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Versetzung
Auf dieser Seite finden Sie Informationen darüber, was man unter einer Versetzung versteht, ob ein Arbeitnehmer einer Versetzung zustimmen muss und unter welchen Umständen eine Versetzung vom Weisungsrecht des Arbeitgebers abgedeckt ist.
Weiterhin informieren wir Sie darüber, ob die Versetzung in eine andere Stadt oder gar in ein anderes Land zulässig ist und ob die Versetzung auf eine schlechte bezahlte oder weniger verantwortungsvolle Stelle dem Arbeitnehmer rechtens ist. Hier können arbeitsvertragliche Versetzungsklauseln eine wesentliche Rolle spielen.
Schließlich finden Sie Hinweise dazu, was der Betriebsrat im Falle der Versetzung eines Arbeitnehmers tun kann und wie sich betroffene Arbeitnehmer gegen eine rechtswidrige Versetzung wehren können.
von Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin
- Was versteht man unter einer Versetzung?
- Muss der Arbeitnehmer mit einer Versetzung einverstanden sein, d.h. zustimmen?
- Was versteht man im Betriebsverfassungsrecht unter einer Versetzung?
- Wann ist eine Versetzung rechtens?
- Wann ist eine Versetzung vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt?
- Wann ist eine Versetzung, die im Prinzip vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist, trotzdem nicht zulässig?
- Ist die Versetzung in eine andere Stadt zulässig?
- Was sollte man bedenken, bevor man einem Vertrag mit räumlicher Versetzungsklausel zustimmt?
- Ist die Versetzung auf einen weniger verantwortungsvollen und/oder schlechter bezahlten Arbeitsplatz zulässig?
- Kann der Arbeitgeber durch geschickte Klauseln im Arbeitsvertrag seine Befugnis zur Versetzung über die Grenzen des Weisungsrechts hinaus erweitern?
- Ist eine vom Arbeitsvertrag im Prinzip gedeckte Versetzung ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber von der Versetzungsmöglichkeit jahrelang keinen Gebrauch gemacht hat?
- Wann kann der Betriebsrat die Zustimmung zu einer geplanten Versetzung verweigern?
- Kann der Arbeitgeber auch ohne Zustimmung des Betriebsrats eine Versetzung anordnen?
- Welche Rechte hat der Betriebsrat bei der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds?
- Welche Rechte hat der Betriebsrat bei der Versetzung leitender Angestellter?
- Was können Sie bei einer rechtswidrigen Versetzung unternehmen?
- Wo finden Sie mehr zum Thema Versetzung?
- Was können wir für Sie tun?
Was versteht man unter einer Versetzung?
Unter einer Versetzung versteht man üblicherweise:
- die Zuweisung neuer Arbeitsaufgaben, die von bisherigen Aufgaben erheblich abweichen, und/oder
- die Zuteilung zu einer anderen Betriebsabteilung, und/oder
- die Zuweisung eines weit entfernten neuen Arbeitsortes, insbesondere in einer anderen Stadt,
- wobei solche Maßnahmen weiterhin von einer gewissen Dauer sein müssen, d. h. für mindestens einige Wochen Gültigkeit haben oder bis auf weiteres gelten müssen (d.h. eine „Versetzung für einen Tag“ gibt es nicht).
Derjenige, der eine Versetzung entscheidet, ist der Arbeitgeber bzw. der Dienstvorgesetzte, und der, der sie befolgen muss, der Arbeitnehmer.
Keine Versetzung ist der bloße Entzug von Arbeitsaufgaben, d.h. die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit. Nähere Informationen dazu finden Sie unter Handbuch Arbeitsrecht: Freistellung, Suspendierung.
Muss der Arbeitnehmer mit einer Versetzung einverstanden sein, d.h. zustimmen?
Nein, denn eine Versetzung ist eine einseitige Maßnahme, zu der der Arbeitgeber aufgrund seines Weisungsrechts berechtigt ist. Die Frage ist daher nicht, ob der Arbeitnehmer mit einer Versetzung einverstanden ist oder nicht, sondern vielmehr, ob der Arbeitgeber zu einer konkreten Versetzung berechtigt ist.
Natürlich ist es nicht verboten, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über eine bestimmte Versetzung gütlich einigen, d.h. eine vom Arbeitgeber gewünschte und vom Arbeitnehmer zunächst abgelehnte Versetzung einvernehmlich regeln und vielleicht einen Kompromiss finden. Dann haben sie mit einer solchen Vereinbarung den Arbeitsvertrag ergänzt, was jederzeit möglich ist.
Was versteht man im Betriebsverfassungsrecht unter einer Versetzung?
In § 95 Abs.3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wird „Versetzung“ so definiert:
„Versetzung im Sinne dieses Gesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Werden Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt, so gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung.“
Eine Versetzung liegt nach dieser gesetzlichen Definition dann vor, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:
Erstens muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsbereich zuweisen, wobei unter Arbeitsbereich der konkrete Arbeitsplatz im Betrieb und die mit ihm verbundenen Aufgaben und Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten zu verstehen ist.
Und zweitens muss diese Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs
- entweder voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreiten
- oder mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden sein.
