HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Köln, Ur­teil vom 31.01.2012, 5 Sa 1560/10

   
Schlagworte: Ausschlussklausel, Ausschlussfrist, AGB, Allgemeine Geschäftsbedingungen
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 5 Sa 1560/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 31.01.2012
   
Leitsätze:

1. Eine arbeitsvertragliche Verfallklausel, die die Haftung wegen vorsätzlichen Handelns ausschließen soll, ist nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB insoweit nichtig, als sie sich auf eigenes Verhalten des Arbeitgebers bezieht. Sie ist wirksam, soweit sie eine Haftung des Arbeitgebers für ein vorsätzliches Handeln von Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen ausschließt. Insoweit verstößt die Klausel weder gegen § 202 Abs. 1 BGB noch gegen §§ 305 ff. BGB. Die Annahme der Teilnichtigkeit stellt auch keine unzulässige geltungserhaltende Reduktion dar.

2. Die erste Stufe einer zweistufigen arbeitsvertraglichen Verfallklausel wird regelmäßig nicht durch die innerhalb der Frist erfolgte Einreichung (Anhängigkeit) einer Klage beim Arbeitsgericht gewahrt, wenn die Klage erst nach Fristablauf zugestellt (rechtshängig) wird.

a) § 167 ZPO ist auf die erste Stufe einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel weder unmittelbar noch mittelbar anwendbar. An der bisherigen Rechtsprechung des BAG ist festzuhalten. Die Entscheidung des BGH vom 17. Juli 2008 (I ZR 109/05) führt für Verfallklauseln nicht zu einer Rechtsprechungsänderung.

b) Die jeweilige vertragliche Verfallklausel bedarf allerdings einer Auslegung dahingehend, ob prozessuale Vorschriften wie § 167 ZPO nach dem Willen der Parteien Anwendung finden sollen. Für die erste Stufe einer zweistufigen Verfallfrist ist regelmäßig davon auszugehen, dass nach dem Willen der Parteien § 167 ZPO nicht anzuwenden ist.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Köln, Urteil 5 Ca 6981/10
   

5 Sa 1560/10
5 Ca 6981/10
Ar­beits­ge­richt Köln  

Verkündet am

31. Ja­nu­ar 2012

H,
Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT KÖLN

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit


- Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin -


Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:


g e g e n

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

hat die 5. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln

auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 31.01.2012

durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. S als

Vor­sit­zen­den so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herr C und Herr D

für R e c h t er­kannt:


1. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Köln vom 06. Ok­to­ber 2010 – 5 Ca 6981/10 – wird zurück­ge­wie­sen.


2. Die Kläge­rin trägt die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens.

3. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

T a t b e s t a n d :

Die Kläge­rin macht Schmer­zens­geld gel­tend.
 


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Die Kläge­rin war bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin vom 1. Ju­li 1996 bis zum 31. Mai 2010 beschäftigt. Zu­letzt war sie die Lei­te­rin der von der Be­klag­ten be­trie­be­nen Tank­stel­le. Die Tank­stel­le gehörte ursprüng­lich den Schwie­ger­el­tern der Kläge­rin; sie wur­de am 1. Sep­tem­ber 2009 von der Be­klag­ten über­nom­men.

§ 12 des zwi­schen den Par­tei­en am 31. Au­gust 2009 un­ter­zeich­ne­ten Ar­beits­ver­tra­ges enthält fol­gen­de Re­ge­lun­gen:

„Al­le bei­der­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis und sol­che, die mit dem Ar­beits­verhält­nis in Ver­bin­dung ste­hen ver­fal­len, wenn sie nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach der Fällig­keit ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich er­ho­ben wer­den.

Lehnt die Ge­gen­par­tei den An­spruch ab oder erklärt sie sich nicht in­ner­halb von zwei Wo­chen nach der Gel­tend­ma­chung des An­spruchs, so verfällt die­ser, wenn er nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach Ab­leh­nung oder dem Frist­ab­lauf ge­richt­lich gel­tend ge­macht wird.“

Die Be­klag­te kündig­te das Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 1. De­zem­ber 2009 „frist­gemäß un­ter Ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist während der Pro­be­zeit zum 16.12.2010“. We­gen des Schreib­feh­lers sprach sie vor­sichts­hal­ber un­ter dem 16. De­zem­ber 2009 ei­ne wei­te­re Kündi­gung zum 31. De­zem­ber 2009 aus. In ei­nem Vor­pro­zess verständig­ten sich die Par­tei­en am 2. Fe­bru­ar 2010 auf ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit Ab­lauf des 31. Mai 2010. Das Ge­richt hat die Ak­te bei­ge­zo­gen (ArbG Köln 13 Ca 1655/09).

Die Kläge­rin war vom 16. No­vem­ber 2009 bis zum 31. Mai 2010 und darüber hin­aus ar­beits­unfähig er­krankt. Mit Schrei­ben vom 26. März 2010 un­ter­rich­te­te sie die Be­klag­te darüber, dass sie ge­gen ih­ren Vor­ge­setz­ten Herrn E Straf­an­zei­ge we­gen „des Ver­dachts der Be­lei­di­gung und der se­xu­el­len

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Belästi­gung“ ge­stellt ha­be. Das Ver­fah­ren ist im No­vem­ber 2010 gemäß § 170 Abs. 2 St­PO ein­ge­stellt wor­den.

Mit der am 30. Au­gust 2010 beim Ar­beits­ge­richt und der Be­klag­ten am 9. Sep­tem­ber 2010 zu­ge­stell­ten Kla­ge macht die Kläge­rin die Zah­lung von Schmer­zens­geld gel­tend, weil sie ih­re Er­kran­kung im Zeit­raum vom 16. No­vem­ber 2009 bis zum 31. Mai 2010 auf „Mob­bing-Hand­lun­gen“ von Herrn E zurückführt.

Die Kläge­rin hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ihr ste­he Schmer­zens­geld zu, weil die Be­klag­te für das Ver­hal­ten von Herrn E ein­tre­ten müsse. Hier­zu hat sie be­haup­tet, Herr E ha­be sie fast täglich als „doof“, „blöd“ oder „unfähig“ be­zeich­net. Sie ha­be nicht ver­trags­ge­rech­te Ar­bei­ten ver­rich­ten müssen. Als die Tank­stel­le am 8. Ok­to­ber 2009 über­fal­len wor­den sei, ha­be er al­len Mit­ar­bei­tern und so­mit auch ihr vor­ge­hal­ten, sie sei­en zu blöd, um den Täter fest­zu­hal­ten. Er ha­be ihr be­wusst wahr­heits­wid­rig un­ter­stellt, Über­stun­den zu Un­recht ab­zu­rech­nen. Er ha­be ihr ge­gen ih­ren Wil­len ein Vi­deo der Grup­pe Rammstein mit dem Na­men „Pus­sy Vi­deo“ ge­zeigt. Als ihr Freund vor­bei­ge­kom­men sei, ha­be er die­sen sinn­gemäß an­ge­fah­ren: „Musst Du jetzt schon wie­der kom­men; das Vi­deo woll­te ich mit ihr al­lein se­hen“.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie ein Schmer­zens­geld, des­sen Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, nicht aber un­ter 5.000 Eu­ro, zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

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die Kla­ge ab­zu­wei­sen.


