HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 18/150

Hem­mung ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist durch Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen

Schreibt ei­ne Aus­schluss­klau­sel die Kla­ger­he­bung bin­nen ei­ner be­stimm­ten Frist vor, ist der Frist­ab­lauf für die Dau­er au­ßer­ge­richt­li­cher Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen ge­hemmt: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 20.06.2018, 5 AZR 262/17
Mann hinter hohem Papierstapel

21.06.2018. Aus­schluss­fris­ten sind im Ar­beits­recht weit ver­brei­tet. Ent­spre­chen­de Klau­seln fin­den sich in Ta­rif­ver­trä­gen, Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und Ar­beits­ver­trä­gen.

Aus­schluss­klau­seln se­hen vor, dass An­sprü­che in­ner­halb ei­ner recht kur­zen Frist von ei­ni­gen Mo­na­ten ge­gen­über der an­de­ren Ver­trags­par­tei gel­tend ge­macht wer­den müs­sen und bei Frist­ver­säu­mung er­satz­los un­ter­ge­hen. Bei ei­ner zwei­stu­fi­gen Aus­schluss­klau­sel muss der An­spruchs­in­ha­ber so­gar bin­nen ei­ner be­stimm­ten Frist Kla­ge er­he­ben, um den Ver­fall sei­ner An­sprü­che zu ver­hin­dern.

In ei­nem ges­tern er­gan­ge­nen Ur­teil hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den, dass die Frist zur Kla­ge­er­he­bung vor­über­ge­hend nicht läuft bzw. ge­hemmt ist, so­lan­ge die Par­tei­en au­ßer­ge­richt­li­che Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen füh­ren: BAG, Ur­teil vom 20.06.2018, 5 AZR 262/17 (Pres­se­mel­dung des Ge­richts).

An­wen­dung von Verjährungs­vor­schrif­ten auf Aus­schluss­fris­ten?

Aus­schluss­fris­ten gel­ten nur, wenn es ei­ne ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung gibt, d.h. ei­ne ta­rif­li­che, ar­beits­ver­trag­li­che oder in ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung ent­hal­te­ne Aus­schluss­fris­ten­re­ge­lung. Dem­ent­spre­chend können Aus­schluss­fris­ten ver­schie­den lang sein (sechs Wo­chen, drei Mo­na­te, sechs Mo­na­te usw.), und sie können dem An­spruchs­in­ha­ber ver­schie­de­ne Pflich­ten auf­er­le­gen (schrift­li­che Gel­tend­ma­chung und/oder Kla­ge­er­he­bung).

Im Un­ter­schied zu Aus­schluss­fris­ten gel­ten Verjährungs­fris­ten auf der Grund­la­ge all­ge­mei­ner ge­setz­li­cher Re­ge­lun­gen und sind da­her gleich lang. So verjähren ar­beits­ver­trag­li­che Ansprüche im All­ge­mei­nen in­ner­halb von drei Jah­ren ab dem En­de des Ka­len­der­jah­res, in dem sie ent­stan­den sind und der An­spruchs­in­ha­ber von ih­nen Kennt­nis hat­te, vgl. § 195 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) in Verb. mit § 199 BGB. Um die Verjährung ab­zu­wen­den, muss der An­spruchs­in­ha­ber im Nor­mal­fall Kla­ge er­he­ben (§ 204 Abs.1 Nr.1 BGB).

Ist ein An­spruch verjährt, kann der Schuld­ner die Leis­tung ver­wei­gern, d.h. er kann sich auf die Verjährung be­ru­fen (§ 214 Abs.1 BGB). Der verjähr­te An­spruch be­steht aber trotz­dem wei­ter, so dass der Schuld­ner sei­ne Leis­tung nicht zurück­for­dern kann, wenn er ei­nen verjähr­ten An­spruch erfüllt hat (§ 214 Abs.2 Satz 1 BGB). Und auch das Ge­richt muss die Verjährung ei­nes ein­ge­klag­ten An­spruchs nicht von sich aus („ von Amts we­gen“) prüfen, son­dern erst dann, wenn sich der Be­klag­te auf die Verjährung be­ruft.

Im Ver­gleich zu Verjährungs­fris­ten ha­ben Aus­schluss­fris­ten wei­ter­rei­chen­de Fol­gen. Sie ver­nich­ten nämlich den von ih­nen be­trof­fe­nen An­spruch, so dass das Ge­richt die Gel­tung von Aus­schluss­fris­ten von sich aus über­prüfen muss, d.h. von Amts we­gen. Der Be­klag­te muss sich da­her vor Ge­richt nicht aus­drück­lich auf Aus­schluss­fris­ten be­ru­fen.

