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Ausnahmen vom Mindestlohngesetz (MiLoG)
30.07.2014. Nachdem der Bundestag am 03.07.2014 das Mindestlohngesetz angenommen hat und auch der Bundesrat am 11.07.2014 nachgezogen hat, kommt der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 EUR zum 01.01.2015.
Zur Annahme stand allerdings das kurz zuvor noch überarbeitete Gesetz, d.h. die Beschlussempfehlung vom 02.07.2014.
In dieser endgültigen Gesetzesfassung sind einige Ausnahmen vorgesehen, über die in den Wochen vor der Gesetzesverabschiedung kontrovers diskutiert wurde.
Im folgenden finden Sie einen Überblick über diese Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss), vom 02.07.2014, Bundestag-Drucksache 18/2010 (neu).
- Arbeitnehmer, die unter einen branchenbezogenen Mindestlohntarifvertrag fallen
- Langzeitarbeitslose
- Auszubildende
- Ehrenamtlich tätige Mitarbeiter von Sportvereinen
- Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung
- Pflichtpraktikanten
- Zeitungszusteller
- Landwirtschaftliche Saisonkräfte
- Fazit
Arbeitnehmer, die unter einen branchenbezogenen Mindestlohntarifvertrag fallen
Bereits der erste Gesetzentwurf vom 11.04.2014 sah eine Übergangsregelung vor (§ 24 MiLoG), der zufolge Mindestlohntarifverträge auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) oder nach dem Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz AÜG) für eine Übergangszeit von zwei Jahren (= von Anfang 2015 bis Ende 2016) dem neuen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 EUR vorgehen.
Die meisten Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse unter einen branchenbezogenen Mindestlohntarifvertrag fallen, erhalten zwar bereits jetzt einen über 8,50 EUR liegenden Mindestlohn, doch sehen einige (schon länger geltende) Mindestlohntarife einen geringeren Mindestlohn vor. Für die Arbeitnehmer der folgende Branchen bleibt es daher auch ab Januar 2015 bei niedrigeren Lohnuntergrenzen:
- Gebäudereinigung - Innen- und Unterhaltsreinigung / Ost: Hier beträgt der Mindestlohn ab dem 01.01.2015 nur 8,23 EUR.
- Pflegebranche / Ost, falls der hier seit Anfang 2013 geltende Mindestlohn von 8,00 EUR nicht zu Anfang 2015 auf 8,50 EUR angehoben wird.
- Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft / Ost: Hier beträgt der Mindestlohn vom 01.01.2015 bis zum 30.06.2016 nur 8,00 EUR.
- Zeitarbeit / Ost: Hier beträgt der Mindestlohn vom 01.01. bis zum 31.03.2015 nur 7,86 EUR und vom 01.04.2015 bis zum 30.05.2016 nur 8,20 EUR.
- Friseurhandwerk: Hier beträgt der Mindestlohn / Ost bis zum 31.07.2015 nur 7,50 EUR und der Mindestlohn / West bis zum 31.07.2015 nur 8,00 EUR.
Zwei weitere Branchen sind in den letzten Monaten auf diesen Zug aufgesprungen und nutzen durch gezielt vereinbarte Mindestlohntarifverträge die gesetzliche Übergangszeit aus. Auch für die von diesen Mindestlohntarifverträgen betroffenen Arbeitnehmer gibt es daher ab 2015 erst einmal keinen Mindestlohn von 8,50 EUR:
- Fleischverarbeitung: Hier beträgt der (im Januar 2014 vereinbarte) tarifvertragliche Mindestlohn von August 2014 bis November 2014 7,75 EUR, von Dezember 2014 bis September 2015 8,00 EUR, von Oktober 2015 bis November 2016 8,60 EUR und von Dezember 2016 bis Ende 2017 8,75 EUR (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/195 Mindestlohn in der Fleischwirtschaft).