Offenbar nimmt das BetrVG es mit dem Begriff der Versetzung so genau, dass es seine Bedeutung mit einer eigenen Definition festlegt. Das hat einen bestimmten Grund: Beabsichtigt der Arbeitgeber nämlich in einem Betrieb, in dem ein Betriebsrat besteht und mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind, die Versetzung eines Arbeitnehmers (im Sinne dieser Gesetzesdefinition), muss er den Betriebsrat gemäß § 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG vor Durchführung der Versetzung ausführlich über alle Einzelheiten dieser geplanten Maßnahme informieren und seine Zustimmung einholen.
Und diese gesetzliche Pflicht sollten Arbeitgeber ernst nehmen, was wiederum vorsaussetzt, dass sie wissen, wann sie den Betriebsrat informieren und seine Zustimmung einholen müssen und wann nicht. Nähere Informationen dazu finden Sie unten sowie unter: Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten.
Werden sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über eine Versetzung einig, lässt dies das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG übrigens nicht entfallen. Der Betriebsrat hat daher die rechtliche Möglichkeit, eine einvernehmlich von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gewünschte Versetzung zu blockieren. Dies kann er aber nur dann tun, wenn er sich dabei auf einen der vom Gesetz genannten Gründe für eine Zustimmungsverweigerung (§ 99 Abs. 2 BetrVG) berufen kann.
Wann ist eine Versetzung rechtens?
Eine Versetzung ist rechtens, wenn der Arbeitgeber bei ihr
- die Grenzen seines Weisungsrechts einhält und
- den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt hat, was er nur dann tun muss, wenn es in seinem Betrieb einen Betriebsrat gibt und wenn die geplante Versetzung die Voraussetzungen der Versetzungsdefinition des § 95 Abs. 3 BetrVG erfüllt.
Gibt es keinen Betriebsrat, muss der Arbeitgeber bei einer geplanten Versetzung demzufolge nur über die erste dieser beiden rechtlichen Hürde springen. Besteht ein Betriebsrat, muss der Arbeitgeber auch Hürden Nummer zwei nehmen.
Wann ist eine Versetzung vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt?
Da der Arbeitgeber mit einer Versetzung sein Weisungsrecht ausübt, müssen Versetzungen die Grenzen des Weisungsrechts beachten. Zum Weisungsrecht und zu seiner Ausübung enthält § 106 Gewerbeordnung (GewO) folgende Regelung:
„Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.“
Wie sich aus dem ersten Satz dieser Vorschrift ergibt, muss sich eine Weisung, mit der der Arbeitnehmer versetzt wird, in bestimmten allgemeinen Grenzen halten. Diese können sich ergeben aus
- dem Arbeitsvertrag, und/oder einer
- Betriebsvereinbarung, und/oder einem
- Tarifvertrag, und/oder einem
- Gesetz.
Hält sich eine Versetzung nicht in diesem Rahmen, ist sie ohne weiteres rechtswidrig.
BEISPIEL: Ein Betriebswirt wird als Verkaufsleiter mit fünf ihm unterstellten Vertriebsmitarbeitern von einer Kölner Firma eingestellt, die nur in Köln geschäftsansässig ist und dort zwei Betriebsstätten unterhält. Im Arbeitsvertrag wird die Arbeitsaufgabe mit „Leiter Vertrieb Köln“ umschrieben. Von einem möglichen anderen Arbeitsort steht nichts im Arbeitsvertrag. Dann ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags unter Berücksichtigung der Begleitumstände (Kölner Betriebssitz, unterstellte Vertriebsmitarbeiter arbeiten in Köln), dass der Verkaufsleiter nur in Köln arbeiten muss.
In diesem Fall wäre eine Versetzung nach Frankfurt am Main oder nach Hamburg vom Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht gedeckt. Unzulässig wäre auch die Versetzung auf einen Arbeitsplatz einer der fünf Vertriebsmitarbeiter, da diese Aufgabe weniger verantwortungsvoll ist als die vertraglich vereinbarte Aufgabe eines Vertriebsleiters.
Wann ist eine Versetzung, die im Prinzip vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist, trotzdem nicht zulässig?
Abgesehen von den o.g. Grenzen (Vertrag, Tarif usw.) muss eine Weisung, mit der der Arbeitnehmer versetzt wird, gemäß § 106 GewO "billigem Ermessen" entsprechen. Damit ist gemeint, dass der Arbeitgeber nicht nur seine eigenen Interessen durchsetzen darf, sondern auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen muss. Macht er das nicht, ist die Weisung bzw. Versetzung "unbillig" (= unfair, unangemessen, unzumutbar) und aus diesem Grunde rechtswidrig.
BEISPIEL: Eine junge Mutter hat mit ihrem Arbeitgeber für die Dauer ihrer Elternzeit Teilzeitarbeit von 30 Stunden pro Woche vereinbart, wobei sie drei Tage jeweils fünf Stunden zu Hause arbeiten soll und zwei Tage jeweils fünf Stunden im Büro, das in der Nähe von Darmstadt liegt und von zu Hause mit dem Auto leicht zu erreichen ist. Der Arbeitgeber löst das Büro auf und fordert die Arbeitnehmerin unter Berufung auf seine vertragliche Befugnis zur räumlichen Versetzung dazu auf, die zwei Büro-Tage in London zu arbeiten. Eine solche Versetzung ist unzumutbar und daher rechtswidrig, da sie der Zielsetzung der Elternzeitvereinbarung widerspricht. Dies hat das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden (Urteil vom 15.02.2011, 13 SaGa 1934/10, wir berichteten darüber in: Arbeitsrecht aktuell: 11/079 Keine Versetzung einer Teilzeitkraft ins Ausland).