Vor die­sem Hin­ter­grund ge­hen die Ar­beits­ge­rich­te im All­ge­mei­nen da­von aus, dass die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten über die Verjährung auf Aus­schluss­fris­ten nicht an­zu­wen­den sind. Das gilt nach bis­he­ri­ger Recht­spre­chung auch für § 203 BGB, der die Hem­mung der Verjährungs­frist für die Dau­er von außer­ge­richt­li­chen Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen vor­sieht. § 203 BGB lau­tet:

„Schwe­ben zwi­schen dem Schuld­ner und dem Gläubi­ger Ver­hand­lun­gen über den An­spruch oder die den An­spruch be­gründen­den Umstände, so ist die Verjährung ge­hemmt, bis der ei­ne oder der an­de­re Teil die Fort­set­zung der Ver­hand­lun­gen ver­wei­gert. Die Verjährung tritt frühes­tens drei Mo­na­te nach dem En­de der Hem­mung ein.“

Mit sei­nem ges­tern er­gan­ge­nen Ur­teil hat das BAG ent­ge­gen der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung der Ar­beits­ge­rich­te ent­schie­den, dass auch Aus­schluss­fris­ten gemäß § 203 BGB durch außer­ge­richt­li­che Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen ge­hemmt sein können.

Im Streit: Ar­beit­neh­mer klagt erst nach Ab­lauf der ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist Ur­laubs­ab­gel­tung und Über­stun­den ein

Ein tech­ni­scher Sach­be­ar­bei­ter ver­lang­te nach sei­nem Aus­schei­den 31.07.2015 von sei­nem (Ex-)Ar­beit­ge­ber 6.387,52 EUR Ur­laubs­ab­gel­tung und Über­stun­den­vergütung (4.671,88 EUR). In sei­nem En­de 2013 ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trag war fol­gen­de zwei­stu­fi­ge Aus­schluss­klau­sel ent­hal­ten:

„Ansprüche bei­der Par­tei­en aus dem Ar­beits­verhält­nis ver­fal­len, wenn sie nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten ab Fällig­keit schrift­lich ge­genüber der Ge­gen­sei­te gel­tend ge­macht wer­den. Ent­schei­dend ist der Zu­gang des Schrei­bens. Nach Ab­lauf der Frist kann der An­spruch nicht mehr gel­tend ge­macht wer­den.

Lehnt die Ge­gen­sei­te den An­spruch ab oder äußert sie sich nicht in­ner­halb von zwei Wo­chen ab Zu­gang der Gel­tend­ma­chung, so ist der An­spruch in­ner­halb von wei­te­ren drei Mo­na­ten ab Zu­gang der Ab­leh­nung bzw. bei Ab­lauf der Zwei­wo­chen­frist bei Ge­richt anhängig zu ma­chen. An­dern­falls ist der An­spruch ver­fal­len und kann nicht mehr gel­tend ge­macht wer­den.“

Die ers­te Stu­fe die­ser zwei­stu­fi­gen Aus­schluss­frist (schrift­li­che Gel­tend­ma­chung) hielt der Ar­beit­neh­mer ein, je­den­falls bezüglich der Ur­laubs­ab­gel­tung. Denn sein Auf­for­de­rungs­schrei­ben vom 14.09.2015 traf recht­zei­tig beim Ar­beit­ge­ber ein, nämlich in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses und da­mit in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach Fällig­keit des Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruchs.

Der Ar­beit­ge­ber lehn­te die Zah­lung mit Schrei­ben vom 28.09.2015 ab, bot dem Ar­beit­neh­mer da­bei aber gleich­zei­tig ei­ne ein­ver­nehm­li­che Lösung an. In der Fol­ge­zeit führ­ten die Par­tei­en mit­hil­fe von Anwälten Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen, die bis zum 25.11.2015 dau­er­ten, letzt­lich aber kei­nen Er­folg hat­ten. Sch­ließlich er­hob der Ar­beit­neh­mer am 21.01.2016 Kla­ge. Zu die­sem Zeit­punkt wa­ren be­reits mehr als drei Mo­na­te seit der For­de­rungsa­b­leh­nung durch den Ar­beit­ge­ber (Schrei­ben vom 28.09.2015) ver­gan­gen, so dass die zwei­te Stu­fe der Aus­schluss­frist (= drei Mo­na­te ab Zu­gang der Ab­leh­nung) nicht ein­ge­hal­ten war.

