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Coronavirus und Arbeitsrecht
Lesen Sie hier, welche Rechte und Pflichten Arbeitgeber und Arbeitnehmer während der Corona-Epidemie haben und bei welchen Maßnahmen Betriebsräte mitzubestimmen haben.
Im Einzelnen finden Sie Informationen und Tipps zum Gesundheitsschutz im Betrieb, zur Vergütungssicherung bei häuslicher Quarantäne und bei notwendiger Kinderbetreuung sowie zu den aktuellen Änderungen bei der Kurzarbeit.
Außerdem können Sie hier nachlesen, welche Rechte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben, wenn die Arbeit mit unzumutbaren Infektionsrisiken verbunden ist.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- Welche allgemeinen Infektionsschutz-Regeln müssen Unternehmen in der Corona-Epidemie beachten?
- Welche Coronaschutz-Verordnungen müssen Unternehmen beachten?
- Kann der Arbeitgeber den Betrieb schließen oder einzelne Arbeitnehmer nach Hause schicken?
- Wie sind Löhne und Gehälter bei Betriebsschließungen oder Einzel-Freistellungen gesichert?
- Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat bei betrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen?
- Sind Betriebsratssitzungen per Telefon- oder Videokonferenz zulässig?
- Wie sind Lohn- und Gehaltsansprüche bei einer Corona-Infektion gesichert?
- Wie sind Lohn- und Gehaltsansprüche bei einer häuslichen Quarantäne gesichert?
- Wie sind die Vergütungsansprüche von Eltern gesichert, die ihre Kinder zu Hause betreuen?
- Wer kann wegen der Corona-Krise Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen?
- In welcher Höhe wird Kurzarbeitergeld geleistet?
- Welche Entlastungen gelten für Arbeitgeber im Falle von Kurzarbeit?
- Welche Vereinbarungen sind für die Einführung von Kurzarbeit notwendig?
- Wo finden Sie mehr zum Thema Coronavirus und Arbeitsrecht?
- Was können wir für Sie tun?
Welche allgemeinen Infektionsschutz-Regeln müssen Unternehmen in der Corona-Epidemie beachten?
Arbeitgeber müssen aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht ihre Arbeitnehmer vor vermeidbaren Gesundheitsgefahren schützen. Diese Schutzpflicht findet sich auch in einigen gesetzlichen Vorschriften.
So hat der „Dienstberechtigte“, d.h. der Arbeitgeber, gemäß § 618 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den Betrieb so einzurichten, dass Gesundheitsgefahren für den „Verpflichteten“ (= den Arbeitnehmer) bestmöglich ausgeschlossen sind. In § 618 Abs.1 BGB heißt es:
„Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.“
Eine entsprechende Regelung findet sich auch im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Hier heißt es (§ 3 Abs.1 ArbSchG):
„Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.“
Ein wenig genauer heißt es dazu in § 4 ArbSchG, dass der Arbeitgeber bei den Arbeitsschutzmaßnahmen von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen hat:
"1. | Die Arbeit ist so zu gestalten, daß eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird; |
2. | Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen; |
3. | bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen; |
4. | Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen; |
5. | individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen; |
6. | spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen; |
7. | den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen; |
8. | mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.“ |
Wie sich aus der Fürsorgepflicht und den o.g. gesetzlichen Regelungen ergibt, müssen Arbeitgeber ihre Belegschaft vor der Gefahr einer Ansteckung mit dem Corona-Virus im Betrieb bzw. am Arbeitsplatz bestmöglich schützen.
Aus dieser Pflicht ergibt sich im Prinzip auch eine Berechtigung gegenüber betroffenen Arbeitnehmern, geeignete Schutzmaßnahmen gegen Infektionsrisiken zu ergreifen, d.h. den Arbeitnehmern entsprechende Weisungen zu erteilen. Solche Maßnahmen sind z.B.:
- die Anweisung, im Betrieb einen Mindestabstand zu Kollegen oder Kunden einzuhalten
- die Anweisung, einen Mundschutz zu tragen
- die Anweisung, Handschuhe oder andere Schutzbekleidung zu tragen
- die Anweisung zur Befolgung von Hygienevorschriften wie z.B. Händewaschen, Hände-Desinfektion, Desinfektion von Schuhen
- die Anweisung, Aufzüge oder Toilettenräume nur einzeln oder in begrenzter Personenzahl zu betreten
- spezielle bzw. strengere Schutzmaßnahmen entsprechend den aktuellen Coronaschutz-Verordnungen des Bundeslandes, in dem sich der Betrieb befindet
- die Freistellung von der Arbeit als letztes Mittel, wenn der Infektionsschutz nicht mit den o.g. Maßnahmen nicht bzw. nicht ausreichend gewährleistet ist.
Diese und andere Maßnahmen sind rechtlich durch die o.g. Arbeitsschutzregelungen sowie ergänzend durch § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) gedeckt, d.h. durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers.