Sie hat gel­tend ge­macht, Herr E ha­be sich ge­genüber der Kläge­rin kor­rekt ver­hal­ten. Im Übri­gen sei­en mögli­che Ansprüche der Kläge­rin ver­fal­len.

Mit Ur­teil vom 6. Ok­to­ber 2010 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­gründung aus­geführt, die von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­ten Ansprüche sei­en ver­fal­len. Ge­gen das ihr am 25. No­vem­ber 2010 zu­ge­stell­te erst­in­stanz­li­che Ur­teil hat die Kläge­rin mit am 22. De­zem­ber 2010 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz vom glei­chen Tag Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit am 25. Ja­nu­ar 2011 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz vom 24. Ja­nu­ar 2011 be­gründet.

Die Kläge­rin ist nach wie vor der Auf­fas­sung, ihr ste­he Schmer­zens­geld zu. Sie könne auch ei­ne Entschädi­gung we­gen der Ver­let­zung ih­res all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts ver­lan­gen. Der An­spruch sei nicht ver­fal­len, weil die im Ar­beits­ver­trag ver­ein­bar­te Klau­sel un­wirk­sam sei. Sie ver­s­toße ge­gen § 202 Abs. 1 BGB. Ver­fall­klau­seln in Ar­beits­verträgen stell­ten ei­ne un­zulässi­ge Verjährungs­er­leich­te­rung dar. Ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten schei­te­re auch nicht dar­an, dass § 278 S. 2 BGB nach wie vor ei­nen Haf­tungs­aus­schluss für vorsätz­li­ches Han­deln von Erfüllungs­ge­hil­fen zu­las­se. Maßgeb­lich sei, dass nach § 309 Nr. 7b BGB ein Aus­schluss oder ei­ne Be­gren­zung der Haf­tung für Schäden, die auf ei­ner vorsätz­li­chen oder grob fahrlässi­gen Pflicht­ver­let­zung ei­nes Erfüllungs­ge­hil­fen des Ver­wen­ders be­ruh­ten, un­wirk­sam sei.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

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un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Köln vom 6. Ok­to­ber 2010 – 5 Ca 6981710 - die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie ein Schmer­zens­geld, des­sen Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, nicht aber un­ter 5.000 Eu­ro, zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt un­ter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­trags das an­ge­foch­te­ne Ur­teil.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils, die im Be­ru­fungs­ver­fah­ren ge­wech­sel­ten Schriftsätze, die ein­ge­reich­ten Un­ter­la­gen so­wie die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten Be­zug ge­nom­men.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

I. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statt­haft und wur­de gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet.

II. Das Rechts­mit­tel hat in der Sa­che je­doch kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Es kann da­hin ste­hen, ob der Kläge­rin ei­nen An­spruch auf Schmer­zens­geld bzw. Entschädi­gung ge­gen die Be­klag­te aus § 241 Abs. 2, § 253 Abs. 2, § 278, § 280 Abs. 1 BGB, aus

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§ 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB und § 831, § 253 Abs. 2 BGB so­wie § 831 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG we­gen des Ver­hal­tens von Herrn E zu­stand. Denn mögli­che Ansprüche der Kläge­rin ge­gen die Be­klag­te sind nach § 12 Abs. 1 des Ar­beits­ver­tra­ges ver­fal­len. Die Ver­fall­frist er­fasst Ansprüche we­gen ei­nes vorsätz­li­chen Ver­hal­tens ei­nes Erfüllungs- oder Ver­rich­tungs­ge­hil­fen. Mit die­sem In­halt ist sie wirk­sam. Zwar sind ein­zel­ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten in­so­weit nach § 134, § 202 Abs. 1 BGB un­wirk­sam, als sie die Haf­tung we­gen vorsätz­li­chen Han­delns aus­sch­ließen. Dies gilt je­doch im Hin­blick auf § 278 Satz 2 BGB, der es er­laubt, die Haf­tung für frem­des vorsätz­li­ches Han­deln aus­zu­sch­ließen, nicht für die Haf­tung für vorsätz­li­ches Han­deln ei­nes Erfüllungs- oder Ver­rich­tungs­ge­hil­fen. Die drei­mo­na­ti­ge Ver­fall­klau­sel hält auch der AGB-Kon­trol­le stand. Sie verstößt ins­be­son­de­re nicht ge­gen § 309 Nr. 7b BGB. Die Kläge­rin hat die am 1. Ju­ni 2010 be­gin­nen­de Frist nicht ge­wahrt, weil der Be­klag­ten die Gel­tend­ma­chung erst am 9. Sep­tem­ber 2010 und da­mit mehr als drei Mo­na­te nach der Fällig­keit zu­ge­gan­gen ist. Die in­ner­halb der drei­mo­na­ti­gen Frist er­folg­te Ein­rei­chung der Kla­ge beim Ar­beits­ge­richt ist nicht frist­wah­rend. § 167 ZPO ist auf die ers­te Stu­fe der Ver­fall­frist nicht an­wend­bar. Die Vor­schrift fin­det auf ver­trag­lich ver­ein­bar­te Fris­ten we­der un­mit­tel­bar noch ana­log An­wen­dung. Auch kann der Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en nicht da­hin­ge­hend aus­ge­legt wer­den, dass für die ers­te Stu­fe der Ver­fall­frist die Vor­schrif­ten der ZPO zur An­wen­dung kom­men sol­len.

1. Die Ver­fall­frist des § 12 Abs. 1 des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en er­fasst Ansprüche we­gen ei­nes vorsätz­li­chen Ver­hal­tens ei­nes Erfüllungs- oder Ver­rich­tungs­ge­hil­fen. Dies er­gibt die Aus­le­gung der Klau­sel.

a) All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen sind nach ih­rem ob­jek­ti­ven In­halt und ty­pi­schen Sinn ein­heit­lich so aus­zu­le­gen, wie sie von verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­nern un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der nor­ma­ler­wei­se be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ver­stan­den wer­den, wo­bei nicht die Verständ­nismöglich­kei­ten des kon­kre­ten, son­dern die des durch­schnitt­li­chen Ver­trags­part­ners des Ver­wen­ders zu­grun­de zu le­gen sind. Maßge­bend sind die Verständ­nismöglich­kei­ten des ty­pi­scher­wei­se bei Verträgen der ge­re­gel­ten Art zu er­war­ten­den nicht rechts­kun­di­gen Ver­trags­part­ners. Der Ver­wen­der ist

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dem­gemäß ver­pflich­tet, die Rech­te und Pflich­ten des Ver­trags­part­ners möglichst klar und durch­schau­bar dar­zu­stel­len; sie müssen so ge­stal­tet sein, dass der nicht rechts­kun­di­ge Durch­schnitts­ar­beit­neh­mer die be­nach­tei­li­gen­de Wir­kung oh­ne Ein­ho­lung von Rechts­rat er­ken­nen kann (vgl. nur BAG 19. März 2008 – 5 AZR 492/07 – NZA 2008, 757).

