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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 18|2022

Update Arbeitsrecht 18|2022 vom 07.09.2022

Leitsatzreport

LAG Mecklenburg-Vorpommern: Sittenwidrigkeit der Vergütung wegen Unterschreitung des Tarif- oder ortsüblichen Lohns

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.07.2022, 5 Sa 284/21

Leitsätze des Gerichts:

1. Von der Üblichkeit der Tarifvergütung kann ohne weiteres ausgegangen werden, wenn mehr als 50 % der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen.

2. Wirtschaftsgebiet ist bei ortsgebunden tätigen Unternehmen regelmäßig der räumliche Bereich, in dem die Betriebsstätte liegt und aus dem der wesentliche Teil des Personals stammt.

3. Der räumliche Geltungsbereich eines Flächentarifvertrages kann über ein bestimmtes Wirtschaftsgebiet hinausgehen.

Hintergrund:

Eine bei der Verpackung und Getränkeabfüllung eingesetzte Brauereimitarbeiterin hatte auf angebliche Lohnrückstände für Oktober, November und Dezember 2020 geklagt. Der damalige Mindestlohn betrug 9,35 EUR brutto pro Stunde. Der - nicht tarifgebundene - Betreiber der Brauerei zahlte einen Stundenlohn von 10,10 EUR brutto zzgl. einer Zulage von 0,25 brutto pro Stunde. Im November 2020 gab es außerdem ein Weihnachtsgeld von 859,61 EUR brutto. Für Nachtarbeitszeiten wurden Zuschläge von 25 Prozent gezahlt. Die Klägerin meinte, dass ihr Lohn angeblich (objektiv) sittenwidrig gering sei im Sinne von § 138 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), hatte damit aber weder vor dem Arbeitsgericht Stralsund (Urteil vom 17.11.2021, 11 Ca 38/21) noch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern Erfolg (Urteil vom 26.07.2022, 5 Sa 284/21). Ihr Argument, dass der von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ausgehandelte Lohntarifvertrag bzw. die darin enthaltenen Tariflöhne von Brauereien in Mecklenburg-Vorpommern üblicherweise bezahlt würden, stimmte nicht, so das LAG. Tatsächlich fielen nur etwa 23 Prozent der mecklenburgischen Brauereiarbeitnehmer unter diesen Tarifvertrag. Daher konnte sich die Klägerin nur auf das allgemeine Lohnniveau als Vergleichsmaßstab berufen. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich für Ungelernte im Jahr 2020 in Mecklenburg-Vorpommern lag zwischen 12,02 EUR und 12,38 EUR brutto, so das LAG unter Verweis auf statistische Veröffentlichungen. Sittenwidrig gering im Sinne von § 138 Abs.1 BGB wäre der Lohn der Klägerin nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) daher nur gewesen, wenn er diesen Lohn um mehr als ein Drittel unterschritten hätte, d.h. unter 8,25 EUR gelegen hätte. Das war nicht der Fall.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.07.2022, 5 Sa 284/21

 

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