-
Kanzlei Berlin
030 - 26 39 62 0
berlin@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Frankfurt
069 - 71 03 30 04
frankfurt@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hamburg
040 - 69 20 68 04
hamburg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hannover
0511 - 89 97 701
hannover@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Köln
0221 - 70 90 718
koeln@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei München
089 - 21 56 88 63
muenchen@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Nürnberg
0911 - 95 33 207
nuernberg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Stuttgart
0711 - 47 09 710
stuttgart@hensche.de
AnfahrtDetails
Betriebsvereinbarung - Checkliste
Betriebsvereinbarungen enthalten Regelungen, die die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs festlegen.
In diesem Rahmen, d.h. im Betrieb, wirken sie wie ein Gesetz, d.h. unmittelbar und zwingend (§ 77 Abs.4 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG).
Arbeitgeber und Betriebsrat haben daher eine große Verantwortung, wenn sie Betriebsvereinbarungen abschließen, ändern oder ganz aufheben. Denn damit gestalten sie die für die Beschäftigten geltende Rechtslage, und sie können dabei sogar in arbeitsvertraglich begründete Rechte zulasten der Beschäftigten eingreifen.
Personalleitungen und Betriebsratsmitglieder sollten sich daher immer ausreichend Zeit nehmen, bevor sie sich für oder gegen eine Betriebsvereinbarung entscheiden.
Im Folgenden finden Sie eine Checkliste von zehn Punkten, die Sie bei der Planung von Betriebsvereinbarungen zu Hilfe nehmen können.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- 1. Thema der Betriebsvereinbarung
- 2. Interessenlage, Auswirkungen für die Belegschaft, Kosten für den Arbeitgeber
- 3. Vorhandene Betriebsvereinbarungen
- 4. Arbeitsvertragliche Regelungen
- 5. Gesetzliche Regelungen, Tarifverträge
- 6. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
- 7. Freiwillige Betriebsvereinbarungen
- 8. Persönlicher Anwendungsbereich
- 9. Zeitliche Geltung: Inkrafttreten, Kündigungsfristen, Nachwirkung
- 10. Zuständigkeit, Formalitäten, rechtliche Überprüfung
- Wo finden Sie mehr zum Thema Betriebsvereinbarung?
- Was können wir für Sie tun?
1. Thema der Betriebsvereinbarung
Das Thema einer Betriebsvereinbarung kann sehr allgemein sein wie z.B. bei einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Es kann aber auch eher speziell sein, wenn es z.B. um das Thema Gleitzeit oder Überstundenzuschläge geht.
Betriebsvereinbarungen zu speziellen Themen haben den Vorteil, dass Arbeitgeber und Betriebsrat die Verhandlungsgegenstände besser überblicken können, und man kommt auch schneller zu einem Ergebnis.
Der Nachteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass im Laufe der Zeit immer mehr Betriebsvereinbarungen zu ziemlich ähnlichen Themen abgeschlossen werden. Dann gibt es z.B. eine Betriebsvereinbarung zum „mobilen Arbeiten“, die die Nutzung von Tabletts, Smartphones und Laptops außerhalb des Betriebs und/oder außerhalb der regulären Arbeitszeit betrifft, eine weitere Betriebsvereinbarung zur „Gleitzeitarbeit“ und wieder eine andere zum Thema „Home-Office“.
2. Interessenlage, Auswirkungen für die Belegschaft, Kosten für den Arbeitgeber
Oft sind die Interessen der Betriebsparteien gegensätzlich oder zumindest auf den ersten Blick nicht gut miteinander zu vereinbaren, z.B. wenn der Arbeitgeber vorschlägt, Überwachungskameras an vielen Stellen im Betrieb zu installieren, während der Betriebsrat (wenn überhaupt) nur einige wenige Kameras akzeptieren möchte. Eine Betriebsvereinbarung zu diesem Thema, auf die der Betriebsrat gemäß § 87 Abs.1 Nr.6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bestehen kann, wird daher ein Kompromiss zwischen gegensätzlichen Interessen sein.
In anderen Fällen sind Arbeitgeber und Betriebsrat darauf angewiesen, an einem Strang zu ziehen, z.B. bei der gemeinsamen Aufstellung von Urlaubsgrundsätzen durch eine Betriebsvereinbarung gemäß § 87 Abs.1 Nr.5 BetrVG. Hier müssen beide Seiten einerseits die selbstbestimmte Festlegung von Urlaubszeiten durch einzelne Arbeitnehmer schützen, andererseits aber verhindern, dass zu beliebten Urlaubszeiten Personalengpässe entstehen und dadurch die Arbeitnehmer überlastet werden, die im Betrieb die Stellung halten.
