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Schwerbehindertenvertretung
Auf dieser Seite finden Sie Informationen dazu, was eine Schwerbehindertenvertretung ist, in welchen Betrieben sie gewählt werden muss, welche Arbeitnehmer berechtigt sind, zu Schwerbehindertenvertretung zu wählen und wer wählbar ist.
Außerdem finden Sie Hinweise dazu, welche Aufgaben und welche Rechte die Schwerbehindertenvertretung hat, vor allem bei einer bevorstehenden Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer, was in einer Inklusionsvereinbarung geregelt werden sollte und wie die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung vor einer Kündigung geschützt sind.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- Was ist eine Schwerbehindertenvertretung?
- Wo sind die Rechte der Schwerbehindertenvertretung geregelt?
- In welchen Betrieben und für wie lange ist eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen?
- Wer wählt zur Schwerbehindertenvertretung und wer ist wählbar?
- Welche Aufgaben hat die Schwerbehindertenvertretung?
- Welche Rechte hat die Schwerbehindertenvertretung?
- Was hat sich bei der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor Kündigungen zum 30.12.2016 geändert?
- Was muss der Arbeitgeber bei der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor einer Kündigung tun?
- Was sollte in einer Inklusionsvereinbarung geregelt werden?
- Welchen Kündigungsschutz hat die Schwerbehindertenvertretung, d.h. Vertrauensperson und Stellvertreter?
- Welchen Schutz vor Versetzungen hat die Schwerbehindertenvertretung, d.h. Vertrauensperson und Stellvertreter?
- Haben Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung einen Anspruch auf Freistellung?
- Können Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung Fortbildungen verlangen?
- Wo finden Sie mehr zum Thema Schwerbehindertenvertretung?
- Was können wir für Sie tun?
Was ist eine Schwerbehindertenvertretung?
Die Schwerbehindertenvertretung vertritt die besonderen Interessen der schwerbehinderten Arbeitnehmer im Betrieb.
Die Schwerbehindertenvertretung besteht gemäß § 177 Abs.1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)
- aus einer Vertrauensperson und
- ihrem Stellvertreter bzw. ihrer Stellvertreterin, der bzw. die die Vertrauensperson bei Verhinderung durch Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben vertritt.
Da die Vertrauensperson in großen Betrieben viele Aufgaben zu bewältigen hat, besteht gemäß § 178 Abs.1 Satz 4 und 5 SGB IX die Möglichkeit, die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen, d.h. auf die Vertrauensperson und auf den oder die Stellvertreter. Die Stellvertreter werden dann zeitgleich mit der Vertrauensperson tätig und nicht nur bei deren Abwesenheit. § 178 Abs.1 Satz 4 und 5 SGB IX lauten:
"In Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 100 beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann sie [= die Schwerbehindertenvertretung] nach Unterrichtung des Arbeitgebers das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranziehen. Ab jeweils 100 weiteren beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann jeweils auch das mit der nächsthöheren Stimmenzahl gewählte Mitglied herangezogen werden."
Wo sind die Rechte der Schwerbehindertenvertretung geregelt?
Die Rechte der Schwerbehindertenvertretung sind im SGB IX geregelt.
Das SGB IX wurde durch Artikel 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23.12.2016 zum 01.01.2018 in einer reformierten Fassung in Kraft gesetzt. Zeitgleich ist das SGB IX in seiner alten Fassung (a.F.) außer Kraft getreten.
Weil das BTHG den Aufbau des SGB IX geändert hat, finden sich die Vorschriften zur Schwerbehindertenvertretung ab dem 01.01.2018 im dritten Teil des Gesetzes, und zwar in den §§ 176 bis 183 SGB IX.
Einige Änderungen des SGB IX, die das BTHG gebracht hat, sind bereits zum 30.12.2016 in Kraft getreten, so insbesondere die Regelung, dass Kündigungen schwerbehinderter Arbeitnehmer ohne vorherige Anhörung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam sind (§ 95 Abs.2 Satz 3 SGB IX a.F. = § 178 Abs.2 Satz 3 SGB IX). Andere Änderungen des SGB IX treten erst ab 2020 in Kraft.
In welchen Betrieben und für wie lange ist eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen?
Gemäß § 177 Abs.1 Satz 1 SGB IX ist eine Schwerbehindertenvertretung in Betrieben und Dienststellen zu wählen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind.
Besetzt der Arbeitgeber fünf Prozent seiner Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Arbeitnehmern, wozu er gemäß gesetzlich verpflichtet ist (§ 154 Abs.1 Satz 1 SGB IX), ist eine Schwerbehindertenvertretung ab einer Betriebsgröße von 100 Arbeitnehmern zu wählen.
Die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung beträgt (ebenso wie die des Betriebsrats) vier Jahre. Allerdings finden die regelmäßigen Wahlen nicht von März bis Mai statt (wie bei der Betriebsratswahl), sondern alle vier Jahre vom 01. Oktober bis zum 30. November (§ 177 Abs.5 Satz 1 SGB IX).
Wer wählt zur Schwerbehindertenvertretung und wer ist wählbar?
Wahlberechtigt zur Schwerbehindertenvertretung sind gemäß § 177 Abs.2 SGB IX alle in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen.
Wählbar sind alle nicht nur vorübergehend beschäftigten Betriebsangehörigen, die mindestens 18 Jahre alt sind und dem Betrieb bzw. der Dienststelle mindestens sechs Monaten angehören (§ 177 Abs.3 Satz 1 SGB IX).