In diesem Beispiel ist eine Versetzung nach London zwar im Prinzip vom (weit gefassten) Arbeitsvertrag gedeckt, d.h. ein Verstoß gegen den Arbeitsvertrag liegt hier nicht vor. Allerdings entspricht die Versetzung nicht billigem Ermessen, da es der Arbeitnehmerin unter Berücksichtigung ihrer familiären Lage und der wenigen im Betrieb zu leistenden Arbeitsstunden nicht zuzumuten ist, für zwei Tage pro Woche in London zu arbeiten.
Das Beispiel zeigt, dass Versetzungen, die im Prinzip vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt sind, nur ausnahmsweise unzulässig sind, nämlich dann, wenn elementare Interessen des Arbeitnehmers massiv beeinträchtigt werden und entgegenstehende betriebliche Interessen des Arbeitgebers nicht wirklich bedeutsam sind. Das ist nicht oft der Fall.
Ist die Versetzung in eine andere Stadt zulässig?
Nach der älteren Rechtsprechung der Arbeitsgerichte konnte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Allgemeinen nur in den Grenzen der Gemeinde beschäftigen, in der sich sein Betrieb zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befindet.
BEISPIEL: Ein Malergeselle hat einen Arbeitsvertrag mit einer in München ansässigen Malerfirma abgeschlossen. Der Maler konnte nach früher verbreiteter Rechtsprechung nicht per Weisung nach Augsburg oder Rosenheim versetzt werden, geschweige denn nach Stuttgart oder gar nach Hamburg.
So hat das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) mit Urteil vom 14.06.2007 (11 Sa 296/06) entschieden, dass Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, eine Verlagerung des Betriebs um 270 Kilometer mitzumachen (vgl. Arbeitsrecht aktuell: 07/51 Keine „Folgepflicht“ bei Betriebsverlegung um 270 km).
Anders ist es aber dann, wenn der Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel enthält, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, auf Weisung des Arbeitgebers in anderen Städten zu arbeiten. Nähere Informationen dazu finden Sie unter den Stichworten "Versetzung" und "Arbeitsvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Versetzungsvorbehalt, Versetzungsklausel". In einem solchen Fall bestand auch nach der älteren Rechtsprechung die Möglichkeit der Versetzung in eine andere Stadt.
Demgegenüber betonen die Arbeitsgerichte in den letzten Jahren, dass die Bezeichnung eines Arbeitsortes im Arbeitsvertrag nicht unbedingt bedeutet, dass der Arbeitgeber in seinem Weisungsrecht beschränkt wäre, d.h. den Arbeitnehmer nicht per Weisung in eine andere Stadt versetzen könnte (BAG, Urteil vom 28.08.2013, 10 AZR 569/12, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/064 Versetzung an einen anderen Arbeitsort).
Enthält der Arbeitsvertrag aber nicht (ausnahmsweise) einmal eine vertragliche Begrenzung des Einsatzortes auf eine bestimmte Stadt, dann soll sich aus § 106 GewO ergeben, dass der Arbeitgeber kraft Gesetzes ein deutschlandweites Versetzungsrecht hat, so z.B. das LAG Köln (Köln, Urteil vom 28.08.2014, 6 Sa 423/14, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/398 Versetzung und Arbeitsverweigerung).
Was sollte man bedenken, bevor man einem Vertrag mit räumlicher Versetzungsklausel zustimmt?
Aufgrund der oben beschriebenen arbeitgeberfreundlichen Rechtsprechung bzw. Interpretation des gesetzlichen Weisungsrechts gemäß § 106 GewO haben arbeitsvertragliche Versetzungsklauseln heute nicht mehr eine so große Bedeutung wie noch vor etwa zehn Jahren. Trotzdem sollten Sie als Arbeitnehmer vorsichtig sein, wenn Ihnen ein Arbeitsvertrag mit einer solchen Klausel vorgelegt wird. Denn wenn Ihnen der Vertrag ohne eine solche Klausel möglicherweise einen konkreten Einsatzort garantieren sollte, macht die Versetzungsklausel diesen rechtlichen Vorteile wieder zunichte.
BEISPIEL: Ein verheirateter Informatiker mit zwei kleinen Kindern wird von einem Softwarehaus mit Sitz in Hamburg eingestellt. Dort soll er vollzeitig für die interne EDV-Administration mit drei unterstellten Mitarbeitern verantwortlich sein. Aufgrund seiner familiären Situation enthält der Vertrag die Regelung, dass er "grundsätzlich" nur in Hamburg eingesetzt werden kann. Ergänzend enthält der Vertrag eine Versetzungsklausel, die den Arbeitgeber zu einer Versetzung in andere Städte Deutschlands berechtigt, allerdings mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten und bei Übernahme sämtlicher Mehrkosten (Reisekosten, Übernachtungskosten, Kosten der doppelten Haushaltsführung für maximal 24 Monate). Nach fünf Jahren wird er unter Wahrung der Ankündigungsfrist nach München versetzt.