- Landwirtschaft: Hier haben der Gesamtverband der Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) und die Arbeitsgemeinschaft der gärtnerischen Arbeitgeberverbände (AgA) mit der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) am 04.07.2014 einen bundesweit geltenden Tarifvertrag abgeschlossen, der für die unterste Lohngruppe der landwirtschaftlichen Saisonarbeiter einen Mindestlohn von 7,40 EUR (West) bzw. von 7,20 EUR (Ost) ab Januar 2015 vorsieht. Diese Mindestlöhne sollen zum Januar 2016 auf 8,00 EUR (West) bzw. 7,90 (Ost), ab Januar 2017 einheitlich für West- und Ostdeutschland auf 8,60 EUR und ab November 2017 auf 9,10 EUR angehoben werden
Die gesetzliche Übergangszeit wurde in der am 03.07.2014 vom Bundestag beschlossenen Endfassung des Gesetzes (§ 24 MiLoG) um ein Jahr hinausgeschoben, d.h. sie beträgt jetzt drei Jahre (= von Anfang 2015 bis Ende 2017). Zugleich soll die Mindestlohnkommission ihre Vorschläge für eine Anpassung des Mindestlohns nicht erstmals für die Zeit ab Anfang 2018 vorlegen, sondern bereits für die Zeit ab Anfang 2017 (§ 9 Abs.1 MiLoG - Endfassung).
Für das Jahr 2017 wird es daher voraussichtlich eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf einen Betrag über 8,50 EUR geben, und zugleich gelten gemäß der bis Ende 2017 verlängerten Übergangsfrist (§ 24 MiLoG) die ungünstigeren branchenbezogenen Mindestlohntarifverträge im Jahr 2017 weiter.
Allerdings müssen diese einen Lohn von mindestens 8,50 EUR vorsehen, d.h. die branchenbezogenen Mindestlöhne können im Jahr 2017 nur dann den gesetzlichen (vermutlich über 8,50 EUR liegenden) Mindestlohn unterschreiten, wenn sie mindestens dem erstmaligen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 EUR entsprechen (§ 24 Abs.1 Satz 1, zweiter Halbsatz MiLoG - Endfassung).
Langzeitarbeitslose
Gemäß § 22 Abs.4 Satz 1 MiLoG gilt der Mindestlohn nicht für Arbeitnehmer, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 Abs.1 Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) waren. Das sind alle Arbeitslosen, die ein Jahr oder länger arbeitslos sind.
Begründet wird diese Regelung mit den ungünstigen "Beschäftigungschancen von Langzeitarbeitslosen" (Gesetzentwurf vom 28.05.2014, S.51). Sie sollen nicht durch einen für Arbeitgeber unattraktiven, weil zu hohen Mindestlohn weiter verschlechtert werden sollen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Grünen und die Linke lehnen diese Regelung ab (Beschlussempfehlung des Ausschusses vom 02.07.2014, S.13, S.23), unter anderem mit dem Argument, dass man nicht alle Langzeitarbeitslosen über einen Kamm scheren könne und dass die jetzt beschlossene Regelung gar keine Lohnuntergrenze vorsieht.
Die Vertreter der großen Koalition halten dagegen, dass der gesetzliche Mindestlohn ja nicht die einzige Lohnuntergrenze in Deutschland ist. Immerhin gibt es ja mittlerweile eine Vielzahl von Mindestlohntarifverträgen.
Dass die Schöpfer dieser Ausnahmeregelung selbst nicht so recht an deren Notwendigkeit glauben, zeigt sich an der Experimentierklausel des § 22 Abs.4 Satz 2 MiLoG. Danach hat die Bundesregierung dem Bundestag und dem Bundesrat zum 01.06.2016 darüber zu berichten, inwieweit diese Ausnahmeregelung tatsächlich die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat. Außerdem hat die Bundesregierung "eine Einschätzung darüber abzugeben, ob diese Regelung fortbestehen soll".
Auszubildende
§ 22 Abs.3 MiLoG stellt klar, dass das Gesetz nicht für Auszubildende gilt. Sie erhalten keinen Arbeitslohn, da der Zweck ihrer Tätigkeit das Erlernen eines Berufs und nicht das Geldverdienen ist.
Die Höhe der Ausbildungsvergütung kann im Prinzip frei von Ausbilder und Auszubildenden vereinbart werden, doch gibt es hier Empfehlungen der zuständigen Berufskammern. Von diesen Empfehlungen wiederum sollten Ausbilder nicht zu weit nach unten abweichen, denn sonst ist die Vereinbarung der Ausbildungsvergütung nichtig und dem Auszubildenden steht die übliche Vergütung zu.
