HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

HANDBUCH ARBEITSRECHT

Min­dest­lohn

In­for­ma­tio­nen zum The­ma Min­dest­lohn: Hen­sche Rechts­an­wäl­te, Kanz­lei für Ar­beits­recht
Mindestlohn, Arbeitnehmer arbeiten auf Euro-Münzen

Le­sen Sie hier, wem der Min­dest­lohn von 12,00 EUR nach dem Min­dest­l­ohn­ge­setz (Mi­LoG) zu­steht und wie der Min­dest­lohn­an­spruch ab­ge­si­chert ist.

Im Ein­zel­nen fin­den Sie In­for­ma­tio­nen zu der Fra­ge, wann der all­ge­mei­ne ge­setz­li­che Min­dest­lohn ge­gen­über bran­chen­be­zo­ge­nen Min­dest­löh­nen nach dem Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz (AEntG) und ge­gen­über nor­ma­len Lohn­ta­rif­ver­trä­gen Vor­rang hat, wann trotz Zah­lung des Min­dest­lohns Lohn­wu­cher vor­liegt und wie Min­dest­lohn­an­spruch recht­lich vor Aus­schluss­fris­ten und vor­ei­li­gen Ver­zichts­er­klä­run­gen ge­schützt ist.

von Rechts­an­walt Dr. Mar­tin Hen­sche, Fach­an­walt für Ar­beits­recht, Ber­lin

Was ver­steht man un­ter ei­nem Min­dest­lohn?

Mit Min­dest­lohn ist ein Lohn ge­meint,

nicht rechts­wirk­sam un­ter­schrei­ten können.

Wie die Be­zeich­nung "Min­destlohn" deut­lich macht, setzt ein Min­dest­lohn nach oben hin kei­ne Gren­ze, d.h. er kann (natürlich) über­schrit­ten wer­den.

Ein Min­dest­lohn ist mit an­de­ren Wor­ten ei­ne ver­trag­lich nicht abänder­ba­re ("nicht dis­po­si­ti­ve") Lohn­un­ter­gren­ze, d.h. ei­ne Lohn­un­ter­gren­ze, die nicht zur Ver­hand­lung ("Dis­po­si­ti­on") der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en oder der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en steht.

Min­destlöhne können für be­stimm­te Bran­chen und kon­kre­te be­ruf­li­che Tätig­kei­ten gel­ten (Bran­chen-Min­destlöhne) oder aber für ein ge­sam­tes Wirt­schafts­ge­biet (all­ge­mei­ner Min­dest­lohn).

War­um sind Lohn­un­ter­gren­zen not­wen­dig?

Min­destlöhne sind ei­ne Ant­wort auf ein Markt­ver­sa­gen: Vie­le Ar­beit­neh­mer können mit dem Mit­tel des „frei aus­ge­han­del­ten" Ar­beits­ver­trags kei­nen aus­rei­chend ho­hen Lohn durch­set­zen, d.h. ih­re Ver­hand­lungs­macht ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber ist auf­grund der Ar­beits­markt­la­ge zu ge­ring. Fak­tisch gibt es dann oft gar kein "Ver­han­deln" über die Lohnhöhe, son­dern der Ar­beit­ge­ber gibt den Lohn ein­sei­tig vor und kann dar­auf ver­trau­en, dass es ge­nug Be­wer­ber gibt, die die­ses An­ge­bot ak­zep­tie­ren.

Würde man sol­che ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Dum­pinglöhne nicht nach oben hin kor­ri­gie­ren, müss­ten sich Ar­beit­neh­mer trotz voll­zei­ti­ger Tätig­keit mit ei­nem Ein­kom­men ab­fin­den, von dem sie nicht le­ben können. Dann müss­te der Staat mit ergänzen­den So­zi­al­leis­tun­gen ein­sprin­gen. Min­destlöhne sol­len das ver­hin­dern. 

Min­destlöhne be­schränken da­her die Frei­heit des Ar­beits­ver­trags in Be­zug auf die Lohnhöhe nach un­ten hin. Können Min­destlöhne auch durch ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lun­gen nicht un­ter­schrit­ten wer­den, be­gren­zen sie auch die Ta­rif­ver­trags­frei­heit.

Ab wann gilt der ge­setz­li­che Min­dest­lohn auf der Grund­la­ge des Min­dest­l­ohn­ge­set­zes (Mi­LoG)?

Al­le Ar­beit­neh­mer, die in Deutsch­land ar­bei­ten, konn­ten ab An­fang 2015 gemäß § 1 Abs.1 und 2 Min­dest­l­ohn­ge­setz (Mi­LoG) ei­nen ge­setz­li­chen Min­dest­lohn von ursprüng­lich 8,50 EUR brut­to pro St­un­de ver­lan­gen.

Die­ser Min­dest­lohn wur­de zu An­fang 2017 an­ge­ho­ben und be­trug bis En­de 2018 8,84 EUR brut­to pro St­un­de. Rechts­grund­la­ge ist die Ver­ord­nung zur An­pas­sung der Höhe des Min­dest­lohns (Min­dest­lohn­an­pas­sungs­ver­ord­nung - MiL­oV), vom 15.11.2016.

Ei­ne wei­te­re An­he­bung des Min­dest­lohns galt ab dem 01.01.2019. Da­nach be­trug der Min­dest­lohn von Ja­nu­ar bis De­zem­ber 2019 9,19 EUR und von Ja­nu­ar bis De­zem­ber 2020 9,35 EUR. Rechts­grund­la­ge ist die Zwei­te Ver­ord­nung zur An­pas­sung der Höhe des Min­dest­lohs (Zwei­te Min­dest­lohn­an­pas­sungs­ver­ord­nung - MiLoV2), vom 13.11.2018.