An­satz­punkt für die Aus­le­gung All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen ist in ers­ter Li­nie der Ver­trags­wort­laut. Ist der Wort­laut ei­nes For­mu­lar­ver­trags nicht ein­deu­tig, kommt es für die Aus­le­gung ent­schei­dend dar­auf an, wie der Ver­trags­text aus der Sicht der ty­pi­scher­wei­se an Geschäften die­ser Art be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se zu ver­ste­hen ist, wo­bei der Ver­trags­wil­le verständi­ger und red­li­cher Ver­trags­part­ner be­ach­tet wer­den muss. Von Be­deu­tung für das Aus­le­gungs­er­geb­nis sind schließlich auch der von den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ver­folg­te Re­ge­lungs­zweck so­wie die In­ter­es­sen­la­ge der Be­tei­lig­ten (vgl. nur BAG 19. März 2008 – 5 AZR 492/07 – NZA 2008, 757).

Für ver­gleich­ba­re ta­rif­ver­trag­li­che Ver­fall­fris­ten nimmt das BAG re­gelmäßig an, dass sie die Haf­tung für vorsätz­li­ches Han­deln er­fas­sen. Dies gilt et­wa für § 15 Bun­des­rah­men­ta­rif­ver­trag für die ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer des Bau­ge­wer­bes vom 4. Ju­li 2002 in der Fas­sung des Ände­rungs­ta­rif­ver­trags vom 20. Au­gust 2007 (BauRTV), der al­le „bei­der­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis“ er­fasst. Zur Be­gründung führt der 8. Se­nat aus, be­reits nach dem Wort­laut soll­ten „al­le bei­der­sei­ti­gen“, d. h. wech­sel­sei­ti­gen Ansprüche der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en der Klau­sel un­ter­lie­gen. Aus der For­mu­lie­rung der Ta­rif­norm ergäben sich kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass nur be­stimm­te Ansprüche ge­meint sei­en und ins­be­son­de­re sol­che we­gen vorsätz­lich be­gan­ge­ner, ggf. auch un­er­laub­ter Hand­lun­gen aus­ge­nom­men sein soll­ten. Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts un­ter­fie­len we­gen des ein­heit­li­chen Le­bens­vor­gangs nicht nur ver­trag­li­che Erfüllungs- und Scha­dens­er­satz­ansprüche ei­ner Klau­sel, die „al­le ... Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis“ ei­ner be­stimm­ten Frist zur Gel­tend­ma­chung un­ter­wirft, son­dern auch sol­che aus un­er­laub­ter Hand­lung iSd. §§ 823, 826 BGB. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ver­folg­ten mit der wei­ten For­mu­lie­rung das Ziel, Rechts­klar­heit und Rechts­si­cher­heit her­bei­zuführen. Die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en sol­len sich dar­auf ver­las­sen können, dass nach
 


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Frist­ab­lauf der je­wei­li­ge Ver­trags­part­ner kei­ne Ansprüche mehr er­he­be. Dem ent­spre­che es am ehes­ten, al­le Ansprüche aus ei­nem ein­heit­li­chen Le­bens­vor­gang nach ei­ner ge­wis­sen Zeit je­dem recht­li­chen Streit zu ent­zie­hen. An­knüpfungs­punkt sei für die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en we­ni­ger die Rechts­grund­la­ge für den An­spruch als viel­mehr der An­lass sei­nes je­wei­li­gen Ent­ste­hens. Er­ge­be sich so­mit aus dem Wort­laut ein­deu­tig ei­ne ein­schränkungs­lo­se Er­fas­sung sämt­li­cher wech­sel­sei­ti­ger Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis, so blei­be kein Raum für die von der Recht­spre­chung ge­for­der­te en­ge Aus­le­gung von Aus­schluss­fris­ten (BAG 18. No­vem­ber 2011 – 8 AZR 187/10 – ju­ris, Rz 26; vgl. auch BAG 30. Ok­to­ber 2008 – 8 AZR 866/07 – EzA § 4 TVG Aus­schluss­fris­ten, Rz 21; 16. Mai 2007 – 8 AZR 709/06 – NZA 2007, 1370, Rz 40 f.).

Für ei­ne in ei­nem For­mu­lar­ar­beits­ver­trag von dem Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­te Ver­fall­klau­sel können nach der Recht­spre­chung des BAG al­ler­dings Zwei­fel an­ge­bracht sein, ob die Haf­tung we­gen Vor­sat­zes nach dem Wil­len der Par­tei­en um­fasst sein soll (BAG 28. Sep­tem­ber 2005 – 5 AZR 52/05 – AP § 307 BGB Nr. 7, Rz 21; 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – AP § 310 BGB Nr. 1, Rz 15; vgl. auch BAG 30. Ok­to­ber 2008 – 8 AZR 866/07 – EzA § 4 TVG Aus­schluss­fris­ten, Rz 21). Die­se Zwei­fel be­ru­hen ins­be­son­de­re auf der Erwägung, dass der Aus­schluss der Haf­tung für ein ei­ge­nes vorsätz­li­ches Han­del un­zulässig ist.

b) Da­nach ist § 12 Abs. 1 des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass er auch die Haf­tung für ein vorsätz­li­ches Ver­hal­ten ei­nes Erfüllungs- oder Ver­rich­tungs­ge­hil­fen er­fasst. Hierfür spricht der im Wort­laut der Vor­schrift zum Aus­druck kom­men­de Wil­le, ei­ne um­fas­sen­de Re­ge­lung, die al­le wech­sel­sei­ti­gen Ansprüche un­abhängig von ih­rem Rechts­grund er­fasst, zu schaf­fen. Denn es sol­len nicht nur – wie in der ge­nann­ten ta­rif­li­chen Re­ge­lung – al­le bei­der­sei­ti­gen Ansprüche nach drei Mo­na­ten ver­fal­len. Die Ver­fall­klau­sel soll sich viel­mehr darüber hin­aus­ge­hend auch auf Ansprüche er­stre­cken, die mit dem Ar­beits­verhält­nis in Ver­bin­dung ste­hen. Dies lässt deut­lich den Wil­len er­ken­nen, nach drei Mo­na­ten ei­nen endgülti­gen Schluss­strich für al­le Ansprüche zu zie­hen.

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Die vom BAG für in an­de­ren Ar­beits­verträgen ent­hal­te­ne Ver­fall­fris­ten geäußer­ten Zwei­fel, ob sie die Haf­tung we­gen Vor­sat­zes um­fas­sen, kom­men vor­lie­gend nicht zum Tra­gen. Sie be­ruht auf der An­nah­me, dass Par­tei­en re­gelmäßig kei­ne Ver­ein­ba­rung tref­fen wol­len, die rechts­un­wirk­sam ist. Die­se Über­le­gung greift vor­lie­gend nicht, weil die Ver­fall­frist – wie noch aus­zuführen ist – je­den­falls in­so­weit wirk­sam ist, als sie sich auf den Aus­schluss der Haf­tung für ein vorsätz­li­ches Ver­hal­tens ei­nes Erfüllungs- oder Ver­rich­tungs­ge­hil­fen er­streckt.

