Einschränkungen der Allgemeinverbindlichkeit der SOKA-Bau-Tarifverträge. Von diesen Einschränkungen profitieren Betriebe, die nur nebenher Bauleistungen erbringen und daher nicht in Bau-Arbeitgeberverbänden organisiert sind, sondern in anderen Arbeitgeberverbänden wie z.B. denen des Garten- und Landschaftsbaus.
Darüber hinaus stellt das SokaSiG vorsorglich klar, dass es für die Rechtsnormen der 36 in Bezug genommenen Tarifverträge nicht darauf ankommt, ob sie wirksam abgeschlossen wurden (§ 11 SokaSiG). Das ist konsequent, denn wenn die Rechtsnormen der vom SokaSiG in Bezug genommenen Tarifverträge ohnehin kraft Gesetzes gelten sollen, kommt es dafür auf das Zustandekommen der Tarifverträge nicht (mehr) an.
Außerdem lässt das SokaSiG die AVEen von SOKA-Bau-Tarifverträgen unangetastet (§ 13 SokaSiG). Das SokaSiG ersetzt also nicht die AVEen von Bau-Tarifverträgen, die aufgrund der BAG-Entscheidungen rechtskräftig gekippt oder zweifelhaft sind, sondern es flankiert bzw. unterstützt die AVEen nur. Auch für künftige Tarifverträge trifft das SokaSiG keine Regelung, denn dann soll die Allgemeinverbindlichkeit wieder durch eine ministerielle AVE angeordnet werden.
Das SokaSiG wurde am 26.01.2017 vom Bundestag in dritter Lesung verabschiedet und tritt am Tag nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt (die derzeit noch auf sich warten lässt) in Kraft.
Viel pro und wenig contra im Gesetzgebungsverfahren
Die im Ausschuss für Arbeit und Soziales geäußerten Meinungen zum SokaSiG unterstützten das Gesetzesvorhaben praktisch durch die Bank (Deutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Materialien, Drucks. 18(11)902, 20.01.2017).
In diesem Sinne einig waren sich insbesondere der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), die Tarifparteien des Baugewerbes und die Arbeitsrechtler Prof. Preis und Prof. Bayreuther. Und auch alle im Bundestag vertretenen Parteien bzw. Fraktionen waren einträchtig der Meinung, dass die rückwirkende Absicherung der vom BAG gekippten SOKA-Bau-Tarifverträge für den Bestand der Bausozialkassen unabdingbar ist (Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung vom 25.01.2017, S.8 bis 10).
Einziger "Störenfried" war der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH), der sich schon an den vom BAG entschiedenen Gerichtsverfahren mit dem Ziel beteiligt hatte, die ungeliebten AVEen der SOKA-Bau-Tarifverträge gerichtlich zu beseitigen. Dementsprechend lehnte der ZVEH das SOKASiG rundweg ab (Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung vom 25.01.2017, S.6). Seiner Meinung nach verstößt das Gesetz gegen das Verbot der Rückwirkung von Gesetzen und gegen die Gewaltenteilung, weil es die BAG-Beschlüsse konterkariert. Außerdem seien die Sozialkassen des Baugewerbes infolge der BAG-Entscheidungen gar nicht in ihrem Bestand gefährdet. Sie hätten genug Geld, um Beitragsrückforderungen ohne Existenzgefährdung zu erfüllen.
Hintergrund dieser geradezu feindseligen Haltung des ZVEH gegenüber der SOKA Bau und ihren Beitragsforderungen ist das Übergreifen der SOKA-Bau-Tarifverträge auf Betriebe des Holzgewerbes, des Metallgewerbes, des Sanitärgewerbes und des Elektrogewerbes. Aus Sicht des ZVEH gehören diese Branchen, in denen mit etwa 1,1 Mio. Arbeitnehmern mehr Menschen beschäftigt sind als auf dem Bau, nicht zum Baugewerbe.
