HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 16/384

Mit­be­stim­mung bei Face­book-Auf­tritt

Wer­den Kun­den­mei­nun­gen zum Ver­hal­ten von Ar­beit­neh­mern auf ei­ner Face­book-Sei­te des Ar­beit­ge­bers un­mit­tel­bar ver­öf­fent­licht, hat der Be­triebs­rat mit­zu­be­stim­men: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 13.12.2016, 1 ABR 7/15
Emoticons, Smileys, Social Media, Facebook, Twitter

17.12.2016. Vor knapp zwei Jah­ren hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Düs­sel­dorf ent­schie­den, dass ei­ne Face­book-Sei­te des Ar­beit­ge­bers auch dann nicht der Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats un­ter­liegt, wenn Kun­den auf die­se Sei­te ih­re Mei­nun­gen zu Ar­beit­neh­mern pos­ten kön­nen (LAG Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 12.01.2015 - 9 TaBV 51/14, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 15/013 Kei­ne Mit­be­stim­mung bei Face­book-Sei­te des Ar­beit­ge­bers).

Am Diens­tag die­ser Wo­che hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) die­sen Fall an­ders­her­um ent­schie­den und dem Be­triebs­rat teil­wei­se recht ge­ge­ben: BAG, Be­schluss vom 13.12.2016, 1 ABR 7/15 (Pres­se­mel­dung des Ge­richts).

Führen Kun­den­mei­nun­gen, die auf ei­ner Face­book-Sei­te des Ar­beit­ge­bers veröffent­licht wer­den, zu ei­ner Über­wa­chung von Ar­beit­neh­mern mit Hil­fe ei­ner "tech­ni­schen Ein­rich­tung"?

§ 87 Abs.1 Nr.6 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) gibt dem Be­triebs­rat ein Mit­be­stim­mungs­recht bei der "Einführung und An­wen­dung von tech­ni­schen Ein­rich­tun­gen, die da­zu be­stimmt sind, das Ver­hal­ten oder die Leis­tung der Ar­beit­neh­mer zu über­wa­chen".

Nach der Recht­spre­chung des BAG kommt es bei der Fra­ge, ob ein tech­ni­sche Ein­rich­tung zur Ar­beit­neh­merüber­wa­chung "be­stimmt" ist oder nicht, nicht auf die Ab­sich­ten des Ar­beit­ge­bers an, son­dern auf die Tech­nik selbst. Ist ein EDV-Pro­gramm oder ei­ne Te­le­fon­an­la­ge ob­jek­tiv da­zu ge­eig­net, die Ar­beits­leis­tun­gen der Ar­beit­neh­mer und/oder ih­re Ar­beits­ge­schwin­dig­keit nach­zu­voll­zie­hen, liegt ei­ne mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge tech­ni­sche Über­wa­chungs­ein­rich­tung im Sin­ne von § 87 Abs.1 Nr.6 Be­trVG vor, auch wenn der Ar­beit­ge­ber be­teu­ert, das Pro­gramm bzw. die TK-An­la­ge nicht zur Über­wa­chung nut­zen zu wol­len.

Al­ler­dings muss die Tech­nik selbsttätig ar­bei­ten, d.h. ein kon­trol­lie­ren­der Vor­ge­setz­ter ist kei­ne "tech­ni­sche", son­dern ei­ne men­sch­li­che Über­wa­chung, und die fällt nicht un­ter § 87 Abs.1 Nr.6 Be­trVG.

An der Gren­ze zwi­schen tech­ni­scher und men­sch­li­cher Über­wa­chung ste­hen "Kum­merkästen", mit de­ren Hil­fe Kun­den sich über (an­geb­lich) un­zu­rei­chen­de Leis­tun­gen und/oder un­an­ge­mes­se­nes Ver­hal­ten von Ar­beit­neh­mer be­schwe­ren können. Denn ei­ner­seits be­steht der In­halt die­ser Kum­merkästen aus in­di­vi­du­el­len Kun­den­mei­nun­gen, und die sind Teil ei­ner men­sch­li­chen bzw. nicht-tech­ni­schen Ar­beit­neh­mer­be­wer­tung. An­de­rer­seits wer­den sol­che Mei­nun­gen heu­te di­gi­tal er­fasst und ver­ar­bei­tet, so z.B. auf ei­ner Face­book-Sei­te des Ar­beit­ge­bers als Kun­den-Pos­tings. Und ist die Veröffent­li­chung auf Face­book au­to­ma­ti­siert, entfällt an die­ser Stel­le ei­ne men­sch­li­che Kon­trol­le bzw. Be­wer­tung (z.B. durch ei­nen Vor­ge­setz­ten).

Es fragt sich da­her, ob die Eröff­nung ei­nes sol­chen Kum­mer­kas­tens auf ei­ner Face­book­sei­te des Ar­beit­ge­bers der Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats gemäß § 87 Abs.1 Nr.6 Be­trVG un­ter­liegt oder nicht.

Der Fall des BAG: Streit bei Blut­spen­de-Ein­rich­tun­gen des Deut­schen Ro­ten Kreuz (DRK)

Im Streit­fall war der Kon­zern­be­triebs­rat des Deut­schen Ro­ten Kreu­zes (DRK) vor Ge­richt ge­zo­gen, weil das DRK im April 2013 ver­schie­de­ne kon­zern­wei­te Face­book-Sei­ten eröff­net hat­te, oh­ne den Kon­zern­be­triebs­rat zu be­tei­li­gen.

Die Nut­zer der Sei­ten er­hiel­ten da­durch die Möglich­keit, Kom­men­ta­re zu Mit­ar­bei­tern des DRK ab­zu­ge­ben, die in DRK-Trans­fu­si­ons­zen­tren ar­bei­te­ten und dort den Blut­spen­de­dienst durchführ­ten. Die Nut­zer-Kom­men­ta­re wur­den auf ei­ner vir­tu­el­len Pinn­wand ein­ge­stellt und konn­ten von den Face­book-Nut­zern be­trach­tet und wei­ter kom­men­tiert wer­den.

Der Kon­zern­be­triebs­rat war der Mei­nung, ihm stünde ein Mit­be­stim­mungs­recht gemäß § 87 Abs.1 Nr.6 Be­trVG zu. Sei­ner An­sicht nach war die Face­book-Platt­form als ei­ne tech­ni­sche Ein­rich­tung zur Ar­beit­neh­merüber­wa­chung an­zu­se­hen. An­hand der Dienst­pläne konn­ten, so der Kon­zern­be­triebs­rat, die Kun­den­be­schwer­den ein­zel­nen Mit­ar­bei­tern zu­ge­ord­net wer­den.

Das DRK als Ar­beit­ge­ber mein­te da­ge­gen, sei­ne Face­book-Sei­ten wären als ei­ne Art Kum­mer­kas­ten an­zu­se­hen. We­der die Face­book-Platt­form noch die ergänzen­den tech­ni­schen Möglich­kei­ten würden zur Kon­trol­le von Ar­beit­neh­mer ge­nutzt.

Der Kon­zern­be­triebs­rat be­an­trag­te beim Ar­beits­ge­richt Düssel­dorf, den Ar­beit­ge­ber zur Ab­mel­dung der um­strit­te­nen Face­book-Sei­te zu ver­pflich­ten, und hat­te dort zunächst Er­folg (Ar­beits­ge­richt Düssel­dorf, Be­schluss vom 27.06.2014, 14 BV 104/13). Al­ler­dings war das LAG Düssel­dorf kurz dar­auf an­de­rer Mei­nung und gab dem Ar­beit­ge­ber recht (LAG Düssel­dorf, Be­schluss vom 12.01.2015, 9 TaBV 51/14, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 15/013 Kei­ne Mit­be­stim­mung bei Face­book-Sei­te des Ar­beit­ge­bers).

BAG: Wer­den Kun­den­mei­nun­gen zum Ver­hal­ten von Ar­beit­neh­mern auf ei­ner Face­book-Sei­te des Ar­beit­ge­bers un­mit­tel­bar veröffent­licht, hat der Be­triebs­rat gemäß §87 Abs.1 Nr.6 Be­trVG mit­zu­be­stim­men

Das BAG wie­der­um ent­schied im Prin­zip zu­guns­ten des Kon­zern­be­triebs­rats. So­weit dies der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG ent­nom­men wer­den kann, stützt sich das BAG da­bei auf fol­gen­de Über­le­gun­gen:

Ermöglicht der Ar­beit­ge­ber auf ei­ner von ihm be­trie­be­nen Face­book-Sei­te an­de­ren Face­book-Nut­zern die Veröffent­li­chung von Ar­beit­neh­mer­be­wer­tun­gen in Form von sog. Pos­tings, un­ter­liegt die Aus­ge­stal­tung die­ser Funk­ti­on der Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats.

Vor­aus­set­zung dafür ist, dass sich die Pos­tings ih­rem In­halt nach auf das Ver­hal­ten oder die Leis­tung ein­zel­ner Beschäftig­ter be­zie­hen. Wei­te­re Vor­aus­set­zung für das Mit­be­stim­mungs­recht ist, dass die Kun­den-Pos­tings "un­mit­tel­bar" veröffent­licht wer­den, d.h. dass kei­ne Aus­wahl oder sons­ti­ge in­halt­li­che Kon­trol­le der Kun­den­mei­nun­gen durch den Ar­beit­ge­ber er­folgt.

Fa­zit: Be­treibt der Ar­beit­ge­ber ei­ne Face­book-Sei­te, auf der die Kun­den des Ar­beit­ge­bers die Leis­tun­gen von Ar­beit­neh­mern öffent­lich be­wer­ten können, ist dies ei­ne mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Über­wa­chungs­ein­rich­tung im Sin­ne von § 87 Abs.1 Nr.6 Be­trVG sein, wenn die Kun­den­mei­nun­gen un­mit­tel­bar bei Face­book veröffent­licht wer­den. Die Rechts­la­ge ist dann an­ders als bei ei­nem gewöhn­li­chen "Kum­mer­kas­ten", der es Kun­den ermöglicht, sich mit E-Mails beim Ar­beit­ge­ber zu be­schwe­ren. 

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­grün­de ver­öf­fent­licht. Der voll­stän­dig be­grün­de­te Be­schluss des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 30. November 2018

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de