2. Die in § 12 Abs. 1 des Ar­beits­ver­tra­ges ver­ein­bar­te Ver­fall­frist ist in­so­weit wirk­sam, als sie ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten für ein vorsätz­li­ches Han­deln ih­rer Erfüllungs- und Ver­rich­tungs­ge­hil­fen aus­sch­ließt. Sie ist so­wohl mit § 202 Abs. 1 BGB als auch mit §§ 305 ff. BGB ver­ein­bar.

a) Die ers­te Stu­fe der ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­fall­frist ist nicht nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB nich­tig.

aa) Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haf­tung we­gen Vor­sat­zes nicht im Vor­aus durch Rechts­geschäft er­leich­tert wer­den. Die Vor­schrift ergänzt den all­ge­mei­nen Grund­satz des § 276 Abs. 3 BGB, wo­nach die Haf­tung we­gen Vor­sat­zes dem Schuld­ner nicht im Vor­aus er­las­sen wer­den kann. § 276 Abs. 3 BGB ent­fal­tet erst durch § 202 Abs. 1 BGB vol­le Wirk­sam­keit. Das Ge­setz be­zweckt ei­nen um­fas­sen­den Schutz ge­gen im Vor­aus ver­ein­bar­te Ein­schränkun­gen von Haf­tungs­ansprüchen aus vorsätz­li­chen Schädi­gun­gen. Des­halb ver­bie­tet § 202 Abs. 1 BGB nicht nur Ver­ein­ba­run­gen über die Verjährung, son­dern auch über Ver­fall­fris­ten (BAG 30. Ok­to­ber 2008 – 8 AZR 866/07 – EzA § 4 TVG Aus­schluss­fris­ten, Rz 17; 28. Sep­tem­ber 2005 – 5 AZR 52/05 – AP § 307 BGB Nr. 7, Rz 20; 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – AP § 310 BGB Nr. 1, Rz 14).

Dies gilt nicht für den Aus­schluss der Haf­tung für frem­des vorsätz­li­ches Han­deln. Der Aus­schluss der Haf­tung für ein vorsätz­li­ches Ver­hal­tens ei­nes Erfüllungs- oder Ver­rich­tungs­ge­hil­fen ist we­gen § 278 Satz 2 BGB nach wie vor möglich (BAG 30. Ok­to­ber 2008 – 8 AZR 866/07 – EzA § 4 TVG Aus­schluss­fris­ten, Rz 17; 16. Mai 2007 – 8 AZR 709/06 – NZA 2007, 1370, Rz 43).
 


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Ei­ne Ver­fall­klau­sel, die Ansprüche we­gen vorsätz­li­chen Han­delns in un­zulässi­ger Wei­se aus­sch­ließt, ist nicht ins­ge­samt nich­tig, son­dern nur teil­nich­tig. Das ge­setz­li­che Ver­bot be­zieht sich nur auf die be­son­de­ren Fälle des § 202 Abs. 1 BGB. Die Aus­schluss­klau­sel ist hin­sicht­lich der Art der er­fass­ten Ansprüche oh­ne wei­te­res teil­bar. Gem. § 139 BGB ist an­zu­neh­men, die Par­tei­en hätten die Aus­schluss­frist auch oh­ne den nich­ti­gen Teil ver­ein­bart. Zur An­wen­dung kommt § 202 Abs. 1 BGB, die Re­ge­lung bleibt im Übri­gen wirk­sam. An­ge­sichts der in § 202 Abs. 1 BGB ein­deu­tig ge­zo­ge­nen Gren­ze der Un­wirk­sam­keit stellt das kei­ne un­zulässi­ge gel­tungs­er­hal­ten­de Re­duk­ti­on dar (BAG 28. Sep­tem­ber 2005 – 5 AZR 52/05 – AP § 307 BGB Nr. 7, Rz 21; 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – AP § 310 BGB Nr. 1, Rz 15).

bb) Da­nach ist § 12 Abs. 1 des Ar­beits­ver­tra­ges in­so­weit nich­tig, als sie sich auf den Aus­schluss der Haf­tung für ein ei­ge­nes vorsätz­li­ches Han­deln der Be­klag­ten er­streckt. Dies führt nicht da­zu, dass die Klau­sel ins­ge­samt un­wirk­sam ist. Sie ist in­so­weit mit § 202 Abs. 1 BGB ver­ein­bar, als sie die Haf­tung für ein frem­des vorsätz­li­ches Han­deln aus­sch­ließt.

b) Die Ver­fall­frist hält auch der nach §§ 305 ff. BGB vor­zu­neh­men­den AGB- Kon­trol­le stand.

Ei­ne ein­zel­ver­trag­li­che Ver­fall­frist, die - wie hier - ei­ne Gel­tend­ma­chung in­ner­halb ei­ner drei­mo­na­ti­gen Frist nach der Fällig­keit des An­spruchs vor­sieht, ist mit §§ 305 ff. BGB ver­ein­bar (BAG 28. Sep­tem­ber 2005 – 5 AZR 52/05 – AP § 307 BGB Nr. 7; 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – AP § 310 BGB Nr. 1).

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin und ei­ner in der Li­te­ra­tur ver­tre­te­nen Auf­fas­sung (Preis/Ro­loff RdA 2005, 144, 147; Lak­kis ju­risPK-BGB § 202 Rdn. 20 und 41) verstößt ei­ne Klau­sel, die sich auf ein vorsätz­li­ches Han­deln er­streckt, nicht ge­gen § 309 Nr. 7 BGB.

Gem. § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB ist ein Aus­schluss oder ei­ne Be­gren­zung der Haf­tung für sons­ti­ge Schäden, die auf ei­ner grob fahrlässi­gen Pflicht­ver­let­zung des Ver­wen­ders oder auf ei­ner vorsätz­li­chen oder grob fahrlässi­gen Pflicht­ver­let­zung ei­nes ge­setz­li­chen Ver­tre­ters oder Erfüllungs­ge­hil­fen des Ver­wen­ders be­ru­hen, in All­ge­mei­nen
 


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Geschäfts­be­din­gun­gen un­wirk­sam. Die Ob­lie­gen­heit ei­ner schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung enthält in­des kei­nen Haf­tungs­aus­schluss und kei­ne Haf­tungs­be­gren­zung (BAG 28. Sep­tem­ber 2005 – 5 AZR 52/05 – AP § 307 BGB Nr. 7, Rz 27; 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – AP § 310 BGB Nr. 1, Rz 23).

