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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
Lesen Sie hier, in welchen sozialen Angelegenheiten Betriebsräte mitzubestimmen haben und wie sie ihre Mitbestimmungsrechte ausüben sollten.
Im Einzelnen finden Sie Hinweise dazu, wann der Betriebsrat von sich aus eine Regelung mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten verlangen kann, d.h. ein Initiativrecht hat, ob seine Mitbestimmungsrechte auch in Eil- und in Notfällen zu beachten sind, welche Folgen ein mitbestimmungswidriges Vorgehen des Arbeitgebers hat und welche konkreten Themen der Mitbestimmung unterliegen.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- Welche Rechte hat der Betriebsrat in sozialen Angelegenheiten?
- Welche Angelegenheiten unterliegen der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten?
- Wie werden die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten ausgeübt?
- Welche Folgen hat die Missachtung der Mitbestimmung durch den Arbeitgeber?
- Unterliegen nur kollektive Angelegenheiten der Mitbestimmung?
- Kann der Betriebsrat von sich aus eine Regelung von mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten verlangen?
- Sind die Mitbestimmungsrechte auch in Eilfällen und Notfällen zu beachten?
- Wann gehen Gesetze und Tarifverträge der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten vor?
- Welche Sachverhalte unterliegen der Mitbestimmungen in sozialen Angelegenheiten?
- Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG)
- Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG)
- Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte (§ 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG)
- Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG)
- Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers zu überwachen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG)
- Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG)
- Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich in den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG)
- Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG)
- Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG)
- Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren (§ 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG)
- Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen (§ 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG)
- Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt (§ 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG)
- Wo finden Sie mehr zum Thema Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten?
- Was können wir für Sie tun?
Welche Rechte hat der Betriebsrat in sozialen Angelegenheiten?
In vielen Angelegenheiten hat der Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) eher schwache Rechte - wie z.B. das Recht, vom Arbeitgeber informiert zu werden (Informationsrecht), oder das Recht, in bestimmten Dingen angehört zu werden (Anhörungsrecht) und/oder mitberaten zu können (Mitberatungsrecht).
Demgegenüber sind seine Beteiligungsrechte in sozialen Angelegenheiten stark, d.h. hier handelt es sich um Mitbestimmungsrechte. Das Recht des Betriebsrats zur Mitbestimmung heißt: Der Arbeitgeber muss, wenn er eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit regeln möchte, auf den Betriebsrat zukommen und eine Einigung mit ihm herbeiführen. Lässt sich eine solche Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht erzielen, muss die Einigungsstelle zu entscheiden.
Ohne eine gemeinsam mit dem Betriebsrat getroffene Regelung oder einen Spruch der Einigungsstelle darf der Arbeitgeber in solchen Angelegenheiten nicht handeln. Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Vertretern des Arbeitgebers und des Betriebsrats sowie aus einem neutralen Vorsitzenden (meist ein Arbeitsrichter) und hat die Aufgabe, den Streit der Betriebsparteien zu schlichten, notfalls durch einen Spruch. Nähere Informationen hierzu finden Sie unter dem Stichwort "Einigungsstelle".
Ein einseitiges Vorgehen des Arbeitgebers ist rechtlich unzulässig, und zwar auch dann, wenn der Arbeitgeber dazu im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer arbeitsvertraglich berechtigt ist.
BEISPIEL: Der Arbeitgeber legt den Beginn einer Arbeitsschicht (Frühschicht) einseitig fest, indem er die Anordnung trifft, dass diese um 07:00 Uhr beginnt. Eine solche Anordnung kann er an sich gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern aufgrund seines Direktionsrechts (§ 109 Gewerbeordnung - GewO) treffen. Besteht allerdings ein Betriebsrat, darf er dies nicht mehr einseitig tun, sondern nur mit dem Einverständnis des Betriebsrats, da gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten unterliegt. Zweck der Mitbestimmung ist der Schutz der Arbeitnehmer vor einseitigen und damit möglicherweise unverhältnismäßigen oder unzumutbaren Anordnungen des Arbeitgebers.
Welche Angelegenheiten unterliegen der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten?