Im Ju­ni 2020 hat die Min­dest­lohn­kom­mis­si­on ei­ne mehr­stu­fi­ge An­pas­sung des Min­dest­lohns vor­ge­schla­gen, die die Bun­des­re­gie­rung mit der Drit­ten Ver­ord­nung zur An­pas­sung des Min­dest­lohns (Drit­te Min­dest­lohn­an­pas­sungs­ver­ord­nung - MiLoV3), vom 09.11.2020, um­ge­setzt hat.

Da­nach be­trug der Min­dest­lohn 9,50 EUR (von Ja­nu­ar 2021 bis Ju­ni 2021), dann 9,60 EUR (von Ju­li 2021 bis De­zem­ber 2021), da­nach 9,82 EUR (von Ja­nu­ar 2022 bis Ju­ni 2022), so­dann 10,45 EUR (von Ju­li 2022 bis Sep­tem­ber 2022) und seit Ok­to­ber 2022 12,00 EUR.

Seit An­fang 2015 hat sich der all­ge­mei­ne Min­dest­lohn in Deutsch­land wie folgt ent­wi­ckelt:

  • Ab 01.01.2015: 8,50 EUR
  • Ab 01.01.2017: 8,84 EUR
  • Ab 01.01.2019: 9,19 EUR
  • Ab 01.01.2020: 9,35 EUR
  • Ab 01.01.2021: 9,50 EUR
  • Ab 01.07.2021: 9,60 EUR
  • Ab 01.01.2022: 9,82 EUR
  • Ab 01.07.2022: 10,45 EUR
  • Ab 01.10.2022: 12,00 EUR

Die im "Co­ro­na-Som­mer" 2020 von der Kom­mis­si­on be­schlos­se­ne vier­stu­fi­ge An­he­bung von An­fang 2021 (auf 9,50 EUR) bis Mit­te 2022 (10,45 EUR) soll in den Jah­re 2020 und 2021 den Geld­beu­tel der Ar­beit­ge­ber noch et­was scho­nen, um der Wirt­schaft Zeit zu ge­ben, die Fol­gen der Co­ro­na-Kri­se zu über­win­den. Der deut­lich größere An­stieg von 9,82 EUR auf 10,45 EUR (Ju­li 2022) und auf 12,00 EUR (Ok­to­ber 2022) fand dann im Jahr 2022 statt.

Der An­stieg von 10,45 EUR auf 12,00 EUR wur­de durch ei­ne Ge­set­zesände­rung vor­ge­nom­men, d.h. die­sen (von der SPD im Bun­des­tags­wahl­kampf 2021 ver­spro­che­nen) An­stieg hat nicht die Bun­des­re­gie­rung auf Vor­schlag der Min­dest­lohn­kom­mis­si­on vor­ge­nom­men, son­dern der Bun­des­tag. 

Für wen gilt der ge­setz­li­che Min­dest­lohn auf der Grund­la­ge des Min­dest­l­ohn­ge­set­zes (Mi­LoG)?

Der ak­tu­el­le Min­dest­lohn von 12,00 EUR gilt grundsätz­lich

  • für al­le Bran­chen,
  • für die al­ten wie für die neu­en Länder und
  • für deut­sche und ausländi­sche Ar­beit­neh­mer.

Der Min­dest­lohn gilt da­ge­gen nicht für freie Dienst­ver­trags­neh­mer und für Werk­un­ter­neh­mer, denn sie ar­bei­ten selbständig und da­mit auf ih­re ei­ge­ne Ver­ant­wor­tung.

Han­delt es sich bei den Dienst­ver­trags­neh­mern oder Werk­un­ter­neh­mern al­ler­dings nur dem Schein nach um selbständi­ge Er­werbstäti­ge, die in Wahr­heit so­zi­al abhängig und da­her Ar­beit­neh­mer sind, können sol­che Schein­selbständi­gen natürlich eben­falls den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn von 12,00 EUR brut­to ver­lan­gen.

Ar­beit­ge­ber, die den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn nicht zah­len, ver­s­toßen ge­gen ei­ne ge­setz­li­che Pflicht (§ 20 Mi­LoG) und ris­kie­ren ein Bußgeld von bis zu 30.000,00 EUR § 21 Abs.2 und 3 Mi­LoG).

Der An­spruch auf den Min­dest­lohn gemäß § 1 Mi­LoG ist ein ei­genständi­ger ge­setz­li­cher An­spruch, der ne­ben ar­beits­ver­trag­li­che und/oder ta­rif­ver­trag­li­che Lohn­ansprüche tritt, wo­bei der Ar­beit­ge­ber die ne­ben­ein­an­der ste­hen­den Lohn­ansprüche in Höhe des Min­dest­lohn­an­spruchs natürlich nur ein­mal erfüllen muss.

Zahlt der Ar­beit­ge­ber z.B. 15,00 EUR Ta­rif­lohn, erfüllt er durch ei­nen Teil die­ser Zah­lung (in Höhe von der­zeit 12,00 EUR) so­wohl den Min­dest­lohn­an­spruch als auch den ta­rif­li­chen bzw. ar­beits­ver­trag­li­chen Lohn­an­spruch und mit den übri­gen 3,00 EUR al­lein den ta­rif­li­chen bzw. ar­beits­ver­trag­li­chen Lohn­an­spruch.

Können auch Prak­ti­kan­ten den Min­dest­lohn von 12,00 EUR ver­lan­gen?

