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Mit­be­stim­mung des Be­triebs­ra­tes bei Über­wa­chungs­ein­rich­tun­gen

Der Be­triebs­rat kann die Ein­füh­rung von tech­ni­schen Über­wa­chungs­ein­rich­tun­gen ver­lan­gen: Ar­beits­ge­richt Ber­lin, Be­schluss vom 20.03.2013, 28 BV 2178/13
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27.05.2013. Der Be­triebs­rat hat ein Mit­be­stim­mungs­recht, wenn der Ar­beit­ge­ber tech­ni­sche Ein­rich­tun­gen ein­füh­ren oder an­wen­den will, die zur Über­wa­chung des Ver­hal­tens oder der Leis­tung der Ar­beit­neh­mer be­stimmt sind.

Aber kann er auch von sich aus vom Ar­beit­ge­ber ver­lan­gen, sol­che Ein­rich­tun­gen ein­zu­füh­ren, z.B. in Form ei­ner di­gi­ta­len Pla­nung und Er­fas­sung des Ar­beits­ein­sat­zes?

Ob­wohl das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) die­se Fra­ge seit lan­gem schon mit "nein" be­ant­wor­tet, hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung ei­ne ab­wei­chen­de An­sicht ver­tre­ten und dem Be­triebs­rat ein "Initia­tiv­recht" bei der Ein­füh­rung von Über­wa­chungs­ein­rich­tun­gen zu­ge­spro­chen: Ar­beits­ge­richt Ber­lin, Be­schluss vom 20.03.2013, 28 BV 2178/13.

Kann der Be­triebs­rat von sich aus ver­lan­gen, dass der Ar­beit­ge­ber tech­ni­sche Ein­rich­tun­gen einführt, die zur Über­wa­chung der Ar­beit­neh­mer be­stimmt sind?

Vie­le ge­setz­li­che Re­ge­lun­gen zur Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten sind auf den ty­pi­schen Fall zu­ge­schnit­ten, dass der Ar­beit­ge­ber Din­ge plant, die den In­ter­es­sen der Beschäftig­ten zu­wi­der­lau­fen (könn­ten) und da­her vom Be­triebs­rat ab­ge­lehnt oder nur bei ent­spre­chen­den Kom­pro­mis­sen ak­zep­tiert wer­den.

Trotz­dem kann der Be­trie­brat nach der Recht­spre­chung der Ar­beits­ge­rich­te in den meis­ten An­ge­le­gen­hei­ten des § 87 Abs. 1 Be­trVG von sich aus Re­ge­lun­gen ver­lan­gen. Das heißt, dass er die Initia­ti­ve er­grei­fen kann bzw. ein "Initia­tiv­recht" hat. So könn­te der Be­triebs­rat z.B. von sich aus vor­schla­gen, dass im Be­trieb Über­stun­den ge­leis­tet wer­den oder dass Kurz­ar­beit ge­fah­ren wird (§ 87 Abs. 1 Nr.3 Be­trVG).

Ei­ne Aus­nah­me macht die Recht­spre­chung al­ler­dings bei § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG. Er gibt dem Be­triebs­rat ein Mit­be­stim­mungs­recht bei der Einführung und An­wen­dung von tech­ni­schen Ein­rich­tun­gen, die da­zu be­stimmt sind, das Ver­hal­ten oder die Leis­tung der Ar­beit­neh­mer zu über­wa­chen. Sol­che Über­wa­chungs­ein­rich­tun­gen kann der Be­triebs­rat laut BAG nicht von sich aus ver­lan­gen.

Der Streit­fall: Ber­li­ner Fi­li­al­be­triebs­rat ei­nes in­ter­na­tio­na­len Tex­til­un­ter­neh­mens ver­langt vom Ar­beit­ge­ber EDV-gestütz­te Per­so­nal­ein­satz­pla­nung

Im Streit­fall wur­de bei der deut­schen Toch­ter ei­nes in­ter­na­tio­na­len Un­ter­neh­mens des Tex­til­ein­zel­han­dels über die Einführung ei­ner EDV-gestütz­ten Per­so­nal­ein­satz­pla­nung ge­spro­chen. Auch der Ge­samt­be­triebs­rat war an den Gesprächen be­tei­ligt.

Da sich der Be­triebs­rat ei­ner der Ber­li­ner Fi­lia­len nicht auf den Ge­samt­be­triebs­rat ver­las­sen woll­te, wur­de er selbst ak­tiv und ver­lang­te von der dor­ti­gen Fi­li­al­lei­tung, mit ihm über die Einführung ei­ner EDV-gestütz­ten Per­so­nal­ein­satz­pla­nung zu ver­han­deln. Das Ber­li­ner Sto­re-Ma­nage­ment lehn­te das mit dem Ar­gu­ment ab, man pla­ne der­zeit gar nicht, ei­ne sol­che Form der Ein­satz­pla­nung ein­zuführen.

Dar­auf­hin rief der Be­triebs­rat die Ei­ni­gungs­stel­le an und zog letzt­lich vor das Ar­beits­ge­richt Ber­lin mit dem An­trag, dass das Ar­beits­ge­richt die Ei­ni­gungs­stel­le ein­set­zen möge.

Ar­beits­ge­richt Ber­lin: Der Be­triebs­rat hat ein Initia­tiv­recht bei der Einführung tech­ni­scher Über­wa­chungs­ein­rich­tun­gen

Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin gab dem An­trag des Be­triebs­rats statt. Zur Be­gründung heißt es:

Der Be­triebs­rat hat ein Initia­tiv­recht bei der Einführung und An­wen­dung von tech­ni­schen Ein­rich­tun­gen, die da­zu be­stimmt sind, das Ver­hal­ten oder die Leis­tung der Ar­beit­neh­mer zu über­wa­chen. Die­ses Recht folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG, so das Ar­beits­ge­richt. Da­mit grenzt sich das Ar­beits­ge­richt be­wusst von ei­ner älte­ren Ent­schei­dung des BAG ab (BAG, Be­schluss vom 28.11.1989, 1 ABR 97/88), in der das BAG ein sol­ches Recht des Be­triebs­rats ver­neint hat­te.

Da­hin­ter steht die Über­le­gung, dass "mehr Kon­trol­le" manch­mal aus Ar­beit­neh­mer­sicht gut wäre, ge­ra­de wenn es um ei­ne ge­naue Er­fas­sung von Ar­beits­zei­ten und Über­stun­den geht. Denn oh­ne das Recht, hier Kon­troll­ein­rich­tun­gen zu ver­lan­gen, hätte der Be­triebs­rat bei der Über­wa­chung der Ein­hal­tung von Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen nur die Möglich­keit, vom Ar­beit­ge­ber Auskünf­te zu ver­lan­gen (§ 80 Abs.2 Be­trVG). Was der Ar­beit­ge­ber aber nicht (ge­nau) weiß, kann der dem Be­triebs­rat auch nicht mit­tei­len.

Fa­zit: Ob sich die Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts Ber­lin durch­set­zen wird, ist of­fen. Für die­se An­sicht spricht, dass nicht je­de "Über­wa­chung" von Ar­beit­neh­mern de­ren In­ter­es­sen zu­wi­der­lau­fen muss. Und dass der Be­triebs­rat aus­ge­rech­net im Fal­le von § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG kein Initia­tiv­recht ha­ben soll­te, steht nicht im Ge­setz. An­de­rer­seits spricht viel dafür, dass der Ge­setz­ge­ber dem Be­triebs­rat mit die­ser Vor­schrift "nur" ein Ab­wehr­recht in die Hand ge­ben woll­te.

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Letzte Überarbeitung: 21. Juni 2019

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