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Grenzen der Mitbestimmung beim BEM
24.03.2016. Ist ein Arbeitnehmer über längere Zeit hin arbeitsunfähig erkrankt, muss der Arbeitgeber auf ihn zukommen und gemeinsam mit ihm versuchen herauszufinden, ob und wie weitere Erkrankungen vermieden und das Arbeitsverhältnis gesichert werden kann.
Diese frühzeitige und aktive Krankheitsprävention, das sog. betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM), sollte auch unter Mitwirkung des Betriebsrats durchgeführt werden.
Da der Betriebsrat aber nur einzubeziehen ist, wenn der betroffene Arbeitnehmer einverstanden ist, kann der Betriebsrat nicht die Bildung eines dauerhaften Gremiums verlangen, das unter Beteiligung von Betriebsratsmitgliedern gebildet wird und an allen BEM-Maßnahmen mitwirken soll: BAG, Beschluss vom 22.03.2016, 1 ABR 14/14 (Pressemeldung des Gerichts).
- Welche Verfahrensregelungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) kann der Betriebsrat verlangen?
- Im Streit: Betriebsrat setzt per Einigungsstellenspruch eine Betriebsvereinbarung durch, der zufolge ein paritätisch gebildetes "Integrationsteam" an allen BEM-Verfahren zu beteiligen ist
- BAG: Für die Einleitung und Umsetzung von BEM-Maßnahmen ist allein der Arbeitgeber zuständig
Welche Verfahrensregelungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) kann der Betriebsrat verlangen?
Ist ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, muss der Arbeitgeber gemäß § 84 Abs.2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ein BEM durchführen. Das bedeutet, dass er "mit Zustimmung und Beteiligung" des betroffenen Arbeitnehmers "klärt", "wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann". Wenn der Arbeitnehmer damit einverstanden ist, ist auch der Betriebsrat und (bei schwerbehinderten Arbeitnehmern) die Schwerbehindertenvertretung am BEM zu beteiligen.
Wie diese "Klärung" durchgeführt werden sollte, schreibt das Gesetz dem Arbeitgeber und den anderen Verfahrensbeteiligten nicht vor. Es liegt daher nahe, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat zusammensetzen und sich auf eine Betriebsvereinbarungen zum Thema BEM verständigen.
Der Betriebsrat kann eine Betriebsvereinbarung zu bestimmten BEM-Verfahrensfragen auch verlangen, denn er hat hier ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs.1 Nr.7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Eine Betriebsvereinbarung zum BEM-Verfahren dient nämlich dem "Gesundheitsschutz" und außerdem ist der sehr allgemein § 84 Abs.2 SGB IX eine "Rahmen"-Vorschrift im Sinne von § 87 Abs.1 Nr.7 BetrVG.
Allerdings fragt sich, wie stark der Betriebsrat gemäß einer solchen BEM-Betriebsvereinbarung an Maßnahmen des Eingliederungsmanagements beteiligt werden kann. Engagierte Betriebsräte werden hier darauf verweisen, dass sie gesetzlich dazu verpflichtet sind, zu überwachen, ob der Arbeitgeber seine BEM-Aufgaben erfüllt (§ 84 Abs.2 Satz 7 SGB IX). Und um diese Überwachungsaufgabe optimal zu erfüllen, wäre es sinnvoll, wenn Betriebsräte möglichst genau über alle BEM-Einzelfälle informiert wären bzw. von vornherein an ihnen beteiligt würden.
Andererseits ist die Aufgabe, ein BEM durchzuführen, nach § 84 Abs.2 Satz 1 SGB IX dem Arbeitgeber zugewiesen, und außerdem kann der betroffene Arbeitnehmer frei entscheiden, ob der Betriebsrat in seinem Fall hinzugezogen werden soll oder nicht.
Vor diesem Hintergrund wäre ein ständiger Ausschuss, der sich aus Vertretern des Arbeitgebers und des Betriebsrats zusammensetzt und in allen BEM-Einzelfällen informiert und/oder beteiligt werden soll, möglicherweise gesetzeswidrig.
Im Streit: Betriebsrat setzt per Einigungsstellenspruch eine Betriebsvereinbarung durch, der zufolge ein paritätisch gebildetes "Integrationsteam" an allen BEM-Verfahren zu beteiligen ist
Im Streitfall verlangte der Betriebsrat vom Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement. Der Arbeitgeber wollte nicht und so kam es zum Verfahren vor der Einigungsstelle. Auch hier kam eine gütliche Einigung nicht zustande, so dass die Einigungsstelle die umstrittene Betriebsvereinbarung im Wege eines Einigungsstellenspruchs ersetzte. Dieser entsprach im Wesentlichen den Vorstellungen des Betriebsrats.