Für Arbeitgeber ist es darüber hinaus immer erforderlich, die voraussichtlichen Kosten einer Betriebsvereinbarung möglichst genau zu berechnen, vor allem wenn es um finanzielle Leistungen wie z.B. Gratifikationen oder Einmalzahlungen geht. Denn auch wenn Betriebsvereinbarungen im Allgemeinen ordentlich gekündigt werden können, führt die Beseitigung finanziell attraktiver Betriebsvereinbarungen natürlich dazu, dass die betroffenen Arbeitnehmer enttäuscht sind und sich das Betriebsklima verschlechtert.
3. Vorhandene Betriebsvereinbarungen
Betriebsvereinbarungen werden meistens auf unbestimmte Zeit geschlossen, d.h. sie enden nicht automatisch mit dem Ende einer vereinbarten Laufzeit. Dann sammeln sich in mitbestimmten Betrieben im Laufe der Zeit viele Betriebsvereinbarungen an, deren Regelungen bzw. Aussagen sich mit einer geplanten neuen Betriebsvereinbarung überschneiden oder ihr sogar widersprechen können.
Noch schwieriger wird es, den Überblick über einschlägige Betriebsvereinbarungen zu behalten, wenn Teile der Belegschaft in der Vergangenheit durch einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang gemäß § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) übernommen wurden. Dann muss geprüft werden, welche der Alt-Betriebsvereinbarungen des übernommenen Betriebs- bzw. Betriebsteils als Arbeitsvertragsinhalte der übernommenen Arbeitnehmer weitergelten (§ 613a Abs.1 Satz 2 BGB) und welche Alt-Betriebsvereinbarungen durch Betriebsvereinbarungen des übernehmenden Betriebs abgelöst wurden (§ 613a Abs.1 Satz 3 BGB).
Zur Planung einer neuen Betriebsvereinbarung gehört daher immer ein Blick in die Vergangenheit, d.h. eine Durchsicht vorhandener Betriebsvereinbarungen. Dabei kann es sinnvoll sein, einige der vorhandenen Betriebsvereinbarungen ordentlich (gemäß § 77 Abs.5 BetrVG) zu kündigen oder einvernehmlich aufzuheben.
4. Arbeitsvertragliche Regelungen
Nach der neueren Rechtsprechung können arbeitsvertragliche Regelungen durch Betriebsvereinbarungen abgelöst werden, und zwar auch zulasten des Arbeitsvertrags bzw. des Arbeitnehmers. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthalten ist und einen „kollektiven Bezug“ hat.
Das ist ziemlich oft der Fall, z.B. bei arbeitsvertraglichen Regelungen über Einmalzahlungen wie ein Weihnachts- oder Urlaubsgeld, bei vertraglich vereinbarten Überstundenzuschlägen oder auch bei Fahrtkostenzuschüssen. Die meisten Arbeitsvertragsklauseln, die solche oder ähnliche Fragen regeln, sind AGB. Und einen „kollektiven Bezug“ haben sie, wenn sie AGB sind, in aller Regel auch.
Daher sind die im Betrieb bestehenden Arbeitsverträge, d.h. die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs aktuell geltenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, ein zunehmend wichtiges Thema bei vielen Betriebsvereinbarungen. Denn mit Betriebsvereinbarungen können arbeitsvertragliche Ansprüche nicht nur verbessert, sondern auch beseitigt werden.
5. Gesetzliche Regelungen, Tarifverträge
Zwingende gesetzliche Vorschriften gehen Betriebsvereinbarungen vor. Die praktisch wichtigsten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten gemäß § 87 Abs.1 BetrVG, gelten daher nur, soweit keine gesetzliche Regelung besteht.
Soll daher z.B. eine Betriebsvereinbarung zum Thema Arbeitszeit, Gleitzeit oder Überstunden vereinbart oder geändert werden, müssen sich Arbeitgeber und Betriebsrat erst einmal sehr genau das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ansehen. Nur bei Fragen, die nicht schon durch das ArbZG entschieden sind, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber den Abschluss einer Betriebsvereinbarung gemäß § 87 Abs.1 Nr.2 und Nr.3 BetrVG verlangen.