Anders als die anderen Ausnahmen vom MiLoG hat die Herausnahme der Auszubildenden keine grundsätzliche Kritik erfahren.
Ehrenamtlich tätige Mitarbeiter von Sportvereinen
Gemäß § 22 Abs.3 MiLoG gilt das Gesetz nicht für die Vergütung von "ehrenamtlich Tätigen".
Dass sie nicht unter das Gesetz fallen, scheint auf den ersten Blick selbstverständlich zu sein. Denn wer im Verein oder in anderen Zusammenhängen ein Ehrenamt ausübt, ist nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags tätig, d.h. er ist kein Arbeitnehmer. Er will ja kein Geld verdienen, so dass sich die Frage eines Mindestlohns gar nicht zu stellen scheint.
Allerdings gibt es vor allem in Sportvereinen viele Personen, die in erster Linie aus ideellen Gründen mithelfen, dafür aber gleichzeitig als Dankeschön eine - meist geringe - Vergütung erhalten. Auf dieser Basis arbeiten zum Beispiel viele Trainer in Sportvereinen. Daher hielt der Bundestagsausschuss in seinen Beratungen folgende Klarstellung für sinnvoll, die allerdings nicht in den Gesetzestext aufgenommen wurde, sondern nur in dem Beschlussempfehlung des Ausschusses vom 02.07.2014 (S.17) festgehalten wird:
"Die Koalitionsfraktionen seien mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales darin einig, dass ehrenamtliche Übungsleiter und andere ehrenamtlich tätige Mitarbeiter in Sportvereinen nicht unter dieses Gesetz fielen. Von einer >ehrenamtlichen Tätigkeit< im Sinne des § 22 Absatz 3 MiLoG sei immer dann auszugehen, wenn sie nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt sei, sich für das Gemeinwohl einzusetzen."
Obwohl sie nicht Gesetz geworden ist, sondern "nur" das Gesetzesverständnis der Ausschussmitglieder widerspiegelt, ist diese Klarstellung für die Vorstände von Sport- und anderen Idealvereinen wichtig, denn sie wären bei einem anderen Gesetzesverständnis in der Gefahr der persönlichen Haftung für eine Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns. Dementsprechend atmen Vertreter von Vereinen und Verbänden auf.
Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung
§ 22 Abs.2 MiLoG sieht vor, dass
- Personen im Sinne von § 2 Absatz 1 und 2 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) (= die unter 18jährigen)
- ohne abgeschlossene Berufsausbildung
nicht als Arbeitnehmer im Sinne des MiLoG gelten. Gerechtfertigt wird diese Ausnahme, die die CDU gegen den Willen der SPD durchgesetzt hat, mit folgenden Überlegungen (Gesetzentwurf vom 28.05.2014, S.50 f.):
"Durch die Ausnahme wird sichergestellt, dass der Mindestlohn keinen Anreiz setzt, zugunsten einer mit dem Mindestlohn vergüteten Beschäftigung auf eine Berufsausbildung zu verzichten. Die (...) Altersgrenze verhindert dahingehende Fehlanreize, dass junge Menschen nach Abschluss der Sekundarstufe 1 von einer weiterführenden Schulausbildung oder einer Berufsausbildung deshalb absehen, um stattdessen eine mit dem Mindestlohn vergütete Beschäftigung anzunehmen. Typischerweise werden von jungen Menschen nach Abschluss der Sekundarstufe 1 wichtige Weichen für ihren späteren beruflichen Werdegang gestellt."
Diese Begründung ist wenig überzeugend, da die Altersgrenze von 18 Jahren nicht zum Thema Berufsausbildung passt. Die Zeiten, in denen man mit 14 oder 15 Jahren "in die Lehre" ging, sind lange vorbei. Wer eine Berufsausbildung beginnt, macht das heute oft in einem höheren Alter. Daher haben die Sachverständigen Prof. Thüsing und Prof. Preis in der ihren Stellungnahmen zum Gesetzentwurf diese Altersgrenze als untaugliches Mittel kritisiert (Beschlussempfehlung des Ausschusses vom 02.07.2014, S.14 f. und S.16).