Das BetrVG enthält einen abschließenden Katalog mit 13 „sozialen“ Angelegenheiten, in denen der Betriebsrat mitzubestimmen hat. Der Katalog ist in § 87 Abs. 1 BetrVG enthalten und listet folgende Angelegenheiten auf:
- Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage
- Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit
- Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte
- Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird
- Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen
- Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften
- Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist
- Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen
- Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung
- Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren
- Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen
- Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt.
Für dieses 13 sozialen Angelegenheiten schreibt § 87 Abs. 2 BetrVG vor, dass die Einigungsstelle entscheidet, falls eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht zustande kommt. Deren Spruch ersetzt dann die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Über diesen Kernvorschrift über die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten hinaus enthält das BetrVG ein Informationsrecht des Betriebsrats in Fragen des Arbeits- und betrieblichen Umweltschutzes. § 89 BetrVG, der ebenfalls zu den Vorschriften über die „sozialen“ Angelegenheiten gehört, schreibt nämlich vor, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Betriebsrat bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen (§ 89 Abs. 2 Satz 1 BetrVG).
Wie werden die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten ausgeübt?
Werden sich Arbeitgeber und Betriebsrat einig, wird oft eine Betriebsvereinbarung getroffen. Betriebsvereinbarungen müssen schriftlich festgehalten werden (§ 77 Abs. 2 BetrVG) und wirken auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer des Betriebs wie Tarifverträge ein, d.h. unmittelbar und zwingend (§ 77 Abs. 4 BetrVG). Haben die Parteien keine Kündigungsfristen vereinbart, können Betriebsvereinbarungen mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden (§ 77 Abs. 5 BetrVG).
Der Arbeitgeber respektiert die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aber ebensogut, wenn er mit diesem keine „offizielle“ Betriebsvereinbarung abschließt, sondern eine bloße Regelungsabsprache trifft. Anders als eine Betriebsvereinbarung muss eine Regelungsabsprache nicht unbedingt schriftlich festgehalten werden und sie wirkt auch nicht unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse der betriebsangehörigen Arbeitnehmer ein, d.h. sie hat keine „normative Wirkung“. Erforderlich ist allerdings ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats über die Regelungsabrede. Bloßes „Abnicken“ eines mitbestimmungspflichtigen Vorhabens des Arbeitgebers durch den Betriebsratsvorsitzenden genügt daher nicht.
Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat dagegen nicht einigen, werden die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats schließlich auch gewahrt, indem Betriebsrat oder Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen und diese einen Spruch fällt. Er ersetzt - wie erwähnt - die nicht zustande gekommene Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Welche Folgen hat die Missachtung der Mitbestimmung durch den Arbeitgeber?
Ein einseitiges Vorgehen des Arbeitgebers in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber durch arbeitsgerichtliche Entscheidung im Beschlussverfahren untersagen lassen, da er einen Unterlassungsanspruch hat. Streitigkeiten über die Mitbestimmungspflichtigkeit von Arbeitgebermaßnahmen sind in der Regel eilbedürftig sind, da sich die Maßnahmen oft durch Zeitablauf vor einer regulären gerichtlichen Entscheidung erledigt haben. Daher kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber eine mitbestimmungswidrig bzw. einseitig getroffene Maßnahme nicht nur im Hauptsacheverfahren, sondern auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Eilverfahren), d.h. durch eine einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts untersagen lassen.
Darüber hinaus kann der Betriebsrat durch das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren klären lassen, dass eine vom Arbeitgebers getroffene Maßnahme dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterfällt und/oder dass die Maßnahme wegen Missachtung des Mitbestimmungsrechts rechtswidrig war oder ist.
Schließlich ist eine mitbestimmungswidrige Maßnahme im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und den von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmern unwirksam. Eine ohne Zustimmung des Betriebsrats getroffene Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer daher nicht beachten. Stellt sich der Arbeitnehmer auf einen solchen Standpunkt, trägt er allerdings das Risiko, dass sich später doch die Rechtmäßigkeit der Arbeitgebermaßnahme herausstellt, weil z.B. ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Wahrheit gar nicht bestand. Auch vor diesem Hintergrund, d.h. zur Vermeidung arbeitsvertraglicher Streitigkeiten, sollte der Betriebsrat eine rasche gerichtliche Klärung herbeiführen, wenn er der Meinung ist, der Arbeitgeber habe eines seiner Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten missachtet.
