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ArbG Cottbus, Urteil vom 09.04.2014, 13 Ca 10478/13
Schlagworte: | Lohnwucher, Hartz IV | |
Gericht: | Arbeitsgericht Cottbus | |
Aktenzeichen: | 13 Ca 10478/13 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 09.04.2014 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
Arbeitsgericht Cottbus
- Kammern Senftenberg -
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
13 Ca 10478/13
Verkündet
am 09.04.2014
Xxxx
als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
Jobcenter Oberspreewald-Lausitz, gemeinsame
Einrichtung der Agentur für Arbeit Cottbus und des
Landkreises OSL,
...
- Klägerin -
gegen
Rechtsanwalt Thomas Lange,
...
- Beklagter -
hat das Arbeitsgericht Cottbus - Kammern Senftenberg -, 13. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 09.04.2014 durch den Richter am Arbeitsgericht Xxxx als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herr Xxxx und Frau Xxxx für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird in der Höhe eines Betrages von 1.700,00 Euro festgesetzt.
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Tatbestand
Die Parteien streiten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des gesetzlichen Forderungsübergangs um Arbeitsvergütungsansprüche.
Die Klägerin ist die Gemeinsame Einrichtung der Agentur für Arbeit Cottbus und des Landeskreises Oberspreewald Lausitz, firmierend als Jobcenter OSL mit Sitz in Senftenberg / Brandenburg, die im Rahmen ihrer Leistungsverwaltung Hilfebedürftigen Zahlungen in Gestalt des Arbeitslosengeldes II gewährt.
Der Beklagte führt als selbständiger Rechtsanwalt eine Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in Lübbenau und einer Zweigniederlassung in Großräschen. In seinen Kanzleistandorten in Lübbenau und Großräschen beschäftigt der Beklagte insgesamt sechs Vollzeitmitarbeiter, darunter ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte und eine Auszubildende.
Im Mai 2012 ermöglichte der Beklagte es zwei langzeitarbeitslosen Hilfeempfängern, die zu dem auch körperlich behindert sind, nämlich Herrn M.xxx und Frau L.xxx, jeweils ein berufsförderndes Praktikum abzuleisten, was zum Inhalt ihrer berufsfördernden Weiterbildungsmaßnahme bei dem „Wirtschaftsinstitut M.xxx“ gehörte.
Nach Beendigung des Praktikums bat Herr M.xxx den Beklagten darum, sich bei ihm mit Bürotätigkeiten 100 Euro hinzuverdienen zu können, was ihm vom Beklagten gewährt wurde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Herr M.xxx nach einem abgebrochenen Studium in einer Phase der beruflichen Neuorientierung.
Da für eine Bürotätigkeit des Herrn M.xxx allerdings kein Arbeitsplatz zur Verfügung stand, wies der Beklagte an, dass Herr M.xxx erst nach Büroschluss um ca. 16.00 Uhr seine Tätigkeiten würde aufnehmen können. Hierzu sollte Herr M.xxx sich um die Vervollständigung von Prozesskostenhilfe-Unterlagen kümmern. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde zwischen dem Beklagten und Herrn M.xxx nicht geschlossen.
Herr M.xxx, der weiterhin Leistungen der Klägerin als Hilfe zum Lebensunterhalt bezog, zeigte die Aufnahme einer Nebentätigkeit bei der Klägerin an und beantwortete die im diesbezüglichen Formblatt gestellte Frage nach dem zeitlichen Umfang der Nebentätigkeit mit „14 Stunden/Woche nach freier Zeiteinteilung“. Er gab zum Gegenstand seiner Beschäftigung an, „Kopiearbeiten, Abheften, von Dokumenten“. Die Beschäftigung wurde durch den Beklagten mit dem 14. April 2013 beendet, nachdem Herr M.xxx ihm erklärt hatte, an einem
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Sonnabend im Büro zugegen gewesen zu sein, obgleich der Beklagte, der seinerseits anwesend war, sich jedoch alleine im Büro aufhielt.