Außerdem hat der Betriebsrat nur dann Mitbestimmungsrechte in den sozialen Angelegenheiten des § 87 Abs.1 BetrVG, soweit keine tarifvertragliche Regelung besteht. Eine Tarifregelung, die die Mitbestimmung ausschließt, gilt im Betrieb unter folgenden Voraussetzungen:
1.a) Der Arbeitgeber ist selbst Partei eines von ihm mit einer Gewerkschaft abgeschlossenen Firmentarifvertrags und aus diesem Grund gemäß § 3 Abs.1, Fall 2 Tarifvertragsgesetz (TVG) tarifgebunden.
ODER
1.b) Der Arbeitgeber ist Mitglied einer Tarifvertragspartei, nämlich eines Arbeitgeberverbandes, der einen Tarifvertrag mit einer Gewerkschaft abgeschlossen hat, so dass der Arbeitgeber aufgrund seiner Verbandsmitgliedschaft gemäß § 3 Abs.1, Fall 1 TVG tarifgebunden ist.
ODER
1.c) Es gibt einen fachlich und räumlich auf den Betrieb des Arbeitgebers anwendbaren Tarifvertrag, der für allgemeinverbindlich erklärt worden ist (§ 5 TVG).
UND
2. Der Tarifvertrag, den der Arbeitgeber aufgrund einer der o.g. drei Anwendungsvoraussetzungen in seinem Betrieb beachten muss, enthält abschließende und zwingende Regelungen, die für ergänzende Betriebsvereinbarungen keinen Spielraum mehr lassen.
Gibt es solche Tarifverträge nicht, z.B. weil der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist und auch keinen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag beachten muss, kann der Betriebsrat auch in Fragen mitbestimmen, die für die Vergütung wichtig sind.
Denn § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG gewährt ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, zu denen auch die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen gehört. Zahlt der Arbeitgeber z.B. den meisten Arbeitnehmern ein Weihnachtsgeld, allerdings in unterschiedlicher Höhe, kann der Betriebsrat den Abschluss einer Betriebsvereinbarung verlangen, die (bei gleichen Gesamtkosten für den Arbeitgeber) für eine transparente und gerechte Begünstigung aller Arbeitnehmer sorgt.
In einem solchen Fall, d.h. bei Bestehen eines Mitbestimmungsrechts gemäß § 87 Abs.1 BetrVG, sind Arbeitgeber und Betriebsrat nicht an § 77 Abs.3 Satz 1 BetrVG gebunden. Nach dieser Vorschrift können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Diese strenge Regelungssperre, die die Tarifautonomie schützen soll, müssen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht beachten, wenn sie mit einer Betriebsvereinbarung ein gemäß § 87 Abs.1 BetrVG bestehendes Mitbestimmungsrecht umsetzen wollen.
Das gilt auch für Sozialpläne, die nach dem Gesetz die Wirkung einer Betriebsvereinbarung haben (§ 112 Abs.1 Satz 3 BetrVG). Auch Sozialpläne können finanzielle Ansprüche regeln, die tariflich geregelt oder tarifüblich sind, denn § 77 Abs.3 Satz 1 BetrVG ist auf Sozialpläne nicht anzuwenden (§ 112 Abs.1 Satz 4 BetrVG).
6. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Ein wichtiger Punkt, der bei der Vorbereitung einer Betriebsvereinbarung geklärt werden muss, ist die Frage, ob der Betriebsrat den Abschluss der Betriebsvereinbarung aufgrund eines Mitbestimmungsrechts verlangen kann (erzwingbare Mitbestimmung).
Dann besteht ein rechtlicher Zwang zur Einigung, zugleich aber eine größere Gestaltungsfreiheit, denn für Betriebsvereinbarungen im Bereich von § 87 Abs.1 BetrVG und für Sozialpläne (§ 112 Abs.1 und 4 BetrVG) gilt die Regelungssperre des § 77 Abs.3 BetrVG nicht.
Ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat immer dann, wenn das BetrVG die Entscheidung durch die Einigungsstelle als Auffanglösung für den Fall vorsieht, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen können. Das ist bei folgenden Regelungsgegenständen der Fall:
- § 87 Abs.1 BetrVG: Soziale Angelegenheiten wie z.B. die Ordnung des Betriebs, die Lage der Arbeitszeit, Überstunden und Kurzarbeit, allgemeine Urlaubsgrundsätze und Urlaubspläne, die Einführung und Anwendung technischer Überwachungseinrichtungen, die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, Fragen der betrieblichen Lohngestaltung usw.
