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Billig-Pizza in der Uckermark mit freundlicher Unterstützung des Jobcenters
30.12.2013. Die Uckermark ist eine ländliche Region, die im Norden Brandenburgs und im Süden Mecklenburg-Vorpommerns liegt. Sie ist dünn besiedelt und das allgemeine Lohnniveau ist niedrig. Aber so niedrig, dass Stundenlöhne zwischen 1,59 bis 3,46 EUR brutto pro Stunde noch in Ordnung sind?
Der Inhaber eines Pizza-Lieferservice in der Uckermark mit zwei Filialen und immerhin 26 Arbeitnehmern wollte es wissen und zahlte drei Arbeitnehmerinnen 100,00 EUR brutto monatlich für 14 bzw. 14,5 Stunden pro Woche, was einem Stundenlohn von 1,65 EUR bzw. von 1,59 EUR entspricht.
Eine andere Arbeitnehmerin bekam 165,00 EUR brutto monatlich für 14 Stunden pro Woche und damit 2,72 EUR pro Stunde. Drei weitere Arbeitnehmer erhielten 430,00 EUR monatlich brutto für 40 Stunden pro Woche, was pro Stunde 2,48 EUR ergibt.
Geradezu gut verdiente eine Angestellte mit 600,00 EUR pro Monat, die dafür 40 Stunden wöchentlich arbeiten musste und somit immerhin 3,46 EUR in der Stunde verdiente.
Alle acht Arbeitnehmer erhielten vom Jobcenter Aufstockungsleistungen. Das Jobcenter war über diesen Zustand nicht froh und fragte daher Anfang März 2013 beim Arbeitgeber freundlich an, ob er sich eine Lohnerhöhung vorstellen könnte. Konnte er zwar, machte dann aber nichts.
Anfang April 2013 wurde das Jobcenter förmlich und forderte den Arbeitgeber zur Zahlung von 10.726,11 EUR auf. Denn in den zurückliegenden sechs Monaten (Oktober 2012 bis März 2013) hätte es diesen Betrag an Aufstockungsleistungen sparen können, wenn der Arbeitgeber seinen acht Arbeitnehmern den ihnen zustehenden Lohn gezahlt hätte. Und den bezifferte das Jobcenter so:
Der Pizza-Service ist dem Hotel- und Gaststättengewerbe zuzuordnen, und in dieser Branche im Landkreises Uckermark verdienen Helfer im Küchenbereich im Durchschnitt 6,78 EUR brutto pro Stunde. Diesen ortsüblichen Lohn konnte das Jobcenter aus seinen Integrationslisten errechnen, d.h. aus den Listen über die von ihm vermittelten Arbeitnehmer. Im Jahre 2012 hatte das Jobcenter nämlich 14 Beiköche und Küchenhilfen in neue Stellen vermittelt. Und dort verdienten sie Löhne zwischen 5,65 EUR und 7,65 EUR, im Durchschnitt 6,78 EUR.
Gemessen an diesem in der Uckermark ortsüblichen Lohn für gering qualifizierte Helfer in der Gastronomie waren die den acht Aufstockern gezahlten Löhne zu mickrig. Genauer gesagt bekamen sieben der acht Arbeitnehmer weniger als die Hälfte dieses ortsüblichen Lohns (= 6,78 : 2 = 3,39 EUR) und die "am besten" verdienende Kraft nur sieben Cent mehr als die Hälfte.
Alle acht lagen daher mit ihrem Lohn deutlich unter der Grenze, die das Bundesarbeitsgericht (BAG) für die "Sittenwidrigkeit" einer Vergütung im Sinne von § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zieht: Danach sind vereinbarte Löhne sittenwidrig gering und daher unwirksam, wenn sie um mehr als ein Drittel den ortsüblichen Tariflohn oder (falls es einen solchen Tariflohn nicht gibt) den ortsüblichen Vergleichslohn unterschreiten.
Auf den etwas höheren Tariflohn im Hotel- und Gaststättengewerbe für gering Qualifizierte (6,87 EUR) hatte sich das Jobcenter erst gar nicht berufen, denn in dieser Branche besteht in der Uckermark keine überwiegende Tarifbindung, d.h. es sind nicht mehr als die Hälfte der gastronomischen Betriebe der Uckermark an diesen Tariflohn gebunden.
Da der Pizza-Lieferant die 10.726,11 EUR nicht freiwillig zahlte, zog das Jobcenter vor das Arbeitsgericht Eberswalde und hatte dort Erfolg. Das Arbeitsgericht verurteilte den Pizzabäcker antragsgemäß (Arbeitsgericht Eberswalde, Urteil vom 10.09.2013, 2 Ca 428/13).
Denn weil der Arbeitgeber den acht Aufstockern den ihnen zustehenden ortsüblichen Lohn nicht gezahlt hatte, befand er sich im Lohnrückstand, d.h. der Lohnanspruch (§ 612 BGB) war zum Teil nicht erfüllt worden. Statt dessen war das Jobcenter eingesprungen und hatte gezahlt. Und für diesen Fall sieht § 115 Abs.1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vor, dass der vom Arbeitgeber nicht erfüllte und daher "vertretungshalber" von einem Sozialleistungsträger getragene Lohanspruch auf den Sozialleistungsträger übergeht.
Fazit: Wer Aufstocker beschäftigt, sollte die ortsüblichen Tarif- und Vergleichslöhne genau kennen und gut rechnen können. Wie der vorliegende Fall zeigt, wären Zwei-Drittel von 6,87 EUR für Gastronomiehelfer in der Uckermark noch gerade eben "juristisch in Ordnung", d.h. 4,52 EUR brutto (!) pro Stunde.
Der hier verklagte Pizza-Lieferant dagegen litt nach eigenen (allerdings nicht beweisbaren) Angaben an Dyskalkulie, d.h. an einer Rechenschwäche (weshalb er das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung angeblich nicht erkennen konnte). Sollte er aus diesem Grund bei der Überweisung der 10.726,11 EUR nebst Zinsen an das Jobcenter rechnerische Probleme haben, kann das Jobcenter behilflich sein, denn mit Hilfe des Titels kann es sich den ausgeurteilten Betrag im Wege der Zwangsvollstreckung selbst verschaffen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Arbeitsgericht Eberswalde, Urteil vom 10.09.2013, 2 Ca 428/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Entsendung ausländischer Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Mindestlohn
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat der verklagte Arbeitgeber gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Die Berufung hat er aber zwischenzeitlich wieder zurückgenommen, so dass das Urteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig ist:
Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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