Im Ergebnis ist diese Regelung altersdiskriminierend, d.h. sie verstößt gegen das europarechtliche Verbot, Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters zu diskriminieren, d.h. schlechter zu stellen als vergleichbare Arbeitnehmer, die sich in einem anderen Alter befinden (Art.1 und Art.3 Abs.1 Buchst. c) Richtlinie 2000/78/EG).
Denn da ein nachvollziehbarer sachlicher Grund nicht erkennbar ist, die Wahl einer schlechter bezahlten Berufsausbildung gerade bei den unter 18jährigen zu unterstützen, gibt es keine Rechtfertigung für diese Schlechterstellung. Die in Art.6 Richtlinie 2000/78/EG aufgelisteten Rechtfertigungen für eine altersbedingte Schlechterstellung greifen hier nicht ein.
Pflichtpraktikanten
Praktikanten sind vom Anwendungsbereich des Gesetzes nicht generell ausgenommen, sondern werden vielmehr im Grundsatz unter den gesetzlichen Mindestlohnschutz gestellt. Daher heißt es in § 22 Abs.1 Satz 1 MiLoG ausdrücklich, dass Praktikanten im Sinne von § 26 Berufsbildungsgesetz (BBiG) als Arbeitnehmer im Sinne des MiLoG gelten.
Praktikanten im Sinne von § 26 BBiG wiederum sind "Personen, die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes handelt", d.h. im Sinne des BBiG.
Mit dieser Grundregel hat die große Koalition allerdings ein heißes Eisen angefasst. Viele Betriebe (und öffentliche Stellen wie z.B. Bundesministerien) machen die Beschäftigung von Praktikanten nämlich davon abhängig, dass sie dafür kein Geld oder bestenfalls eine kleine Aufwandsentschädigung zahlen müssen. Ein genereller Mindestlohnschutz für Praktikanten hätte daher voraussichtlich zur Folge, dass es viele Praktikumsangebote schlicht nicht mehr gäbe, denn die meisten Betriebe und öffentliche Stellen sind auf Praktikanten nicht wirklich angewiesen.
Daher sieht die Endfassung von § 22 Abs.1 nunmehr folgende vier Ausnahmen von der Regel vor, dass auch Praktikanten einen Mindestlohn von 8,50 EUR verlangen können, d.h. die folgenden vier Gruppen von "echten" Praktikanten haben keinen Mindestlohnanspruch:
- Pflichtpraktikanten, d.h. Teilnehmer an einem Praktikum, das ausbildungsrechtlich verpflichtend vorgeschrieben ist. Hier gilt keine zeitliche Grenze.
- Praktikanten, die ein Orientierungspraktikum vor Beginn einer Berufsausbildung oder eines Studiums absolvieren. Hier gilt eine zeitliche Höchstgrenze von drei Monaten.
- Praktikanten, die ein rechtlich nicht vorgeschriebenes Praktikum als Ergänzung bzw. Begleitung einer Ausbildung oder eines Studiums absolvieren; dies betrifft vor allem Studenten geisteswissenschaftlicher Fächer. Auch hier gilt eine Höchstgrenze von drei Monaten und außerdem die Bedingung, dass der Praktikant nicht bereits zuvor beim selben Betrieb ein Praktikum gemacht hat.
- Praktikanten, die an einer Einstiegsqualifikation im Sinne von § 54a SGB III oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung im Sinne des BBiG teilnehmen. Hier gilt keine zeitliche Höchstgrenze.
Abgesehen von diesen vier gesetzlichen Ausnahmen haben auch Praktikanten einen Anspruch auf einen Mindestlohn von 8,50 EUR.
Ein gesetzliches Schlupfloch allerdings bleibt bestehen, da das MiLoG den Begriff des Praktikanten (trotz des Verweises auf § 26 BBiG) selbst noch einmal umständlich definiert, wobei auch diejenigen Personen vom Begriff des Praktikanten ausgenommen werden, die eine der dualen Berufsausbildung "vergleichbare praktische Ausbildung" durchlaufen (§ 22 Abs.1 Satz 2). Mit dieser Klausel sollen nach dem Willen der Gesetzesverfasser zum Beispiel Volontäre vom Mindestlohnschutz ausgenommen werden (Beschlussempfehlung des Ausschusses vom 02.07.2014, S.26).
Zeitungszusteller
Als besonderes Schmankerl haben die Koalitionäre in letzter Minute eine Ausnahmeregelung zulasten von Zeitungszustellern und Zustellerinnen in das Gesetz aufgenommen. Ihnen wird der gesetzliche Mindestlohn für eine Übergangszeit von drei Jahren (Anfang 2015 bis Ende 2017) vorenthalten, d.h. sie müssen sich für diese Zeit mit einem verminderten Mindestlohn zufrieden geben (§ 24 Abs.2 MiLoG).
Der übergangsweise Mindestlohn für Zeitungszusteller beträgt
- im Jahre 2015 6,38 EUR (= 75 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 EUR),
- im Jahre 2016 7,23 EUR (= 85 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 EUR), und
- im Jahre 2017 8,50 EUR (= 100 Prozent des derzeit gesetzlich festgelegten Mindestlohns, der allerdings im Jahre 2017 aufgrund der dann erstmalig von der Kommission empfohlenen Anhebung unter dem neuen bzw. aktualisierten Mindestlohn für 2017 liegen wird).
Begründet wird diese Ausnahme so (Beschlussempfehlung des Ausschusses vom 02.07.2014, S.26):
"Eine stufenweise Einphasung des Mindestlohns für die Zeitungszustellung ist erforderlich, weil die mit der Einführung des Mindestlohns einhergehenden Mehrkosten insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen die Trägerzustellung beeinträchtigen. Die Zustellung ist notwendige Bedingung für das Funktionieren der durch Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes geschützten freien Presse. Die verlässliche Trägerzustellung von Zeitungen und Zeitschriften am Tag ihres Erscheinens an den Endkunden ist eine wesentliche Säule für den Vertrieb dieser Printprodukte."
Diese "Begründung" ist so abwegig, dass sie schon ärgerlich ist. Dass die Erzeugung und der Vertrieb von Zeitungen grundrechtlich geschützt sind, heißt natürlich nicht, dass Zeitungsverleger eine Art Grundrechtsschutz darauf hätten, billige Arbeitskräfte bei der Zeitungszustellung beliebig ausbeuten zu dürfen. Ein "Grundrecht auf Ausbeutung" gibt es nicht.
Mehrkosten infolge des gesetzlichen Mindestlohns müssen die Zeitungsverlage ebenso verarbeiten wie andere Unternehmen auch, d.h. sie müssen diese Mehrkosten als gewinnmindernd hinnehmen oder aber auf ihre Kunden abwälzen. Wieso das Zeitungsverlage vor größere Probleme stellen sollte als andere Unternehmen, ist nicht ersichtlich. Die hier von den Verlagen durchgeboxte Ausnahmeregelung ist ein krasses Beispiel für effektive Lobbyarbeit, die zu unsinnigen gesetzlichen Regelungen führt.
Das einzig Gute an dieser Ausnahmevorschrift ist, dass sie nach drei Jahren wegfällt.
Landwirtschaftliche Saisonkräfte
Was den Verlegern gelungen ist, haben die Landwirte nicht durchsetzen können, nämlich eine gesetzliche Bereichsausnahme für Erntehelfer. Das einzige, was ihnen zugestanden wurde, ist eine bis Ende 2018 geltende zeitliche Ausdehnung der gesetzlichen Möglichkeit, Saisonkräfte als geringfügig Beschäftigte weitgehend sozialabgabenfrei zu führen. Während dies derzeit nur für die Dauer von höchstens 50 Arbeitstagen der Fall ist, sollen es künftig 70 Arbeitstage sein (§ 115 SGB IV, neue Fassung).
Allerdings dürfte das für die Landwirte zu verschmerzen sein, denn sie haben sich ja bereits (wie oben erwähnt) Anfang Juli 2014 mit der IG Bau auf einen bundesweit geltenden Mindestlohntarifvertrag geeinigt. Auf dieser Grundlage können die Landwirte den gesetzlichen Mindestlohn für die drei Übergangsjahre tarifvertraglich unterlaufen.