Unterliegen nur kollektive Angelegenheiten der Mitbestimmung?
Ein Blick auf die oben genannten 13 Fälle der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten zeigt, dass Maßnahmen des Arbeitgebers in aller Regel nur dann der Mitbestimmung unterliegen, wenn sie einen generellen oder „kollektiven“ Charakter haben, d.h. eine Vielzahl von Arbeitnehmer betreffen oder zumindest betreffen können. Auf die Zahl der tastsächlich betroffenen Arbeitnehmer kommt es dabei nicht an.
BEISPIEL: Der Arbeitgeber erteilt dem in der Pförtnerloge tätigen Arbeitnehmer die Anweisung, eine uniformähnliche Dienstbekleidung zu tragen. Auch wenn von dieser Maßnahme nur ein einziger Arbeitnehmer betroffen ist, handelt es sich um eine kollektive Maßnahme, da sie den Arbeitsplatz „Pförtnerloge“ betrifft und daher jeden beliebigen Arbeitnehmer, der auf diesem Arbeitsplatz (möglicherweise erst in Zukunft) eingesetzt wird.
Dagegen ist die Bitte eines Arbeitnehmers, ihm in der Zeit vom 01. bis zum 15. Juli Urlaub zu gewähren, eine individuelle Angelegenheit, da sie nur ihn persönlich betrifft.
Ausnahmsweise unterliegen auch individuelle soziale Angelegenheiten der Mitbestimmung, nämlich
- die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird (§ 87 Abs. 1 Nr.5 BetrVG), und
- die Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden (§ 87 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG).
Kann der Betriebsrat von sich aus eine Regelung von mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten verlangen?
Die gesetzlich geregelten Fälle der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten sind auf den typischen Fall zugeschnitten, dass der Arbeitgeber plant und „agiert“, während der Betriebsrat darauf reagiert.
BEISPIEL: Der Arbeitgeber möchte Überstunden anordnen. Aufgrund des Mitbestimmungsrechts bei vorübergehender Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) kommt er auf den Betriebsrat zu und möchte mit ihm eine Überstundenregelung treffen. Der Betriebsrat seinerseits wäre nicht auf die Idee gekommen, dass Überstunden gefahren werden.
Trotz dieser in erster Linie abwehrenden Aufgabe der Mitbestimmungsrechte kann der Betriebrat in den meisten der in § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten von sich aus Regelungen verlangen, d.h. er kann die Initiative ergreifen (Initiativrecht). So könnte er in dem obigen Beispiel von sich aus Überstunden oder Kurzarbeit vorschlagen.
Ein solches Initiativrecht steht dem Betriebsrat nach der Rechtsprechung nur bei bestimmten Mitbestimmungstatbeständen nicht zu, nämlich dann, wenn das Mitbestimmungsrecht eine rein abwehrende Aufgabe hat. Das ist z.B. der Fall bei dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, bei dem es um die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen geht, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Solche Überwachungseinrichtungen kann der Betriebsrat nicht von sich aus verlangen.
Sind die Mitbestimmungsrechte auch in Eilfällen und Notfällen zu beachten?
Ein Eilfall lässt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht entfallen. Will der Arbeitgeber daher z.B. aufgrund eines plötzlich hereingekommenen Auftrags eines Großkunden Überstunden anordnen, braucht er dazu das Einverständnis des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Führt die Eilbedürftigkeit nämlich zu Problemen bei der Beachtung von Mitbestimmungsrechten in sozialen Angelegenheiten, liegt dies in der Regel Folge an einer unzureichenden Organisation der betrieblichen Abläufe. Dass beispielsweise große Aufträge „plötzlich“ erteilt werden und daher abzuarbeiten sind, kommt immer wieder einmal vor und ist somit vorhersehbar.
Daher kann sich der Arbeitgeber auf Eilfälle einstellen und mit dem Betriebsrat z.B. eine Rahmenbetriebsvereinbarung abschließen, die die schnelle Verständigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in Eilfällen regelt. Eine andere Möglichkeit ist die Errichtung einer ständigen Einigungsstelle.