Hier berechtigt die Versetzungsklausel den Arbeitgeber im Prinzip zu der Versetzung, die aber je nach persönlicher Lage des Arbeitnehmers "unbillig" sein kann. Das wäre z.B. der Fall, wenn die Ehefrau des Arbeitnehmers ebenfalls vollzeitig arbeitet und daher die Kinderbetreuung auch unter Inanspruchnahme von Betreuungsangeboten (Kindergarten, Schule, Hort) nicht gewährleistet wäre.
Dieses Beispiel zeigt, dass sich Arbeitnehmer gut überlegen sollten, ob sie einer Versetzungsklausel zustimmen sollten, die den Arbeitgeber zur bundesweiten Versetzung berechtigt.
Auch wenn die Bezahlung attraktiv ist, sollte man sich klarmachen, was es praktisch heißt, außerhalb der Stadt zu arbeiten, in der man wohnt: Entweder hetzt man jeden Tag um sechs Uhr früh aus dem Haus zum Flughafen oder zum Bahnhof, um spät abends gegen 21:00 Uhr wieder daheim anzukommen, oder man übernachtet gleich von Montag nacht bis Donnerstag nacht auswärts im Hotel. In beiden Fällen kann man sein Familienleben, seinen Freundeskreis und seine sonstigen Freizeitaktivitäten weitgehend vergessen. Und das funktioniert bis zum Burnout höchstens zwei bis drei Jahre lang. Dafür sollte man ein entsprechend hohes „Schmerzensgeld“ verlangen - oder eben nicht unterschreiben.
Außerdem hebelt eine Versetzungsklausel den Kündigungsschutz aus. Denn wer von häufigen Versetzungen irgendwann einmal die Nase voll hat, wird von sich aus nach einem neuen Job suchen. Und das erspart dem Arbeitgeber den Ausspruch einer Kündigung, geschweige denn, dass man als Arbeitnehmer in einer solchen Situation über eine Abfindung verhandeln könnte.
Und weil auch Arbeitgeber all das wissen und sich in machen Fällen gezielt zunutze machen, ist eine arbeitsvertraglich abgesicherte Versetzung in eine andere Stadt manchmal nichts anderes als eine „kalte Kündigung“.
Die Kosten für eine Versetzung in eine andere Stadt hat der Arbeitgeber zu tragen, auch wenn diese Pflicht nicht im Arbeitsvertrag angesprochen ist. Das aber nutzt dem Arbeitnehmer wenig, da Kostentragung und Gehaltsaufbesserung zwei verschiedene Dinge sind. Von einer Reisekostenerstattung können Arbeitnehmer „nicht runterbeißen“.
Ist die Versetzung auf einen weniger verantwortungsvollen und/oder schlechter bezahlten Arbeitsplatz zulässig?
Nein, das geht im Allgemeinen nicht, da der Arbeitgeber damit die arbeitsvertraglichen Grenzen seines Weisungsrechts überschreiten würde. Der Arbeitgeber hat zwar das Recht zur Versetzung, doch bezieht sich dieses Recht auf gleichwertige Arbeitsaufgaben bzw. auf gleichwertige Arbeitsplätze innerhalb des Aufgabenbereichs, der durch den Arbeitsvertrag festgelegt ist.
BEISPIEL: Ein Facharzt für Anästhesiologie wird von einem Krankenhaus als Oberarzt der Intensivmedizinischen Abteilung eingestellt. Neben ihm arbeiten zwei weitere Oberärzte auf der Intensivmedizin. Zu seinen Aufgaben als Oberarztes gehört es, die Assistenzärzte und die Fachärzte der Intensivmedizin anzuleiten und ihnen falls nötig fachliche Weisungen zu erteilen. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und dem Chefarzt entzieht dieser dem Oberarzt die Befugnis, den Assistenz- und Fachärzten der Intensivmedizin Weisungen zu erteilen und sog. Oberarztvisiten zu leiten. Außerdem soll er künftig wie die Fachärzte den Weisungen seiner beiden Oberarztkollegen Folge leisten.
Eine solche Versetzung auf einen weniger verantwortungsvollen Arbeitsplatz wäre vom Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht mehr gedeckt und daher unzulässig. Dabei spielt es keine Rolle, ob der vom Oberarzt zum Facharzt degradierte Arzt weiterhin seine bisherige Bezahlung erhält oder nicht. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers erlaubt die Zuweisung weniger verantwortungsvoller Aufgaben selbst dann nicht, wenn der Arbeitnehmer dadurch keine Lohneinbußen erleidet.
Kann der Arbeitgeber durch geschickte Klauseln im Arbeitsvertrag seine Befugnis zur Versetzung über die Grenzen des Weisungsrechts hinaus erweitern?
Im Prinzip schon, aber nur in sehr engen rechtlichen Grenzen. Denn aufgrund einer solchen Klausel hätte der Arbeitgeber das Recht, den Arbeitsvertrag einseitig abzuändern, ohne dazu eine Kündigung oder Änderungskündigung aussprechen zu müssen. Eine die Grenzen des Weisungsrechts zugunsten des Arbeitgebers verschiebende Vertragsklausel würde daher den Kündigungsschutz aushebeln, der dem Arbeitnehmer ohne eine solche Arbeitsvertragsgestaltung zustehen würde.