3. Die Kläge­rin hat die drei­mo­na­ti­ge Ver­fall­frist des § 12 Abs. 1 des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en nicht ge­wahrt. Der gel­tend ge­mach­te An­spruch ist am 1. Ju­ni 2010 fällig ge­wor­den. Die mit der Zu­stel­lung der Kla­ge am 9. Sep­tem­ber 2010 erst­mals vor­ge­nom­me­ne Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­genüber der Be­klag­ten ist nach dem Ab­lauf der drei­mo­na­ti­gen Frist er­folgt und konn­te sie so­mit nicht wah­ren. Durch die in­ner­halb der drei­mo­na­ti­gen Frist voll­zo­ge­ne Ein­rei­chung der Kla­ge beim Ar­beits­ge­richt konn­te die Ver­fall­frist nicht ein­ge­hal­ten wer­den. § 167 ZPO ist auf die ers­te Stu­fe ei­ner zwei­stu­fi­gen Ver­fall­frist we­der un­mit­tel­bar noch ana­log an­wend­bar. Der Ver­trag der Par­tei­en kann auch nicht da­hin­ge­hend aus­ge­legt wer­den, dass die Par­tei­en die Gel­tung der pro­zes­sua­len Vor­schrift des § 167 ZPO ver­ein­ba­ren woll­ten. Die zu ei­ner Frist, wel­che eben­falls die außer­ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung in­ner­halb ei­nes be­stimm­ten Zeit­raums ver­langt hat, er­gan­ge­ne Ent­schei­dung des BGH vom 17. Ju­li 2008 (I ZR 109/05 – BGHZ 177, 319) führt für Ver­fall­fris­ten zu kei­ner an­de­ren Be­trach­tung.


a) Der An­spruch ist am 1. Ju­ni 2010 fällig ge­we­sen.

aa) Ein An­spruch ist re­gelmäßig erst dann im Sin­ne ei­ner Ver­fall­frist fällig, wenn der Gläubi­ger ihn annähernd be­zif­fern kann. Bei Scha­dens­er­satz­ansprüchen tritt Fällig­keit da­her ein, wenn der Scha­den für den Gläubi­ger fest­stell­bar ist und gel­tend ge­macht wer­den kann. Fest­stell­bar ist der Scha­den, so­bald der Gläubi­ger vom Scha­dens­er­eig­nis Kennt­nis er­langt oder bei Be­ach­tung der ge­bo­te­nen Sorg­falt Kennt­nis er­langt hätte. Gel­tend ge­macht wer­den können Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen, so­bald der Gläubi­ger in der La­ge ist, sich den er­for­der­li­chen Über­blick oh­ne schuld­haf­tes Zögern zu ver­schaf­fen und er sei­ne For­de­run­gen we­nigs­tens annähernd be­zif­fern kann. Zur Fällig­keit der For­de­rung reicht es aus, wenn der Gläubi­ger die Ansprüche so deut­lich be­zeich­nen kann, dass der Schuld­ner er­ken­nen kann, aus wel­chem Sach­ver­halt und in wel­cher un­gefähren Höhe er in An­spruch ge­nom­men wer­den soll. Dem­ent­spre­chend muss zu­min­dest die un­gefähre Höhe der
 


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For­de­rung vom Gläubi­ger be­nannt wer­den. Die Fällig­keit ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs setzt darüber hin­aus vor­aus, dass ein Scha­den über­haupt ent­stan­den ist. Erst mit der Ent­ste­hung des Scha­dens kann auch ein Scha­dens­er­satz­an­spruch ent­ste­hen (BAG 18. No­vem­ber 2011 – 8 AZR 187/10 – ju­ris, Rz 43; 30. Ok­to­ber 2008 – 8 AZR 866/07 – EzA § 4 TVG Aus­schluss­fris­ten, Rz 24; 16. Mai 2007 – 8 AZR 709/06 – NZA 2007, 1370, Rz 53 f.). Die­se Grundsätze gel­tend auch für Schmer­zens­geld­ansprüche und Ansprüche, die auf die Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts gestützt wer­den.

Für ei­nen An­spruch, der auf „Mob­bing“ und ei­ne dar­aus re­sul­tie­ren­de Ar­beits­unfähig­keit gestützt wor­den ist, hat das BAG an­ge­nom­men, der An­spruch sei erst mit Ab­lauf der Ar­beits­unfähig­keit ent­stan­den. Der Kläger sei erst ab Be­en­di­gung sei­ner Er­kran­kung in der La­ge ge­we­sen, sei­nen ihm durch die­se ent­stan­de­nen Scha­den fest­zu­stel­len. Das gel­te ins­be­son­de­re für den gel­tend ge­mach­ten Schmer­zens­geld­an­spruch, weil die­ser in sei­ner Höhe ganz we­sent­lich von der Dau­er der Krank­heit abhänge (BAG 25. Ok­to­ber 2007 – 8 AZR 593/06 – NZA 2008, 223, Rz 96).

bb) Da­nach ist der An­spruch der Kläge­rin am 1. Ju­ni 2010 fällig ge­we­sen. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass sie über die­sen Zeit­raum hin­aus ar­beits­unfähig er­krankt war.


Maßgeb­lich ist, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin mit dem 31. Mai 2010 sein En­de ge­fun­den hat. Die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses stellt ei­ne Zäsur dar. Dies hat auch die Kläge­rin nicht an­ders ge­se­hen. Sie macht mit der Kla­ge ei­nen An­spruch gel­tend, den sie dar­auf stützt, dass das Ver­hal­ten von Herrn Ekau­sal für ih­re Ar­beits­unfähig­keit vom 16. No­vem­ber 2009 bis zum 31. Mai 2010 ge­we­sen sei. Ab die­sem Zeit­punkt war sie in der La­ge, sich den er­for­der­li­chen Über­blick oh­ne schuld­haf­tes Zögern zu ver­schaf­fen und ih­re For­de­rung we­nigs­tens annähernd zu be­zif­fern. Da der An­spruch auf Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten bis zum 31. Mai 2010 be­schränkt wor­den ist, konn­ten sich für die Kläge­rin für die Zeit ab dem 1. Ju­ni 2010 hin­sicht­lich ih­res mit der Kla­ge ver­folg­ten An­spruchs kei­ne we­sent­lich neu­en Er­kennt­nis­se er­ge­ben.
 


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b) Der An­spruch ist nach § 12 Abs. 1 des Ver­tra­ges ver­fal­len, weil er von der Kläge­rin ge­genüber der Be­klag­ten erst später als drei Mo­na­te nach Fällig­keit gel­tend ge­macht wor­den ist. Die mit der Zu­stel­lung der Kla­ge am 9. Sep­tem­ber 2010 erst­mals er­folg­te Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­genüber der Be­klag­ten ist nach dem Ab­lauf der drei­mo­na­ti­gen Frist er­folgt und konn­te sie so­mit nicht wah­ren.

Ei­ne „Vor­ver­la­ge­rung“ der Gel­tend­ma­chung auf den Zeit­punkt der Ein­rei­chung der Kla­ge beim Ar­beits­ge­richt, die am 30. Au­gust 2010 er­folgt ist, hat nicht zu er­fol­gen. § 167 ZPO ist auf die ers­te Stu­fe ei­ner zwei­stu­fi­gen Ver­fall­frist und da­mit auf § 12 Abs. 1 des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en nicht an­wend­bar.

aa) Das BAG nimmt in ständi­ger Recht­spre­chung an, dass § 167 ZPO auf ein­stu­fi­ge und auf die ers­te Stu­fe zwei­stu­fi­ger Ver­fall­fris­ten kei­ne An­wen­dung fin­det (BAG 19. Ju­ni 2007 – 1 AZR 541/06 – ju­ris, Rz 31; 25. Sep­tem­ber 1996 – 10 AZR 678/05 – ju­ris, Rz 39; 08. März 1976 – 5 AZR 361/75 – AP § 496 ZPO Nr. 4, Rz 19; 18. Ja­nu­ar 1974 – 3 AZR 3/73 – AP § 345 ZPO Nr. 4, Rz 26).