Außerdem haben sie eigene Arbeitgeberverbände, die (zumindest teilweise) ehrenwerte Tarifverträge abschließen, nämlich mit der IG Metall. Anders als im Baugewerbe brauchen die Betriebe dieser Gewerbe keine Tarifvorschriften zur Winterbeschäftigungsförderung, denn sie arbeiten im Unterschied zum Bau ganzjährig. Auch eine Urlaubsumlagekasse - wie im Baugewerbe die ULAK - ist hier aus Sicht des ZVEH nicht erforderlich, weil es in diesen Gewerbezweigen nicht so oft wie auf dem Bau zum Arbeitgeberwechsel kommt (Deutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Materialien, Drucks. 18(11)902, S.41).
Verbotene Gesetzesrückwirkung durch das SokaSiG?
Da das SokaSiG viele Tarifverträge für vergangene Jahre wieder allgemeinverbindlich in Geltung setzt, hat es Rückwirkung im engeren Sinne, was im Allgemeinen verbotenen ist. Denn im Allgemeinen sollten die Bürger in einem Rechtsstaat davor sicher sein, durch rückwirkende Gesetze belastet zu werden.
Allerdings gibt es auch von diesem "Rückwirkungsverbot" Ausnahmen, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) anerkannt sind. Eine dieser Ausnahmen ist eine überraschende Änderung der Rechtsprechung, die zu Rechtsunsicherheit in einer Vielzahl von Einzelfällen führt (BVerfG, Beschluss vom 12.06.1986, 2 BvL 5/80). In einem solchen Fall kann der Gesetzgeber die eingetretene Rechtsunsicherheit auch mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigen. Unter Berufung auf diese Rechtsprechung kommt der Sachverständige Prof. Preis in der Anhörung vor dem Ausschuss zu dem Ergebnis, dass das SokaSiG nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstößt und auch im Übrigen verfassungsgemäß ist (Deutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Materialien, Drucks. 18(11)902, S.15 bis 17).
Hinzu kommt, dass diejenigen Arbeitgeber, die nur aufgrund der AVE der Soka-Bau-Tarifverträge betragspflichtig waren, bis zu den überraschenden BAG-Entscheidungen vom 21.09.2016 nicht darauf vertrauen durften, keine Beiträge zahlen zu müssen. Und da der Bundestag bereits Anfang Dezember 2016 mit dem Entwurf eines SokaSiG reagierte, konnte bei den betroffenen Firmen in einer so kurzen Zeit auch kein berechtigtes Vertrauen darauf entstehen, dass es bei den Entscheidungen des BAG vom 21.09.2016 bleiben würde.
Bau-Tarifpartner und Arbeitgeberverbände des handwerklichen Baunebengewerbes rauchen angeblich die Friedenspfeife
In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 25.01.2017 ist davon die Rede, "dass die Tarifvertragsparteien im Bauhaupt- und Baunebengewerbe die seit vielen Jahren umstrittene Abgrenzung der fachlichen tariflichen Zuständigkeiten überprüfen." Demzufolge haben sich die Bautarifvertragsparteien dazu verpflichtet, "beim nächsten Allgemeinverbindlicherklärungs-Verfahren eine Abgrenzung entlang der Kriterien Mitgliedschaft und Fachlichkeit vorzunehmen." (Beschlussempfehlung, S.8)
So etwas hört man gerne in Berlin, denn dann muss man nicht selbst aktiv werden. Dementsprechend ging die Mehrheit des Ausschusses "davon aus, dass damit die Abgrenzungsschwierigkeiten künftig weitestgehend ausgeräumt werden können." Vorsichtshalber forderte die Mehrheit des Ausschusses
"die Verbände auf, das vereinbarte Konsultationsverfahren in Konfliktfällen über eine Einbeziehung in das Sozialkassenverfahren zeitnah auszugestalten. Die Einigkeit der Verbände, dass SOKA-Bau künftig die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, wird begrüßt." (Beschlussempfehlung, S.8)
Ob die SOKA-Bau-Tarifverträge künftig wirklich das handwerkliche Baunebengewerbe von ihrem Geltungsbereich aussparen, ist fraglich, denn die Arbeitgeberverbände des Baunebengewerbes sind hier letztlich machtlos. Denn nicht sie, sondern allein die Tarifparteien der SOKA-Bau-Tarifverträge bestimmen über deren betrieblichen Geltungsbereich, und auch nur die Bau-Tarifparteien entscheiden bei ihrem Antrag auf AVE über den Wortlaut der "Großen Einschränkungsklausel".