BEISPIEL: Ein Facharzt für Anästhesiologie wird von einem Krankenhaus als Oberarzt der Intensivmedizinischen Abteilung eingestellt. In dem Arbeitsvertrag heißt es: „Zu den Aufgaben des Oberarztes gehört es, die Assistenzärzte und die Fachärzte der Anästhesieabteilung anzuleiten und ihnen falls nötig fachliche Weisungen zu erteilen. Dabei ist er seinerseits nur dem Chefarzt der Anästhesieabteilung unterstellt. Der Arbeitgeber behält sich vor, den Oberarzt im Falle betrieblicher Notwendigkeiten - auch dauerhaft - mit den Aufgaben eines Facharztes zu betrauen.“
Eine solche Klausel wäre als Bestandteil der vom Arbeitgeber gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam. Denn zum einen enthält sie eine unangemessene Benachteiligung des Arztes im Sinne von § 307 Abs.1 Satz 1, Abs.2 BGB. Denn der Arbeitgeber könnte ihn aufgrund dieser Klausel jederzeit nach Gutdünken, d.h. mit einem floskelhaften Verweis auf angebliche „betriebliche Notwendigkeiten“ dauerhaft zum Facharzt degradieren. Eine Änderungskündigung müsste er dazu nicht aussprechen. und demzufolge müsste er auch nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Änderungskündigung einhalten.
Das nimmt dem Arzt hier im Beispiel den gesetzlichen Schutz gegenüber Änderungskündigungen. Da dieser Schutz zwingend ist, ist die Klausel wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam. Darüber hinaus ist sie unklar gemäß § 307 Abs.1 Satz 2 BGB und daher auch aus diesem Grund unwirksam, da der Arzt auf der Grundlage dieses schwammig formulierten Versetzungsvorbehalts nicht weiß, wann der Arbeitgeber zur Versetzung berechtigt sein könnte. Was unter „betrieblichen Notwendigkeiten“ zu verstehen sein soll, ist nämlich vollkommen unklar.
Nähere Informationen zu der Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber durch geschickte Vertragsklauseln seine Versetzungsbefugnis erweitern kann, finden Sie unter: Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Versetzungsvorbehalt, Versetzungsklausel.
Im Unterschied zu der obigen Beispielsklausel, mit der der Arbeitgeber die Grenzen des Weisungsrechts zu seinen Gunsten verändern will, enthält die folgende Vertragsklausel nur eine weit gefasste Tätigkeitsbeschreibung, die rechtlich ohne weiteres zulässig ist:
„Der Arbeitnehmer wird als Redakteur eingestellt und der Wirtschaftsredaktion zugeordnet. Der Arbeitgeber behält sich vor, den Arbeitnehmer auch in anderen Redaktionen als der Wirtschaftsredaktion einzusetzen.“
Ein solcher „Versetzungsvorbehalt“ (möglicher Einsatz in anderen Redaktionen als der Wirtschaftsredaktion) ist letztlich nichts anderes als die (zulässige) arbeitsvertragliche Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer als Redakteur in beliebigen Redaktionen einsetzbar sein soll. Innerhalb dieses vertraglichen Rahmens hat der Arbeitgeber das übliche, über die normalen Grenzen nicht hinausgehende Weisungsrecht.
Der Unterschied zwischen Versetzungsklauseln, die das Weisungsrecht des Arbeitgebers erweitern sollen, und Versetzungsklauseln, die nur den Umfang der Arbeitsaufgaben des Arbeitnehmers festlegen, liegt in der Gleichwertigkeit bzw. Ungleichwertigkeit der Aufgaben:
Behält sich der Arbeitgeber vor, weniger verantwortungsvolle und daher im Allgemeinen schlechter bezahlte Aufgaben zuzuweisen, will er sein Weisungsrecht erweitern (was nur in engen Grenzen möglich ist). Behält sich der Arbeitgeber dagegen vor, gleich verantwortungsvolle und daher im Allgemeinen gleich bezahlte Aufgaben zuzuweisen, will er nur der Umfang möglicher Arbeitsaufgaben des Arbeitnehmers festlegen (was ohne weiteres rechtlich zulässig ist).
Ist eine vom Arbeitsvertrag im Prinzip gedeckte Versetzung ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber von der Versetzungsmöglichkeit jahrelang keinen Gebrauch gemacht hat?
Viele Arbeitnehmer werden "kalt erwischt", wenn sie in eine andere Dienststelle oder gar in eine andere Stadt versetzt werden, nachdem sie Jahre oder vielleicht sogar Jahrzehnte am selben Arbeitsplatz bzw. in derselben Stadt gearbeitet haben.
Dann argumentieren betroffene Arbeitnehmer und ihre Anwälte oft, dass sich die Arbeitsverpflichtung aufgrund der jahrelangen Tätigkeit auf einer bestimmten Stelle oder an einem bestimmten Ort auf diese Tätigkeit bzw. auf diesen Ort "konkretisiert" habe. Dementsprechend soll sich der Umfang des dem Arbeitgeber zustehenden Weisungsrechts verringert haben.