Der Beklagte erteilte Herrn M.xxx Einkommensbescheinigungen, zunächst unter dem Datum des 31. Mai 2012 über eine tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit von 14 Stunden, späterhin, eine solche, die am 12. Februar 2013 bei der Klägerin einging, nur noch über einen Umfang von sechs Wochenstunden.
In welchem Umfang welche Arbeitsleistungen sowohl Herr M.xxx als auch Frau L.xxx indessen mit persönlicher Anwesenheit tatsächlich im Betrieb des Beklagten leisteten, ist zwischen den Parteien umstritten.
Mit Schreiben der Klägerin vom 25. Juni 2013 erhob diese dem Beklagten gegenüber aus übergegangenem Recht jeweils Arbeitsvergütungsansprüche unter Hinweis darauf, dass die zwischen dem Beklagten und den Arbeitnehmern L.xxx und M.xxx jeweils vereinbarte Vergütungsabrede sittenwidrig, daher nichtig sei, der Beklagte infolgedessen die übliche Vergütung schulde, die in der Höhe bis zu demjenigen Betrag auf sie, die Klägerin, übergegangen sei, zu welchem sie an die Arbeitnehmer L.xxx und M.xxx Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt erbracht hat.
Der Beklagte verweigerte indessen jegliche Zahlung.
Mit ihrer am 26. Juli 2013 beim Arbeitsgericht Cottbus - Kammern Senftenberg - eingegangenen Leistungsklage vom 24. Juli 2013, die dem Beklagten am 03. August 2013 zugestellt wurde, verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren bezogen auf das Beschäftigungsverhältnis des Beklagten zum Arbeitnehmer M.xxx zu einem Gesamtwert in der Höhe eines Betrages von 1.700,00 Euro Euro weiter.
Die Klägerin begründet ihre Antragstellung damit, dass die im Arbeitsverhältnis zwischen der Frau L.xxx bzw. Herrn M.xxx und dem Beklagten jeweils vereinbarte Vergütungsabrede nichtig sei, weil diese als Lohnwucher sittenwidrig sei und somit an deren Stelle ein Anspruch des betroffenen Arbeitnehmers auf die übliche Vergütung trete.
Hierbei bezieht sich die Klägerin auf die von den Arbeitnehmern L.xxx und M.xxx gemachten Angaben zur Nebenbeschäftigung, ausweislich derer Frau L.xxx gegen einen Stundenbruttolohn von 1,16 Euro, Herr M.xxx zu einem solchen von 1,78 Euro beschäftigt worden seien.
Da aber als übliche Arbeitsvergütung für die von den Arbeitnehmern L.xxx und M.xxx ausgeübten Bürotätigkeiten mindestens 5,00 Euro je Stunde anzusetzen seien, liege die insoweit vereinbarte Vergütung um mehr als 1/3 unter der üblichen Vergütung und erfülle
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demgemäß den Tatbestand des Lohnwuchers entsprechend § 138 II BGB. Mit der Unterschreitung der Vergütung um mehr als 50 % werde auch die wucherische Gesinnung des Beklagten indiziert, so erklärt die Klägerin. Denn der Beklagte habe sich die Zwangslage der betroffenen Arbeitnehmer zu Nutze gemacht, ihnen für ein viel zu niedriges Arbeitsentgelt Arbeitsleistungen abzuverlangen.
Soweit der Beklagte bestreitet, dass Herr M.xxx tatsächlich in dem genannten Umfang für ihn tätig gewesen sei, tritt die Klägerin dem unter Hinweis auf die Anzeige einer Nebenbeschäftigung und unter Hinweis auf die vom Beklagten selbst erstellten Einkommensbescheinigungen entgegen.
Da gemessen an einer üblichen Vergütung von 5,00 Euro je Stunde statt der gezahlten 100,00 Euro indessen monatlich 280,00 Euro geschuldet gewesen wären, leitet die Klägerin ihren Zahlungsanspruch auf Zahlung der monatlichen Differenz von 180,00 Euro für die Dauer vom Beginn des 01. Juli 2012 bis zum 14. April 2013 und damit für 9,44 Monate aus § 115 SGB X und insofern aus übergegangenem Recht ab.