Dies wird aus dem Sinn und Zweck der Vor­schrift des § 167 ZPO ge­schlos­sen. Die­se Re­ge­lung sol­le nur dem­je­ni­gen zu­gu­te­kom­men, der dar­auf an­ge­wie­sen sei, sich der Mit­wir­kung der Ge­rich­te zu be­die­nen, um be­stimm­te Fris­ten zu wah­ren. Nur in die­sem Fall sei die Par­tei auf die Mit­wir­kung des Ge­richts an­ge­wie­sen und bedürfe des­halb des Schut­zes da­vor, dass ei­ne Verzöge­rung in­ner­halb des von ihr nicht zu be­ein­flus­sen­den Ge­richts­be­trie­bes ein­tre­te.

Selbst für die zwei­te Stu­fe ei­ner Ver­fall­frist geht das BAG nicht un­ein­ge­schränkt von der An­wend­bar­keit pro­zes­sua­ler ge­setz­li­cher Be­stim­mun­gen aus. So nimmt das BAG an, dass § 233 ZPO auf die Versäum­ung ei­ner ver­trag­li­chen Ver­fall­frist nicht ana­log an­wend­bar sei. Bei ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Fris­ten hätten es die Par­tei­en in der Hand, die Dau­er der Frist und die Mo­da­litäten ih­res Ab­laufs so zu be­stim­men, das ei­ner un­ver­schul­de­ten Versäum­ung vor­ge­beugt wer­den könne (BAG 18. No­vem­ber 2004 – 6 AZR 651/03 – BA­GE 112, 351, Rz 29). Im kon­kre­ten Fall hat der

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6. Se­nat darüber hin­aus ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung des § 167 ZPO ab­ge­lehnt (Rz 31).

Dem­ge­genüber nimmt der BGH an, die Be­stim­mung des § 167 ZPO sei grundsätz­lich auch in den Fällen an­wend­bar, in de­nen mit der Zu­stel­lung ei­ne Frist ein­ge­hal­ten wer­den soll, die auch durch außer­ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung ge­wahrt wer­den kann (BGH 17. Ju­li 2008 - I ZR 109/05 – BGHZ 177, 319, Rz 23 ff.).

Dafür spre­che zum ei­nen, dass in der­ar­ti­gen Fällen so­gar ei­ne Zu­stel­lung durch Ver­mitt­lung ei­nes Ge­richts­voll­zie­hers Rück­wir­kung ent­fal­te. Die Be­stim­mung des § 132 Abs. 1 Satz 1 BGB las­se – an­stel­le des Zu­gangs – die Zu­stel­lung ei­ner Wil­lens­erklärung durch Ver­mitt­lung ei­nes Ge­richts­voll­zie­hers zu. Mit ei­ner sol­chen Zu­stel­lung könn­ten Fris­ten ge­wahrt wer­den, die nicht durch ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung ge­wahrt wer­den müss­ten. Sol­le durch ei­ne sol­che Zu­stel­lung ei­ne Frist ge­wahrt wer­den, tre­te die­se Wir­kung nach § 132 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V. mit §§ 191, 192 Abs. 2 Satz 1, § 167 ZPO be­reits mit Überg­a­be des die Wil­lens­erklärung ent­hal­ten­den Schriftstücks an den Ge­richts­voll­zie­her ein, wenn die Zu­stel­lung demnächst er­fol­ge. Es wäre nicht ge­recht­fer­tigt, ei­ner Zu­stel­lung durch Ver­mitt­lung des Ge­richts in gleich­ar­ti­gen Fällen die Rück­wir­kung zu ver­sa­gen.

Dafür sprächen zum an­de­ren Ge­sichts­punk­te der Rechts­si­cher­heit und des Ver­trau­ens­schut­zes. Der Wort­laut des § 167 ZPO bie­te kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass die Rück­wir­kung der Zu­stel­lung da­von abhänge, ob mit der Zu­stel­lung ei­ne nur ge­richt­lich oder ei­ne auch außer­ge­richt­lich gel­tend zu ma­chen­de Frist ge­wahrt wer­den sol­le und ob die Zu­stel­lung durch Ver­mitt­lung des Ge­richts oder des Ge­richts­voll­zie­hers er­fol­ge. Der­je­ni­ge, der das Ge­setz beim Wort neh­me, er­war­te da­her zu Recht, dass die Zu­stel­lung durch Ver­mitt­lung des Ge­richts Rück­wir­kung ent­fal­te; er ha­be kei­nen Grund an­zu­neh­men, dass in­so­weit da­nach zu un­ter­schei­den sein könn­te, wel­che Art von Frist durch die Zu­stel­lung ge­wahrt wer­den sol­le. Wer mit der Kla­ge die stärks­te Form der Gel­tend­ma­chung von Ansprüchen wähle, müsse sich des­halb dar­auf ver­las­sen können, dass die Ein­rei­chung der Kla­ge­schrift die Frist wah­re. Dem ste­he nicht ent­ge­gen, dass Sinn und Zweck der Re­ge­lung bei ein­zel­nen Fris­ten ei­ner Rück­wir­kung der Zu­stel­lung aus­nahms­wei­se

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ent­ge­gen­ste­hen könn­ten, so dass von dem Grund­satz der An­wen­dung des § 167 ZPO auch auf Fris­ten, die durch außer­ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung ge­wahrt wer­den könn­ten, Aus­nah­men zu­zu­las­sen sei­en.

Zu der Fra­ge, ob § 167 ZPO auch auf ver­trag­li­che Ver­fall­fris­ten An­wen­dung fin­det, hat der BGH man­gels Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit kei­ne Aus­sa­ge ge­trof­fen. Er hat viel­mehr auf die ab­leh­nen­de Auf­fas­sung des BAG hin­ge­wie­sen, die es mit dem be­son­de­ren Sinn und Zweck die­ser Fris­ten be­gründe (BGH 17. Ju­li 2008 - I ZR 109/05 – BGHZ 177, 319, Rz 21).

In der Li­te­ra­tur wird die Fra­ge, wel­che Kon­se­quen­zen sich für ar­beits­ver­trag­li­che Ver­fall­fris­ten aus der Ent­schei­dung des BGH er­ge­ben, un­ter­schied­lich be­ant­wor­tet. Teil­wei­se wird an­ge­nom­men, nun­mehr sei § 167 ZPO auch auf ein­stu­fi­ge und auf die ers­te Stu­fe zwei­stu­fi­ger Ver­fall­fris­ten an­zu­wen­den (Näge­le/Gert­ler NZA 2010, 1377, 1379 f.). An­de­re Stim­men ver­nei­nen die Fra­ge (Gel­haar NZA-RR 2011, 169; ei­ne zu­sam­men­fas­sen­de Über­sicht ist der Ent­schei­dung des LAG Hamm vom 10. Mai 2011 – 14 Ta 106/11 – ju­ris, zu ent­neh­men).

bb) Die er­ken­nen­de Kam­mer ist der Auf­fas­sung, dass § 167 ZPO we­der un­mit­tel­bar noch ana­log auf die ers­te Stu­fe ei­ner zwei­stu­fi­gen Ver­fall­frist an­wend­bar ist. Al­ler­dings be­darf die je­wei­li­ge Ver­fall­klau­sel ei­ner Aus­le­gung da­hin­ge­hend, ob die pro­zes­sua­len Vor­schrif­ten dem Wil­len der Par­tei­en An­wen­dung fin­den sol­len. Für die ers­te Stu­fe ei­ner zwei­stu­fi­gen Ver­fall­frist ist re­gelmäßig da­von aus­zu­ge­hen, dass der Ver­trag nicht im Sin­ne ei­ner An­wend­bar­keit der Vor­schrift aus­ge­legt wer­den kann.