Für eine wirkliche Einigung in der Sache spricht aber, dass nach einer Anfang Februar 2017 bekannt gewordenen Meldung auch die IG Metall an der Einigung zur Abgrenzung des Geltungsbereichs der SOKA-Bau-Tarifverträge beteiligt war. Sollte sich die IG Bau daran nicht halten, droht ernster Streit zwischen zwei DGB-Gewerkschaften.
Fazit: Das SokaSiG führt zur Rechtssicherheit für die Sozialkassen, aber (noch) nicht unbedingt für Arbeitgeber des handwerklichen Baunebengewerbes
Das SokaSiG führt zur Rechtssicherheit für die Bau-Sozialkassen, denn die auf sie zurollende Prozesslawine bleibt ihnen erspart. Sie haben auch für die Jahre 2006 bis 2014 ihre Beiträge auf der Grundlage der vom BAG gekippten AVEen im Ergebnis zurecht erhoben und müssen sie nicht zurückerstatten, da die umstrittenen Tarifverträge jetzt infolge des SokaSiG allgemeinverbindlich sind.
Ob der verbissen hinter verschlossenen Türen geführte Streit zwischen den beteiligten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden des Baugewerbes einerseits und des Baunebengewerbes andererseits damit beigelegt ist, wird die nächste AVE zeigen. Sollten die Tarifparteien des Baugewerbes hier großzügig verfahren und das Holz-, das Metall-, das Sanitär- und das Elektrogewerbe in die Große Einschränkungsklausel aufnehmen und damit aus dem Geltungsbereich der SOKA-Bau-Tarife ausklammern, wäre damit der eigentliche Streit beigelegt, der zu den BAG-Beschlüssen vom September 2016 und Januar 2017 geführt hatte.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz - SokaSiG), Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, vom 13.12.2016, Bundestag Drucks. 18/10631
- Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Entwurf der CDU/CSU und der SPD eines SokaSiG, vom 25.01.2017, Bundestag Drucks. 18/11001
- Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht der 215. Sitzung vom 26.01.2017, S.21588
- Deutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Materialien zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. Januar 2017 zum Entwurf eines SokaSiG, Ausschussdrucksache 18(11)902, vom 20.01.2017
- Meistertipp.de, 07.02.2017: Baunebengewerbe einigt sich mit Soka-Bau (Roland Riethmüller)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.09.2016, 10 ABR 33/15 (betr. AVE VTV 2008 und 2010)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.01.2017, 10 ABR 43/15 (BAG-Pressemeldung, betr. AVE VTV 2012)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.01.2017, 10 ABR 43/15
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.01.2017, 10 ABR 34/15 (BAG-Pressemeldung, betr. AVE VTV 2013)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.01.2017, 10 ABR 34/15
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.09.2016, 10 ABR 48/15 (betr. AVE VTV 2014)
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 17/039 Soka-Bau-Tarifverträge unwirksam
- Arbeitsrecht aktuell: 14/299 Änderungen des Tarifvertragsgesetzes, des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes
- Arbeitsrecht aktuell: 09/161 Neuer Mindestlohn für Baubranche und Maler- und Lackiererhandwerk
Einige Bekanntmachungen über Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE) von Tarifverträgen für das Baugewerbe können Sie hier nachlesen:
- BMAS, Bekanntmachung der AVE vom 29.05.2013 (Bundesrahmentarifvertrag - BRTV)
- BMAS, Bekanntmachung der AVE vom 25.10.2013 (Sozialkassenverfahren - VTV, mit Großer Einschränkungsklausel)
- BMAS, Bekanntmachung der AVE vom 06.07.2015 (Bundesrahmentarifvertrag - BRTV, mit Großer Einschränkungsklausel)
- BMAS, Bekanntmachung der AVE vom 06.07.2015 (Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe - BBTV)
- BMAS, Bekanntmachung der AVE vom 06.07.2015 (Sozialkassenverfahren - VTV)
- BMAS, Bekanntmachung der AVE vom 06.07.2015 (Tarifvertrag über eine zusätzliche Altersversorgung im Baugewerbe - TZA Bau)
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Die vollständig begründeten Urteile des BAG finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.01.2017, 10 ABR 43/15
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.01.2017, 10 ABR 34/15
Letzte Überarbeitung: 13. November 2020
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