Gemäß § 22 Abs.1 Satz 2 Mi­LoG gilt der ge­setz­li­che Min­dest­lohn im Prin­zip auch für Prak­ti­kan­ten. Prak­ti­kan­ten sind Be­triebs­an­gehöri­ge, die be­ruf­li­che Er­fah­run­gen sam­meln sol­len, da­bei al­ler­dings we­der Ar­beit­neh­mer noch Aus­zu­bil­den­de sind (§ 26 Be­rufs­bil­dungs­ge­setz - BBiG, § 22 Abs.1 Satz 3 Mi­LoG ).

Ei­ne ge­ne­rel­le Pflicht, auch Prak­ti­kan­ten 12,00 EUR brut­to zu zah­len, würde vie­le Un­ter­neh­men aber da­von ab­hal­ten, Prak­ti­kan­ten ein­zu­stel­len. Da­her enthält § 22 Abs.1 Satz 2 Mi­LoG ei­ne Aufzählung von vier Fällen, in de­nen Prak­ti­kan­ten nicht un­ter die Min­dest­lohn­re­ge­lung fal­len.

Da­nach ha­ben Prak­ti­kan­tin­nen und Prak­ti­kan­ten kei­nen An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn,

  • wenn sie ein Prak­ti­kum ver­pflich­tend auf Grund ei­ner schul­recht­li­chen Be­stim­mung, ei­ner Aus­bil­dungs­ord­nung, ei­ner hoch­schul­recht­li­chen Be­stim­mung oder im Rah­men ei­ner Aus­bil­dung an ei­ner ge­setz­lich ge­re­gel­ten Be­rufs­aka­de­mie leis­ten,
  • wenn sie ein Prak­ti­kum von bis zu drei Mo­na­ten zur Ori­en­tie­rung für ei­ne Be­rufs­aus­bil­dung oder für die Auf­nah­me ei­nes Stu­di­ums leis­ten,
  • wenn sie ein Prak­ti­kum von bis zu drei Mo­na­ten be­glei­tend zu ei­ner Be­rufs- oder Hoch­schul­aus­bil­dung leis­ten, wenn nicht zu­vor ein sol­ches Prak­ti­kums­verhält­nis mit dem­sel­ben Aus­bil­den­den be­stan­den hat,
  • wenn sie an ei­ner Ein­stiegs­qua­li­fi­zie­rung teil­neh­men (gemäß § 54a Drit­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch - SGB III) oder ei­ne Be­rufs­aus­bil­dungs­vor­be­rei­tung durch­lau­fen (gemäß §§ 68 bis 70 BBiG).

Ha­ben Aus­zu­bil­den­de, Ju­gend­li­che, Lang­zeit­ar­beits­lo­se und eh­ren­amt­lich täti­ge Per­so­nen ei­nen Min­dest­lohn­an­spruch?

Wer ei­ne Be­rufs­aus­bil­dung macht, kann ei­ne Aus­bil­dungs­vergütung ver­lan­gen, aber kei­nen Min­dest­lohn nach dem Mi­LoG.

Denn Aus­zu­bil­den­de ar­bei­ten nicht zum Zwe­cke des Geld­ver­die­nens, son­dern um ei­nen Be­ruf zu er­ler­nen. Sie sind da­her kein Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des Mi­LoG. Das stellt § 22 Abs.3, 1. Halb­satz Mi­LoG klar.

Darüber hin­aus gel­ten gemäß § 22 Abs.2 Mi­LoG auch

nicht als Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des Mi­LoG. Ju­gend­li­che oh­ne ab­ge­schlos­se­ne Aus­bil­dung ha­ben da­her kei­nen An­spruch auf Zah­lung des Min­dest­lohns. Be­gründet wird die­se Aus­nah­me­re­ge­lung da­mit, dass man kei­ne fal­schen An­rei­ze für jun­ge Leu­te set­zen möch­te, an­statt ei­ner (vorüber­ge­hend nicht gut be­zahl­ten) Aus­bil­dung ei­nen bes­ser be­zahl­ten Min­dest­lohn-Job zu wählen (Ge­setz­ent­wurf vom 28.05.2014, S.50 f.).

Wei­ter­hin gilt das Mi­LoG gemäß § 22 Abs.3, 2. Halb­satz Mi­LoG nicht für die Vergütung von eh­ren­amt­lich täti­gen Per­so­nen. Ge­meint sind vor al­lem Per­so­nen, die in Sport­ver­ei­nen in ers­ter Li­nie aus ide­el­len Gründen mit­hel­fen, gleich­zei­tig aber auch ein klei­nes fi­nan­zi­el­les Dan­keschön er­hal­ten.

Ei­ne letz­te Aus­nah­me macht das Ge­setz für Lang­zeit­ar­beits­lo­se, d.h. für Ar­beits­lo­se, die ein Jahr oder länger oh­ne Job da­ste­hen. Ih­re Chan­cen auf ei­ne An­stel­lung sol­len, so die Ge­set­zes­be­gründung, nicht durch für Ar­beit­ge­ber un­at­trak­ti­ven (= zu ho­hen) Min­dest­lohn ver­schlech­tert wer­den sol­len.

Wie hoch ist die Min­dest-Aus­zu­bil­den­den­vergütung?

Dass Aus­zu­bil­den­de kei­nen An­spruch auf ei­nen Min­dest­lohn ha­ben, heißt nicht, dass für sie kei­ne ge­setz­li­che Un­ter­gren­ze für die Aus­zu­bil­den­den­vergütung gilt.

Ei­ne sol­che Un­ter­gren­ze gilt erst­mals seit dem 01.01.2020. Ein­geführt wur­de sie durch das „Ge­setz zur Mo­der­ni­sie­rung und Stärkung der be­ruf­li­chen Bil­dung“, vom 12.12.2019 (BGBl I, S.2522).