Anders als in Eilfällen besteht in Notfällen nach überwiegender Meinung kein Mitbestimmungsrecht, wobei die dafür genannten Beispiele (Brand, Überschwemmung) deutlich machen, dass echte „Notfälle“ höchst selten sind. Während sich der Arbeitgeber auf gewöhnliche Eilfälle einstellen und daher für die Beachtung des Mitbestimmungsrechts bei Eilfällen Vorsorge treffen kann, ist das bei Notfällen nicht der Fall.
Wann gehen Gesetze und Tarifverträge der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten vor?
Nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz besteht das Mitbestimmungsrecht in sozialen Angelegenheiten nur, soweit eine gesetzlich oder tarifliche Regelung nicht besteht. Gesetze und Tarifverträge sind daher gegenüber der betrieblichen Mitbestimmung im Rahmen von § 87 BetrVG vorrangig.
Dahinter steht die Überlegung, dass die für den Arbeitnehmerschutz wesentlichen Fragen wie z.B. Löhne, Mindesturlaub, Mutterschutz, Entgeltfortzahlung oder Höchstarbeitszeiten besser durch zwingende gesetzliche Arbeitnehmerschutzvorschriften oder durch Tarifverträge als durch Vereinbarungen der Betriebspartner geregelt werden können. Schließlich bestehen Betriebsräte aus Arbeitnehmern des Betriebs und sind daher vom Arbeitgeber viel stärker abhängig als der Gesetzgeber oder eine mächtige Gewerkschaft. Bei Betriebsvereinbarungen besteht daher immer die Gefahr, dass der Arbeitgeber einseitig seine Interessen durchsetzt.
BEISPIEL: Betriebsrat und Arbeitgeber für einen Einzelhandelsbetrieb fest, dass auch Sonntags gearbeitet werden kann. Die Regelung verstößt gegen § 9 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) und ist daher unwirksam. Es besteht auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über eine generelle Pflicht der Arbeitnehmer zur Sonntagsarbeit, da die im ArbZG enthaltenen Beschränkungen der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonntagen eine abschließende Regelung darstellen.
Ebenso wie gesetzliche Vorschriften haben auch tarifliche Regelungen Vorrang gegenüber der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten. Legt z.B. ein Firmentarifvertrag für das von ihm geregelte Unternehmen bzw. die dazu gehörenden Betriebe ein bestimmtes Schichtsystem fest, ist dieses dem Mitbestimmungsrecht Betriebsrat entzogen, obwohl er an sich gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und damit über betriebliche Schichtsysteme mitzubestimmen hat.
Welche Sachverhalte unterliegen der Mitbestimmungen in sozialen Angelegenheiten?
Der oben wiedergegebene gesetzliche Katalog von dreizehn Mitbestimmungstatbestände ist abschließend. Lässt sich eine Maßnahme des Arbeitgebers keinem der dreizehn Tatbestände zuordnen, besteht kein Mitbestimmungsrecht - jedenfalls nicht im Rahmen der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG.
Aus diesem Grund wird häufig über die Grenzen dieser Mitbestimmungstatbestände gestritten, so dass im Laufe der Zeit viele Anwendungsfragen durch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung geklärt worden sind.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)
Darunter fallen alle im Betrieb zu beachtenden Verhaltensregeln, die nicht als Arbeitsanweisungen zu bewerten sind. Anweisungen des Arbeitgebers, mit denen er im Rahmen seines Direktionsrechts die vom Arbeitnehmer zu erbringenden Leistungen im einzelnen festlegt, sind mitbestimmungsfrei.
Der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegen daher nicht unmittelbar arbeitsbezogene Verhaltensvorschriften wie eine einheitliche Kleiderordnung, Alkoholverbote, Rauchverbote oder auch weite Teile von sog. betrieblichen Ethikrichtlinien. Auch Kontrollen, denen sich Arbeitnehmer unterziehen müssen, wie z.B. Torkontrollen oder Taschenkontrollen dürfen nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat angeordnet werden. Gibt es eine betriebliche „Bußordnung“, unterliegt auch sie der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG)
Dieses Mitbestimmungsrecht betrifft nicht die Länge der wöchentlichen Arbeitszeit (20, 30 oder 40 Stunden), sondern die Frage, wie diese Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilt wird, d.h. von wann bis wann gearbeitet wird.
