HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/181

Aus­schluss­klau­sel und Vor­satz

Aus­schluss­klau­seln re­geln im All­ge­mei­nen kei­ne Fra­gen der Vor­satz­haf­tung: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 20.06.2013, 8 AZR 280/12
Mann hinter hohem Papierstapel Er­fas­sen "nor­ma­le" Aus­schluss­klau­seln auch vor­sätz­li­che Schä­di­gun­gen?

28.06.2013. Vie­le vom Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­te Ar­beits­ver­trä­ge ent­hal­ten sog. Aus­schluss­fris­ten.

Üb­li­cher­wei­se heißt es in ei­ner sol­chen ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­schluss­klau­sel, dass al­le bei­der­sei­ti­gen An­sprü­che aus dem Ar­beits­ver­hält­nis ver­fal­len, wenn sie nicht in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten, in der Klau­sel ge­nann­ten Frist (schrift­lich) ge­gen­über der Ge­gen­par­tei gel­tend ge­macht wer­den.

In ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) den An­wen­dungs­be­reich sol­cher Klau­seln be­schränkt. "Nor­ma­le" Aus­schluss­klau­seln gel­ten laut BAG nicht für Scha­dens­er­satz­an­sprü­che, die aus vor­sätz­li­chem Han­deln an­de­rer Ar­beit­neh­mer her­ge­lei­tet wer­den: BAG, Ur­teil vom 20.06.2013, 8 AZR 280/12.

Wel­che Ansprüche sind von ei­ner "gewöhn­li­chen" ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­schluss­klau­sel er­fasst?

Ei­ne gängi­ge For­mu­lie­rung für ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss­frist lau­tet:

"Al­le bei­der­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis und sol­che, die mit dem Ar­beits­verhält­nis in Ver­bin­dung ste­hen ver­fal­len, wenn sie nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach der Fällig­keit ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich er­ho­ben wer­den."

In man­chen Fällen wer­den sol­che Klau­seln noch ergänzt um die Ob­lie­gen­heit, in­ner­halb ei­ner wei­te­ren Frist Kla­ge zu er­he­ben. Dann heißt es z.B. in ei­ner Aus­schluss­klau­sel wei­ter­hin:

"Lehnt die Ge­gen­par­tei den An­spruch ab oder erklärt sie sich nicht in­ner­halb von zwei Wo­chen nach der Gel­tend­ma­chung des An­spruchs, so verfällt die­ser, wenn er nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach Ab­leh­nung oder dem Frist­ab­lauf ge­richt­lich gel­tend ge­macht wird."

Enthält die Aus­schluss­klau­sel auch die Ob­lie­gen­heit zur Kla­ge­er­he­bung, spricht man von ei­ner zwei­stu­fi­gen Aus­schluss­frist: Auf ei­ner ers­ten Stu­fe muss der An­spruchs­be­rech­tig­te sei­nen An­spruch in­ner­halb der Aus­schluss­frist schrift­lich er­he­ben, und auf ei­ner wei­te­ren bzw. zwei­ten Stu­fe muss er dann (falls man sich nicht ei­nig wird) frist­ge­bun­den Kla­ge er­he­ben.

Un­klar ist, ob sol­che "nor­ma­len" ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­schluss­klau­seln auch für Scha­dens­er­satz­ansprüche gel­ten, die aus vorsätz­li­chem Han­deln des Ar­beit­ge­bers oder an­de­rer Ar­beit­neh­mer her­ge­lei­tet wer­den können, al­so z.B. vorsätz­lich be­gan­ge­ne Körper­ver­let­zun­gen be­tref­fen.

Hier gel­ten zwin­gen­de ge­setz­li­che Gren­zen: Denn die Par­tei­en ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges können we­der die Verjährung bei Haf­tung we­gen Vor­sat­zes im Vor­aus durch Ver­trag er­leich­tern (§ 202 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB) noch die Haf­tung we­gen Vor­sat­zes dem Schuld­ner im Vor­aus er­las­sen (§ 276 Abs.3 BGB). Schädigt der Ar­beit­ge­ber da­her den Ar­beit­neh­mer vorsätz­lich, kann er sei­ne Haf­tung we­gen § 202 Abs.1 BGB nicht durch ei­ne Aus­schluss­klau­sel vor der ge­setz­li­chen Verjährung (drei Jah­re) zum Erlöschen brin­gen.

Aber im­mer­hin ist es Ar­beit­ge­bern möglich, ih­re Haf­tung für vorsätz­li­che Schädi­gun­gen ih­rer "Erfüllungs­ge­hil­fen" zu be­schränken, d.h. für sol­che Schädi­gun­gen, die der Ar­beit­neh­mer durch Ar­beits­kol­le­gen oder Vor­ge­setz­te (= Erfüllungs­ge­hil­fen des Ar­beit­ge­bers) er­lit­ten hat. Die­se Möglich­keit ei­ner Haf­tungs­be­schränkung folgt aus § 276 Abs.3 BGB in Verb. mit § 278 Satz 2 BGB.

Vor die­sem Hin­ter­grund fragt sich, wie ei­ne "nor­ma­le" Aus­schluss­klau­sel wie im obi­gen Bei­spiel zu ver­ste­hen ist: Gehört der Scha­dens­er­satz­an­spruch, den ein Ar­beit­neh­mer we­gen schuld­haf­ten "Mob­bings" sei­nes Vor­ge­setz­ten nach dem Ge­setz (§ 278 Satz 1 BGB) ge­gen den Ar­beit­ge­ber hat, auch den "bei­der­sei­ti­gen Ansprüchen", die er in­ner­halb der Aus­schluss­frist gel­tend ma­chen muss?

