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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/393

Lohn­wu­cher im An­walts­bü­ro

Lau­sit­zer Rechts­an­walt muss dem Job­cen­ter Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen er­stat­ten: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 07.11.2014, 6 Sa 1148/14 und 6 Sa 1149/14
Mann in Geldbörse

01.12.2014. Ar­beits­löh­ne, die den orts­üb­li­chen Ta­rif­lohn oder Ver­gleichs­lohn um mehr als ein Drit­tel oder so­gar um mehr als die Hälf­te un­ter­schrei­ten, sind "sit­ten­wid­rig" im Sin­ne von § 138 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB).

Das hat zur Fol­ge, dass die ar­beits­ver­trag­li­che Lohn­ver­ein­ba­rung nich­tig ist und der Ar­beit­neh­mer ge­mäß § 612 BGB ei­nen An­spruch auf den orts­üb­li­chen Lohn hat, und zwar in vol­ler Hö­he.

Und da die­ser Lohn­an­spruch nur zum Teil er­füllt wor­den ist, näm­lich in Hö­he des ge­zahl­ten, wu­che­risch ge­rin­gen Lohns, steht dem Ar­beit­neh­mer noch ein Nach­zah­lungs­an­spruch zu.

Für die­sen An­spruch in­ter­es­siert sich manch­mal auch das Job­cen­ter, näm­lich dann, wenn es dem vom Lohn­wu­cher be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen ge­währt hat.

Denn weil der Ar­beit­ge­ber den ge­schul­de­ten orts­üb­li­chen Lohn nur teil­wei­se ge­zahlt hat, ist er im Ver­zug, und da­her ist das Job­cen­ter für den säu­mi­gen Ar­beit­ge­ber in Vor­leis­tung ge­gan­gen, d.h. es ist für ihn ein­ge­sprun­gen. Ge­mäß § 115 Abs.1 Zehn­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch (SGB X) kann das Job­cen­ter dann vom Ar­beit­ge­ber Zah­lung ver­lan­gen.

Im April be­rich­te­ten wir über zwei Ur­tei­le des Ar­beits­ge­richt Cott­bus, mit de­nen das Ge­richt die Kla­gen ei­nes Job­cen­ters ge­gen ei­nen Lau­sit­zer An­walt ab­ge­wie­sen hat­te. Der An­walt hat­te zwei Bü­ro­aus­hil­fen be­schäf­tigt, die er­gän­zend Hartz-IV-Leis­tun­gen er­hiel­ten, und ih­nen 100,00 EUR pro Mo­nat ge­zahlt, was bei dem St­un­den­um­fang ei­nen St­un­den­lohn von un­ter zwei Eu­ro er­gab.

Trotz­dem wies das Ar­beits­ge­richt Cott­bus die bei­den Kla­gen des Job­cen­ters ab, weil es der Ar­gu­men­ta­ti­on des be­klag­ten An­walts folg­te (Ar­beits­ge­richt Cott­bus, Ur­tei­l vom 09.04.2014, 13 Ca 10477/13; Ur­tei­l vom 09.04.2014, 13 Ca 10478/13): Der hat­te be­haup­tet, die bei­den Bü­ro­hil­fen auf ih­ren Wunsch hin "aus Ge­fäl­lig­keit" ein­ge­stellt zu ha­ben. An­geb­lich hat­te er aus ih­rer Be­schäf­ti­gung kei­nen wirt­schaft­li­chen Vor­teil ge­zo­gen. Im­mer­hin be­schäf­tig­te er sechs re­gu­lä­re Kräf­te, so dass er glaub­wür­dig ver­si­chern konn­te, auf die Mit­ar­beit der bei­den Hilfs­kräf­te nicht an­ge­wie­sen zu sein.

Am 07.11.2014 war dann beim Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg Schluss mit dem "Lau­sit­zer Land­recht": Das LAG hob die bei­den Ur­tei­le des Ar­beits­ge­richts Cott­bus auf und ver­ur­teil­te den An­walt zur Zah­lung (Pres­se­mel­dung 42/14 vom 12.11.2014). Zur Be­grün­dung heißt es in der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des LAG:

An­ge­sichts der Un­ter­schrei­tung des orts­üb­li­chen Lohns um mehr als 50 Pro­zent wer­de die "ver­werf­li­che Ge­sin­nung" des Ar­beit­ge­bers, die für den Lohn­wu­cher-Tat­be­stand er­for­der­lich ist, recht­lich un­ter­stellt.

Dass die Tä­tig­kei­ten der bei­den Aus­hilfs­kräf­te für den An­walt von kei­nem wirt­schaft­li­chen Wert ge­we­sen sein sol­len, woll­te das LAG nicht glau­ben, denn im­mer­hin hät­ten die­se Ar­bei­ten an­sons­ten von dem An­walt selbst oder von fest­an­ge­stell­ten Mit­ar­bei­tern er­le­digt wer­den müs­sen. Und auch das Mild­tä­tig­keits­ar­gu­ment zog nicht vor dem LAG: Wer Hartz-IV-Emp­fän­gern ei­ne Hin­zu­ver­dienst­mög­lich­keit ver­schaf­fen wol­le, müs­se eben die da­bei gel­ten­den Lohn­un­ter­gren­zen be­ach­ten.

Fa­zit: Die Ver­ur­tei­lung des An­walts ist kor­rekt. Denn sinn­ge­mäß hat­te er ein­ge­wandt, die bei­den Aus­hilfs­kräf­te nicht zu sei­nem ei­ge­nen wirt­schaft­li­chen Vor­teil als Ar­beit­ge­ber, son­dern al­tru­is­tisch zur För­de­rung ih­res be­ruf­li­chen Fort­kom­mens be­schäf­tigt zu ha­ben. Das aber wä­re kein Ar­beits­ver­hält­nis, son­dern ein Prak­ti­kum, und des­sen recht­li­che Vor­aus­set­zun­gen la­gen hier of­fen­bar nicht vor.

Ar­gu­men­te die­ser Art wer­den künf­tig nur noch in Aus­nah­me­fäl­len Be­deu­tung ha­ben, denn ab Ja­nu­ar 2015 müs­sen auch Prak­ti­kan­ten im All­ge­mei­nen mit 8,50 EUR Min­dest­lohn pro St­un­de be­zahlt wer­den (§ 22 Abs.1 Min­dest­l­ohn­ge­setz - Mi­LOG).

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das LAG sei­ne Ent­schei­dungs­grün­de ver­öf­fent­licht. Das voll­stän­dig be­grün­de­te Ur­teil des LAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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