Wenn sich der Arbeitgeber dazu entschließt, einzelne Arbeitnehmer, einzelne Betriebsabteilungen oder sogar den gesamten Betrieb zu schließen, greift er damit zwar weitergehend in die Rechte seiner Arbeitnehmer ein, denn deren Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung wird vorübergehend nicht erfüllt. Auch eine solche Maßnahme kann aber gerechtfertigt sein.
Welche Coronaschutz-Verordnungen müssen Unternehmen beachten?
Abgesehen von den o.g. allgemeinen gesetzlichen Regelungen gelten in jedem der 16 Bundesländer leicht voneinander abweichende Coronaschutz-Verordnungen.
Sie werden laufend aktualisiert, damit sie der aktuellen Infektionslage entsprechen. Die Bundesländer stimmen die Inhalte miteinander ab, d.h. es gibt bei den wesentlichen Inhalten große Übereinstimmungen. Rechtsgrundlage der von den Landesregierungen erlassenen Rechtsverordnungen ist § 32 in Verb. mit § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Die aktuellen Coronaschutz-Verordnungen der 16 Bundesländer finden Sie hier. Soweit sie Vorschriften für den betrieblichen Arbeitsschutz enthalten, gelten sie für alle Betriebe, die sich in dem jeweiligen Bundesland befinden:
- Baden-Württemberg: Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung – CoronaVO), vom 25.06.2021
- Bayern: Dreizehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (13. BayIfSMV), vom 05.06.2021
- Berlin: Erste Änderungsverordnung der Dritten SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, vom 22.06.2021
- Brandenburg: Verordnung über den Umgang mit dem SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 in Brandenburg (SARS-CoV-2-UmgV), vom 15.06.2021
- Bremen: Siebenundzwanzigste Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2
(Sechsundzwanzigste Coronaverordnung), vom 18.06.2021 - Hamburg: Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg (HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO), vom 03.06.2021
- Hessen: Verordnung zum Schutz der Bevölkerung vor Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV2 (Coronavirus-Schutzverordnung-CoSchuV)
- Mecklenburg-Vorpommern: Corona-Landesverordnung Mecklenburg-Vorpommern (Corona-LVO M-V), vom 23.04.2021 (in der ab dem 28.05.2021 geltenden Fassung)
- Niedersachsen: Niedersächsische Verordnung zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung), vom 30.05.2021
- Nordrhein-Westfalen: Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO), vom 24.06.2021
- Rheinland-Pfalz: Vierundzwanzigste Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (22. CoBeLVO), vom 29.06.2021
- Saarland: Verordnung zur Änderung infektionsrechtlicher Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, vom 24.06.2021
- Sachsen: Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (SächsCoronaSchVO), vom 22.06.2021 - Sachsen-Anhalt: Vierzehnte Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus
SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt (14. SARS-CoV-2-EindV), vom 16.06.2021 geändert durch Verordnung zur Änderung der Vierzehnten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung, vom 17.06.2021 - Schleswig-Holstein: Ersatzverkündung (§ 60 Abs. 3 Satz 1 LVwG) der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona-BekämpfVO), vom 25.06.2021
- Thüringen: Thüringer Verordnung zur Regelung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen zur
Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 (ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO), vom 30.06.2021
In den hier genannten Coronaschutz-Verordnungen der Länder finden sich z.B. sehr detaillierte Regelungen dazu, welche Personen bei welchen Gelegenheiten eine Mund-Nase-Bedeckung tragen muss, und welche Art von Mund-Nase-Bedeckung. Geregelt wird auch, welche Abstände im öffentlichen Raum und in geschlossenen Räumen einzuhalten sind, insbesondere bei Kontakt zu Kunden usw.
Kann der Arbeitgeber den Betrieb schließen oder einzelne Arbeitnehmer nach Hause schicken?
Arbeitnehmer haben nicht nur einen Anspruch auf Bezahlung (§ 611a Abs.2 BGB), sondern auch darauf, dass der Arbeitgeber ihre Arbeitsleistung entgegennimmt. Dieser Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung wird nicht erfüllt, wenn bzw. solange der Arbeitgeber aus Gründen des Infektionsschutzes einzelne Arbeitnehmer nach Hause schickt, Abteilungen schließt oder sogar den gesamten Betrieb zusperrt.
Solche Maßnahmen können zulässig sein, denn aufgrund seiner Fürsorgepflicht sowie gemäß den o.g. gesetzlichen Vorschriften (§ 618 Abs.1 BGB, § 3, § 4 ArbSchG) muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in bestmöglicher Weise vor der Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus geschützt sind.
Da eine Freistellung von der Arbeit die betroffenen Arbeitnehmer arbeitsrechtlich stärker belastet als Einzelweisungen für die Tätigkeit im Betrieb, gilt folgendes Rangverhältnis von Maßnahmen:
- Zunächst ist zu überlegen, ob ein ausreichender Infektionsschutz durch Schutzkleidung und Sicherheitsroutinen im Betrieb gewährleistet werden kann. Dann ist eine Freistellung von der Arbeit (noch) nicht möglich.