Dafür spricht, dass die Klau­sel ja aus­drück­lich "al­le" Ansprüche er­fas­sen soll. Da­ge­gen spricht, dass sie ja Ansprüche we­gen vorsätz­li­cher Schädi­gun­gen durch den Ar­beit­ge­ber je nach dem Ge­setz nicht er­fas­sen kann und so ge­se­hen das The­ma Haf­tung we­gen Vor­sat­zes ge­ne­rell aus­klam­mert.

Der Fall des BAG: Tank­stel­len­lei­te­rin sieht sich von ih­rem Vor­ge­setz­ten ge­mobbt und ver­klagt den Ar­beit­ge­ber auf Scha­dens­er­satz

Ei­ne Tank­stel­len­lei­te­rin ver­ein­bar­te nach ei­nem In­ha­ber­wech­sel mit dem neu­en In­ha­ber ei­nen be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag, der vom 01.09.2009 bis zum 31.08.2010 be­ste­hen soll­te. Da­zu kam es aber nicht, da die Ar­beit­neh­me­rin ab Mit­te No­vem­ber 2009 durch­ge­hend ar­beits­unfähig krank war.

An­fang Fe­bru­ar 2010 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ei­ne vor­zei­ti­ge Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31.05.2010. Bis da­hin wur­de die Ar­beit­neh­me­rin nicht wie­der ge­sund.

Der vom Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­te Ar­beits­ver­trag ent­hielt ei­ne Aus­schluss­klau­sel, wo­nach al­le bei­der­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis und sol­che, die mit dem Ar­beits­verhält­nis in Ver­bin­dung ste­hen, ver­fal­len soll­ten, wenn sie nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach der Fällig­keit ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich er­ho­ben wer­den.

En­de März 2010 in­for­mier­te die Ar­beit­neh­me­rin den Ar­beit­ge­ber darüber, dass sie ge­gen ih­ren Vor­ge­setz­ten Straf­an­zei­ge we­gen Be­lei­di­gung und se­xu­el­ler Belästi­gung ge­stellt ha­be. Mit ei­ner En­de Au­gust 2010 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen und dem Ar­beit­ge­ber am 09.09.2010 zu­ge­stell­ten Kla­ge mach­te sie erst­ma­lig die Zah­lung ei­nes Schmer­zens­gel­des we­gen „Mob­bings“ durch ih­ren Vor­ge­setz­ten gel­tend.

Das Ar­beits­ge­richt Köln (Ur­teil vom 06.10.2010, 5 Ca 6981/10) und das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln wie­sen die Kla­ge ab (Ur­teil vom 31.01.2012, 5 Sa 1560/10). Das LAG Köln war der Mei­nung, die drei­mo­na­ti­ge Aus­schluss­klau­sel sei auf die hier von der Ar­beit­neh­me­rin be­haup­te­te vorsätz­li­che Schädi­gung durch ih­ren Vor­ge­setz­ten an­zu­wen­den, da ei­ne sol­che Er­leich­te­rung der Verjährung durch § 202 Abs.1 BGB ja nicht aus­ge­schlos­sen ist.

BAG: Aus­schluss­klau­seln re­geln im All­ge­mei­nen kei­ne Fra­gen der Haf­tung we­gen vorsätz­li­cher Schädi­gung

Das BAG hob die Ur­tei­le auf und ver­wies den Rechts­streit an das LAG zurück. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG heißt es da­zu:

Ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss­frist ist laut BAG im Re­gel­fall so aus­zu­le­gen, dass sie nur die von den Par­tei­en für re­ge­lungs­bedürf­tig ge­hal­te­nen Fälle er­fas­sen soll. Ei­ne An­wen­dung auch für die Fälle, die durch ge­setz­li­che Ver­bo­te oder Ge­bo­te ge­re­gelt sind, ist da­ge­gen re­gelmäßig ge­ra­de nicht ge­wollt.

Zu die­sen Ge­set­zes­vor­schrif­ten rech­net das BAG of­fen­bar § 276 Abs.3 BGB und § 278 Satz 2 BGB, de­nen zu­fol­ge der Ar­beit­ge­ber sich nicht für ei­ge­nes vorsätz­li­ches Han­deln frei­zei­ch­nen kann, wohl aber für vorsätz­li­ches Han­deln an­de­rer Ar­beit­neh­mer (Kol­le­gen, Vor­ge­setz­te). Und auch den § 202 Abs.1 BGB hat das BAG hier im Blick, dem zu­fol­ge ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss­klau­sel Scha­dens­er­satz­ansprüche we­gen Vor­sat­zes nicht vor der ge­setz­li­chen Verjährung (drei Jah­re) zum Erlöschen brin­gen kann.

An­ge­sichts die­ser ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen ist ei­ne "nor­ma­le", d.h. knapp for­mu­lier­te Aus­schluss­klau­sel im All­ge­mei­nen so zu ver­ste­hen, dass sie das ge­sam­te The­ma der Haf­tung we­gen Vor­sat­zes gar nicht be­trifft, so das BAG.

Fa­zit: Ar­beit­ge­ber, die ih­re Haf­tung für vorsätz­li­che Schädi­gun­gen ih­rer Erfüllungs­ge­hil­fen (Ar­beits­kol­le­gen, Vor­ge­setz­te) aus­sch­ließen wol­len, müssen das aus­drück­lich ma­chen. Mit ei­ner "schlan­ken" Aus­schluss­klau­sel wie im hier ent­schie­de­nen Fall er­rei­chen sie ei­ne sol­che Haf­tungs­be­schränkung nicht. Das ist auch gut so, denn Ar­beit­neh­mer soll­ten un­gefähr wis­sen, wel­che Ansprüche von ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­schluss­klau­sel be­droht sind und wel­che nicht.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 25. September 2018

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 5.0 von 5 Sternen (1 Bewertung)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de