Das Ar­beits­ge­richt Nürn­berg wies dar­auf hin die Kla­ge ab (Ar­beits­ge­richt Nürn­berg, Ur­teil vom 09.02.2017, 11 Ca 340/16), und auch das in der Be­ru­fungs­in­stanz zuständi­ge Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nürn­berg ent­schied zu­guns­ten des Ar­beit­ge­bers (LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 09.05.2017, 7 Sa 560/16).

BAG: Schreibt ei­ne Aus­schluss­klau­sel die Kla­ger­he­bung bin­nen ei­ner be­stimm­ten Frist vor, ist der Frist­ab­lauf für die Dau­er außer­ge­richt­li­cher Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen ge­hemmt

In Er­furt vor dem BAG hat­te der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer Er­folg, denn die Er­fur­ter Rich­ter ho­ben die Ur­tei­le der Vor­in­stan­zen auf und ver­wie­sen den Rechts­streit zurück zum LAG, das nun­mehr über die ge­naue Höhe der strei­ti­gen Ansprüche ent­schei­den muss. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG heißt es zur Be­gründung:

Schreibt ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss­klau­sel vor, dass ar­beits­ver­trag­li­che Ansprüche in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten Frist ge­richt­lich gel­tend ge­macht wer­den müssen, ist die Aus­schluss­frist in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 203 Satz 1 BGB ge­hemmt, so­lan­ge die Par­tei­en vor­ge­richt­li­che Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen führen. Kon­kret heißt das laut BAG, dass die Zeit, während der die Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen geführt wer­den, in sinn­gemäßer An­wen­dung des § 209 BGB in die Aus­schluss­frist nicht ein­ge­rech­net wer­den.

Al­ler­dings soll die wei­ter­ge­hen­de Re­ge­lung des § 203 Satz 2 BGB, wo­nach die Verjährung frühes­tens drei Mo­na­te nach dem En­de der Hem­mung ein­tritt, auf ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten nicht an­ge­wandt wer­den so das BAG.

Dem BAG ist zu­zu­stim­men. Auf­grund der er­heb­li­chen recht­li­chen Fol­gen von Aus­schluss­fris­ten spricht nichts da­ge­gen, ge­setz­li­che Vor­schrif­ten über die Be­schränkung der Verjährung auf Aus­schluss­fris­ten sinn­gemäß an­zu­wen­den, d.h. de­ren Reich­wei­te eben­falls ein­zu­schränken.

Be­dau­er­lich an dem Ur­teil des BAG ist nur, dass die Er­fur­ter Rich­ter die mit Span­nung er­war­te­te Ent­schei­dung der Fra­ge wei­ter ver­tagt ha­ben, ob ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss­klau­seln in­trans­pa­rent und da­mit ins­ge­samt nich­tig sind (gemäß § 307 Abs.1 BGB), wenn sie den An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn nicht aus­drück­lich von ih­rem Gel­tungs­be­reich aus­neh­men. Da der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer hier be­reits Er­folg hat­te, weil die Aus­schluss­frist in­fol­ge von § 203 Satz 1 BGB nicht ab­ge­lau­fen war, brauch­te das BAG die­se Rechts­fra­ge hier im Streit­fall nicht zu ent­schei­den.

Fa­zit: Läuft auf der Grund­la­ge ei­ner zwei­stu­fi­gen Aus­schluss­frist nach Ein­hal­tung der ers­ten Stu­fe (schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs) die Frist zur Kla­ge­er­he­bung, ist der Frist­ab­lauf ge­hemmt, so­lan­ge die Par­tei­en außer­ge­richt­li­che Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen führen.

Wer­den die­se Ver­hand­lun­gen al­ler­dings ge­gen En­de der Frist zur Kla­ge­er­he­bung geführt, muss sich der An­spruchs­in­ha­ber mit sei­ner Kla­ge be­ei­len, so­bald die Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen ge­schei­tert sind bzw. nicht mehr geführt wer­den. Denn die drei­mo­na­ti­ge Gal­gen­frist des § 203 Satz 2 BGB gilt in ei­nem sol­chen Fall nicht.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 25. September 2018

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 4.5 von 5 Sternen (3 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de