Die Klägerin beantragt:
Den Beklagten zu verurteilen, an sie, die Klägerin, einen Betrag in der Höhe von 1.700,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentzinsen über dem Basiszinssatz seit 13.07.2013 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte tritt den ihm gegenüber erhobenen Zahlungsansprüchen unter Hinweis dessen entgegen, lediglich dem Wunsche der Beschäftigten entsprochen zu haben, wobei es diesen eben gerade auch darum gegangen sei, nicht mehr als 100 Euro zu verdienen, weil der Mehrverdienst ohnehin auf deren ALG II - Ansprüche angerechnet worden wäre.
Dass der Mitarbeiter M.xxx bzw. die Mitarbeiterin L.xxx je Kalenderwoche mit je 14 bzw. 15 Stunden tatsächlich in seinem Kanzleibetrieb tätig gewesen seien, bestreitet der Beklagte und weist insofern darauf hin, dass die von den Mitarbeitern erbrachten Leistungen für ihn keinen bzw. nur einen geringen wirtschaftlichen Wert gehabt haben.
Jedenfalls, so erklärt der Beklagte, könne ihm nicht unterstellt werden, in „verwerflicher Gesinnung“ gehandelt zu haben, was insbesondere bereits daraus ersichtlich sei, dass er
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seine übrigen Beschäftigten zu ortsüblichen Bedingungen entlohne. Schließlich aber mindere sich die von der Klägerin aufgemachte Forderung bereits deshalb, weil die Klägerin es verabsäumt habe, den Freibetrag von monatlich 136 Euro an- und gegenzurechnen, so dass allenfalls je Kalendermonat je 44 Euro einem Anspruchsübergang unterlägen.
Die Parteien haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 09. April 2014 ihre gegenseitigen Rechtsstandpunkte ergänzt und vertieft.
Hinsichtlich der diesbezüglich abgegebenen Erklärungen sowie hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09. April 2014 als auch auf die zur Gerichtsakte gereichten, gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst den jeweils beigefügten Anlagen ergänzend und voll inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
A)
Die Klage war abzuweisen. Denn zur Überzeugung der kennenden Kammer steht im Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 09. April 2014 fest, dass die Klägerin gegen den Beklagten aus übergegangenem Recht keine Ansprüche auf Zahlung weiteren Arbeitsentgelts geltend machen kann.
I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung weiteren Arbeitsentgelts in der Höhe eines Betrages von 1.700,00 Euro aus übergegangenem Recht entsprechend den §§ 115 SGB X in Verbindung mit den §§ 611, 614 Satz 1, 612 II, 138 II BGB in Verbindung mit der jeweiligen arbeitsvertraglichen Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem bei ihm vormals beschäftigten Arbeitnehmer Herrn M.xxx.
1. Insofern bestand zwischen dem Beklagten und dem bei ihm vormals angestellten Mitarbeiter Herrn M.xxx in der Zeit von Beginn des 01. Juni 2012 bis zum Ablauf des 14.April 2013 ein Arbeitsverhältnis, im Rahmen dessen sich der Beklagte verpflichtet hatte, für die von Herrn M.xxx erbrachten Dienste monatlich einen Betrag in der Höhe von 100,00 Euro brutto = netto zu zahlen. Auch gewährte die Klägerin dem bei dem Beklagten beschäftigten
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Mitarbeiter Herrn M.xxx während der Dauer der Beschäftigung, insbesondere auch in der Zeit von Beginn des 01.07.2012 bis zum Ablauf des 14.04.2013, als Hilfe zum Lebensunterhalt Leistungen nach dem SGB II.