Mitbestimmungspflichtig sind alle Fragen, die mit Schichtarbeit zu tun haben, d.h. die Einführung von Samstagsarbeit, von Sonntagsarbeit (falls diese gesetzlich zulässig ist), von "Dienstleistungsabenden", von Schichtarbeit und die zeitliche Ausgestaltung der Schichten. Auch Rufbereitschaftspläne und die Lage der Arbeitszeit von Teilzeitkräften unterliegen der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG)
Auch dieses Mitbestimmungsrecht betrifft nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit und deren Obergrenzen. Diese Fragen sind Gegenstand arbeitsvertraglicher oder tariflicher Regelungen, wobei bestimmte Höchstgrenzen gesetzlich festgelegt sind, nämlich durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Im Regelfall liegt die tägliche Höchstgrenze bei acht Stunden und die wöchentliche bei (6 x 8 =) 48 Stunden.
Mitbestimmungspflichtig sind vielmehr Veränderungen der Arbeitszeit in die eine oder andere Richtung hin, d.h. die Verkürzung der Arbeitszeit (wie im Falle von Kurzarbeit) oder deren Verlängerung (wie im Falle von Überstunden).
Rein individuelle, d.h. einzelne Arbeitnehmer betreffende Arbeitszeitveränderungen sind mitbestimmungsfrei, da dann keine „betriebsüblichen“ Arbeitszeiten betroffen sind. Ein Indiz für den individuellen Charakter einer Arbeitsverlängerung oder -verkürzung besteht darin, dass die Regelung aufgrund persönlicher und/oder privater Umstände des einzelnen Arbeitnehmers getroffen wurde (Beispiel: Überstunden zum Zwecke der vom Arbeitnehmer gewünschten Lohnerhöhung, Arbeitszeitverringerung zum Zwecke der Kinderbetreuung).
Solche individuellen Regelungen sind selten, denn „betriebsüblich“ heißt nicht „betriebseinheitlich“. Betriebsüblich sind Arbeitszeiten schon dann, wenn sie bestimmte Arbeitnehmergruppen betreffen oder auch nur einen bestimmten Arbeitsplatz, falls die Regelung mit dem Arbeitsplatz selbst zu tun hat und nicht mit der Person des Arbeitnehmers, der diesen Arbeitsplatz besetzt.
Da Überstunden und Kurzarbeit in aller Regel vom Arbeitgeber verlangt werden und es daher einen betrieblichen Anlass für solche Arbeitszeitveränderungen gibt, sind praktisch alle Überstunden- und Kurzarbeitsfragen mitbestimmungspflichtig. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber zwei Dinge braucht:
- Das arbeitsvertragliche OK des Arbeitnehmers zur Anordnung von Überstunden bzw. zur Anordnung von Kurzarbeit; dieses OK liegt meist in Form einer arbeitsvertraglichen Klausel vor, u.U. aber auch in Form einer (stillschweigenden) einzelfallbezogenen Einigung über Überstunden bzw. Kurzarbeit.
- Das OK des Betriebsrats zur Anordnung von Überstunden bzw. zur Anordnung von Kurzarbeit; dieses OK kann in einer förmlichen Betriebsvereinbarung bestehen oder aber in einer (formlosen) Regelungsabsprache.
Ohne das erste OK (das des Arbeitnehmers) ist die Anordnung von Überstunden bzw. von Kurzarbeit auch dann rechtswidrig, wenn der Betriebsrat zugestimmt hat, d.h. das OK des Betriebsrats allein genügt nicht. Denn der Betriebsrat hat nicht die rechtliche Befugnis dazu, die arbeitsvertraglichen Rechtspositionen des Arbeitnehmers zu verschlechtern (durch eine Reduzierung der Arbeitszeit und damit des Einkommens) oder substantiell zu verändern (durch eine Verpflichtung zur Leistung von Überstunden).