- § 91 BetrVG: Menschengerechte Gestaltung der Arbeit
- § 94 BetrVG: Personalfragebögen, persönliche Angaben in Arbeitsvertragsmustern, allgemeine Beurteilungsgrundsätze
- § 95 Abs.1 und 2 BetrVG: Personalauswahlrichtlinien für Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen
- § 97 Abs.2 BetrVG: Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung
- § 98 Abs.1 und 3 BetrVG: Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung
- § 112 Abs.1 und 4 BetrVG: Aufstellung eines Sozialplanes, mit dem die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge einer geplanten Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) entstehen, ausgeglichen oder gemildert werden sollen
- § 39 Abs.1 BetrVG: Zeit und Ort der Sprechstunden des Betriebsrats
- §§ 47 Abs.5 und 6; 55 Abs.4; 72 Abs.5 und 6 BetrVG: Festlegung der Mitgliederzahl des Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats und der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung
Enthält eine Betriebsvereinbarung zu den o.g. Themen umfassende und abschließende Regelungen, wird damit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu dem jeweiligen Thema verbraucht. Der Betriebsrat kann dann erst einmal keine weitere ergänzende Betriebsvereinbarung zum selben Thema verlangen, solange er die getroffene Betriebsvereinbarung nicht gekündigt hat.
Aus Arbeitgebersicht ist eine solche umfassende Ausgestaltung von mitbestimmten Betriebsvereinbarungen sinnvoll, aus Sicht des Betriebsrats dagegen im Allgemeinen nicht, da er sich damit die Möglichkeit nimmt, künftig je nach der betrieblichen Situation ergänzende Betriebsvereinbarungen zu verlangen.
7. Freiwillige Betriebsvereinbarungen
Kann sich der Betriebsrat auf kein Mitbestimmungsrecht berufen, können die Betriebsparteien trotzdem eine freiwillige Betriebsvereinbarung abschließen. Als mögliche Themen für solche Betriebsvereinbarungen nennt das BetrVG beispielhaft:
- § 38 Abs.1 Satz 5 BetrVG: Von der gesetzlichen Vorschrift (§ 38 Abs.1 Satz 1 BetrVG) abweichende Regelungen über die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern
- § 76 Abs.1 Satz 2 BetrVG: Errichtung einer ständigen Einigungsstelle
- § 86 BetrVG: Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens, betriebliche Beschwerdestelle
- § 88 BetrVG: Freiwillige Regelungen zu sozialen Angelegenheiten, z.B. zusätzliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen oder zum betrieblichen Umweltschutz, Errichtung von Sozialeinrichtungen, Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung, Maßnahmen zur Integration ausländischer Arbeitnehmer und zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Maßnahmen zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen
- § 102 Abs.6 BetrVG: Vereinbarung, dass Kündigungen nur mit Zustimmung des Betriebsrats möglich sind
Bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen gilt die Regelungssperre des § 77 Abs.3 Satz 1 BetrVG, wonach Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können.
8. Persönlicher Anwendungsbereich
Soll die Betriebsvereinbarung nur für bestimmte Betriebsteile und/oder Arbeitnehmergruppen gelten, sollte das in der Betriebsvereinbarung ausdrücklich festgehalten werden.
Fehlt eine solche Regelung, gilt die Betriebsvereinbarung im Allgemeinen für sämtliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs, wobei es nicht darauf ankommt, ob sie vor Abschluss der Betriebsvereinbarung bereits beschäftigt waren oder erst später eingestellt wurden.
Gemäß § 5 Abs.1 Satz 3 BetrVG gehören zu den Arbeitnehmern von Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen auch die dort tätigen Beamten, Soldaten sowie die Auszubildenden. Betriebsvereinbarungen sind daher grundsätzlich auch auf sie anzuwenden.