- Ist ein Schutz vor Infektionen im Betrieb nicht (ausreichend) möglich, können einzelne Arbeitnehmer (vorübergehend) von der Arbeit freigestellt werden oder es können Betriebsabteilungen oder letztlich auf der gesamte Betrieb vorübergehend geschlossen werden.
Wie sind Löhne und Gehälter bei Betriebsschließungen oder Einzel-Freistellungen gesichert?
Wenn sich Unternehmen dazu entschließt, einzelne Arbeitnehmer aus Gründen des Infektionsschutzes nach Hause zu schicken, und/oder einzelne Abteilungen oder sogar den ganzen Betrieb vorübergehend zu schließen, sind sie rechtlich verpflichtet, den Arbeitnehmern ihre reguläre Vergütung (Lohn, Gehalt) weiterhin zu zahlen.
Denn obwohl der Vergütungsanspruch im Allgemeinen entfällt, wenn der Arbeitnehmer nicht zur vereinbarten Zeit gearbeitet hat (Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“), bleibt er hier aufrechterhalten, denn der Arbeitgeber befindet sich im Annahmeverzug.
Durch welche Maßnahmen der Arbeitgeber für ausreichende Arbeitssicherheit bzw. Infektionsschutz sorgt bzw. sorgen muss, ist nämlich seine Angelegenheit und sein Risiko. Wenn aus Gründen des Infektionsschutzes im Betrieb nicht gearbeitet werden kann, verwirklicht sich das sog. Betriebsrisiko des Arbeitgebers.
Anspruchsgrundlage für den Lohn- bzw. Gehaltsanspruch ist in solchen Fällen § 615 Satz 1 BGB. Diese Vorschrift lautet:
„Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.“
Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat bei betrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen?
In Betrieben, in denen ein Betriebsrat besteht, kann der Arbeitgeber die o.g. Schutzmaßnahmen nicht ohne Beteiligung des Betriebsrats einführen. Denn der Betriebsrat hat bei allen diesen Maßnahmen mitzureden, d.h. er hat Mitbestimmungsrechte auf der Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Dabei sind je nach Maßnahme verschiedene Mitbestimmungsrechte betroffen:
- Anweisung, im Betrieb Schutzmaßnahmen zu befolgen, d.h. einen Mindestabstand zu Kollegen oder Kunden einzuhalten, einen Mundschutz oder Handschuhe zu tragen, Aufzüge oder Toilettenräume nur einzeln oder in begrenzter Personenzahl zu betreten: Hier hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in sozialen Angelegenheiten gemäß § 87 Abs.1 Nr.1 BetrVG („Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb“) und gemäß § 87 Abs.1 Nr.7 BetrVG („Regelungen … über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften“).
- Vereinbarung einer vorübergehenden Home-Office-Tätigkeit mit einzelnen Arbeitnehmern: Hier hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen gemäß § 99 BetrVG. Denn die Home-Office-Arbeit ist in jedem Fall „mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden (…), unter denen die Arbeit zu leisten ist“ (§ 95 Abs.3 Satz 1 BetrVG) und daher eine Versetzung im Sinne von § 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht nach dieser Vorschrift besteht auch dann, wenn sich der Arbeitnehmer mit der Tätigkeit im Home-Office einverstanden erklärt hat. Es besteht auch dann, wenn Home-Office-Arbeit auf der Grundlage von § 28b Abs.7 IfSG vereinbart wird.
- Vorübergehende Schließung einer Betriebsabteilung oder des gesamten Betriebs: Hier hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in sozialen Angelegenheiten gemäß § 87 Abs.1 Nr.3 BetrVG („vorübergehende Verkürzung (…) der betriebsüblichen Arbeitszeit“).
Über die Maßnahmen, bei denen der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs.1 BetrVG hat (Infektionsschutz im Betrieb, vorübergehende Schließung), müssen Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam beschließen. Sie müssen sich über die konkreten Maßnahmen inhaltlich einig werden, am besten durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs.2 BetrVG). Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle (§ 87 Abs.2 BetrVG in Verb. mit § 76 BetrVG).
Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 BetrVG (vorübergehende Home-Office-Tätigkeit), muss der Arbeitgeber ihn vorab umfassend informieren und seine Zustimmung zu der geplanten Home-Office-Arbeit einholen, und zwar in jedem einzelnen Fall eines betroffenen Arbeitnehmers (§ 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG). Hier kann der Betriebsrat im Einzelfall widersprechen, allerdings nur dann, wenn er dafür einen der im Gesetz genannten Widerspruchsgründe hat (§ 99 Abs.2 BetrVG).
Dagegen hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht auf der Grundlage der §§ 111 ff. BetrVG, wenn es um eine nur vorübergehende Schließung des Betriebs oder einzelner Betriebsabteilungen geht. Denn die Mitbestimmungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten gemäß diesen Vorschriften setzen eine Betriebsänderung voraus, die hier nicht vorliegt. Unter „Einschränkung und Stillegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen“ im Sinne von § 111 Satz 3 Nr.1 BetrVG ist nämlich eine endgültige bzw. nicht nur vorübergehende Maßnahme zu verstehen.