(1) Zunächst ist § 167 ZPO auf die ers­te Stu­fe ei­ner zwei­stu­fi­gen Ver­fall­frist nicht un­mit­tel­bar an­wend­bar.

Die Vor­schrift gehört zum Buch 1 (All­ge­mei­ne Vor­schrif­ten) Ti­tel 2 (Ver­fah­ren bei Zu­stel­lun­gen) Un­ter­ti­tel 1 (Zu­stel­lun­gen von Amts we­gen) der ZPO. Ihr un­mit­tel­ba­rer An­wen­dungs­be­reich er­streckt sich so­mit nur auf von Amts we­gen vor­zu­neh­men­de Zu­stel­lun­gen. Die ers­te Stu­fe ei­ner ver­trag­li­chen Ver­fall­frist hat je­doch nicht ei­ne Zu­stel­lung von Amts we­gen zum Ge­gen­stand.

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Sie be­zieht sich viel­mehr auf ei­ne Zu­stel­lung, die außer­ge­richt­lich durch die Par­tei­en selbst er­fol­gen kann.

Die Kam­mer ver­mag sich vor die­sem Hin­ter­grund dem Ar­gu­ment des BGH, dass der­je­ni­ge, der das Ge­setz beim Wort neh­me, zu Recht er­war­te, dass die Zu­stel­lung durch Ver­mitt­lung des Ge­richts Rück­wir­kung ent­fal­te, nicht an­zu­sch­ließen. Nach Auf­fas­sung der Kam­mer verhält es sich ge­nau um­ge­kehrt: Da § 167 ZPO un­mit­tel­bar nur auf von Amts we­gen vor­zu­neh­men­de Zu­stel­lun­gen an­wend­bar ist, er­war­tet der­je­ni­ge, der das Ge­setz beim Wort nimmt, ge­ra­de nicht, dass die Zu­stel­lung durch das Ge­richt für die ers­te Stu­fe ei­ner Ver­fall­frist Rück­wir­kung ent­fal­tet. Ei­ne sol­che Er­war­tungs­hal­tung kann nur bei not­wen­dig vom Ge­richt zu be­wir­ken­den Zu­stel­lun­gen be­ste­hen.

Für die Kam­mer führt auch der Hin­weis auf § 132 Abs. 1 S. 1 BGB zu kei­ner an­de­ren Be­trach­tung. Es mag sein, dass die Zu­stel­lung durch ei­nen Ge­richts­voll­zie­her rück­wir­ken­de Kraft ha­ben kann. Um die­se Fra­ge geht es je­doch nicht. Auch § 132 BGB ist je­den­falls nicht un­mit­tel­bar an­wend­bar. Denn bei ei­ner Zu­stel­lung durch das Ge­richt han­delt es sich nicht um ei­ne Zu­stel­lung durch den Ge­richts­voll­zie­her.

(2) Ei­ne man­gels un­mit­tel­ba­rer An­wen­dung in Be­tracht zu zie­hen­de ana­lo­ge An­wen­dung des § 167 ZPO auf die ers­te Stu­fe ver­trag­li­cher Ver­fall­fris­ten ist nicht ge­recht­fer­tigt. Sie schei­det man­gels ei­ner plan­wid­ri­gen Re­ge­lungslücke aus.

Ei­ne Ana­lo­gie setzt vor­aus, dass das Ge­setz ei­ne Re­ge­lungslücke enthält und der zu be­ur­tei­len­de Sach­ver­halt in recht­li­cher Hin­sicht so­weit mit dem Tat­be­stand ver­gleich­bar ist, den der Ge­setz­ge­ber ge­re­gelt hat, dass an­ge­nom­men wer­den kann, der Ge­setz­ge­ber wäre bei ei­ner In­ter­es­sen­abwägung, bei der er sich von den glei­chen Grundsätzen hätte lei­ten las­sen wie bei dem Er­lass der her­an­ge­zo­ge­nen Ge­set­zes­vor­schrift, zu dem glei­chen Abwägungs­er­geb­nis ge­kom­men. Die Un­vollständig­keit des Ge­set­zes muss "plan­wid­rig" sein. Der dem Ge­setz zu­grun­de lie­gen­de Re­ge­lungs­plan ist aus ihm selbst im We­ge der his­to­ri­schen und te­leo­lo­gi­schen Aus­le­gung zu er­sch­ließen und es ist zu fra­gen, ob das Ge­setz, ge­mes­sen an sei­ner ei­ge­nen Re­ge­lungs­ab­sicht, plan­wid­rig un­vollständig ist. Die dem Plan des Ge­setz­ge­bers

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wi­der­spre­chen­de Lücke muss da­bei nicht von Er­lass des Ge­set­zes an be­ste­hen, son­dern kann sich auch später durch ei­ne Verände­rung der Le­bens­verhält­nis­se er­ge­ben ha­ben (BGH 14. De­zem­ber 2006 – IX ZR 92/05 – BGHZ 170, 187, Rz 15).

Ei­ne Re­ge­lungslücke ist nicht ge­ge­ben. Der Ge­setz­ge­ber woll­te nur für Zu­stel­lun­gen von Amts we­gen ei­ne Re­ge­lung tref­fen. Für ver­trag­li­che Ansprüche, die ge­genüber der an­de­ren Sei­te gel­tend zu ma­chen sind, hat er kei­ne Not­wen­dig­keit ge­se­hen, ei­ne Re­ge­lung zu tref­fen. Wie das BAG in den ge­nann­ten Ent­schei­dun­gen be­reits zu­tref­fend aus­geführt hat, soll § 167 ZPO nur dem­je­ni­gen zu­gu­te­kom­men, der dar­auf an­ge­wie­sen ist, sich der Mit­wir­kung der Ge­rich­te zu be­die­nen, um be­stimm­te Fris­ten zu wah­ren. Nur in die­sem Fall be­darf die Par­tei des Schut­zes da­vor, dass ei­ne Verzöge­rung in­ner­halb des von ihr nicht zu be­ein­flus­sen­den Ge­richts­be­trie­bes ein­tritt.

(3) Ei­ne an­de­re Be­trach­tung ist al­ler­dings an­ge­zeigt, wenn die Aus­le­gung der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en er­gibt, dass sie sich den Be­stim­mun­gen der ZPO über das Ver­fah­ren bei Zu­stel­lun­gen un­ter­wer­fen woll­ten. Ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung ste­hen kei­ne recht­li­chen Hin­der­nis­se ent­ge­gen.