Fazit
Die Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn, die die zahlenmäßig größten Gruppen von Arbeitnehmern betreffen, ergeben sich aufgrund derjenigen branchenbezogenen Mindestlohntarifverträge, die den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 EUR unterschreiten. Diese Tarifverträge gehen dem MiLoG übergangsweise, d.h. bis längstens Ende 2017 vor.
Die dagegen gerichtete Kritik ist nicht wirklich überzeugend, denn immerhin gab es in Deutschland jahrzehntelang gar keinen Mindestlohn und erst seit einigen Jahren branchenbezogene Mindestlöhne. Dass einige dieser Branchen-Mindestlöhne nun für eine begrenzte Übergangszeit dem gesetzlichen Mindestlohn vorgehen, wird man kaum als arbeitsmarktpolitischen Sündenfall bewerten können.
Die Ausnahme zulasten von Langzeitarbeitslosen ist dagegen nicht nachvollziehbar begründet, wird aber möglicherweise entsprechend der Experimentierklausel schon bald wieder abgeschafft, vielleicht schon Ende 2016.
Ärgerlich ist das Verleger-Bonbon, d.h. die Bereichsausnahme zulasten der Zeitungszusteller, doch gilt auch diese Ausnahme nur bis Ende 2017.
Bleibt im Ergebnis die auf Dauer gestellte altersdiskriminierende Ausnahmeregelung zulasten von Arbeitnehmern unter 18 Jahren. Hier gibt es Reformbedarf, d.h. diese Regelung sollte man wieder abschaffen.
Möglicherweise erledigt das die Rechtsprechung, denn dazu braucht es nur die Lohnklage eines von dieser Ausnahmeregelung betroffenen Arbeitnehmers und einen Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Sollte der EuGH die Ausnahmeregelung als altersdiskriminierend bewerten, wäre sie vom Tisch, denn dann müssten die Gerichte sie entsprechend der gefestigten Rechtsprechung zur europarechtswidrigen Altersdiskriminierung "unangewendet" lassen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz), Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 02.04.2014, Bundesrat Drucksache 147/14
- Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz), Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 28.05.2014, Bundestag Drucksache 18/1558
- Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss), vom 02.07.2014, Bundestag-Drucksache 18/2010 (neu)
- Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, 46. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
- Bundesrat, Stenografischer Bericht, 924. Sitzung, Berlin, Freitag, den 11. Juli 2014
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Mindestlöhne im Sinne des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (einschließlich der Lohnuntergrenze nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) und nach dem Tarifvertragsgesetz
- Deutscher Bundestag, 03.07.2014: Mindestlohn von 8,50 Euro ab 2015 beschlossen
- TopAgrar Online, 30.06.2014: Doch Ausnahmen für Erntehelfer beim Mindestlohn
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit, Zeitarbeit)
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Handbuch Arbeitsrecht: Entsendung ausländischer Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Lohnklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Mindestlohn
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 17/283 Mindestlohn und Leistungszulage
- Arbeitsrecht aktuell: 17/276 Dokumentationspflichten nach dem Mindestlohngesetz auf dem Prüfstand
- Arbeitsrecht aktuell: 17/244 Nachtzuschläge und Mindestlohn
- Arbeitsrecht aktuell: 17/003 Anwesenheitsprämien sind auf den Mindestlohn anzurechnen
- Arbeitsrecht aktuell: 16/205 Mindestlohngesetz gilt auch für Bereitschaftsdienste
- Arbeitsrecht aktuell: 15/091 Mindestlohn - Anrechnung von Lohnbestandteilen
- Arbeitsrecht aktuell: 14/393 Lohnwucher im Anwaltsbüro
- Arbeitsrecht aktuell: 14/385 Mindestlohn für Bereitschaftsdienst
- Arbeitsrecht aktuell: 14/299 Änderungen des Tarifvertragsgesetzes, des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes
- Arbeitsrecht aktuell: 14/195 Mindestlohn in der Fleischwirtschaft
- Arbeitsrecht aktuell: 14/131 Mindestlohngesetz 2015
Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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