2. Auf die Klägerin ist aber kein bislang nicht erfüllter Vergütungsanspruch des Herrn M.xxx gegen den Beklagten übergegangen, denn soweit der Beklagte sich seinem Mitarbeiter Herrn M.xxx gegenüber zur Zahlung von monatlich 100,00 Euro als Entgelt für geleistete Dienste verpflichtet hatte, hat er seine Vergütungspflicht auch in dem von der Klägerin geltend gemachten Zeitraum, beginnend mit dem 01.07.2012 bis zum Ablauf des 14.04.2013 jeweils erfüllt. Ein weiterer Vergütungsanspruch steht dem Mitarbeiter Herrn M.xxx gegen den Beklagten indessen nicht zu. Denn die Vergütungsvereinbarung im Arbeitsverhältnis zwischen dem Beklagten und Herrn M.xxx ist nicht rechtsunwirksam.
a) Gemäß § 612 II BGB ist die taxmäßige und bei Fehlen einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen, wenn in einem Arbeitsverhältnis die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist.
§ 612 II BGB gilt hierbei auch insoweit, wie die Vergütungsvereinbarung im Arbeitsverhältnis rechtsunwirksam und damit nichtig ist und infolge dessen ersatzlos entfällt.
b) Die Vergütungsvereinbarung im Arbeitsverhältnis des Herrn M.xxx zum Beklagten ist indessen jedoch nicht nichtig, sie ist nämlich nicht sittenwidrig im Sinne des § 138 I, II BGB. Gemäß § 138 I BGB ist ein Rechtsgeschäft, welches gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch dass jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen, § 138 II BGB.
Die Rechtsfolge der Nichtigkeit einer arbeitsvertraglichen Vergütungsabrede steht damit unter der objektiven Voraussetzung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung und setzt als subjektiven Tatbestand hierüber hinaus die Verwerflichkeit der Gesinnung im Sinne einer ausbeuterischen Absicht voraus (BGH vom 19.07.2002 - V ZR 240/01 - NJW 2002, 3165).
c) Insoweit ist mit der Klägerin im vorliegenden Fall zweifelsfrei von einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auszugehen, weil die Klägerin entsprechend der Anzeige des Herrn M.xxx über die Aufnahme einer Nebentätigkeit davon
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ausgehen durfte, dass dieser dem Beklagten Dienste in einem Umfang von bis zu 14 Wochenstunden leistet, für welche er eine monatliche Vergütung von 100,00 Euro erhält. Damit wird der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit der Lohnabrede im Sinne des § 138 II BGB durch die Höhe der gezahlten Vergütung eindeutig und unzweifelhaft erfüllt. Denn die je Stunde gezahlte Arbeitsvergütung unterschreitet die von der Klägerin bereits äußerst niedrig mit 5,00 Euro je Arbeitsstunde in Ansatz gebrachte übliche Vergütung um mehr als 50 %.
aa) Zwischen den von Herrn M.xxx zugunsten des Beklagten erbrachten Arbeitsleistungen und der seinerseits hierfür erhaltenen Arbeitsvergütung besteht ein auffälliges Missverhältnis, denn die insoweit je Arbeitsstunde erbrachte Arbeitsleistung ist nur mit 1,64 Euro entgolten. Diese Höhe des gezahlten Entgeltes erreicht keinesfalls den Wert von 2/3 des für die Tätigkeit einer Bürohilfe üblicherweise gezahlten Stundenbruttolohnes, welchen die Klägerin mit 5,00 Euro brutto je Arbeitsstunde und damit ohnehin äußerst gering angesetzt hat.
Denn der Wert der Leistung des Arbeitnehmers bestimmt sich objektiviert nach Maßgabe etwaiger für den betreffenden Wirtschaftszweig vereinbarter Tarife bzw. nach dem im jeweiligen Wirtschaftsraum für eine solche Tätigkeit üblicherweise gezahlten Entgelts. Soweit die Klägerin insofern von einem monatlichen Gehaltsanspruch einer Bürohilfskraft in Vollzeit in der Höhe eines Betrages von 866,65 Euro brutto ausgeht, ist diese Annahme selbst dann nicht zu beanstanden, wenn man berücksichtigt, dass die im ländlichen Brandenburg gezahlten Gehälter üblicherweise geringer ausfallen und die von dem Herrn M.xxx erbrachten Leistungen nur von geringem wirtschaftlichen Nutzen gewesen sein sollten (vgl. BAG vom 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 DB 2009 1599 - 1601; BAG vom 16.05.2012 - 5 AZR 268/11 - DB 2012 2048 - 2049; BAG vom 27.06.2012 - 5 AZR 496/11 Quelle: juris; LAG Berlin-Brandenburg vom 09.02.211 - 20 Sa 1430/10 -, Quelle: juris).
