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Lohnwucher im Anwaltsbüro
01.12.2014. Arbeitslöhne, die den ortsüblichen Tariflohn oder Vergleichslohn um mehr als ein Drittel oder sogar um mehr als die Hälfte unterschreiten, sind "sittenwidrig" im Sinne von § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Das hat zur Folge, dass die arbeitsvertragliche Lohnvereinbarung nichtig ist und der Arbeitnehmer gemäß § 612 BGB einen Anspruch auf den ortsüblichen Lohn hat, und zwar in voller Höhe.
Und da dieser Lohnanspruch nur zum Teil erfüllt worden ist, nämlich in Höhe des gezahlten, wucherisch geringen Lohns, steht dem Arbeitnehmer noch ein Nachzahlungsanspruch zu.
Für diesen Anspruch interessiert sich manchmal auch das Jobcenter, nämlich dann, wenn es dem vom Lohnwucher betroffenen Arbeitnehmer Aufstockungsleistungen gewährt hat.
Denn weil der Arbeitgeber den geschuldeten ortsüblichen Lohn nur teilweise gezahlt hat, ist er im Verzug, und daher ist das Jobcenter für den säumigen Arbeitgeber in Vorleistung gegangen, d.h. es ist für ihn eingesprungen. Gemäß § 115 Abs.1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) kann das Jobcenter dann vom Arbeitgeber Zahlung verlangen.
Im April berichteten wir über zwei Urteile des Arbeitsgericht Cottbus, mit denen das Gericht die Klagen eines Jobcenters gegen einen Lausitzer Anwalt abgewiesen hatte. Der Anwalt hatte zwei Büroaushilfen beschäftigt, die ergänzend Hartz-IV-Leistungen erhielten, und ihnen 100,00 EUR pro Monat gezahlt, was bei dem Stundenumfang einen Stundenlohn von unter zwei Euro ergab.
Trotzdem wies das Arbeitsgericht Cottbus die beiden Klagen des Jobcenters ab, weil es der Argumentation des beklagten Anwalts folgte (Arbeitsgericht Cottbus, Urteil vom 09.04.2014, 13 Ca 10477/13; Urteil vom 09.04.2014, 13 Ca 10478/13): Der hatte behauptet, die beiden Bürohilfen auf ihren Wunsch hin "aus Gefälligkeit" eingestellt zu haben. Angeblich hatte er aus ihrer Beschäftigung keinen wirtschaftlichen Vorteil gezogen. Immerhin beschäftigte er sechs reguläre Kräfte, so dass er glaubwürdig versichern konnte, auf die Mitarbeit der beiden Hilfskräfte nicht angewiesen zu sein.
Am 07.11.2014 war dann beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg Schluss mit dem "Lausitzer Landrecht": Das LAG hob die beiden Urteile des Arbeitsgerichts Cottbus auf und verurteilte den Anwalt zur Zahlung (Pressemeldung 42/14 vom 12.11.2014). Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des LAG:
Angesichts der Unterschreitung des ortsüblichen Lohns um mehr als 50 Prozent werde die "verwerfliche Gesinnung" des Arbeitgebers, die für den Lohnwucher-Tatbestand erforderlich ist, rechtlich unterstellt.
Dass die Tätigkeiten der beiden Aushilfskräfte für den Anwalt von keinem wirtschaftlichen Wert gewesen sein sollen, wollte das LAG nicht glauben, denn immerhin hätten diese Arbeiten ansonsten von dem Anwalt selbst oder von festangestellten Mitarbeitern erledigt werden müssen. Und auch das Mildtätigkeitsargument zog nicht vor dem LAG: Wer Hartz-IV-Empfängern eine Hinzuverdienstmöglichkeit verschaffen wolle, müsse eben die dabei geltenden Lohnuntergrenzen beachten.
Fazit: Die Verurteilung des Anwalts ist korrekt. Denn sinngemäß hatte er eingewandt, die beiden Aushilfskräfte nicht zu seinem eigenen wirtschaftlichen Vorteil als Arbeitgeber, sondern altruistisch zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens beschäftigt zu haben. Das aber wäre kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Praktikum, und dessen rechtliche Voraussetzungen lagen hier offenbar nicht vor.
Argumente dieser Art werden künftig nur noch in Ausnahmefällen Bedeutung haben, denn ab Januar 2015 müssen auch Praktikanten im Allgemeinen mit 8,50 EUR Mindestlohn pro Stunde bezahlt werden (§ 22 Abs.1 Mindestlohngesetz - MiLOG).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteile vom 07.11.2014, 6 Sa 1148/14 und 6 Sa 1149/14 (Pressemeldung des Gerichts)
- Arbeitsgericht Cottbus, Urteil vom 09.04.2014, 13 Ca 10477/13
- Arbeitsgericht Cottbus, Urteil vom 09.04.2014, 13 Ca 10478/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Entsendung ausländischer Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Mindestlohn
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das LAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des LAG finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteile vom 07.11.2014, 6 Sa 1148/14 und 6 Sa 1149/14
Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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