Al­ler­dings können vom Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­te zwei­stu­fi­ge Ver­fall­klau­seln, so­weit die ers­te Stu­fe be­trof­fen ist, re­gelmäßig nicht da­hin­ge­hend aus­ge­legt wer­den, dass die Par­tei­en die Gel­tung der Be­stim­mun­gen der ZPO über Zu­stel­lun­gen ver­ein­ba­ren wol­len. Dem steht die In­ter­es­sen­la­ge der Par­tei­en ent­ge­gen. Die Ver­fall­klau­sel soll be­wir­ken, dass die Par­tei­en möglichst schnell Klar­heit darüber ha­ben sol­len, ob sie noch mit der In­an­spruch­nah­me durch die an­de­re Sei­te rech­nen müssen. Ist die in der ers­ten Stu­fe ge­nann­te Frist ab­ge­lau­fen, kann sich die an­de­re Sei­te dar­auf ein­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis bis zu dem je­wei­li­gen Zeit­punkt ab­sch­ließend ab­ge­wi­ckelt ist. Der in der ers­ten Stu­fe zum Aus­druck kom­men­de Be­schleu­ni­gungs­zweck bei der Ab­wick­lung ar­beits­recht­li­cher Ansprüche käme nicht zum Tra­gen, wenn die an­de­re Sei­te da­mit rech­nen müss­te, dass sie bei ei­ner so­for­ti­gen Kla­ge­er­he­bung auch noch später als in der in der Klau­sel vor­ge­se­he­nen Frist von der An­spruch­stel­lung der Ge­gen­sei­te er­fah­ren wird.

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Hin­zu kommt, dass ei­ne an­de­re Aus­le­gung die Par­tei pri­vi­le­gie­ren würde, die ih­re Ansprüche nicht zunächst außer­ge­richt­lich gel­tend macht, son­dern di­rekt ein­klagt. Auch wenn ein der­ar­ti­ges Ver­hal­ten recht­lich zulässig ist, läuft es gleich­wohl dem Sinn und Zweck ei­ner zwei­stu­fi­gen Ver­fall­frist zu­wi­der. Denn die außer­ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung soll möglichst ver­hin­dern, dass die Par­tei­en unnöti­ge und kost­spie­li­ge Ge­richts­ver­fah­ren führen. Die Ge­gen­sei­te soll vor ei­ner ge­richt­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung die Möglich­keit ha­ben, den An­spruch zu prüfen, ihn ggf. zu erfüllen oder be­rech­tig­te Ein­wen­dun­gen zu er­he­ben.

Darüber hin­aus spricht die sys­te­ma­ti­sche Be­trach­tung maßgeb­lich ge­gen ei­ne An­wen­dung des § 167 ZPO auf die ers­te Stu­fe ei­ner zwei­stu­fi­gen Ver­fall­frist. Denn die zwei­te Stu­fe, die ei­ne ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung ver­langt, kann re­gelmäßig da­hin­ge­hend ver­stan­den wer­den, dass die für das ge­richt­li­che Ver­fah­ren maßgeb­li­chen pro­zes­sua­len Vor­schrif­ten gel­ten sol­len. Im Ge­gen­satz da­zu soll die ers­te Stu­fe nach der re­gelmäßigen Vor­stel­lung der Par­tei­en außer­halb des ge­richt­li­chen Ver­fah­rens ab­ge­wi­ckelt wer­den.

cc) Nach die­sen Grundsätzen ist die Frist des § 12 Abs. 1 des Ar­beits­ver­tra­ges nicht durch die am 30. Au­gust 2010 er­folg­te Ein­rei­chung der Kla­ge beim Ar­beits­ge­richt ge­wahrt wor­den.

§ 167 ZPO kommt zunächst we­der un­mit­tel­bar noch ana­log zur An­wen­dung.

§ 12 des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en kann auch nicht da­hin­ge­hend aus­ge­legt wer­den, dass sich die Par­tei­en auf ei­ne Gel­tung des § 167 ZPO für die ers­te Stu­fe der Ver­fall­frist verständigt ha­ben.

Der Verständ­nismöglich­keit ei­nes durch­schnitt­li­chen Ver­trags­part­ners ent­spricht es, dass die Frist der ers­ten Stu­fe nur durch den Zu­gang der Gel­tend­ma­chung in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach Fällig­keit des An­spruchs be­wirkt wer­den kann. Es be­ste­hen kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass von der Re­gel, wo­nach § 167 Abs. 1 ZPO auf die ers­te Stu­fe ei­ner zwei­stu­fi­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­fall­frist nicht an­zu­wen­den ist, ab­zu­wei­chen wäre. Viel­mehr spre­chen die For­mu­lie­run­gen der Klau­sel dafür, die Grund­re­gel

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an­zu­wen­den. Denn § 12 Abs. 1 des Ar­beits­ver­tra­ges spricht aus­drück­lich da­von, dass Ansprüche „ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei“ schrift­lich er­ho­ben müssen. Dar­in kommt der Re­ge­lungs­wil­le zum Aus­druck, auf den Zeit­punkt des Zu­gangs bei der an­de­ren Ver­trags­par­tei und nicht auf den Ein­gang bei Ge­richt ab­zu­stel­len.

Zu­dem ist auf die sys­te­ma­ti­sche Be­trach­tung zu ver­wei­sen. Mit der zwei­ten Stu­fe der Ver­fall­frist ist be­ab­sich­tigt, die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten über Zu­stel­lun­gen zur An­wen­dung kom­men zu las­sen. Das Be­schleu­ni­gungs­in­ter­es­se wiegt auf der zwei­ten Stu­fe nicht mehr ganz so schwer wie auf der ers­ten Stu­fe. Die Par­tei, die be­reits außer­ge­richt­lich in An­spruch ge­nom­men wor­den ist, muss da­mit rech­nen, dass es die Ge­gen­sei­te bei ei­ner nicht er­folg­ten Erfüllung der Ansprüche nicht da­bei be­wen­den las­sen wird. Da­ge­gen konn­te die Be­klag­te An­fang Sep­tem­ber 2010 und da­mit mehr als drei Mo­na­te nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­rech­tig­ter­wei­se da­von aus­ge­hen, dass sie nicht mehr mit Ansprüchen kon­fron­tiert wird, die ihr bis da­hin nicht be­kannt wa­ren.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Kam­mer hat die Re­vi­si­on nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­ge­las­sen, weil sie der Rechts­fra­ge, ob § 167 ZPO auf die ers­te Stu­fe ei­ner zwei­stu­fi­gen Ver­fall­frist an­wend­bar ist, grundsätz­li­che Be­deu­tung bei­misst.

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung


Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der kla­gen­den Par­tei

R E V I S I O N

ein­ge­legt wer­den.

Für die be­klag­te Par­tei ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt
Hu­go-Preuß-Platz 1
99084 Er­furt
Fax: 0361 2636 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,

2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,

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3. Ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Num­mer 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Re­vi­si­ons­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.

* ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

Dr. S 

D

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