Gemäß dem Spruch sollte es ein ständiges "Integrationsteam" geben, das aus einem Vertreter des Arbeitgebers und einem Vertreter des Betriebsrats gebildet war. Das Integrationsteam sollte dem Arbeitgeber "Vorschläge für Maßnahmen des BEM" unterbreiten. In der Betriebsvereinbarung war nicht klargestellt, dass Arbeitnehmer das gesetzliche Recht haben, "ihr" BEM auch ohne Beteiligung des Betriebsrats bzw. eines im Integrationsteam vertretenen Betriebsratsmitglieds durchzuführen.
Der Arbeitgeber beantragte daraufhin die gerichtliche Feststellung, dass der Einigungsstellenspruch unwirksam ist. Damit hatte er vor dem Arbeitsgericht Hamburg zwar keinen Erfolg (Beschluss vom 10.04.2013, 20 BV 15/12), dafür aber in der Beschwerdeinstanz, d.h. vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg. Das LAG erklärte den gesamten Spruch bzw. die komplette Regelung zum BEM für unwirksam (Beschluss vom 20.02.2014, 1 TaBV 4/13).
Denn, so das LAG: Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht, dem zufolge er verlangen kann, dass die Aufgaben des BEM einem festen, auf Dauer gebildeten Gremium übertragen werden.
BAG: Für die Einleitung und Umsetzung von BEM-Maßnahmen ist allein der Arbeitgeber zuständig
Auch vor dem BAG zog der Betriebsrat den Kürzeren. Der umstrittene Spruch der Einigungsstelle war unwirksam, so die Erfurter Richter. In der derzeit allein vorliegenden knappen Pressemeldung heißt es zur Begründung:
Der Betriebsrat kann unter Berufung auf seine Mitbestimmungsrechte "nur die Aufstellung von Verfahrensgrundsätzen" verlangen, die bei der Durchführung des BEM zu beachten sind. Was dazu beispielsweise gehören würde, lässt das BAG offen. Hier kann man an Regeln zur Dokumentation von BEM-Gesprächen oder an Fristenregelungen denken oder auch daran, in welchem Turnus der Arbeitgeber den Betriebsrat über BEM-Fälle zu unterrichten ist.
Im vorliegenden Fall ging der Einigungsstellenspruch über diese möglichen Verfahrensregelungen hinaus, indem er die Beteiligung eines vom Gesetz nicht vorgesehenen "Integrationsteams" an den BEM-Maßnahmen vorsah. Diese Maßnahmen hat aber allein der Arbeitgeber umzusetzen, so das BAG.
Fazit: Der Betriebsrat hat beim Thema BEM kein umfassendes bzw. allgemeines Mitbestimmungsrecht, sondern kann nur die Aufstellung von Verfahrensregelungen verlangen. Diese Verfahrensregeln müssen allen von einem BEM betroffenen Arbeitnehmern zugute kommen, d.h. auch denjenigen, die eine Beteiligung des Betriebsrats an "ihrem" BEM nicht wünschen. Damit ist ein ständiges "Integrationsteam" unter Beteiligung von Betriebsratsmitgliedern wie hier im Streitfall nicht vereinbar.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.03.2016, 1 ABR 14/14 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.03.2016, 1 ABR 14/14
- Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 20.02.2014, 1 TaBV 4/13
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.03.2012, 1 ABR 78/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsmitglied
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsvereinbarung
- Handbuch Arbeitsrecht: Einigungsstelle
- Handbuch Arbeitsrecht: Krankheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen
- Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
- Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehinderung, schwerbehinderter Mensch
- Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehindertenvertretung
- Arbeitsrecht aktuell: 20/082 Unzulässige Anrufung der Einigungsstelle
- Arbeitsrecht aktuell: 18/305 Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Kündigungen
- Arbeitsrecht aktuell: 18/121 Erst Anhörung der Schwerbehindertenvertretung, dann Antrag beim Integrationsamt
- Arbeitsrecht aktuell: 18/058 Mitarbeiterbefragung und Mitbestimmung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/144 Mitbestimmung beim Arbeitsschutzausschuss?
- Arbeitsrecht aktuell: 12/101 Datenschutz - Betriebsrat darf Arbeitszeiten erfahren
- Arbeitsrecht aktuell: 12/065 Betriebsrat und betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
- Arbeitsrecht aktuell: 11/104 Rechte des Betriebsrats beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Den vollständig begründeten Beschluss des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 7. September 2021
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