Bis En­de 2019 war ei­ne Un­ter­gren­ze für die Vergütung von Aus­zu­bil­den­den ge­setz­lich nicht klar ge­re­gelt. Viel­mehr hieß es da­zu ganz all­ge­mein in § 17 Abs.1 Be­rufs­bil­dungs­ge­setz (BBiG) al­te Fas­sung, dass Aus­zu­bil­den­de ei­nen An­spruch auf ei­ne „an­ge­mes­se­ne Vergütung“ ha­ben.

Auf­grund des o.g. Ge­set­zes gilt ab An­fang 2020 erst­mals ei­ne Art ge­setz­li­cher „Min­dest­lohn“ auch für Aus­zu­bil­den­de, und zwar deutsch­land­weit in Höhe von 515,00 EUR brut­to (ers­tes Aus­bil­dungs­jahr). Im Lau­fe der Aus­bil­dung muss die­se Un­ter­gren­ze an­ge­ho­ben wer­den, nämlich um 18 Pro­zent (zwei­tes Aus­bil­dungs­jahr), um 35 Pro­zent (drit­tes Aus­bil­dungs­jahr) so­wie um 40 Pro­zent (vier­tes Aus­bil­dungs­jahr).

Ab­ge­se­hen von die­sen An­he­bun­gen im Aus­bil­dungs­ver­lauf bleibt es auch in den Jah­ren 2021 bis 2023 nicht bei der Min­dest­vergütung für Aus­zu­bil­den­de von 515,00 EUR. Sie wird viel­mehr kon­ti­nu­ier­lich an­ge­ho­ben, und zwar auf 550,00 EUR (2021), auf 585,00 EUR (2022) und schließlich auf 620,00 EUR (2023).

Sind auch Be­reit­schafts­dienst­zei­ten mit dem Min­dest­lohn von 12,00 EUR pro St­un­de zu be­zah­len?

Da der Min­dest­lohn von der­zeit 12,00 EUR nach dem Ge­setz "je Zeit­stun­de" zu zah­len ist (§ 1 Abs.2 Mi­LoG), fragt sich, ob auch Zei­ten ei­nes Be­reit­schafts­diens­tes in Höhe von min­des­tens 12,00 EUR zu vergüten sind. Während ei­nes Be­reit­schafts­diens­tes muss sich der Ar­beit­neh­mer zwar im Be­trieb auf­hal­ten, kann aber le­sen, fern­se­hen oder schla­fen, falls er nicht zur Ar­beit her­an­ge­zo­gen wird.

Die­se Fra­ge ist im Ge­setz nicht ge­re­gelt. Da aber Be­reit­schafts­diens­te nicht nur im Sin­ne des Ar­beits­zeit­rechts als Ar­beits­zeit gel­ten (so dass be­stimm­te Ar­beits­zeit-Höchst­gren­zen ein­zu­hal­ten sind), son­dern auch grundsätz­lich als vergütungs­pflich­ti­ge Ar­beits­leis­tung an­zu­se­hen sind, müss­te das Ge­setz ei­ne Öff­nungs­klau­sel zu­guns­ten ta­rif­ver­trag­li­cher und/oder ar­beits­ver­trag­li­cher Re­ge­lun­gen ent­hal­ten, die die Höhe der Be­zah­lung von Be­reit­schafts­diens­ten ab­wei­chend vom ge­setz­li­chen Min­dest­lohn fest­set­zen.

Da ei­ne sol­che ge­setz­li­che Aus­nah­me­re­ge­lung bzw. Öff­nungs­klau­sel im Mi­LoG nicht vor­han­den ist, sind auch Be­reit­schafts­diens­te mit der­zeit min­des­tens 12,00 EUR zu vergüten.

In die­sem Sin­ne hat auch das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den, und zwar zunächst in Be­zug auf ei­nen Fall, der nicht dem Mi­LoG, son­dern ei­ner an­de­ren, ähn­li­chen Re­ge­lung un­ter­fiel (BAG, Ur­teil vom 19.11.2014, 5 AZR 1101/12, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 14/385 Min­dest­lohn für Be­reit­schafts­dienst).

Später hat das BAG dann klar­ge­stellt, dass auch Min­dest­lohn­ansprüche nach dem Mi­LoG für Be­reit­schafts­dienst­zei­ten zu zah­len sind (BAG, Ur­teil vom 29.06.2016, 5 AZR 716/15, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 16/205 Min­dest­l­ohn­ge­setz gilt auch für Be­reit­schafts­diens­te).

Ta­rif­ver­trag oder ge­setz­li­cher Min­dest­lohn - was geht vor?

Gemäß § 3 Satz 1 Mi­LoG sind "Ver­ein­ba­run­gen", die den An­spruch auf Min­dest­lohn

  • un­ter­schrei­ten oder
  • sei­ne Gel­tend­ma­chung be­schränken oder aus­sch­ließen

"in­so­weit" un­wirk­sam.

Zu den in die­sem Pa­ra­gra­phen ge­nann­ten "Ver­ein­ba­run­gen" gehören nicht nur Ar­beits­verträge, son­dern auch Ta­rif­verträge. Ent­hal­ten Ta­rif­verträge da­her Lohn­re­ge­lun­gen, die ei­nen St­un­den­lohn von we­ni­ger als 12,00 EUR vor­se­hen, sind sie un­wirk­sam und es gilt der ge­setz­li­che Min­dest­lohn.

Ei­ne Aus­nah­me galt nur für ei­ni­ge we­ni­ge Ta­rif­verträge und nur für ei­ne be­schränk­te Über­g­angs­zeit bis En­de 2017 (§ 24 Abs.1 Mi­LoG).