Die Arbeitsgerichte lehnen diese Argumentation aber meist im Ergebnis ab. Denn, so das Bundesarbeitsgericht (BAG):
"Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft regelmäßig aber keinen Vertrauenstatbestand, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (...)." (BAG, Urteil vom 17.08.2011, 10 AZR 202/10)
Fälle, in denen sich der Arbeitnehmer mit der Erfolg gegen eine Versetzung zur Wehr setzen kann, weil es zu einer Konkretisierung seiner Arbeitspflichten oder des Arbeitsortes gekommen ist, sind daher extrem selten. Eher erfolgreich ist es, dem Arbeitgeber vorzuhalten, er hätte die berechtigten Belange des Arbeitnehmers nicht genügend berücksichtigt, so dass die Versetzung im konkreten Fall nicht "billigem Ermessen" entspricht.
Wann kann der Betriebsrat die Zustimmung zu einer geplanten Versetzung verweigern?
Der Betriebsrat ist bei Versetzungen einerseits stark, weil der Arbeitgeber ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats keine Versetzung vornehmen darf. Er ist aber andererseits schwach, weil er in seiner Entscheidung darüber, ob er die vom Arbeitgeber erbetene Zustimmung erteilen oder verweigert soll, nicht frei ist. Vielmehr gibt ihm das BetrVG nur das Recht, aus bestimmten, gesetzlich im einzelnen genannten Gründen die Zustimmung zu einer geplanten Versetzung zu verweigern. Nähere Informationen dazu finden Sie unter Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten.
Konkret kann der Betriebsrat gemäß § 99 Abs.2 BetrVG nur dann „nein“ zu einer Versetzung sagen, wenn:
- die Versetzung gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
- die Versetzung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
- die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der Versetzung im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist,
- der betroffene Arbeitnehmer durch die Versetzung benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
- eine nach § 93 BetrVG erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder
- die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die Versetzung in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 BetrVG enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.
Praktisch wichtig für den Betriebsrat sind vor allem die Zustimmungsverweigerungsgründe, die in § 99 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 BetrVG genannt sind. So kann der Betriebsrat auf der Grundlage von § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG die soziale und persönliche Zumutbarkeit einer geplanten Versetzung selbständig, d.h. nach seinem Ermessen überprüfen und dabei die voraussichtlichen Belastungen für den betroffenen Arbeitnehmer und die vom Arbeitgeber ins Feld geführten betrieblichen Vorteile gegeneinander abwägen.
BEISPIEL: Ein angestellter Informatiker lebt mit seiner Familie in Hamburg und wird dort seit drei Jahren bei einem Kunden seines Arbeitgebers eingesetzt. Dann entscheidet der Arbeitgeber, dass der Informatiker bis auf weiteres für ein Großprojekt nach Frankfurt am Main versetzt werden soll, was dieser nicht will. Vom Arbeitsvertrag ist die Versetzung gedeckt, da sich der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich damit einverstanden erklärt hat, bundesweit eingesetzt zu werden. Allerdings hat der Betriebsrat Bedenken gegen die Versetzung, da der Informatiker zwei kleine Kinder hat und seine Ehefrau ebenfalls berufstätig ist, so dass er die Kinder regelmäßig betreuen muss. Da der Arbeitgeber in Frankfurt eine große Niederlassung unterhält und auch einen der dortigen Informatiker für das Großprojekt einsetzen könnte, verweigert der Betriebsrat die Zustimmung zu der geplanten Versetzung unter Berufung auf § 99 Abs.2 Nr.4 BetrVG.
Wie das Beispiel zeigt, haben Arbeitnehmer einen erheblich verbesserten rechtlichen Schutz gegenüber geplanten Versetzungen, wenn es in ihrem Betrieb einen engagierten Betriebsrat gibt. Denn der Betriebsrat ist bei der Entscheidung darüber, ob er einer geplanten Versetzung widersprechen soll, nicht an den Arbeitsvertrag des betroffenen Arbeitnehmers gebunden, sondern entscheidet eigenständig als Betriebsrat auf der Grundlage von § 99 Abs.2 Nr.4 BetrVG.
Wichtig für den Betriebsrat: Will man als Betriebsrat die Zustimmung zu einer geplanten Versetzung verweigern, muss man einige Formalitäten beachten. Der Betriebsrat muss seine Zustimmungsverweigerung nämlich
- dem Arbeitgeber innerhalb einer Woche nach der Unterrichtung mitteilen, und zwar
- unter Angabe von Gründen sowie
- schriftlich, wobei eine E-Mail genügt (BAG, Beschluss vom 09.12.2008, 1 ABR 79/07, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 09/097 Verweigerung der Zustimmung zu personellen Maßnahmen ohne Unterschrift).
Ohne eine solche formvollendete Zustimmungsverweigerung gilt die Zustimmung des Betriebsrats zu einer geplanten Versetzung nach einer Woche, gerechnet ab der Information durch den Arbeitgeber, als erteilt (§ 99 Abs.3 Satz 2 BetrVG) und der Arbeitgeber hat freie Bahn.