Sind Betriebsratssitzungen per Telefon- oder Videokonferenz zulässig?
Ja, eine solche Art der Betriebsratssitzung und der Beschlussfassung ist derzeit aufgrund einer Corona-Sonderregelung im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) möglich.
In § 129 Abs.1 BetrVG heißt es dazu:
"(1) Die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie die Beschlussfassung können mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. § 34 Absatz 1 Satz 3 gilt mit der Maßgabe, dass die Teilnehmer ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen. Gleiches gilt für die von den in Satz 1 genannten Gremien gebildeten Ausschüsse."
Die Betriebsratssitzung per Video-Konferenz ist aber nur eine zusätzliche rechtliche Möglichkeit, d.h. sie ist nicht verpflichtend vorgeschrieben. Betriebsräte können daher nach ihrem eigenen Ermessen auch wie bisher als Präsenzversammlungen abhalten.
Wie sind Lohn- und Gehaltsansprüche bei einer Corona-Infektion gesichert?
Wer positiv auf eine Infektion mit dem COVID-19-Virus getestet worden ist, hat möglicherweise nur leichte grippeähnliche Symptome. Trotzdem liegt eine ernstzunehmende Erkrankung vor.
In der Regel wird der betroffene Arbeitnehmer daher arbeitsunfähig krankgeschrieben sein, so dass er für die Dauer seiner Abwesenheit von der Arbeit einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat. Anspruchsgrundlage ist dann, wie bei jeder anderen Krankheit auch, § 3 Abs.1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG).
Daran ändert sich nichts dadurch, dass sich der infizierte / erkrankte Arbeitnehmer aufgrund einer Anordnung des Gesundheitsamtes in häuslicher Quarantäne aufhalten muss. Durch die Quarantäne wird die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht aufgehoben.
Und natürlich haben auch erkrankte Arbeitnehmer, deren Krankheit einen schweren Verlauf nimmt und die daher stationär im Krankenhaus behandelt werden, einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der Anspruch eines mit dem COVID-19-Virus infizierten / erkrankten Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall endet nach sechs Wochen. Wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit länger dauert, besteht ab der siebten Woche ein Anspruch auf Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse (§ 44 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V).
Wie sind Lohn- und Gehaltsansprüche bei einer häuslichen Quarantäne gesichert?
Die Gesundheitsämter können nicht nur gegenüber erkrankten Arbeitnehmern, sondern gemäß § 28 Abs.1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) auch gegenüber Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ treffen.
- Krankheitsverdächtig ist „eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen“ (§ 2 Nr.5 IfSG).
- Ansteckungsverdächtig ist „eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein“ (§ 2 Nr.7 IfSG).
Die gesetzliche Befugnis zur Anordnung von Schutzmaßnahmen durch die Gesundheitsämter (§ 28 Abs.1 Satz 1 IfSG) wurde Ende März 2020 neu gefasst. Aufgrund der geänderten Fassung dieser Vorschrift haben die Gesundheitsämter folgende Befugnisse gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen:
„(1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Absatz 1 und in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.“
Unter Berufung auf diese Eingriffsgrundlage können die Gesundheitsämter gegenüber krankheitsverdächtigen und ansteckungsverdächtigen Arbeitnehmern anordnen, sich für eine bestimmte Zeit, oft für einige Wochen, strikt zu Hause in ihrer Wohnung aufzuhalten.
Eine solche häusliche Quarantäne kann dazu führen, dass die betroffenen Arbeitnehmer Verdienstausfälle erleiden, und für diese Situation sieht § 56 Abs.1 Satz 1 und 2 IfSG einen Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung vor. Diese Vorschrift lautet:
„Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für eine Person, die nach § 30, auch in Verbindung mit § 32, abgesondert wird oder sich auf Grund einer nach § 36 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung absondert.“
Diese Regelung setzt einen Verdienstausfall voraus. Den haben krankheits- bzw. ansteckungsverdächtige Arbeitnehmer aber gar nicht, wenn sie vom Arbeitgeber für die Zeit der häuslichen Quarantäne Fortzahlung der Vergütung gemäß § 616 Satz 1 BGB verlangen können. Diese Vorschrift lautet:
„Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“
Zu diesem gegen den Arbeitgeber gerichteten Anspruch auf Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlung hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem älteren Urteil einmal entschieden, dass er einen Arbeitsausfall infolge seuchenpolizeilicher Berufsausübungsverbote von bis zu sechs Wochen abdeckt. Dass § 616 BGB den Lohnfortzahlungsanspruch auf Arbeitsverhinderungen „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ beschränkt, ändert daran nichts, so der BGH.
Denn infektionsschutzrechtliche Verbote der Berufsausübung ähneln einer Erkrankung, so dass in solchen Fällen die Höchstdauer der Entgeltfortzahlung, d.h. sechs Wochen, noch als eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ im Sinne von § 616 Satz 1 BGB anzusehen sind. Außerdem ist der Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber gemäß § 616 Satz 1 BGB vorrangig gegenüber dem Entschädigungsanspruch auf der Grundlage der Vorgänger-Vorschrift von § 56 IfSG (BGH, Urteil vom 30.11.1978, III ZR 43/77).