Teil­wei­se un­wirk­sam sind gemäß § 3 Satz 1 Mi­LoG auch ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten-Re­ge­lun­gen, de­nen zu­fol­ge "ar­beits­ver­trag­li­che Ansprüche" oder "Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis" ver­fal­len, wenn sie nicht in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten Frist und in ei­ner be­stimm­ten Form (meist schrift­lich) gel­tend ge­macht wer­den. Sol­che ta­rif­li­chen Aus­schluss­fris­ten er­fas­sen nur den Teil des Ar­beits­lohns, der 9,82 EUR brut­to pro St­un­de über­steigt, d.h. sie können dem ge­setz­li­chen Min­dest­lohn nichts an­ha­ben.

Ge­nau­er ge­sagt: Ta­rif­li­che und ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten gel­ten gar nicht für den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn­an­spruch und las­sen ihn da­her in vol­ler Höhe un­berührt. Im übri­gen gel­ten sie in vol­lem Um­fang für die ar­beits­ver­trag­li­chen und ta­rif­li­chen Lohn­ansprüche, die ne­ben dem Min­dest­lohn­an­spruch ste­hen, was sich aber nur in dem Be­reich aus­wir­ken kann, in dem die­se ar­beits­ver­trag­li­chen und ta­rif­li­chen Lohn­ansprüche den Min­dest­lohn­an­spruch über­stei­gen. Im wirt­schaft­li­chen Er­geb­nis be­tref­fen Aus­schluss­fris­ten da­her nur die Lohn­an­tei­le, die den "Min­dest­lohn­so­ckel" über­stei­gen.

Der Vor­rang des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns nach dem Mi­LoG gilt auch ge­genüber Ta­rif­verträgen, die auf der Grund­la­ge von § 5 Ta­rif­ver­trags­ge­setz (TVG) für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt wur­den.

Min­dest­l­ohn­ge­setz (Mi­LoG) oder Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz (AEntG) - was geht vor?

Gemäß § 1 Abs.3 Satz 1 Mi­LoG geht das Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz (AEntG), das die Grund­la­ge für bran­chen­be­zo­ge­ne Min­destlöhne z.B. in der Bau­wirt­schaft oder im Rei­ni­gungs­ge­wer­be ist, dem Mi­LoG und da­mit dem all­ge­mei­nen Min­dest­lohn vor.

Die­ser Vor­rang be­steht al­ler­dings nur dann, wenn die Bran­chen­min­destlöhne min­des­tens 12,00 EUR be­tra­gen. Bran­chen­min­destlöhne, die un­ter dem all­ge­mei­nen Min­dest­lohn von 12,00 EUR lie­gen, wer­den da­her durch den all­ge­mei­nen Min­dest­lohn nach dem Mi­LoG ver­drängt.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen zu den Bran­chen-Min­destlöhnen nach dem Recht der Ar­beit­neh­mer­ent­sen­dung fin­den Sie un­ter "Hand­buch Ar­beits­recht: Ent­sen­dung ausländi­scher Ar­beit­neh­mer".

Für wel­che Bran­chen gab es vorüber­ge­hend Son­der­re­ge­lun­gen mit ge­rin­ge­ren Min­destlöhnen?

Gemäß § 24 Abs.1 Mi­LoG gal­ten vorüber­ge­hend in den ers­ten drei Jah­ren nach Einführung des Ge­set­zes, d.h. vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2017, die al­ten Bran­chen-Min­destlöhne wei­ter, die auf der Grund­la­ge des AEntG oder des Ar­beit­neh­mer-Über­las­sungs­ge­setz AÜG) (Leih­ar­beits­bran­che) für bran­chen­weit ver­bind­lich erklärt wor­den sind.

Die­se Über­g­angs­re­ge­lung be­trifft nur Bran­chen­ta­rif­verträge, die Min­destlöhne un­ter­halb des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns (von zunächst 8,50 EUR und ab 2017 von 8,84 EUR) vor­se­hen, da die güns­ti­ge­ren Bran­chen­min­destlöhne oh­ne­hin dem Mi­LoG vor­ge­hen.

Für die Ar­beit­neh­mer der fol­gen­de Bran­chen blieb es da­her auch ab Ja­nu­ar 2015 vorüber­ge­hend bei Lohn­un­ter­gren­zen un­ter­halb des all­ge­mei­nen ge­setz­li­chen Min­dest­lohns:

  • Fleisch­ver­ar­bei­tung: Hier beträgt der (erst im Ja­nu­ar 2014 ver­ein­bar­te) ta­rif­ver­trag­li­che Min­dest­lohn von Au­gust 2014 bis No­vem­ber 2014 7,75 EUR, von De­zem­ber 2014 bis Sep­tem­ber 2015 8,00 EUR, von Ok­to­ber 2015 bis No­vem­ber 2016 8,60 EUR und von De­zem­ber 2016 bis En­de 2017 8,75 EUR (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 14/195 Min­dest­lohn in der Fleisch­wirt­schaft).
  • Fri­seur­hand­werk: Hier beträgt der Min­dest­lohn / Ost bis zum 31.07.2015 nur 7,50 EUR und der Min­dest­lohn / West bis zum 31.07.2015 nur 8,00 EUR.
  • Gebäuderei­ni­gung - In­nen- und Un­ter­halts­rei­ni­gung / Ost: Hier beträgt der Min­dest­lohn ab dem 01.01.2015 nur 8,23 EUR.
  • Land­wirt­schaft: Hier ha­ben der Ge­samt­ver­band der Land- und Forst­wirt­schaft­li­chen Ar­beit­ge­ber­verbände (GL­FA) und die Ar­beits­ge­mein­schaft der gärt­ne­ri­schen Ar­beit­ge­ber­verbände (AgA) mit der In­dus­trie­ge­werk­schaft Bau­en-Agrar-Um­welt (IG BAU) am 04.07.2014 ei­nen bun­des­weit gel­ten­den Ta­rif­ver­trag ab­ge­schlos­sen, der für die un­ters­te Lohn­grup­pe der land­wirt­schaft­li­chen Sai­son­ar­bei­ter ei­nen Min­dest­lohn von 7,40 EUR (West) bzw. von 7,20 EUR (Ost) ab Ja­nu­ar 2015 vor­sieht. Die­se Min­destlöhne sol­len zum Ja­nu­ar 2016 auf 8,00 EUR (West) bzw. 7,90 (Ost), ab Ja­nu­ar 2017 ein­heit­lich für West- und Ost­deutsch­land auf 8,60 EUR und ab No­vem­ber 2017 auf 9,10 EUR an­ge­ho­ben wer­den.
  • Wäsche­rei­dienst­leis­tun­gen im Ob­jekt­kun­den­geschäft / Ost: Hier beträgt der Min­dest­lohn vom 01.01.2015 bis zum 30.06.2016 nur 8,00 EUR.
  • Zeit­ar­beit / Ost: Hier beträgt der Min­dest­lohn vom 01.01. bis zum 31.03.2015 nur 7,86 EUR und vom 01.04.2015 bis zum 30.05.2016 nur 8,20 EUR.

§ 24 Abs.1 Satz 1, 2. Halb­satz Mi­LoG be­schränkt al­ler­dings im letz­ten Jahr der dreijähri­gen Über­g­angs­pha­se die Möglich­kei­ten, den all­ge­mei­nen Min­dest­lohn mit Hil­fe von Bran­chen­min­destlöhnen zu un­ter­lau­fen. Denn für das Jahr 2017 gilt erst­mals ei­ne An­he­bung des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns auf über 8,50 EUR, kon­kret auf 8,84 EUR. Da­her schreibt § 24 Abs.1 Satz 1, 2. Halb­satz Mi­LoG vor, dass ab­wei­chen­de Bran­chen­min­destlöhne ab dem 01.01.2017 min­des­tens ein Ent­gelt von 8,50 EUR pro St­un­de vor­se­hen müssen.

Ei­ne wei­te­re vorüber­ge­hen­de Aus­nah­me vom all­ge­mei­nen Min­dest­lohn sieht § 24 Abs.2 zu Las­ten der Zei­tungs­zu­stel­ler vor. Sie können

  • im Jahr 2015 nur 75 Pro­zent des Min­dest­lohns ver­lan­gen, d.h. 6,36 EUR,
  • im Jahr 2016 nur 85 Pro­zent des Min­dest­lohns ver­lan­gen, d.h. 7,23 EUR, und
  • im Jahr 2017 nur 8,50 EUR (d.h. ei­nen Min­dest­lohn, der un­ter dem ab An­fang 2017 erst­mals erhöhten Min­dest­lohn von 8,84 EUR liegt).

Kann ein Lohn von 12,00 EUR pro St­un­de "sit­ten­wid­rig" ge­ring sein?

Ja, denn der ge­setz­li­che Min­dest­lohn nimmt kei­ne Rück­sicht auf die Art der er­brach­ten Ar­beits­leis­tung. Wer da­her nach sei­nem Ar­beits­ver­trag ei­ne be­son­ders wert­vol­le Ar­beit ver­rich­tet, kann auch dann in sit­ten­wid­ri­ger Wei­se un­ter­be­zahlt sein, wenn er den Min­dest­lohn erhält.

Der all­ge­mei­ne ge­setz­li­che Min­dest­lohn von der­zeit 12,00 EUR brut­to pro St­un­de er­gibt bei ei­ner Ar­beits­zeit von 40 St­un­den pro Wo­che ei­nen Mo­nats­lohn von (12,00 x 40 x 13 : 3 =) 2.080,00 EUR brut­to (denn das Quar­tal hat 13 Wo­chen und drei Mo­na­te, so dass der Wo­chen­lohn mal 13 ge­teilt durch 3 den Mo­nats­lohn auf der Grund­la­ge ei­nes St­un­den­lohns er­gibt) . Da die­ser Min­dest­lohn un­ter­schieds­los für al­le be­ruf­li­chen Tätig­kei­ten gilt, kann er nicht be­an­spru­chen, ei­ne "an­ge­mes­se­ne Be­zah­lung" für je­de ge­leis­te­te Ar­beit zu sein.

Und nach der Recht­spre­chung ist ein Lohn für ei­ne kon­kre­te Ar­beits­leis­tung sit­ten­wid­rig ge­ring und die Lohn­ver­ein­ba­rung da­her gemäß § 138 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) un­wirk­sam, wenn der ver­ein­bar­te Lohn die übli­che Vergütung für die­se Ar­beits­leis­tung um mehr als ein Drit­tel un­ter­schrei­tet.

BEISPIEL: Ein Rechts­an­walt wird als Be­rufs­anfänger für ei­nen St­un­den­lohn von 12,00 EUR beschäftigt, d.h. für ein Mo­nats­ge­halt von 2.080,00 EUR brut­to. Die­se Be­zah­lung liegt mehr als ein Drit­tel un­ter der übli­chen Vergütung für Rechts­an­walts-Be­rufs­anfänger, die zwar je nach Re­gi­on und Fach­rich­tung schwankt, aber si­cher nicht un­ter ca. 4.000,00 EUR pro Mo­nat lie­gen dürf­te.

Dem­zu­fol­ge wäre hier im Bei­spiel die Zwei-Drit­tel-Gren­ze, die die Recht­spre­chung für den sog. Lohn­wu­cher im Sin­ne von § 138 Abs.1 BGB zieht, bei et­wa 2.667,00 EUR an­zu­sie­deln.

Mit ei­nem Ge­halt von deut­lich we­ni­ger als 2.667,00 EUR für ei­nen an­ge­stell­ten Rechts­an­walt (Be­rufs­anfänger) wäre der Min­dest­lohn (2.080,00 EUR) sit­ten­wid­rig und ei­ne sol­che ver­trag­li­che Ge­halts­ver­ein­ba­rung da­her nich­tig. Dem­zu­fol­ge wäre der übli­che Lohn ge­schul­det, und der liegt in die­sem Bei­spiel deut­lich ober­halb des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns, d.h. bei 4.000,00 EUR.

Wie ist der ge­setz­li­che Min­dest­lohn­an­spruch vor Aus­schluss­fris­ten und vor­ei­li­gen Ver­zichts­erklärun­gen ab­ge­si­chert?

Ar­beits­ver­trag­li­che oder ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten se­hen oft vor, dass Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis ver­fal­len bzw. er­satz­los un­ter­ge­hen, wenn sie nicht in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten Frist, der Aus­schluss­frist, in ei­ner be­stimm­ten Wei­se (meist schrift­lich) gel­tend ge­macht wer­den. Im All­ge­mei­nen sind ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss­klau­seln wirk­sam, wenn sie ei­ne Frist von min­des­tens drei Mo­na­ten vor­se­hen. Ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten können noch kürzer sein, al­so zum Bei­spiel zwei Mo­na­te oder sechs Wo­chen be­tra­gen.

Hier­zu be­stimmt § 3 Satz 1 Mi­LoG:

"Ver­ein­ba­run­gen, die den An­spruch auf Min­dest­lohn un­ter­schrei­ten oder sei­ne Gel­tend­ma­chung be­schränken oder aus­sch­ließen, sind in­so­weit un­wirk­sam."

Dar­aus folgt, dass ar­beits­ver­trag­li­che Ansprüche auf Lohn und Ge­halt in dem Um­fang, in dem sie dem ge­setz­li­chen Min­dest­lohn von 12,00 EUR ent­spre­chen, we­der durch ar­beits­ver­trag­li­che noch durch ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­klau­seln un­ter­ge­hen können. Das gilt auch für Ver­zichts­erklärun­gen des Ar­beit­neh­mers, die in ei­nem Ab­wick­lungs­ver­trag oder ei­ner Aus­gleichs­quit­tung ent­hal­ten sind.

BEISPIEL: Ein Ar­beit­neh­mer mit ei­nem St­un­den­lohn von 15,00 EUR brut­to muss nach ei­nem Ta­rif­ver­trag ei­ne zwei­mo­na­ti­ge Aus­schluss­frist be­ach­ten, d.h. of­fe­ne Ansprüche bin­nen zwei Mo­na­ten nach Fällig­keit in Text­form an­mah­nen. Sechs Mo­na­te nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses am 31.05.2023, im De­zem­ber 2023, er­hebt er Lohn­kla­ge, da er für den letz­ten Mo­nat sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses (Mai 2023) noch kein Geld be­kom­men hat. Vor Kla­ge­er­he­bung hat er den Mai-Lohn aber nicht an­ge­mahnt. Un­ter Hin­weis auf sei­ne 40-St­un­den­wo­che ver­langt er für die 20 Ar­beits­ta­ge und die drei Fei­er­ta­ge im Mai 2023 (01. Mai, Chris­ti Him­mel­fahrt und Pfingst­mon­tag) ins­ge­samt (23 x 8 x 15,00 EUR =) 2.760,00 EUR brut­to.

Die Kla­ge ist trotz des An­spruchs­un­ter­gangs in­fol­ge der versäum­ten ta­rif­li­chen Aus­schluss­frist teil­wei­se be­gründet, nämlich in Höhe des Min­dest­lohn­an­spruchs. Die­ser beträgt für die (23 Ta­ge x acht St­un­den =) 184 Ar­beits­stun­den des Mai 2023 (184 x 12,00 EUR =) 2.208,00 EUR brut­to.

In die­ser Höhe hat die Lohn­kla­ge da­her Er­folg, im Übri­gen aber nicht, weil der den Min­dest­lohn über­stei­gen­de Teil des Lohn­an­spruchs we­gen der versäum­ten Aus­schluss­frist un­ter­ge­gan­gen ist.

Eben­so un­wirk­sam sind in al­ler Re­gel Ver­zichts­erklärun­gen, die sich auf den Teil des Lohns be­zie­hen, der dem ge­setz­li­chen Min­dest­lohn ent­spricht. Denn ein Ver­zicht auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn ist gemäß § 3 Satz 2 Mi­LoG nur durch ei­nen ge­richt­li­chen Ver­gleich möglich.

Ei­ne unüber­leg­te Un­ter­schrift un­ter ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag oder ei­nen Ab­wick­lungs­ver­trag, der ei­ne um­fas­sen­de Aus­gleichs­klau­sel enthält, kann da­her nur die­je­ni­gen An­tei­le rückständi­ger Lohn­ansprüche ver­nich­ten, die den Min­dest­lohn­an­spruch über­stei­gen.

Kann der ge­setz­li­che Min­dest­lohn­an­spruch verjähren oder ver­wir­ken?

Ob­wohl der Min­dest­lohn­an­spruch vor Aus­schluss­fris­ten und Ver­zichts­erklärun­gen ge­si­chert ist, kann er durch rei­nen Zeit­ab­lauf un­ter­ge­hen, und zwar auf­grund der all­ge­mei­nen ge­setz­li­chen Verjährung.