Eine Stundenbruttoarbeitsvergütung von nicht einmal 2 Euro bewegt sich hierbei auf einem Niveau, das außerhalb eines jeden Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung steht. Denn die für geleistete Arbeit nur gezahlte Vergütung von weniger als 2 Euro je Arbeitsstunde entwertet die menschliche Arbeitsleistung und birgt objektiv deren Geringschätzung der Gestalt in sich, die ein menschwürdiges Dasein des arbeitenden Menschen und dessen Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit negiert, Art 1 I, 2 I GG.
bb) Zwar hat in diesem Zusammenhang der Beklagte den zeitlichen Umfang der geleisteten Dienste unter Hinweis dessen bestritten, dass mit Herrn M.xxx keine konkrete Vereinbarung über eine geschuldete Arbeitszeit getroffen worden sei. Gleichwohl aber ist
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zwischen den Parteien des Rechtsstreits unstreitig, dass der Beklagte stets wiederkehrend die Dienste des Herrn M.xxx mit monatlich 100,00 Euro vergütete, so dass davon auszugehen ist, dass Herr M.xxx in dem von ihm angezeigten Umfang für den Beklagten Arbeitsleistungen tatsächlicher Art auch erbracht hat.
d) Ungeachtet vorstehender Bewertung des offensichtlichen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung war dennoch nicht auf die Sittenwidrigkeit der Vergütungsabrede im Arbeitsverhältnis des Herrn M.xxx zum Beklagten zu erkennen, denn der subjektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung ist vorliegend nicht gegeben. Die Vergütungsvereinbarung im Arbeitsverhältnis zwischen Herrn M.xxx und dem Beklagten ist nicht durch die hierfür erforderliche verwerfliche Gesinnung getragen. Auch solches steht zur Überzeugung der erkennenden Kammer im Ergebnis der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage des Sachvortrages beider Parteien fest.
aa) Mit der Formulierung in § 138 II BGB: „...unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen, sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt“ hat der Gesetzgeber als weitere Voraussetzung der Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts normiert, dass das rechtsgeschäftliche Handeln der strukturell überlegenen Vertragspartei durch eine Verwerflichkeit der Gesinnung getragen und begleitet sein muss. Für die Erfüllung dieser Voraussetzung ist die klägerische Partei darlegungs- und beweisbelastet, wobei ihr als Beweiserleichterung die Vermutung dessen dann zu Gute kommt, wenn die vereinbarte Gegenleistung nicht einmal die Hälfte des üblicherweise Geschuldeten erreicht (BAG vom 16.05.2012 - 5 AZR 268/11 - a.a.O.; BAG vom 27.06.2012 - 5 AZR 496/11 - a.a.O. Rz. 13).
Das Bundesarbeitsgericht führt in vorgenannter Entscheidung vom 27.06.2012 aus, dass bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, welches dann anzunehmen ist, wenn der Wert der Leistung mindestens doppelt so hoch ist, wie der Wert der Gegenleistung, ein tatsächlicher Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten gezogen werden kann. Zur Behauptung der verwerflichen Gesinnung genügt in diesem Falle zunächst allein die Berufung des Arbeitnehmers auf die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Arbeitgebers, so das Bundesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 16. Mai 2012 - 5 AZR 268/11 - Rz. 36.
bb) Diese Vermutung ist jedoch im vorliegenden Sachverhalt infolge des von der Klägerin
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und Motivation des Beschäftigungsverhältnisses als erschüttert und insofern als widerlegt anzusehen (BGH vom 19.07.2002 - V ZR 240/01 - NJW 2002, 3165).