Auf der Grundlage dieser BGH-Rechtsprechung müssen Arbeitgeber den Lohn bzw. das Gehalt von Arbeitnehmern, die sich als Ansteckungs- oder Krankheitsverdächtige in behördlich angeordneter Quarantäne befinden, gemäß § 616 Satz 1 BGB bis zu maximal sechs Wochen fortentrichten. Dementsprechend gibt es keinen Verdienstausfall und demzufolge auch keinen Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung gemäß § 56 Abs.1 IfSG.
Wie sind die Vergütungsansprüche von Eltern gesichert, die ihre Kinder zu Hause betreuen?
Infolge der behördlichen Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung haben die Bundesländer Kindertagesstätten und Schulen oft geschlossen oder den Betrieb eingeschränkt. Die Anwesenheit der Kinder zu Hause stellt die Eltern vor das Problem, Kinderbetreuung und Berufstätigkeit miteinander zu vereinbaren. Besonders betroffen sind Eltern jüngerer Kinder.
Rechtlich gesehen stellt die Schließung von Kindertagesstätten und Schulen, ebenso wie die Erkrankung eines Kindes im Alter von bis zu elf Jahren, einen persönlichen Grund für die Eltern dar, vorübergehend nicht bei der Arbeit zu erscheinen, jedenfalls im Prinzip.
Im Prinzip heißt: Zunächst einmal müssen die Eltern alle Hebel in Bewegung setzen, um die Kinder bei anderen Personen, z.B. bei Freunden oder Verwandten, unterzubringen. Erst dann, wenn solche zumutbaren Betreuungsmöglichkeiten nicht bestehen, können die Eltern jüngerer Kinder die Arbeit verweigern. Das Recht zur Leistungsverweigerung folgt in solchen Fällen aus § 275 Abs.3 BGB. Diese Vorschrift lautet:
„Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.“
Mit der Rechtmäßigkeit einer vorübergehenden Auszeit aus persönlichen Gründen zur Kinderbetreuung ist allerdings noch nicht gesagt, dass auch der Anspruch auf Lohn bzw. Gehalt für diese Ausfallzeit bestehen bleibt. Vielmehr gilt in solchen Fällen der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“, der aus § 326 Abs.1 Satz 1, 1. Halbsatz BGB ergibt: Braucht der Arbeitnehmer nach § 275 Abs.1 bis 3 BGB nicht zu arbeiten, entfällt sein Anspruch auf die Gegenleistung (= Lohn bzw. Gehalt).
An dieser Stelle kommt zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer § 616 Satz 1 BGB ins Spiel. Diese Vorschrift ist eine Ausnahme von dem o.g. Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ d.h. sie erhält den Vergütungsanspruch aufrecht. § 616 Satz 1 BGB lautet:
„Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“
Wie sich aus dieser Vorschrift ergibt, ist der Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung zeitlich begrenzt, d.h. die Verhinderung des Arbeitnehmers darf nur „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ bestehen. Die gängige Meinung in juristischen Kommentaren zu dieser Vorschrift und der Rechtsprechung besagt, dass dieser „verhältnismäßig nicht erhebliche“ zeitliche Rahmen spätestens nach Ablauf von einer Woche bzw. von fünf Arbeitstagen ausgeschöpft ist.
ACHTUNG: In manchen Arbeitsverträgen ist § 616 BGB abbedungen, d.h. die Parteien haben vereinbart, dass § 616 BGB nicht gelten soll. Solche Klauseln sind wirksam und können auch den in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Arbeitgebers enthalten sein. Gibt es eine solche Klausel im Arbeitsvertrag, haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Kindern von vorherein keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber finanziell einspringt, wenn Kitas und Schulen geschlossen sind und die Eltern daher zu Hause bleiben müssen.
Unabhängig davon, ob § 616 BGB im Arbeitsvertrag abbedungen wurde oder nicht: Wer seine Kinder infolge der Kita- bzw. Schulschließungen länger als eine Woche zu Hause betreuen muss und deshalb nicht bei der Arbeit erscheinen kann, verstößt nicht gegen seinen Arbeitsvertrag, denn die Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung im Sinne von § 275 Abs.3 BGB besteht zeitlich unbegrenzt für die Dauer der Kita- bzw. Schulschließungen. Nach Ablauf einer Woche endet aber in jedem Fall die Pflicht zur Gehaltsfortzahlung des Arbeitgebers auf der Grundlage von § 616 BGB.
Dabei gilt für den Fortzahlungsanspruch gemäß § 616 Satz 1 BGB zulasten der Arbeitnehmerseite das Alles-oder-Nichts-Prinzip: Dauert die Verhinderung länger als eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ (= länger als eine Woche), besteht der Entgeltfortzahlungsanspruch nicht etwa nur für eine Woche, sondern er entfällt vollständig, d.h. sogar für die erste Woche, für die er eigentlich gerechtfertigt wäre.
Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzgeber seit März 2020 aktiv geworden und hat mehrfach zugunsten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit jüngeren Kindern einen gesetzlichen Anspruch auf Geldentschädigung für Verdienstausfälle geschaffen. Die aktuell gültige Fassung der Regelung, die in § 56 Abs.1a) IfSG enthalten ist, lautet:
1a | Sofern der Deutsche Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat, erhält eine erwerbstätige Person eine Entschädigung in Geld, wenn | |
1. | Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund dieses Gesetzes vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten, auch aufgrund einer Absonderung, untersagt wird, oder wenn von der zuständigen Behörde aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden, die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben oder der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird oder eine behördliche Empfehlung vorliegt, vom Besuch einer Einrichtung zur Betreuung von Kindern, einer Schule oder einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen abzusehen, | |
2. | die erwerbstätige Person ihr Kind, das das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist, in diesem Zeitraum selbst beaufsichtigt, betreut oder pflegt, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen kann, und | |
3. | die erwerbstätige Person dadurch einen Verdienstausfall erleidet. | |
Anspruchsberechtigte haben gegenüber der zuständigen Behörde, auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber, darzulegen, dass sie in diesem Zeitraum keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen können. Ein Anspruch besteht nicht, soweit eine Schließung ohnehin wegen der Schul- oder Betriebsferien erfolgen würde. Im Fall, dass das Kind in Vollzeitpflege nach § 33 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in den Haushalt aufgenommen wurde, steht der Anspruch auf Entschädigung den Pflegeeltern zu." |
Der Anspruch wurde ursprünglich, im März 2020, zeitlich auf sechs Wochen begrenzt. Mittlerweile ist diese Begrenzung weggefallen, allerdings wird es ab der siebten Woche des Verdienstausfalls nur 67 Prozent des Ausfalls ersetzt, maximal 2.016,00 EUR. Die Ausfallentschädigung wird nach der aktuellen Gesetzesfassung höchstens für zehn Wochen pro Jahr gewährt, und zwar unabhängig von der Anzahl der Kinder. Alleinerziehende erhalten maximal 20 Wochen pro Jahr eine Ausfallentschädigung.
Wer kann wegen der Corona-Krise Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen?
Gemäß § 95 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn
- ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,
- die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind,
- die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und
- der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.
Ein Arbeitsausfall ist „erheblich“, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, wenn er vorübergehend und unvermeidbar ist und wenn mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist (§ 96 Abs.1 Satz 1 SGB III). Der Entgeltausfall kann auch jeweils 100 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts betragen.
BEISPIEL: Ein Kaufhaus muss aufgrund der im März 2020 geltenden Beschränkungen der Ladenöffnung schließen. Diese Betriebsschließung beruht einem unabwendbaren Ereignis, ist vorübergehend und unvermeidbar, und sie betrifft praktisch alle der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer.
Während der Corona-Krise sollen möglichst viele Betriebe von der Möglichkeit profitieren, Entlassungen durch Kurzarbeit vermeiden zu können. Daher hat der Bundestag im März 2020 im Eiltempo die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Kurzarbeit auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn weniger als ein Drittel der Belegschaft von einem Arbeits- bzw. Verdienstausfall betroffen ist (Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld, vom 13.03.2020, BGBl I, S.493 f.).
Die Bundesregierung auf der Grundlage dieser gesetzlichen Neuregelung wenige Tage später durch Rechtsverordnung festgelegt, dass es ausreichend ist, wenn nur zehn Prozent der Belegschaft von einem Arbeitsausfall betroffen sind (Verordnung über Erleichterung der Kurzarbeit - Kurzarbeitergeldverordnung (KugV), vom 25.03.2020, BGBl I, S.595). Die neue 10-Prozentgrenze gilt ab dem 01.03.2020 und ist bis Ende des Jahres 2020 befristet.
Als „vermeidbar“ ist ein Arbeitsausfall zwar eigentlich anzusehen, wenn er durch die Gewährung von Urlaub ganz oder teilweise verhindert werden könnte, doch gilt das nur, „soweit vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen“ (§ 96 Abs.4 Satz 1 Nr.2 SGB III). Im Ergebnis geht die jährliche Urlaubsplanung der Beschäftigten damit vor.
BEISPIEL: Bei Anzeige der Kurzarbeit für einen Restaurant-Betrieb in den Monaten März, April und Mai steht fest, dass während dieser Monate keiner der Beschäftigten Urlaub beantragt hat.
Darüber hinaus ist ein Arbeitsausfall auch dann vermeidbar, wenn er „durch die Nutzung von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen ganz oder teilweise vermieden werden kann“ (§ 96 Abs.4 Satz 2 Nr.3 SGB III). Danach müssen vor einer Kurzarbeit zunächst die Möglichkeiten von Arbeitszeitkonten ausgenutzt werden, notfalls sogar dadurch, dass die Konten ins Minus gefahren werden. Auch hier hat das Gesetz vom 13.03.2020 (BGBl I, S.493 f.) bzw. die darauf beruhende KugV vom 25.03.2020 (BGBl I, S.595) eine Verbesserung gebracht, denn vom Aufbau negativer Arbeitszeitsalden kann die Kurzarbeit nicht mehr abhängig sein (§ 1 Nr.2 KugV).