Leiharbeitnehmer gehören einerseits dem Betrieb des Verleihers an, d.h. der Zeitarbeitsfirma (§ 14 Abs.1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG). Andererseits gehören sie auch, zumindest teilweise, zum Betrieb des Entleihers, in dem sie arbeiten. Aufgrund der teilweisen Betriebszugehörigkeit zum Betrieb des Entleihers gelten jedenfalls diejenigen Betriebsvereinbarungen auch für Leiharbeitnehmer, die Auswirkungen auf ihre praktische Arbeit haben, z.B. Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Ordnung (§ 87 Abs.1 Nr.1 BetrVG) oder zur Lage der Arbeitszeit (§ 87 Abs.1 Nr.2 BetrVG).
Betriebsvereinbarungen gelten dagegen nicht für den Arbeitgeber und auch nicht für seine Repräsentanten, wie z.B. die Organe einer juristischen Person (GmbH-Geschäftsführer, AG- Vorstand) oder die Gesellschafter einer Personengesellschaft (§ 5 Abs.2 Nr.1 und Nr.2 BetrVG).
Auch auf leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs.3 BetrVG sind Betriebsvereinbarungen nicht anzuwenden, da sie nicht vom Betriebsrat vertreten werden.
9. Zeitliche Geltung: Inkrafttreten, Kündigungsfristen, Nachwirkung
Wenn Arbeitgeber und Betriebsrat nicht festlegen, dass eine Betriebsvereinbarung erst zu einem bestimmten Stichtag in Kraft treten soll, gilt sie ab beiderseitiger Unterzeichnung. Außerdem bestehen Betriebsvereinbarungen im Allgemeinen unbefristet, es sei denn, Arbeitgeber und Betriebsrat haben feste Laufzeit ausdrücklich vereinbart.
Unbefristete Betriebsvereinbarungen können durch ordentliche Kündigung mit dreimonatiger Kündigungsfrist wieder beseitigt werden (§ 77 Abs.5 BetrVG). Auch diese gesetzliche Kündigungsfrist von drei Monaten können die Betriebspartner verkürzen oder verlängern. Allerdings kann eine extrem lange Kündigungsfrist von mehreren Jahren rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam sein, wenn sie kurz vor dem Ende der Amtszeit des Betriebsrats vereinbart wurde und dem nachfolgenden Betriebsrat die Möglichkeit nimmt, seine gesetzlichen Aufgaben und Rechte wahrzunehmen.
Wenn eine gekündigte Betriebsvereinbarung Fragen betrifft, bei denen der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat, wirkt die Betriebsvereinbarung auch nach Ablauf der Kündigungsfrist vorläufig weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird (§ 77 Abs.6 BetrVG). Diese sog. Nachwirkung schützt die Mitbestimmung, indem sie verhindert, dass bis zum erneuten Abschluss einer Folge-Betriebsvereinbarung ein nicht mitbestimmter Rechtszustand eintritt.
10. Zuständigkeit, Formalitäten, rechtliche Überprüfung
Zuständig für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung ist auf Arbeitnehmerseite im Allgemeinen der örtlich für den jeweiligen Betrieb zuständige Betriebsrat.
Auch wenn der Betriebsrat einen Betriebsausschuss gebildet hat, der die laufenden Geschäfte des Betriebsrats führt, hat allein der Betriebsrat, d.h. das gesamte Gremium, über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu entscheiden (§ 27 Abs.2 Satz 2 BetrVG). Auch ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss kann keine Betriebsvereinbarungen abschließen (§ 28 Abs.1 Satz 3 BetrVG).
Hat der Betriebsrat in einer ordnungsgemäß durchgeführten Sitzung mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder einen Beschluss zu einer Betriebsvereinbarung gefasst, dem zufolge er der Betriebsvereinbarung zustimmt (§ 33 Abs.1, 2 BetrVG), muss die Betriebsvereinbarung schriftlich festgehalten und von beiden Seiten unterzeichnet werden (§ 77 Abs.2 Satz 1, 2 BetrVG).
Für den Betriebsrat unterschreibt der oder die Vorsitzende (§ 26 Abs.2 Satz 1 BetrVG), für den Arbeitgeber er selbst, ein Bevollmächtigter oder ein vertretungsberechtigtes Organ (GmbH-Geschäftsführer, AG-Vorstand). Mit der beiderseitigen Unterschrift tritt die Betriebsvereinbarung in Kraft. Es erleichtert den Überblick, Betriebsvereinbarungen durch Nummerierung und Jahresangabe zu kennzeichnen (z.B. „BV 1/2020“, „BV 2/2020“ usw.).
