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Ausschlussfristen und Mindestlohn
26.08.2016. Viele Arbeitsverträge enthalten eine vom Arbeitgeber vorgegebene Klausel, der zufolge Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Ausschlussfrist angemahnt werden (Ausschlussklausel).
Im Allgemeinen sind arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln wirksam. Sie gelten aber nicht für gesetzliche Mindestlohnansprüche, die über vertraglichen Vereinbarungen stehen.
Hier stellt sich die Frage, ob Ausschlussklauseln, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Arbeitgebers enthalten sind, Mindestlohnansprüche ausdrücklich von ihrem Geltungsbereich ausnehmen müssen, um nicht wegen mangelnder "Transparenz" unwirksam zu sein.
Eine solche Unterscheidung ist erforderlich, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer aktuellen Entscheidung: BAG, Urteil vom 24.08.2016, 5 AZR 703/15 (Pressemitteilung des Gerichts).
- Müssen formularvertragliche Ausschlussklauseln Mindestlohnansprüche ausdrücklich ausklammern?
- Der Streitfall: Pflegedienstfirma müsste eigentlich Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe des Pflegemindestlohns zahlen, weigert sich aber unter Berufung auf eine vertragliche Ausschlussfrist
- BAG: Eine arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die auch den Anspruch auf Mindestlohn erfasst, ist unwirksam
Müssen formularvertragliche Ausschlussklauseln Mindestlohnansprüche ausdrücklich ausklammern?
Ob der Arbeitgeber Ansprüche auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns unterläuft, indem er mit dem Arbeitnehmer einen geringeren Lohn vereinbart, oder ob er in seine AGB eine Ausschlussklausel aufnimmt, läuft im Ergebnis aufs Gleiche hinaus: In beiden Fällen führt eine arbeitsvertragliche Vereinbarung dazu, dass der Arbeitnehmer seinen Mindestlohnanspruch verliert.
Daher enthält § 3 Satz 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) eine Regelung, der zufolge Arbeitsvertragsklauseln Arbeitnehmer nicht bei der Durchsetzung ihrer Mindestlohnansprüche behindern dürfen. Diese Vorschrift lautet:
"Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam."
Eine ähnliche Regelung enthält das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), das bis zum Inkrafttreten des MiLoG am 01.01.2015 die wesentliche gesetzliche Grundlage für Mindestlöhne in Deutschland war. Anders als der deutschlandweit einheitliche Mindestlohn nach dem MiLoG sind die Mindestlöhne nach dem AEntG auf einzelne Branchen bezogen. Nach § 9 Satz 3 AEntG können AEntG-Mindestlohnansprüche nur durch tarifvertragliche Ausschlussfristen verkürzt werden und das auch nur dann, wenn die Frist mindestens sechs Monate beträgt.
Vor diesem Hintergrund fragt sich, ob eine in den AGB des Arbeitgebers enthaltene Ausschlussklausel ausdrücklich die Klarstellung enthalten muss, dass diese (arbeitsvertragliche) Ausschlussfrist nicht für Mindestlohnansprüche gilt.
Denn ohne eine solche Unterscheidung kann der Arbeitnehmer in die Irre geführt werden, d.h. er kann zu dem falschen Schluss verleitet werden, dass er die vertragliche Ausschlussfrist auch beachten muss, wenn er seine Mindestlohnansprüche durchsetzen möchte. Eine solche Unklarheit einer AGB-Klausel würde gegen § 307 Abs.1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstoßen. Danach kann sich eine rechtlich unzulässige "unangemessene Benachteiligung" des Verbrauchers bzw. Arbeitnehmers durch eine AGB-Bestimmung
"auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist."
Der Streitfall: Pflegedienstfirma müsste eigentlich Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe des Pflegemindestlohns zahlen, weigert sich aber unter Berufung auf eine vertragliche Ausschlussfrist
Im Streitfall war eine niedersächsische Pflegehilfskraft im November und Dezember 2013 knapp vier Wochen arbeitsunfähig erkrankt und hätte daher eigentlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung gehabt, und zwar in Höhe des Branchenmindestlohns für die Pflegebranche, einer der Mindestlohn-Branchen des AEntG. Der Pflegemindestlohn betrug damals gemäß der (ersten) Pflegearbeitsbedingungenverordnung (PflegeArbbV), vom 15.07.2010, in Niedersachsen 9,00 EUR brutto.
In ihrem Arbeitsvertrag vom 11.07.2013 war allerdings eine dreimonatige Ausschlussfrist enthalten, die umfassend gelten sollte, nämlich für
"alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen".
Nachdem der Arbeitgeber die Krankheitstage nicht bezahlte, beanstandete die Pflegekraft mit einem Schreiben vom Januar 2014 die unrichtige Lohnabrechnung, ohne ihren Arbeitgeber aber eindeutig zu einer Zahlung in bestimmter Höhe aufzufordern. Im Juni 2014 erhob sie schließlich Klage, gegen die sich der Arbeitgeber unter Verweis auf die versäumte Ausschlussfrist verteidigte. Trotzdem hatte die Pflegekraft vor dem Arbeitsgericht Braunschweig (Urteil vom 12.09.2014, 3 Ca 253/14) und in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen Erfolg (LAG Niedersachsen, Urteil vom 17.09.2015, 6 Sa 1328/14).