Die betrieblichen Voraussetzungen für Kurzarbeit sind erfüllt, wenn in dem Betrieb mindestens eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer beschäftigt ist (§ 97 SGB III). Der Betrieb bzw. Betriebssitz muss sich im Geltungsbereich des SGB III befinden, d.h. in der Bundesrepublik Deutschland.
Außerdem können während der Corona-Krise vorübergehend auch Zeitarbeitsfirmen für ihre Arbeitnehmer Kurzarbeit beantragen (§ 3 KugV vom 25.03.2020, BGBl I, S.595). Damit steht Kurzarbeitergeld von März bis Dezember 2020 auch für Leiharbeitnehmer zur Verfügung.
Die persönlichen Voraussetzungen für Kurzarbeit bestehen im Wesentlichen darin,
- dass der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin regulär sozialversicherungspflichtig beschäftigt wird, d.h. für Minijobber gibt es z.B. kein Kurzarbeitergeld, und
- dass das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist, da andernfalls die Beschäftigungssicherung als der Zweck der Kurzarbeit nicht erreicht werden kann (§ 98 Abs.1 Nr.2 SGB III).
Schließlich muss die Kurzarbeit bzw. der Arbeitsausfall schriftlich oder elektronisch angezeigt werden, und zwar bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat (§ 99 Abs.1 SGB III).
Die Anzeige kann nur vom Arbeitgeber oder der Betriebsvertretung erstattet werden. Mit der Anzeige ist glaubhaft zu machen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall besteht und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllt sind.
ACHTUNG: Kurzarbeitergeld wird frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist (§ 99 Abs.2 Satz 1 SGB III).
In welcher Höhe wird Kurzarbeitergeld geleistet?
Das Kurzarbeitergeld beträgt normalerweise 60 Prozent der sog. Nettoentgeltdifferenz, d.h. 60 Prozent des pauschal berechneten Nettolohns, der infolge der Kurzarbeit ausgefallen ist (allgemeiner Leistungssatz = Leistungssatz 2). Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte ein Kinderfreibetrag von mindestens 0,5 eingetragen ist, erhalten 67 Prozent der sog. Nettoentgeltdifferenz (erhöhter Leistungssatz = Leistungssatz 1). Kein Kurzarbeitergeld erhalten geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer, da sie keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlen.
Zur besseren Absicherung der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer beträgt das Kurzarbeitergeld, das infolge der Corona-Epidemie in Anspruch genommen wird
- ab dem vierten Kurzarbeitsmonat 70 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) bzw. 77 Prozent (erhöhter Leistungssatz), und
- ab dem siebten Kurzarbeitsmonat 80 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) bzw. 87 Prozent (erhöhter Leistungssatz).
Der Arbeitgeber muss das Kurzarbeitergeld berechnen und mit dem normalen Lohnlauf am Ende des Monats an die Arbeitnehmer auszahlen. Im Anschluss daran kann er sich die geleisteten Kurzarbeitergeld-Beträge von der Arbeitsagentur erstatten lassen.
Abgesichert ist das Arbeitseinkommen über das Kurzarbeitergeld nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosenversicherung. Das sind derzeit monatlich 6.900,00 EUR brutto m Westen und 6.450,00 EUR brutto im Osten.
Zur Ermittlung des Kurzarbeitergeldes hat die Bundesagentur für Arbeit eine „Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes (Kug)“ veröffentlicht, die es erlaubt, die genaue Höhe des Kurzarbeitergeldes je nach dem ausgefallenen Bruttolohn, dem Leistungssatz und der Steuerklasse abzulesen.
Welche Entlastungen gelten für Arbeitgeber im Falle von Kurzarbeit?
Arbeitnehmer, die Kurzarbeitergeld beziehen, unterliegen der Sozialversicherung für die Kurzarbeiter. Das heißt: Die infolge von Kurzarbeit ausgefallene Vergütung (Lohn, Gehalt) unterliegt der Pflicht zur Abführung von Sozialabgaben aufgrund spezieller, für die Kurzarbeit geltender Vorschriften des Sozialrechts. Dementsprechend bleibt der Versicherungsschutz von Kurzarbeitern in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung bestehen.
Da der Arbeitnehmer anstelle seiner bisherigen Vergütung Kurzarbeitergeld erhält, muss der Arbeitgeber für die Sozialbeiträge allein aufkommen, die für diejenige Vergütung zu berechnen und abzuführen sind, die infolge der Kurzarbeit weggefallen ist. Berechnungsgrundlage ist die sog. Bruttoentgeltdifferenz, die allerdings nicht in voller Höhe, sondern in Höhe von 80 Prozent zur Berechnung der Sozialabgaben anzusetzen ist.