Wichtig für den Arbeitgeber: Soll die Wochenfrist für die Entscheidung des Betriebsrats in Gang gesetzt werden, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat vor (!) Verwirklichung der geplanten Versetzung möglichst genau über folgende Einzelheiten informieren, was er zur besseren Beweisbarkeit am besten schriftlich bzw. per Fax oder E-Mail macht (obwohl das rechtlich nicht vorgeschrieben ist):
- Personaldaten des von der Umsetzung betroffenen Arbeitnehmers (Name, Vorname, Beschäftigungsdauer)
- Arbeitsvertraglich festgelegter Aufgabenkreis (wobei eine vollständige Kopie des Arbeitsvertrags beigefügt werden sollte)
- Bisheriger Arbeitsplatz und in Aussicht genommener neuer Arbeitsplatz, der sich infolge der geplanten Versetzung ergeben würde (bei tariflichen Beschäftigten einschließlich der mit dem alten und dem neuen Arbeitsplatz verbundenen Eingruppierung)
- Voraussichtliche Auswirkungen der geplanten Versetzung auf die Arbeitssituation und persönliche Lage des Arbeitnehmers
- Betriebliche Gründe für die geplante Versetzung (ohne Angaben zu diesem Punkt kann der Betriebsrat keine Entscheidung über sein ggf. bestehendes Widerspruchsrecht gemäß § 99 Nr.3 und Nr.4 BetrVG treffen)
Zusammen mit diesen Informationen muss der Arbeitgeber den Betriebsrat um Zustimmung zu der geplanten Versetzung bitten. Wird der Betriebsrat nicht vollständig informiert, hat der Arbeitgeber nichts davon, wenn der Betriebsrat die Wochenfrist verstreichen lässt, ohne eine Zustimmungsverweigerung erklärt zu haben, da der Lauf der Wochenfrist rechtlich gesehen niemals anfangen hat.
Kann der Arbeitgeber auch ohne Zustimmung des Betriebsrats eine Versetzung anordnen?
Nein, das kann er im Allgemeinen nicht. Führt der Arbeitgeber eine Versetzung ohne die Zustimmung des Betriebsrats durch, ist sie rechtswidrig und der Betriebsrat kann bei Gericht beantragen, den Arbeitgeber zur Aufhebung der Versetzung zu verpflichten (§ 101 Satz 1 BetrVG).
BEISPIEL: Der Arbeitgeber versetzt einen Arbeitnehmer von Hamburg nach Franfurt am Main, ohne dafür die Zustimmung des Betriebsrats zu haben. Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber im Wege des arbeitsgerichtlichen Verfahrens aufgeben, die Versetzung rückgängig zu machen, d.h. den versetzten Arbeitnehmer wieder in Hamburg zu beschäftigen.
Die Rechtswidrigkeit einer mitbestimmungswidrigen Versetzung führt auch dazu, dass der betroffene Arbeitnehmer die Versetzung bzw. die in ihr enthaltene Weisung des Arbeitgebers nicht befolgen muss. Der Arbeitnehmer hat beim Fehlen der Zustimmung des Betriebsrats das Recht, die Arbeit zu den geänderten Bedingungen zu verweigern (BAG, Urteil vom 22.04.2010, 2 AZR 491/09)
Natürlich ist Arbeitgeber nicht rechtlos, wenn der Betriebsrat einer geplanten Versetzung unter Angabe von Gründen schriftlich und unter Wahrung der Wochenfrist widersprochen hat. Er kann nämlich beim Arbeitsgericht die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zu der geplanten Maßnahme beantragen. In dem gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren wird überprüft, ob die vom Betriebsrat angeführten Widerspruchsgründe im Streitfall tatsächlich vorliegen oder nicht.
Da ein Zustimmungsersetzungsverfahren über mehreren Instanzen geführt werden kann, kann es sich über Jahre hinziehen. Daher hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die streitige Versetzung - parallel zu einem gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren - einseitig und ohne eine gerichtliche „Erlaubnis“ durchführen, allerdings nur als vorläufige Maßnahme und auch nur dann, wenn die Versetzung „aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist“. Über die vorläufige Maßnahme hat er den Betriebsrat „unverzüglich“ d.h. ohne schuldhaftes Zögern, zu informieren.
Der Betriebsrat kann daraufhin - ebenfalls unverzüglich - bestreiten, dass die vorläufige Maßnahme dringend erforderlich ist. Ein solches Bestreiten der Erforderlichkeit der vorläufigen Maßnahme setzt wiederum den Arbeitgeber unter Zugzwang: Er muss dann binnen drei Tagen beim Arbeitsgericht die Feststellung beantragen, dass die vorläufige Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, und spätestens innerhalb dieser Frist muss er auch die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur der Versetzung beantragen (falls er das nicht schon vorher getan hat).
Welche Rechte hat der Betriebsrat bei der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds?
Will der Arbeitgeber ein Betriebsratsmitglied versetzen und würde die Versetzung zum Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen, was vor allem bei der Versetzung in einen anderen Betrieb der Fall ist, muss der Arbeitgeber gemäß § 103 Abs.3 BetrVG vorab die Zustimmung des Betriebsrats einholen. Der Arbeitgeber befindet sich hier in einer ähnlichen Situation wie bei einer geplanten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds.