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte (§ 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG)
Darunter fallen alle äußeren Umständen der Zahlung von Löhnen und Gehältern wie z.B. auch die Festlegung der Lohnabrechnungs- bzw. Lohnzahlungsperiode (täglich, wöchentlich oder monatlich). Die Höhe der Vergütung ist dagegen mitbestimmungsfrei. Sie ergibt sich aus Arbeits- und/oder Tarifverträgen.
Das Mitbestimmungsrecht hat Bedeutung bei allen Fragen, die im Zusammenhang mit der bargeldlosen Lohnzahlung und bei Regelungen über den Lohnabzug bei Personaleinkäufen. Auch die Mitarbeiterkonditionen, die Banken ihren Arbeitnehmern bei der Führung von Gehaltskonten einräumen, unterliegen dem Mitbestimmungsrecht gemäß dieser Vorschrift.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG)
Allgemeine Urlaubsgrundsätze betreffen die „Spielregeln“, nach denen Urlaub beantragt und genommen werden kann, wie z.B. bestimmte saisonbedingten Urlaubssperren, den Vorrang von Arbeitnehmern mit schulpflichtigen Kindern bei der Urlausgewährung während der Schulferien oder die Einführung von Betriebsferien. Der Urlaubsplan beinhaltet demgegenüber die Beurlaubung einzelner Arbeitnehmer im Laufe des Kalenderjahrs.
Abweichend von der Regel, dass die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten nur auf kollektive Fragen bezogen sind, gibt § 87 Abs.1 Nr. 5 BetrVG dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht auch in bezug auf die Urlaubsfestlegung im Einzelfall, wenn diese zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer streitig ist.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers zu überwachen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG)
Von diesem Mitbestimmungsrecht werden alle Vorrichtungen erfasst, die leistungs- oder verhaltensbezogene Daten über Arbeitnehmer gewinnen oder verwerten, falls der Effekt einer Überwachung durch die technische Einrichtung ermöglicht wird.
Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus sind nach der Rechtsprechung nicht nur solche Vorrichtungen mitbestimmungspflichtig, deren eigentlicher Zweck die Überwachung ist (wie z.B. Stechuhren, elektronische Zeiterfassungssysteme oder Überwachungskameras), sondern auch solche Vorrichtungen, die dazu lediglich objektiv geeignet sind, also eine Überwachung technisch ermöglichen.
Daher sind praktisch alle Computerprogramme, die Arbeitsabläufe erleichtern und arbeitnehmerbezogene Eingaben erfassen und speichern, mitbestimmungspflichtig, da mit ihrer Hilfe das Verhalten einzelner Arbeitnehmer überwacht werden kann. Der Mitbestimmung unterliegt daher in aller Regel die Nutzung von TK-Anlagen, von Mobiltelefonen, von EDV-Arbeitsplätzen, von Internetzugängen und E-Mail-Programmen.
Umstritten, aber von der Rechtsprechung (bisher noch) nicht anerkannt ist ein Initiativrecht des Betriebsrats, die Einführung und/oder Anwendung von technischen Überwachungseinrichtung vom Arbeitgeber einzufordern. Das kann aus Sicht des Betriebsrats vor allem als Mittel zum Zweck einer Kontrolle der betrieblichen Arbeitszeiten sinnvoll sein. Hier geht es also nicht einseitig um die Überwachung von Arbeitnehmern, sondern um wirksamen Schutz vor ausufernden Arbeitszeiten.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG)
Der Anwendungsbereich dieses Mitbestimmungsrechts ist schmal, da es nur „im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften“ besteht. Existiert daher keine solche Rahmenvorschrift in einem Gesetz oder einer Unfallverhütungsvorschrift (UVV), kann der Betriebsrat keine Regelung über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz verlangen.
Außerdem setzt das Mitbestimmungsrecht voraus, dass eine gesetzliche oder in einer UVV enthaltene Vorschrift den Betriebsparteien überhaupt einen Spielraum für eine Konkretisierung belässt. Ist die Regelung sehr detailliert und damit abschließend, wie dies oft bei UVV der Fall ist, kann der Betriebsrat ebenfalls keine Regelungen verlangen.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich in den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG)
Beschließt der Arbeitgeber die Einführung einer Sozialeinrichtung, hat der Betriebsrat nach dieser Vorschrift über deren Form, Ausgestaltung und Verwaltung mitzubestimmen, d.h. über das „Wie“.