BEISPIEL: Ein Arbeitnehmer verdient 4.000,00 EUR brutto und macht „Kurzarbeit 25“, d.h. seine Arbeitszeit von zuvor 40 Stunden pro Woche ist auf 25 Prozent bzw. auf 10 Stunden vermindert. Dann erhält er 25 Prozent seines bisherigen Lohns bzw. Gehalts als reguläre Bruttovergütung für die verringerte Arbeitszeit, d.h. er bekommt 1.000,00 EUR brutto „Kurzlohn“, der dem üblichen Abzug von Sozialabgaben unterliegt. Der ausgefallenen Teil seiner Vergütung, die sog. Bruttoentgeltdifferenz, beträgt (4.000,00 EUR - 1.000,00 =) 3.000,00 EUR brutto. Auf 80 Prozent dieses Betrags müssen Sozialabgaben abgeführt werden, d.h. auf der Grundlage von (0,8 x 3.000 =) 2.400,00 EUR. Diese Sozialabgaben trägt der Arbeitgeber allein.
Auf der Grundlage des „Gesetzes zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld, vom 13.03.2020“ (BGBl I, S.493 f.) hat die Bundesregierung durch § 2 KugV angeordnet, dass Arbeitgebern diese Sozialbeiträge für die Zeit von März bis Dezember 2020 auf Antrag von der Bundesagentur für Arbeit erstattet werden.
Welche Vereinbarungen sind für die Einführung von Kurzarbeit notwendig?
Durch die Einführung von Kurzarbeit wird in den Arbeitsvertrag eingegriffen. Arbeitnehmer verlieren im Umfang der Kurzarbeit ihre Ansprüche auf Beschäftigung und Bezahlung. Dafür ist eine Rechtsgrundlage erforderlich.
In Betrieben ohne Betriebsrat müssen die betroffenen Arbeitnehmer der Kurzarbeit durch arbeitsvertragliche Vereinbarung zustimmen. In der Regel werden solche Vereinbarungen konkret mit Blick auf eine bevorstehende Kurzarbeit getroffen. Dann können Arbeitnehmer z.B. Ihr Einverständnis damit erklären, dass für bestimmte (bevorstehende) Monate Kurzarbeit gemacht werden soll, wobei der Umfang der Kurzarbeit konkret oder zumindest als Obergrenze angegeben werden sollte.
Eine solche Einverständniserklärung könnte z.B. lauten:
„Einverständnis zur Kurzarbeit
Beginnend ab April 2020 soll Kurzarbeit im Umfang von 50 / 100 Prozent gemacht werden. Damit bin ich einverstanden.
[Datum]
[Unterschrift Arbeitnehmer]“
Rechtlich möglich, aber eher selten sind allgemeine Klauseln in Arbeitsverträgen, die es dem Arbeitgeber erlauben, nach seinem Ermessen (und damit im Einzelfall ohne das Einverständnis des Arbeitnehmers) Kurzarbeit anzuordnen.
Eine solche generelle Kurzarbeits-Klausel muss zugunsten des Arbeitnehmers eine Ankündigungsfrist enthalten, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg vor einigen Jahren entschieden hat, denn ansonsten ist sie unwirksam (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.10.2010, 2 Sa 1230/10, s. dazu Arbeitsrecht aktuell: 11/080 Anordnung von Kurzarbeit ohne Ankündigungsfrist?). Außerdem muss eine arbeitsvertragliche Kurzarbeits-Klausel den Umfang und Ausmaß der möglichen Kurzarbeit regeln.
In Betrieben mit Betriebsrat muss der Betriebsrat der Einführung von Kurzarbeit zuzustimmen. Denn an dieser Stelle hat er ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs.1 Nr.3 BetrVG („vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit“).
Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Einzelheiten der Kurzarbeit, sollte das unbedingt in Form einer Betriebsvereinbarung gemäß § 77 BetrVG geschehen, denn diese (und nur diese) ist Rechtsgrundlage für die Einführung der Kurzarbeit durch den Arbeitgeber. Eine solche Betriebsvereinbarung ist nach der Rechtsprechung auch für diejenigen Arbeitnehmer verbindlich, die nicht mit der Kurzarbeit einverstanden sind.
Außerdem muss eine Kurzarbeits-Betriebsvereinbarung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der verkürzten Arbeitszeit und die betroffenen Arbeitnehmer konkret bestimmen (BAG, Urteil vom 18.11.2015, 5 AZR 491/14, s. dazu Arbeitsrecht aktuell: 16/072 Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit).
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- Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, vom 27.03.2020, BGBl.I, S.587 ff.
- Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld, vom 13.03.2020, BGBl I, S.493 f.
- Verordnung über Erleichterung der Kurzarbeit - Kurzarbeitergeldverordnung (KugV), vom 25.03.2020, BGBl I, S.595
- Bundesagentur für Arbeit: Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes (Kug), gültig für Abrechnungszeiträume ab Januar 2020
- Hubertus Heil, Ministererklärung - Sicherung der Arbeitsfähigkeit der Betriebsräte mit Blick auf Covid-19, 20.03.2020
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Letzte Überarbeitung: 26. August 2022
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