Anders als bei dem Zustimmungserfordernis nach § 99 Abs.1 BetrVG kann der Betriebsrat in einem solchen Fall frei, d.h. ohne Angabe von Gründen seine Zustimmung verweigern. Dann muss der Arbeitgeber vor Gericht ziehen mit dem Ziel, die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung durch das Gericht ersetzen zu lassen. Bevor die gerichtliche Zustimmungsersetzung nicht vorliegt, darf der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied nicht versetzen.
Nähere Informationen zu diesem Fall von Versetzung finden Sie unter "Betriebsratsmitglied - Versetzung".
Welche Rechte hat der Betriebsrat bei der Versetzung leitender Angestellter?
Betrifft die Versetzung einen leitenden Angestellten, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat hierüber nur in Kenntnis setzen (§ 105 BetrVG), d.h. der Betriebsrat hat in diesem Fall ein bloßes Informationsrecht.
Ein Recht zum Widerspruch hat der Betriebsrat dagegen nicht, d.h. er kann die Versetzung letztlich nicht verhindern.
Was können Sie bei einer rechtswidrigen Versetzung unternehmen?
Versetzungen können aus vielen Gründen rechtswidrig sein. In einem solchen Fall muss sie der Arbeitnehmer rechtlich gesehen nicht befolgen.
Das war einige Jahre lang aufgrund einer verfehlten Entscheidung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) für den Fall umstritten, dass die Versetzung "nur" unbillig war, d.h. dann sollte der Arbeitnehmer sie nach Ansicht des Fünften BAG-Senats trotzdem "einstweilen" zu einer gerichtlichen Entscheidung befolgen müssen (BAG, Urteil vom 22.02.2012, 5 AZR 249/11). Diese nicht überzeugende Rechtsprechung hat das BAG aber mittlerweile wieder zugunsten der Arbeitnehmerseite geändert (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 17/241 Unbillige Weisungen sind unverbindlich). Und das heißt: Versetzungen, die unbillig und/oder aus einem anderen Grund rechtswidrig sind, können Arbeitnehmer verweigern.
Eine solche Reaktion ist aber in vielen Fällen eher nicht zu empfehlen, da sie aus Arbeitnehmersicht zu riskant ist.
Denn der Arbeitgeber wird seine Versetzung als rechtmäßig ansehen und dementsprechend mit einer Abmahnung oder sogar mit einer verhaltensbedingten Kündigung reagieren, wenn der Arbeitnehmer die streitige Versetzung nicht befolgt. Zwar muss der Arbeitnehmer auch solche Maßnahmen nicht hinnehmen, sondern kann sie gerichtlich überprüfen lassen, doch befindet er sich dann oft in einer schwierigen Lage.
Und wenn das Gericht die Versetzung für rechtens ansieht, wird es die Verweigerung ihrer Befolgung durch den Arbeitnehmer dementsprechend als rechtswidrig bewerten, und dementsprechend die daraufhin vom Arbeitgeber eingeleiteten weiteren Maßnahmen - d.h. Abmahnung und/oder Kündigung - als rechtswirksam. Der Streit über die Zulässigkeit einer Versetzung kann so recht schnell zum Verlust des Arbeitsverhältnisses führen.
In vielen Fällen ist dem Arbeitnehmer daher zu empfehlen, eine unangenehme Versetzung einstweilen unter Vorbehalt zu befolgen gleichzeitig gegen sie zu klagen. Dabei müssen Arbeitnehmer aber in der Regel „viel Zeit mitbringen“, da ein arbeitsgerichtliches Verfahren im Hauptsacheverfahren gut und gerne ein bis eineinhalb Jahre dauern kann, selbst wenn es „nur“ über zwei Instanzen geführt wird.
Trotz der langen Dauer einer gerichtlichen Klärung im Hauptsacheverfahren gehen die meisten Arbeitsgerichte davon aus, es dem Arbeitnehmer zuzumuten ist, eine streitigen Versetzung zunächst einmal, d.h. bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu befolgen. Daher hat ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der sich gegen die Versetzung richtet und mit dem dem Arbeitgeber untersagt werden soll, die Versetzung durchzuführen, meist nur geringe Erfolgschancen. Arbeitnehmer können sich nur ausnahmsweise mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Versetzung im gerichtlichen Eilverfahren zur Wehr setzen. Ein solcher Ausnahmefall ist z.B. gegeben,
- wenn eine Versetzung offenkundig rechtswidrig ist (z.B. weil der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats nicht beantragt hat), und/oder
- wenn eine Versetzung mit erheblichen Gesundheitsgefahren für den Arbeitnehmer verbunden ist, und/oder
- wenn eine Versetzung das berufliche Ansehen des Arbeitnehmers schädigen würde (z.B. weil eine Führungskraft auf einen untergeordneten Hilfskraftarbeitsplatz versetzt wird), und/oder
- wenn eine Versetzung den Arbeitnehmer in schwere Gewissenkonflikte bringen würde.
Nähere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter Tipps und Tricks: Was tun bei Versetzung?.
Wo finden Sie mehr zum Thema Versetzung?
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Letzte Überarbeitung: 12. Oktober 2021
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