Betriebsvereinbarungen sollte man immer (zusammen mit ihren Anlagen, falls vorhanden) zweifach ausfertigen und jede Ausfertigung zusammenheften, wobei beide Ausfertigungen vom Arbeitgeber und vom Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben werden sollten. Auf diese Weise verfügen Arbeitgeber und Betriebsrat über eine vollständige Ausfertigung, mit der der Nachweis der Formwirksamkeit geführt werden kann.
Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarung sodann an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen (§ 77 Abs.2 Satz 3 BetrVG). Macht er das nicht, ändert das nichts an der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung.
Unter den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen ist der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung (§ 50 BetrVG) und der Konzernbetriebsrat für den Abschluss einer Konzernbetriebsvereinbarung zuständig (§ 58 BetrVG).
Bei komplizierteren Betriebsvereinbarungen, vor allem wenn sie sich auf die Vergütung der Arbeitnehmer auswirken, sollten sich beide Parteien rechtlich beraten lassen. Diese Empfehlung gilt insbesondere für Betriebsräte. Denn im Allgemeinen sorgen Arbeitgeber beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen für juristische Unterstützung. Das sollte dann aber auch der Betriebsrat tun, um auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln zu können.
Wo finden Sie mehr zum Thema Betriebsvereinbarung?
Weitere Informationen, die Sie im Zusammenhang mit dem Thema Betriebsvereinbarung interessieren könnten, finden Sie hier:
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitszeit und Arbeitszeitrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsänderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsmitglied
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsschulung
- Handbuch Arbeitsrecht: Coronavirus und Arbeitsrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Einigungsstelle
- Handbuch Arbeitsrecht: Gleichbehandlungsgrundsatz
- Handbuch Arbeitsrecht: Kurzarbeit, Kurzarbeitergeld
- Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten
- Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
- Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialplan
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Übersicht Handbuch Arbeitsrecht
- Tipps und Tricks: Interessenausgleich - Checkliste
- Tipps und Tricks: Sozialplan - Checkliste
Kommentare unseres Anwaltsteams zu aktuellen Fragen rund um das Thema Betriebsvereinbarung finden Sie hier:
- Arbeitsrecht aktuell: 20/074 Nachwirkung von Regelungsabreden
- Arbeitsrecht aktuell: 20/057 Betriebsvereinbarungen können arbeitsvertragliche Verweise auf AVR nicht beseitigen
- Arbeitsrecht aktuell: 19/197 Interner Arbeitsmarkt statt Kündigungsschutz?
- Arbeitsrecht aktuell: 19/011 Betriebsrat steht Einsicht in Gehaltslisten mit Arbeitnehmernamen zu
- Arbeitsrecht aktuell: 18/091 Verschlechterung des Arbeitsvertrags per Betriebsvereinbarung?
- Arbeitsrecht aktuell: 18/005 Gleichbehandlungsgrundsatz bei Betriebsvereinbarungen
- Arbeitsrecht aktuell: 17/167 Betriebsrentenreform 2017 beschlossen
- Arbeitsrecht aktuell: 17/081 Führungskräfteentwicklung und Mitbestimmung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/138 Separater Internet- und Telefonanschluss für den Betriebsrat?
- Arbeitsrecht aktuell: 16/101 Grenzen der Mitbestimmung beim BEM
- Arbeitsrecht aktuell: 16/072 Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 16/017 Abmahnung bei Verstoß gegen Betriebsverfassung
Letzte Überarbeitung: 13. August 2020
Was können wir für Sie tun?
Wenn Sie als Arbeitgeber oder als Betriebsrat Fragen im Zusammenhang mit den Rechten und Pflichten haben, die sich aus einer bestehenden Betriebsvereinbarung ergeben (könnten), oder wenn es Probleme mit der Durchführung, Änderung oder Beendigung einer Betriebsvereinbarung gibt, beraten wir Sie jederzeit gerne. Bitte beachten Sie, dass die Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei mit Beratungsleistungen oder mit der Vertretung des Betriebsrats in einem Einigungsstellenverfahren oder vor dem Arbeitsgericht eine ordnungsgemäße Beschlussfassung voraussetzt, und dass diese Beschlussfassung im Streitfall arbeitgeberseitig oft genau überprüft wird. Bitte sprechen Sie uns möglichst frühzeitig an, um eine korrekte Beschlussfassung sicherzustellen. |
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |
Bewertung:
HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.
Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw.
bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig.
Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.
© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de