Die vom Gesetz gemeinten Sozialeinrichtungen sind vom Betrieb finanziell und/oder organisatorisch abgesonderte Bereiche wie Werkskantinen, Betriebskindergärten oder auch Pensionskassen zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung. Das Mitbestimmungsrecht betrifft bei Pensionskassen insbesondere die Frage, nach welchen Verteilungsmaßstäben die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mittel auf die davon begünstigten Arbeitnehmer verteilt werden.
Die grundlegende Entscheidung, ob überhaupt eine Sozialeinrichtung geschaffen oder auch ersatzlos wieder abgeschafft werden soll, d.h. die Frage des „Ob“, ist dagegen ebenso wie die Entscheidung über den Umfang der ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel mitbestimmungsfrei.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG)
Dieses Mitbestimmungsrecht betrifft sog. Werkmietwohnungen, d.h. Wohnungen, die der Arbeitgeber auf der Grundlage eines neben dem Arbeitsvertrag bestehenden weiteren Vertrags - nämlich eines Mietvertrags - zuweist.
Eine solche Werkmietwohnung ist etwas anderes als eine Dienstwohnung. Dienstwohnungen werden dem Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsvertrags bzw. als dessen Bestandteil ohne gesonderte Bezahlung überlassen und müssen in der Regel sogar bezogen bzw. benutzt werden, damit der Arbeitnehmer „vor Ort“ ist. Dienstwohnungen werden daher typischerweise an Hausmeister, Heimleiter, Pförtner oder Zoodirektoren vergeben. Sie unterfallen nicht dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG)
Dieses Mitbestimmungsrecht dient der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Transparenz bei der Gewährung von finanziellen Leistungen, die der Arbeitgeber mehreren Arbeitnehmer nach einem einheitlichen Prinzip gewährt. Mitbestimmungsfrei sind Lohnbestandteile, die ein einzelner Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Besonderheiten seines Arbeitsverhältnisses erhält.
Typische Anwendungsfälle für das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG sind allgemein gewährte Sonderzahlungen und Gratifikationen. Auch hier allerdings entscheidet der Arbeitgeber allein bzw. ohne Mitsprache des Betriebsrats darüber, ob er überhaupt einen bestimmten Geldbetrag für derartige Sonderzahlungen bereitstellen will - und damit auch darüber, wieviel Geld in diesem „Topf“ ist. Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG macht den Betriebsrat daher nicht zu einer Art Betriebsgewerkschaft, die Verhandlungen über die Lohnhöhe zu führen hätte.
Ist allerdings einmal entschieden, dass bestimmte Sonderzahlungen, Zuschläge, Zulagen, Provisionen, Gratifikationen usw. allen Arbeitnehmern oder bestimmten Arbeitnehmergruppen unter bestimmten Voraussetzungen gewährt werden sollen, hat der Betriebsrat über die Art und Weise der Verteilung und damit über die Anspruchsvoraussetzungen mitzubestimmen.
Da der Betriebsrat auch hier ein Initiativrecht hat, d.h. von sich aus die einvernehmliche Regelung von Entlohnungsgrundsätzen verlangen kann, ist der Arbeitgeber gut beraten, eine einvernehmliche Regelung mit dem Betriebsrat über alle (möglicherweise) mitbestimmungspflichtigen Lohnbestandteile herbeizuführen, bevor er entsprechende einzelvertragliche Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern trifft. Ansonsten läuft er Gefahr, dass seine bisherigen, unter Missachtung des Mitbestimmungsrechts („einseitig“) getroffenen Regelungen durch eine vom Betriebsrat erzwungene Änderung des Verteilungsschlüssels insgesamt teurer werden als ursprünglich geplant.