Begründung des LAG: Bei der streitigen Forderung handelte es sich zwar nicht um einen Mindestlohn nach der PflegeArbbV und dem AEntG, sondern um einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs.1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Diesen Anspruch hätte der Arbeitgeber daher theoretisch einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist unterwerfen können, hatte diese Chance aber mit seiner intransparenten Ausschlussklausel vergeigt. Denn die Klausel, so das LAG, kann nicht aufgeteilt werden in einen unzulässigen Teil, der sich auf Mindestlohnansprüche bezieht, und einen zulässigen Teil, der andere Ansprüche betrifft.
BAG: Eine arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die auch den Anspruch auf Mindestlohn erfasst, ist unwirksam
Auch vor dem BAG zog die Pflegedienstfirma den Kürzeren, denn das BAG bestätigte die Urteile der Vorinstanzen. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es dazu:
Die Pflegekraft hat Anspruch auf die streitige Entgeltfortzahlung, so die Erfurter Richter. Diesen Anspruch musste sie nicht innerhalb der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen geltend machen. Denn die (nach Inkrafttreten der PflegeArbbV von der Pflegedienstfirma gestellte) Ausschlussklausel verstößt gegen § 9 Satz 3 AEntG und ist deshalb insgesamt unwirksam. Bei der eingeklagten Entgeltfortzahlung handelte es sich zwar nicht um einen Mindestlohnanspruch, aber die unklare Klausel kann für andere Ansprüche nicht aufrechterhalten werden, weil dies gegen § 307 Abs.1 Satz 2 BGB verstoßen würde.
Das BAG-Urteil hat auch Folgen außerhalb der Pflegebranche: § 9 Satz 3 AEntG enthält nämlich eine Regelung, die § 3 Satz 1 MiLoG im Kern entspricht. Danach sind arbeitsvertragliche Ausschlussfristen, die den Mindestlohn betreffen, unzulässig. Das spricht dafür, die Aussage des BAG-Urteils auf § 3 Satz 1 MiLoG zu übertragen.
Dagegen spricht allerdings, dass es in § 3 Satz 1 MiLoG heißt, dass Ausschlussfristen "insoweit" unwirksam sind, als sie die Geltendmachung des Mindestlohns beschränken oder ausschließen. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass § 3 Satz 1 MiLoG bewusst von der im AGB-Recht geltenden Regel abweicht, dass die Gerichte nicht befugt sind, teilweise unzulässige Vertragsklauseln auf den rechtlich (gerade noch) zulässigen Inhalt zu beschränken ("Verbot der geltungserhaltenden Reduktion").
Letztlich kann dem Wörtchen "insoweit" aber kaum eine so weitreichende Bedeutung beigelegt werden. Formularvertragliche Ausschlussklauseln, die unterschiedslos Mindestlohnansprüche (nach dem MiLoG oder dem AEntG) und darüber hinausgehende bzw. anderweitige Ansprüche betreffen, sind intransparent und daher unwirksam, da sie gegen § 307 Abs.1 Satz 2 BGB verstoßen.
Fazit: Arbeitnehmer sollten sich von herkömmlichen arbeitsvertraglichen Ausschlussklauseln nicht davon abhalten lassen, auch länger zurückliegende Zahlungsrückstände geltend zu machen. Das gilt auch für Gutverdiener, denn jedes Arbeitseinkommen enthält eine Mindestlohnkomponente, und wenn diese von der Ausschlussklausel nicht ausgenommen ist, ist die gesamte Klausel unwirksam.
Dementsprechend gilt sollten Arbeitgeber ihre AGB bzw. die darin enthaltenen Ausschlussklauseln an die BAG-Rechtsprechung anpassen und Mindestlohnansprüche ausdrücklich vom Geltungsbereich der Ausschlussklausel ausnehmen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.08.2016, 5 AZR 703/15 (Pressemitteilung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.08.2016, 5 AZR 703/15
- Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 17.09.2015, 6 Sa 1328/14
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Ausschlussklausel
- Handbuch Arbeitsrecht: Entsendung ausländischer Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Krankheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Mindestlohn
- Arbeitsrecht aktuell: 20/109 Klage gegen Versetzung und Ausschlussfristen
- Arbeitsrecht aktuell: 18/232 Ausschlussklauseln ohne Mindestlohn-Ausnahme sind unwirksam
- Arbeitsrecht aktuell: 18/160 Mindestlohn steigt in zwei Schritten auf 9,35 EUR
- Arbeitsrecht aktuell: 18/152 Mindestlohn im Krankheitsfall und tarifliche Ausschlussfrist
- Arbeitsrecht aktuell: 18/150 Hemmung einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist durch Vergleichsverhandlungen
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- Arbeitsrecht aktuell: 17/244 Nachtzuschläge und Mindestlohn
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- Arbeitsrecht aktuell: 15/091 Mindestlohn - Anrechnung von Lohnbestandteilen
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- Arbeitsrecht aktuell: 13/181 Ausschlussklausel und Vorsatz
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Veröffentlichung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Veröffentlichung dieses Artikels, hat das BAG die Frage, ob vorformulierte arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn ausdrücklich ausklammern müssen, in dem Sinne entschieden, dass ein solcher Hinweis notwendig ist, da die Klausel andernfalls insgesamt unwirksam ist. Weitere Informationen zu diesem Urteil des BAG finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2018, 9 AZR 162/18 (Pressemeldung des Gerichts)
- Arbeitsrecht aktuell: 18/232 Ausschlussklauseln ohne Mindestlohn-Ausnahme sind unwirksam
Letzte Überarbeitung: 4. Januar 2021
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