Denn der Beklagte hat dem um eine Zuverdienstmöglichkeit nachsuchenden Herrn M.xxx einen Gefallen getan und nicht seine Zwangslage ausgebeutet, in dem er ihm die Möglichkeit eröffnete, in seinem Betrieb einer Beschäftigung nachzugehen und sich bereiterklärte, ihm hierfür je Kalendermonat einen Betrag in der Höhe von 100,00 Euro brutto = netto zu zahlen. Zwar ist die Höhe dieser Vergütungsvereinbarung in erste Linie durch die Anrechenbarkeit auf die durch den Mitarbeiter bezogenen Transferleistungen bestimmt und geschuldet, mithin diese Vereinbarung Züge eines Vertrages zu Lasten Dritter offenbart.
Nicht zu verkennen bleibt indessen, dass sich der Beklagte mit der Beschäftigung des Herrn M.xxx jedoch keinen zusätzlichen Vermögensvorteil verschaffte, vielmehr betriebliche Kosten veranlasste, die seinen wirtschaftlichen Gewinn je Rechtsstreit schmälerten.
Denn der Beklagte ist Inhaber eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes einer Rechtsanwaltskanzlei, in welchem er für die Bearbeitung der von ihm übernommenen Mandate insgesamt sechs Vollzeitmitarbeiter und eine Auszubildende und insofern offensichtlich ausreichend Personal vorhält. Anderes ist weder ersichtlich, noch von der Klägerin im Rechtsstreit behauptet worden.
Mit der Beschäftigung des Herrn M.xxx, welchem der Beklagte nicht einmal einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen konnte und welcher daher jeweils erst nach der Arbeitszeit der übrigen Beschäftigten nach ca. 16.00 Uhr sich in den Kanzleiräumen einfinden sollte, auch solches ist von der Klägerin unbestritten, verbandt der Beklagte damit nicht etwa abzurechnende Leistungen, die ihm einen wirtschaftlichen Vorteil brächten, sondern erhöhte lediglich die Summe der Kosten je abzurechnenden Honorars und schmälerte insofern seinen Gewinn aus der Abwicklung der übernommenen Geschäfte.
Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Beklagte den Mitarbeiter Herrn M.xxx nicht an Stelle einer ansonsten tarifgemäß beschäftigten Arbeitnehmerin oder eines solchen Arbeitnehmers eingestellt hat und damit nicht etwa einen regulären Arbeitsplatz durch einen Hilfebedürftigen ersetzte, für welchen er lediglich einen monatlichen Pauschalbetrag von 100,00 Euro zu zahlen bereit war.
Unstreitig ist vielmehr im vorliegenden Rechtsstreit, dass der Beklagte nach der Beendigung der Zusammenarbeit mit Herrn M.xxx zum 14.04.2013 nicht etwa eine neue Arbeitkraft, für diesen, als geringfügig Beschäftigte, in seinen Betrieb aufnahm oder tätig werden ließ und Herrn M.xxx während dessen Beschäftigung Arbeitsaufgaben zugewiesen hatte, die durch die übrigen Beschäftigten problemlos hätten miterledigt werden können. Da insofern der Betrieb des Beklagten mit sechs Vollzeitarbeitskräften und einer Auszubildenden auf das Mandatsvolumen, welches der Beklagte in seiner Kanzlei gebunden hat, eingerichtet und ausgerichtet ist, ist davon auszugehen, dass der Beklagte die für den ordnungsgemäßen
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Geschäftsbetrieb erforderlichen Stellen auskömmlich besetzt hat, und mit den Darlegungen des Beklagten kein weiterer Arbeitsbedarf in seiner Kanzlei bestand. Solches ist seitens der Klägerin weder bestritten, noch mit entgegenstehendem Sachvortrag untersetzt worden.