BEISPIEL: Der Arbeitgeber zahlt allen Sekretariatskräften aufgrund einer im Arbeitsvertrag enthaltenen Klausel ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehaltes, während die Vertriebsmitarbeiter im Hinblick auf ihre höhere Vergütung und die ihnen zustehenden Provisionen kein Weihnachtsgeld erhalten. Der Betriebsrat setzt das Thema „Weihnachtsgeld“ auf seine Tagesordnung und setzt im Wege des Einigungsstellenverfahrens einen einheitlich für alle Arbeitnehmer geltenden Anspruch auf ein Weihnachtsgeld in Höhe eines halben Monatsgehaltes durch. Diese Regelung begünstigt die Vertriebsmitarbeiter, während sie den Sekretariatskräften ihren arbeitsvertraglich begründeten Weihnachtsgeldanspruch in Höhe eines vollen Gehaltes nicht nehmen kann, da der Arbeitsvertrag als dem Arbeitnehmer günstigere Regelung vorrangig ist gegenüber dem Einigungsstellenspruch. Somit „büßt“ der Arbeitgeber seinen Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht im Ergebnis durch eine insgesamt höhere finanzielle Belastung.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren (§ 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG)
Der Zweck dieses Mitbestimmungsrechts besteht in der „vor Ort“ im Betrieb erforderlichen Kontrolle der besonderen Belastungen, die mit leistungsbezogenen Löhnen verbunden sind. Der Betriebsrat kann hier ausnahmsweise Einfluss auf die Lohnhöhe nehmen. Seiner Mitbestimmung unterliegen nämlich alle Faktoren, die für die Bestimmung der Höhe eines Akkordlohns, eines Prämienlohns oder eines vergleichbaren leistungsabhängigen Lohns von Bedeutung sind.
Bei der Frage, welche Lohnbestandteile bzw. Vergütungsformen als mit einem Akkord- oder Prämienlohn „vergleichbare“ Entgelte anzusehen sind, legt die Rechtsprechung strenge Maßstäbe an. Vergleichbar sind andere Lohnformen nur dann, wenn sie darauf beruhen, dass die Leistung des Arbeitnehmers unmittelbar auf die Lohnhöhe durchschlägt und - wie beim Akkord- und Prämienlohn - mit einer „Normalleistung“ verglichen wird. Aus diesem Grunde hat die Rechtsprechung viele Vergütungsbestandteile bzw. Vergütungsformen von dem Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen, so z.B. Provisionen, Tantiemen oder Überstundenzuschläge.
Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob auch die aus einer Zielvereinbarung folgenden Sonderzahlungen der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs.1 Nr.11 BetrVG unterliegen.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen (§ 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG)
Diesem Mitbestimmungsrecht unterliegen Verbesserungsvorschläge, zu denen der Arbeitnehmer nicht bereits aufgrund seines Arbeitsvertrags verpflichtet ist, d.h. die „freien“ Verbesserungsvorschläge. Zu den „Grundsätzen“, bei deren Aufstellung der Betriebsrat mitzubestimmen hat, gehört der gesamte Ablauf der Behandlung von Verbesserungsvorschlägen, angefangen von ihrer Unterbreitung durch den Arbeitnehmer über ihre Entgegnnahme bis hin zur Bewertung.
Mitbestimmungsfrei ist dagegen die Entscheidung des Arbeitgebers darüber, ob bzw. in welcher Höhe er Geld zum Zwecke der Vergütung von Verbesserungsvorschlägen zur Verfügung stellt. Hat der Arbeitgeber allerdings einmal eine solche Grundentscheidung für die Vergütung von Verbesserungsvorschlägen getroffen, hat der Betriebsrat wiederum bei deren Umsetzen mitzubestimmen, d.h. bei der Frage, welche Arbeitnehmer(-gruppen) unter welchen genauen Voraussetzungen eine Vergütung für Verbesserungsvorschläge beanspruchen können.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt (§ 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG)
Da dieses Mitbestimmungsrecht lediglich die „Durchführung“ von Gruppenarbeit betrifft, ist auch hier wiederum der Arbeitgeber bei der Entscheidung darüber, ob bzw. welche Arbeiten er in Gruppenarbeit ausführen lassen möchte, frei.
Erst dann, wenn er sich im Prinzip für die Einführung von Gruppenarbeit entschieden hat, greift das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs.1 Nr.13 BetrVG ein.
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Urteile und Kommentare: Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
Letzte Überarbeitung: 23. September 2022
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