Ansprüche auf rückständi­gen Ar­beits­lohn verjähren in drei Jah­ren, ge­rech­net ab dem En­de des Jah­res, in dem sie ent­stan­den sind. Die­se Verjährungs­re­gel gilt auch für Ansprüche auf nicht be­zahl­ten Min­dest­lohn.

Dem­ge­genüber hat das Mi­LoG der sog. Ver­wir­kung beim Min­dest­lohn­an­spruch ei­nen Rie­gel vor­ge­scho­ben. Ansprüche ver­wir­ken nach der ar­beits­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung,

  • wenn der An­spruchs­in­ha­ber ei­ne "länge­re Zeit" hat ver­strei­chen las­sen, oh­ne sich um die Durch­set­zung sei­nes An­spruchs zu kümmern ("Zeit­mo­ment"), und
  • wenn der An­spruchs­geg­ner auf­grund des­sen und auf­grund wei­te­rer Umstände dar­auf ver­trau­en darf, dass sich die An­ge­le­gen­heit er­le­digt hat, d.h. dass er den An­spruch nicht mehr erfüllen muss ("Um­stands­mo­ment").

Ei­ne Ver­wir­kung von Ansprüchen kann nach der Recht­spre­chung schon (viel) früher ein­tre­ten als die An­spruchs­verjährung. Außer­dem gibt es hier kei­ne ex­ak­ten Zeit­gren­zen, da die Recht­spre­chung zur Ver­wir­kung auf die al­le "Umstände" des Ein­zel­falls ab­stellt.

Um Ar­beit­neh­mer vor dem Un­ter­gang ih­rer Min­dest­lohn­ansprüche durch die ziem­lich "gum­mi­ar­ti­ge" Ver­wir­kungs­recht­spre­chung zu schützen, be­stimmt § 3 Satz 3 Mi­LoG, dass die Ver­wir­kung des An­spruchs auf den Min­dest­lohn ge­ne­rell aus­ge­schlos­sen ist.

Wie ent­wi­ckelt sich der ge­setz­li­che Min­dest­lohn?

Das Mi­LoG hat den Min­dest­lohn nur ein­ma­lig zum 01.01.2015 un­mit­tel­bar per Ge­setz fest­ge­setzt (§ 1 Abs.2 Satz 1 Mi­LoG). Da­nach soll der Min­dest­lohn ei­ne veränder­li­che Größe sein.

Da­her sieht das Mi­LoG die Bil­dung ei­ner Min­dest­lohn­kom­mis­si­on vor, die je zur Hälf­te ("pa­ritätisch") aus Ar­beit­neh­mer- und Ar­beit­ge­ber­ver­tre­tern ge­bil­det wird und durch ei­nen neu­tra­len Vor­sit­zen­den un­terstützt wird. Sie be­sch­ließt al­le zwei Jah­re über ei­ne An­pas­sung des Min­dest­lohns.

Die Um­set­zung der Be­schlüsse er­folgt dann durch Rechts­ver­ord­nung der Bun­des­re­gie­rung (§ 11 Abs.1 Mi­LoG). Da­bei muss die Bun­des­re­gie­rung die Be­schlüsse der Kom­mis­si­on nicht um­set­zen, d.h. sie kann von ei­ner Verände­rung des Min­dest­lohns ab­se­hen. Wenn die Re­gie­rung den Min­dest­lohn aber erhöhen möch­te, muss sie sich an den Vor­schlag bzw. Be­schluss der Min­dest­lohn­kom­mis­si­on hal­ten, d.h. ihn um­set­zen.

Sol­che Be­schlüsse hat die Min­dest­lohn­kom­mis­si­on wie oben erwähnt schon mehr­fach ge­trof­fen, und die Bun­des­re­gie­rung hat sie mehr­fach um­ge­setzt:

Im Jahr 2022 wur­de der Min­dest­lohn ent­spre­chend dem Ko­ali­ti­ons­ver­trag der Am­pel-Ko­ali­ti­on außer­or­dent­lich und bis­lang ein­ma­lig durch ei­ne Ge­set­zesände­rung zum 01.10.2022 auf 12,00 EUR brut­to an­ge­ho­ben.

Wel­che Be­deu­tung hat das Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen­ge­setz (Mi­ArbG) für die Fest­le­gung von Min­destlöhnen?

Das Ge­setz über die Fest­set­zung von Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen (Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen­ge­setz - Mi­ArbG) fris­te­te seit sei­nem Er­lass im Jah­re 1952 ein trau­ri­ges Schat­ten­da­sein als to­ter Buch­sta­be.

Theo­re­tisch hätte das Mi­ArbG Grund­la­ge für die Schaf­fung von Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen (seit 2009 nur noch von Lohn­un­ter­gren­zen) durch die Bun­des­re­gie­rung sein können, doch war das in der Ge­schich­te der Bun­des­re­pu­blik nie­mals ernst­haft po­li­tisch ge­wollt. Viel­mehr über­ließen die Bun­des­re­gie­run­gen jahr­zehn­te­lang den Ge­werk­schaf­ten und Ar­beit­ge­ber­verbänden das Feld. 

Zu­sam­men mit dem Mi­LoG, das als ers­ter Ar­ti­kel ei­nes Ar­ti­kel­ge­set­zes mit dem Na­men "Ge­setz zur Stärkung der Ta­rif­au­to­no­mie" am 15.08.2014 im Bun­des­ge­setz­blatt verkündet wur­de und da­her am 16.08.2014 in Kraft ge­tre­ten ist, wur­de das Mi­ArbG end­lich auch of­fi­zi­ell auf­ge­ho­ben (Art.14 Ta­rif­au­to­no­miestärkungs­ge­setz).

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Letzte Überarbeitung: 7. Februar 2023

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