Ob die Leistungen des Herrn M.xxx insofern für den Beklagten überhaupt von wirtschaftlichem Wert waren, kann an dieser Stelle dahinstehen, da sie jedenfalls keinen wirtschaftlichen Gewinn der Gestalt mit sich brachten, dass die Annahme gerechtfertigt wäre, der Beklagte habe mit der Beschäftigung des Herrn M.xxx dessen Not- und Zwangslage ausbeuten und sich dessen Dienstleistungen zum eigenen Vorteil zu nutze machen wollen. Die Vergütungsabrede im Arbeitsverhältnis des Beklagten zu Herrn M.xxx beinhaltete somit eine Gefälligkeit des Beklagten auf Wunsch des Arbeitnehmers, nicht jedoch eine sittenwidrige Lohnvereinbarung.
3. Da weitere Rechtsgründe, die für eine Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung zwischen dem Mitarbeiter Herrn M.xxx und dem Beklagten streiten könnten, nicht ersichtlich, von der Klägerin im Übrigen auch nicht dargetan sind, war die Entscheidungsreife des vorliegenden Rechtsstreits festzustellen, ohne dass die weiteren zwischen den Parteien umstrittenen Einzelfragen noch einer gerichtlichen Bewertung und Entscheidung bedurften. Hierbei erscheint schließlich aber auch das Verhalten der Klägerin inkonsequent und zweifelhaft, die ihr angezeigten Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers Herrn M.xxx diesem gegenüber unbeanstandet zu lassen und ihrerseits nun den Beklagten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung in Anspruch zu nehmen.
II. Mangels entsprechenden Hauptanspruchs konnte auch nicht auf den mit der Klage verfolgten Nebenanspruch erkannt werden.
B)
Die Kostenentscheidung resultiert aus § 91 I ZPO. Die Klägerin hat als unterlegene Prozesspartei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Streitwert war gemäß den §§ 61 I ArbGG in Verbindung mit den §§ 39, 40 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO entsprechend des wirtschaftlichen Interesses der Parteien am Ausgang des Rechtsstreits festzusetzen.
- 11 -
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin Berufung eingelegt werden.
Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt oder einem Vertreter einer Gewerkschaft bzw. einer Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände eingereicht werden.
Die Berufungsschrift muss innerhalb
einer Notfrist von einem Monat
bei dem
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg,
Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin,
eingegangen sein.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass Berufung gegen dieses Urteil eingelegt werde.
Die Berufung ist gleichzeitig oder innerhalb
einer Frist von zwei Monaten
in gleicher Form schriftlich zu begründen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments im Sinn des § 46 c ArbGG über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) genügt. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz für die verantwortende Person. Rechtliche Grundlage ist die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr im Land Brandenburg vom 14.12.2006, zuletzt geändert durch Verordnung vom 08.09.2010. Die Bekanntgabe der Bearbeitungsvoraussetzungen erfolgt gemäß § 3 der aktuellen Verordnung auf der Internetseite
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http://www.erv.brandenburg.de.
Dabei ist zu beachten, dass das Urteil mit der Einlegung in den Briefkasten oder einer ähnlichen Vorrichtung für den Postempfang als zugestellt gilt.
Wird bei der Partei eine schriftliche Mitteilung abgegeben, dass das Urteil auf der Geschäftsstelle eines Amtsgerichts oder einer von der Post bestimmten Stelle niedergelegt ist, gilt das Schriftstück mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt, also nicht erst mit der Abholung der Sendung.
Das Zustellungsdatum ist auf dem Umschlag der Sendung vermerkt.
Für den Beklagten ist keine Berufung gegeben.
Von der Begründungsschrift werden zwei zusätzliche Abschriften zur Unterrichtung der
ehrenamtlichen Richter erbeten.
Weitere Statthaftigkeitsvoraussetzungen ergeben sich aus § 64 Abs.2 ArbGG : "Die Berufung kann nur eingelegt werden,
a) wenn sie in dem Urteil zugelassen worden ist,
b) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c) in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d) wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall schuldhafter Versäumung nicht vorgelegen habe."
Dr. Schönfeld
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Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |