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ARBEITSRECHT AKTUELL // 15/013

LAG Düs­sel­dorf: Kei­ne Mit­be­stim­mung bei Face­book-Sei­te des Ar­beit­ge­bers

Er­öff­net der Ar­beit­ge­ber ei­ne Face­book-Sei­te, ist dies al­lein noch kei­ne Über­wa­chungs­ein­rich­tung: Lan­des­ar­beits­ge­richt Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 12.01.2015 - 9 TaBV 51/14
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13.01.2015. Ei­nes der wich­tigs­ten Mit­be­stim­mungs­rech­te des Be­triebs­rats in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten greift im­mer dann ein, wenn der Ar­beit­ge­ber mit Hil­fe tech­ni­scher Ein­rich­tun­gen sei­ne Ar­beit­neh­mer über­wa­chen will.

Da sich die Mit­tel ei­ner tech­nisch er­mög­lich­ten Über­wa­chung von Mit­ar­bei­ter­ver­hal­ten und/oder Ar­beits­leis­tung stän­dig ver­än­dern, ste­hen auch die Ar­beits­ge­rich­te im­mer wie­der vor neu­en Fra­gen.

Ei­ne die­ser Fra­gen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) ges­tern be­ant­wor­tet: Der Be­trieb ei­ner Face­book-Sei­te durch den Ar­beit­ge­ber ist nicht mit­be­stim­mungs­pflich­tig: LAG Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 12.01.2015 - 9 TaBV 51/14.

Ist ei­ne vom Ar­beit­ge­ber eröff­ne­te Face­book-Sei­te tech­ni­sche Ein­rich­tung, die zur Über­wa­chung von Ar­beit­neh­mern ge­nutzt wer­den kann?

Gemäß § 87 Abs.1 Nr.6 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) hat der Be­triebs­rat mit­zu­be­stim­men bei der Einführung und An­wen­dung von tech­ni­schen Ein­rich­tun­gen, die da­zu be­stimmt sind, das Ver­hal­ten oder die Leis­tung des Ar­beit­neh­mers zu über­wa­chen. Die­ses Mit­be­stim­mungs­recht gehört zur Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten und ist hier von großer Be­deu­tung.

Bei­spie­le für tech­ni­sche Ein­rich­tun­gen, die der Ar­beit­ge­ber oh­ne die Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats we­der einführen noch an­wen­den darf, sind EDV-gestütz­te Work­flow-Sys­te­me al­ler Art, aber auch auf den ers­ten Blick "harm­lo­se" Te­le­fon­an­la­gen, weil auch sie meist nach­voll­zieh­bar ma­chen, wel­cher Ar­beit­neh­mer wann und mit wem te­le­fo­niert hat, was Kon­trollmöglich­kei­ten des Ar­beit­ge­bers eröff­net.

Nach der Recht­spre­chung ist ei­ne tech­ni­sche, d.h. zu­min­dest teil­wei­se selbsttätig funk­tio­nie­ren­de Ein­rich­tung be­reits dann zur Über­wa­chung von Ar­beit­neh­mern "be­stimmt", wenn sie die­se Eig­nung ob­jek­tiv be­sitzt, d.h. der Ar­beit­ge­ber muss nicht et­wa pla­nen, sie zu Über­wa­chungs­zwe­cken ein­zu­set­zen. Da­mit wird dem Be­triebs­rat im Streit­fall der Nach­weis er­leich­tert, dass ei­ne vom Ar­beit­ge­ber ge­plan­te, ein­geführ­te oder be­reits länger an­ge­wand­te tech­ni­sche Ein­rich­tung den Mit­be­stim­mungs­pa­ra­gra­phen § 87 Abs.1 Nr.6 Be­trVG erfüllt.

Eröff­net der Ar­beit­ge­ber ei­ne Face­book-Sei­te mit der Möglich­keit sei­ne Kun­den, die von den Ar­beit­neh­mern er­brach­ten Dienst­leis­tun­gen kri­tisch zu be­wer­ten bzw. durch "Pos­tings" oder "Li­kes" zu be­wer­ten, liegt es aus Sicht des Be­triebs­rats na­he, die­se neue EDV-ba­sier­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­platt­form als mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge tech­ni­sche Über­wa­chungs­ein­rich­tung an­zu­se­hen. Aus die­ser Sicht trägt ei­ne Face­book-Sei­te da­zu bei, Ar­beit­neh­mer "gläsern" zu ma­chen.

Auf der an­de­ren Sei­te können Kun­den so oder so Mit­ar­bei­ter kri­tisch be­wer­ten, d.h. auch oh­ne Face­book-Sei­te, und um­ge­kehrt schreibt die Face­book-Sei­te ih­re Be­wer­tun­gen nicht selbst, d.h. ei­ne au­to­ma­tisch er­stell­te Er­fas­sung von An­we­sen­heits­zei­ten, von Leis­tun­gen und/oder des Ver­hal­tens gibt es hier nicht.

Das LAG Düssel­dorf war im Er­geb­nis der An­sicht, dass in sol­chen Fällen ein Mit­be­stim­mungs­recht nicht be­steht.

Der Streit: Face­book-Sei­ten beim Deut­schen Ro­ten Kreuz (DRK)

In dem vom LAG Düssel­dorf ent­schie­de­nen Fall strit­ten der Kon­zern­be­triebs­rat (KBR) und das Deut­sche Ro­te Kreuz (DRK) über die Fra­ge, ob ver­schie­de­ne vom DRK eröff­ne­te Face­book-Sei­ten gemäß § 87 Abs.1 Nr.6 Be­trVG mit­be­stim­mungs­pflich­tig sind oder nicht.

Hin­ter­grund des Streits wa­ren die fünf Trans­fu­si­ons­zen­tren, in de­nen das DRK Blut­spen­den ent­ge­gen­nimmt, um sie zu ver­ar­bei­ten und zu veräußern. Im April 2013 eröff­ne­te das DRK ver­schie­de­ne kon­zern­wei­te Face­book-Sei­ten, oh­ne den KBR zu be­tei­li­gen. Die Nut­zer der Sei­ten er­hiel­ten da­durch die Möglich­keit, Kom­men­ta­re zu Mit­ar­bei­tern des DRK ab­zu­ge­ben. Die Kom­men­ta­re wur­den auf der vir­tu­el­len Pinn­wand ein­ge­stellt und konn­ten von den Face­book-Nut­zern be­trach­tet und wei­ter kom­men­tiert wer­den. Ge­pflegt bzw. ad­mi­nis­triert wur­de die Platt­form durch zehn DRK-Mit­ar­bei­ter, die da­zu den­sel­ben (Ad­mi­nis­tra­tor-)Zu­gang be­nutz­ten.

Das DRK in­for­mier­te sei­ne Mit­ar­bei­ter über die Face­book-Sei­ten und wies auf sie bei den Spen­den­ter­mi­nen in Flugblättern hin. Auf der Face­book-Sei­te wur­den meh­re­re ne­ga­ti­ve Kom­men­ta­re über die Qua­lität der Mit­ar­bei­ter bei Blut­spen­den veröffent­licht.

Der KBR war der Mei­nung, ihm stünde ein Mit­be­stim­mungs­recht zu. Denn die Face­book-Platt­form sei als ei­ne tech­ni­sche Ein­rich­tung im Sin­ne des § 87 Abs.1 Nr.6 Be­trVG da­zu ge­eig­net, die Ar­beit­neh­mer zu über­wa­chen. Zu die­sem Zweck stünden dem Ar­beit­ge­ber auch wei­te­re Pro­gram­me zur Verfügung, um per­so­nen­be­zo­ge­ne Da­ten über das Ar­beit­neh­mer­ver­hal­ten zu er­lan­gen. Kri­tisch sah der Kon­zern­be­triebs­rat da­bei vor al­lem, dass an­hand der Dienst­pläne ei­ne Zu­ord­nung von Kun­den­be­schwer­den zu ein­zel­nen Mit­ar­bei­tern möglich sei.

Der Ar­beit­ge­ber hielt da­ge­gen, dass die Face­book-Sei­te nur ein "Kum­mer­kas­ten" sei und außer­dem ein Mar­ke­ting­in­stru­ment. Dem­ent­spre­chend würden we­der die Face­book-Platt­form noch die ergänzen­den tech­ni­schen Möglich­kei­ten zu Kon­troll­zwe­cken ge­nutzt.

Der KBR zog zu­sam­men mit ei­ni­gen ört­li­chen Be­triebsräten vor das Ar­beits­ge­richt Düssel­dorf und be­an­trag­te, den Ar­beit­ge­ber da­zu zu ver­pflich­ten, die Face­book-Sei­ten ab­zu­schal­ten. Das Ar­beits­ge­richt Düssel­dorf gab dem An­trag statt (Ar­beits­ge­richt Düssel­dorf, Be­schluss vom 27.06.2014, 14 BV 104/13).

LAG Düssel­dorf: Gibt der Ar­beit­ge­ber durch ei­ne Face­book-Sei­te sei­nen Kun­den die Möglich­keit ei­ner Be­wer­tung be­trieb­li­cher Leis­tun­gen, ist das noch kei­ne tech­ni­sche Über­wa­chungs­ein­rich­tung

An­ders als das Ar­beits­ge­richt be­wer­te­te das LAG Düssel­dorf die strei­ti­gen Face­book-Sei­ten nicht als Über­wa­chungs­ein­rich­tung und wies da­her, nach­dem der Ar­beit­ge­ber Be­schwer­de ein­ge­legt hat­te, den An­trag des Kon­zern­be­triebs­rats zurück. Be­gründung des LAG:

Dem Be­triebs­rat steht bei der Ein­rich­tung der face­book-Sei­te kein Mit­be­stim­mungs­recht zu, so die Düssel­dor­fer Rich­ter. § 87 Abs.1 Nr.6 Be­trVG gibt ein Mit­be­stim­mungs­recht nicht her. Denn die um­strit­te­ne Face­book-Sei­te ist als sol­che ist kei­ne tech­ni­sche Ein­rich­tung, die da­zu be­stimmt ist, das Ver­hal­ten oder die Leis­tung der Mit­ar­bei­ter zu über­wa­chen.

Ei­ne mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Ein­rich­tung setzt nämlich laut LAG Düssel­dorf vor­aus, dass die Ein­rich­tung - je­den­falls teil­wei­se - von selbst bzw. au­to­ma­ti­siert Auf­zeich­nun­gen über die Ar­beit­neh­mer er­stellt. Dies war hier nicht der Fall, denn wenn Kun­den Be­schwer­den über DRK-Mit­ar­bei­ter ein­tra­gen bzw. pos­ten, ge­hen die­se Be­wer­tun­gen von ein­zel­nen Men­schen aus und sind nicht au­to­ma­ti­siert.

Auch die vom Kon­zern­be­triebs­rat an­geführ­te Möglich­keit, die Face­book-Sei­te mit in­te­grier­ten Werk­zeu­gen zu durch­su­chen, ist nach An­sicht des LAG noch kei­ne au­to­ma­ti­sche Auf­zeich­nung im Sin­ne von § 87 Abs.1 Nr.6 Be­trVG.

Die Möglich­keit ei­ner Über­wa­chung war da­her nur denk­bar bei den zehn Mit­ar­bei­tern, die die Face­book-Sei­te pfleg­ten, denn de­ren Ak­ti­vität wur­de auf­ge­schlüsselt nach Da­tum und Uhr­zeit auf­ge­zeich­net. Da aber al­le zehn den glei­chen all­ge­mei­nen Zu­gang be­nut­zen, sind Rück­schlüsse auf das Ver­hal­ten oder die Leis­tung ein­zel­ner Mit­ar­bei­ter im Er­geb­nis auch hier nicht möglich, so das LAG.

Fa­zit: Eröff­net der Ar­beit­ge­ber ei­ne Face­book-Sei­te und können die Kun­den des Ar­beit­ge­bers auf die­ser Sei­te die Leis­tun­gen von Ar­beit­neh­mern öffent­lich be­wer­ten, ist das nach An­sicht des LAG Düssel­dorf al­lein noch kei­ne Über­wa­chungs­ein­rich­tung gemäß § 87 Abs.1 Nr.6 Be­trVG. Die Rechts­la­ge ist hier mögli­cher­wei­se nicht an­ders als in dem Fall, dass der Ar­beit­ge­ber sei­nen Kun­den die Möglich­keit an die Hand gibt, sich per E-Mail zu be­schwe­ren.

Letzt­lich wird das BAG über die­se Streit­fra­ge und auch über den hier be­spro­che­nen Streit­fall zu ent­schei­den ha­ben, da das LAG die Rechts­be­schwer­de zum BAG zu­ge­las­sen hat.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt über den Fall ent­schie­den und dem Kon­zern­be­triebs­rat recht ge­ge­ben. In­for­ma­ti­on zu dem Be­schluss des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 29. Mai 2018

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