HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 17/283

Min­dest­lohn und Leis­tungs­zu­la­ge

Leis­tungs­zu­la­gen er­fül­len den An­spruch auf Min­dest­lohn: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 06.09.2017, 5 AZR 317/16
Münzen, Münzhaufen

09.11.2017. Seit Ein­füh­rung des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns ge­mäß dem Min­dest­l­ohn­ge­setz (Mi­LoG) zum Ja­nu­ar 2015 wird dar­über ge­strit­ten, wel­che Lohn­be­stand­tei­le den An­spruch der Ar­beit­neh­mer auf Zah­lung des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns er­fül­len und wel­che Lohn­be­stand­tei­le dem­ge­gen­über ge­son­dert zu zah­len sind.

Mit ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung hat der Fünf­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) klar­ge­stellt, dass auch Ak­kord- und Leis­tungs­zu­la­gen auf den Min­dest­lohn­an­spruch an­zu­rech­nen sind, d.h. dass der Ar­beit­ge­ber mit der Zah­lung sol­cher Lohn­be­stand­tei­le zu­gleich auch den Min­dest­lohn­an­spruch er­füllt.

Aus Sicht des Ar­beit­neh­mers heißt das, dass Leis­tungs­zu­la­gen nicht zu­sätz­lich zu Min­dest­lohn zu zah­len sind: BAG, Ur­teil vom 06.09.2017, 5 AZR 317/16.

Sind Ak­kord- und Leis­tungs­zu­la­gen auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn­an­spruch an­re­chen­bar, d.h. erfüllt der Ar­beit­ge­ber mit sol­chen Zu­la­gen den Min­dest­lohn­an­spruch?

Aus ge­werk­schaft­li­cher Sicht ist der Min­dest­lohn von der­zeit 8,84 EUR brut­to pro St­un­de le­dig­lich ei­ne Art Grund­lohn, zu dem wei­te­re Lohn­be­stand­tei­le hin­zu­tre­ten, an­ge­fan­gen von Gra­ti­fi­ka­tio­nen wie ei­nem Ur­laubs-oder Weih­nachts­geld oder ei­ner Be­triebs­treue-Prämie über Zu­schläge für Über­stun­den oder für Nacht- und Fei­er­tags­ar­beit bis hin zu Ak­kord-und Leis­tungs­zu­la­gen. Aus Ar­beit­ge­ber­sicht ist es da­ge­gen so, dass al­le Vergütungs­be­stand­tei­le min­dest­lohn­re­le­vant sind, zu­min­dest al­le re­gelmäßig mo­nat­lich ge­leis­te­ten Zah­lun­gen.

Mit ei­nem grund­le­gen­den Ur­teil vom 25.05.2016 (5 AZR 135/16) hat das BAG ent­schie­den, dass der Ar­beit­ge­ber den Min­dest­lohn­an­spruch durch al­le Zah­lun­gen erfüllt, mit de­nen er die Ar­beits­leis­tung be­zahlt, vor­aus­ge­setzt, die­se Zah­lun­gen ste­hen dem Ar­beit­neh­mer endgültig zu (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 16/175 BAG ent­schei­det zu Ur­laubs­geld, Weih­nachts­geld und Min­dest­lohn). Da­ge­gen erfüllen sol­che Zah­lun­gen den Min­dest­lohn­an­spruch nicht, bei de­nen es ent­we­der über­haupt nicht auf die er­brach­te Ar­beits­leis­tung an­kommt (z.B. Treue­prämi­en) oder bei de­nen ein spe­zi­el­ler ge­setz­li­cher Zweck ver­folgt wird wie z.B. bei den ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen Nacht­zu­schlägen gemäß § 6 Abs.5 Ar­beits­zeit­ge­setz (Arb­ZG).

Die­ses aus Ar­beit­neh­mer­sicht ungüns­ti­ge BAG-Ur­teil führ­te zu ei­ner po­li­ti­schen Re­ak­ti­on ei­ni­ger SPD-re­gier­ter Bun­desländer, die im Jah­re 2016 ei­nen Vor­s­toß im Bun­des­rat mit dem Ziel un­ter­nah­men, ei­ne Ergänzung des Mi­LoG her­bei­zuführen (An­trag der Länder Bran­den­burg, Ham­burg, Thürin­gen, vom 01.07.2016, Bun­des­rat Drucks.361/16).

Die­sem Vor­schlag zu­fol­ge hätte der Bun­des­rat die Bun­des­re­gie­rung auf­for­dern sol­len, auf ei­ne Klar­stel­lung im Mi­LoG hin­zu­wir­ken, mit der die nicht an­re­chen­ba­ren Lohn­be­stand­tei­le ge­setz­lich fest­ge­legt wor­den wären. Kon­kret for­der­ten die an­trags­stel­len­den Länder ei­ne ge­setz­li­che Re­ge­lung, der zu­fol­ge der ge­setz­li­che Min­dest­lohn le­dig­lich dem re­gelmäßig ge­zahl­ten „Grun­dent­gelt“ für ei­ne St­un­de ent­spre­chen soll­te. Al­le darüber hin­aus­ge­hen­den Ent­gelt­be­stand­tei­le wie z.B. „Son­der­zah­lun­gen, Zu­la­gen, Zu­schläge, Prämi­en, Sach­leis­tun­gen oder Auf­wen­dungs­er­satz­leis­tun­gen“ soll­ten zusätz­lich zu dem ge­setz­li­chen Min­dest­lohn zu zah­len sein.

Die­se Ge­set­zes­in­itia­ti­ve hat­te kei­nen Er­folg, d.h. der Bun­des­rat lehn­te es ab, den Vor­schlag der SPD-re­gier­ten Länder auf­zu­grei­fen (Ent­schließung des Bun­des­ra­tes zur Ände­rung des Min­dest­l­ohn­ge­set­zes, vom 23.09.2016, Bun­des­rat Drucks.361/16).

Vor die­sem Hin­ter­grund sah sich der Fünf­te BAG-Se­nat in sei­ner Ge­set­zes­aus­le­gung bestätigt, der zu­fol­ge im Prin­zip al­le Zah­lun­gen des Ar­beit­ge­bers, die die Ar­beits­leis­tung des Ar­beit­neh­mers be­zah­len sol­len, auf den Min­dest­lohn an­re­chen­bar sind bzw. den Min­dest­lohn­an­spruch erfüllen. Aus­ge­nom­men sind nur Zah­lun­gen, die der Ar­beit­ge­ber oh­ne Rück­sicht auf ei­ne tatsächli­che Ar­beits­leis­tung des Ar­beit­neh­mers er­bringt oder die auf ei­ner be­son­de­ren ge­setz­li­chen Zweck­be­stim­mung be­ru­hen wie z.B. Nacht­ar­beits­zu­schläge gemäß § 6 Abs.5 Arb­ZG (BAG, Ur­teil vom 21.12.2016, 5 AZR 374/16).

Die­se Recht­spre­chung legt es na­he, auch Ak­kord- und Leis­tungs­zu­la­gen auf den Min­dest­lohn­an­spruch an­zu­rech­nen.

Im Streit: Mon­ta­ge­hel­fe­rin be­kommt im Jahr 2015 ei­nen Grund­lohn von 6,22 EUR und ei­ne er­folgs­abhängi­ge Leis­tungs­zu­la­ge, zu­sam­men knapp mehr als 8,50 EUR

Ge­klagt hat­te ei­ne Mon­ta­ge­hel­fe­rin, die in der Zeit von Ja­nu­ar bis Mai 2015 ei­nen Lohn er­hielt, der knapp über dem da­mals gel­ten­den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn von 8,50 EUR brut­to pro St­un­de lag. Kon­kret er­hielt die Mon­ta­ge­hel­fe­rin ei­nen Lohn von 8,52, der sich al­ler­dings aus ei­nem Grund­lohn von 6,22 EUR brut­to pro St­un­de und ei­ner leis­tungs­abhängi­gen Zu­la­ge von 2,30 EUR pro St­un­de zu­sam­men­setz­te.

Aus Sicht der Mon­ta­ge­hel­fe­rin hätte der Ar­beit­ge­ber die Leis­tungs­zu­la­ge zusätz­lich zum da­mals gel­ten­den Min­dest­lohn von 8,50 EUR brut­to pro St­un­de zah­len müssen. Der Ar­beit­ge­ber war da­ge­gen der Mei­nung, dass die Leis­tungs­zu­la­ge auf den Min­dest­lohn­an­spruch an­zu­rech­nen ist.

Die Mon­ta­ge­hel­fe­rin zog vor Ge­richt und klag­te für die fünf Mo­na­te ge­son­der­te Zah­lung der Leis­tungs­zu­la­ge ein, ins­ge­samt 1.707,15 EUR brut­to. Das Ar­beits­ge­richt gab der Kla­ge statt (Ar­beits­ge­richt Her­ford, Ur­teil vom 11.09.2015, 1 Ca 551/15), während das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm dem Ar­beit­ge­ber recht gab (LAG Hamm, Ur­teil vom 22.04.2016, 16 Sa 1627/15).

BAG: Leis­tungs­zu­la­gen erfüllen den An­spruch auf Min­dest­lohn

Das BAG wies die Re­vi­si­on der Mon­ta­ge­hel­fe­rin zurück. Zur Be­gründung ver­weist das BAG auf sei­ne bis­he­ri­ge Recht­spre­chung.

Die­ser Recht­spre­chung zu­fol­ge hätte die Kläge­rin nach­wei­sen müssen, dass die strei­ti­ge Leis­tungs­zu­la­ge ent­we­der nicht der Be­zah­lung der Ar­beits­leis­tung dient oder aber auf ei­ner be­son­de­ren ge­setz­li­chen Zweck­set­zung be­ruht. Bei­des ist nicht der Fall.

Ergänzend ver­weist das BAG dar­auf, dass das Mi­LoG den Min­dest­lohn­an­spruch nicht da­von abhängig macht, ob bzw. wel­che Er­fol­ge mit der Ar­beits­leis­tung ver­bun­den sind. An die­ser Stel­le wen­det sich der Fünf­te BAG Se­nat aus­drück­lich ge­gen die Vor­stel­lung, dass mit dem ge­setz­li­chen Min­dest­lohn le­dig­lich die „Nor­mal­leis­tung“ des Ar­beit­neh­mers be­zahlt wer­den soll. Der Be­griff der „Nor­mal­leis­tung“, so das BAG, hat kei­nen Ein­gang in den Wort­laut des Min­dest­l­ohn­ge­set­zes ge­fun­den.

Fa­zit: Auch Ak­kord- und Leis­tungs­zu­la­gen ste­hen im Aus­tausch­verhält­nis von Ar­beit und Lohn, d.h. sie ste­hen im sog. „Sy­nal­lag­ma“ (= ich ge­be da­mit du gibst, do ut des). Mit der Zah­lung sol­cher Zu­la­gen be­zahlt der Ar­beit­ge­ber die Ar­beits­leis­tung des Ar­beit­neh­mers. Da sie auch kei­ner be­son­de­ren ge­setz­li­chen Zweck­be­stim­mung un­ter­lie­gen, sind Ak­kord- und Leis­tungs­zu­la­gen auf den Min­dest­lohn­an­spruch an­re­chen­bar.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 25. September 2018

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de