Bei der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung können sich auch Arbeitnehmer bewerben, die selbst nicht schwerbehindert sind, d.h. die Schwerbehindertenvertretung muss nicht aus schwerbehinderten Menschen bestehen.
Welche Aufgaben hat die Schwerbehindertenvertretung?
Die Schwerbehindertenvertretung hat die Aufgabe, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle zu fördern. Sie vertritt die Interessen ihrer schwerbehinderten Arbeitskollegen und steht ihnen beratend und helfend zur Seite (§ 178 Abs.1 Satz 1 SGB IX).
Ähnlich wie der Betriebsrat hat sie darüber zu wachen, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt werden und dass der Arbeitgeber seine Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nachkommt (§ 178 Abs.1 Satz 2 Nr.1 SGB IX).
Außerdem soll die Schwerbehindertenvertretung Maßnahmen, die den schwerbehinderten Menschen dienen, bei den zuständigen Stellen beantragen, insbesondere präventive Maßnahmen (§ 178 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB IX).
Schließlich hat die Schwerbehindertenvertretung die Aufgabe, Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Menschen entgegenzunehmen. Falls sie berechtigt erscheinen, soll die Schwerbehindertenvertretung durch Verhandlung mit dem Arbeitgeber auf eine Lösung hinwirken. Dabei hat sie den betroffenen Schwerbehinderten über den Stand ihrer Verhandlungen zu informieren (§ 178 Abs.1 Satz 2 Nr.3 SGB IX).
Welche Rechte hat die Schwerbehindertenvertretung?
Im Unterschied zum Betriebsrat hat die Schwerbehindertenvertretung keine echten Mitbestimmungsrechte.
Allerdings ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung
- in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen Schwerbehinderten oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren,
- unverzüglich und umfassend zu unterrichten,
- vor einer Entscheidung anzuhören, und
- der Schwerbehindertenvertretung die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen (§ 178 Abs.2 Satz 1 SGB IX).
Maßnahmen des Arbeitgebers, die ohne vorherige Unterrichtung und/oder Anhörung der Schwerbehindertenvertretung und damit in rechtswidriger Weise getroffen wurden, müssen ausgesetzt werden (§ 178 Abs.2 Satz 2 SGB IX). Nach Aussetzung der Maßnahme ist die unterlassene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung innerhalb von sieben Tagen nachzuholen. Danach ist die endgültige Entscheidung zu treffen (§ 178 Abs.2 Satz 2 SGB IX).
Darüber hinaus hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs- bzw. Personalrats sowie an den Sitzungen der Ausschüsse dieser Gremien beratend teilzunehmen. Dabei kann sie beantragen, dass Angelegenheiten, die schwerbehinderten Menschen besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt werden (§ 178 Abs.4 Satz 1 SGB IX).
Weiterhin hat die Schwerbehindertenvertretung auch ein Rederecht auf Betriebsversammlungen sowie das Recht, einmal im Jahr eine eigene Versammlung der schwerbehinderten Menschen im Betrieb bzw. der Dienststelle durchzuführen (§ 178 Abs.6 SGB IX).
Schließlich hat die Schwerbehindertenvertretung erstmals ab dem 30.12.2016 ein ernstzunehmendes Anhörungsrecht, wenn es um arbeitgeberseitig geplante Kündigungen schwerbehinderter Menschen geht.
Was hat sich bei der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor Kündigungen zum 30.12.2016 geändert?
Eine der wichtigsten Änderungen des SGB IX, die das Bundesteilhabegesetz zum 30.12.2016 gebracht hat, ist eine klare Rechtsfolge für den Fall, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht vorab anhört, bevor er einen schwerbehinderten Arbeitnehmer kündigt. Diese Rechtsfolge besteht in der Unwirksamkeit der vom Arbeitgeber ohne Anhörung ausgesprochenen Kündigung.
Diese Regelung war vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 (d.h. bis zum Inkrafttreten der Neufassung des SGB IX am 01.01.2018) in § 95 Abs.2 Satz 3 SGB IX a.F. enthalten. Seit dem 01.01.2018 findet sie sich in § 178 Abs.2 Satz 3 SGB IX. § 178 Abs.2 Satz 1 und 3 SGB IX lauten:
"Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. (...) Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam."
Die hier angeordnete Unwirksamkeit einer Kündigung ohne vorherige Anhörung entspricht § 102 Abs.1 Satz 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Diese Rechtsfolge fehlte bis zum 29.12.2016 im SGB IX.
Infolgedessen musste der Arbeitgeber zwar auch nach altem Recht die Schwerbehindertenvertretung "theoretisch" vor jeder Kündigung eines schwerbehinderten Menschen anhören, doch machte ein Verstoß gegen die Anhörungspflicht die Kündigung nicht unwirksam. Genau das ist aber ab dem 30.12.2016 der Fall.
Was muss der Arbeitgeber bei der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor einer Kündigung tun?
Arbeitgeber müssen vor der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen die Schwerbehindertenvertretung ebenso genau informieren wie den Betriebsrat, und sie müssen der Schwerbehindertenvertretung auch dieselbe Zeit für eine Stellungnahme einräumen wie dem Betriebsrat.
Nähere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter "Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen".
Was sollte in einer Inklusionsvereinbarung geregelt werden?
§ 166 Abs.1 SGB IX schreibt dem Arbeitgeber vor, mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebsrat eine verbindliche Inklusionsvereinbarung abzuschließen. Die Schwerbehindertenvertretung kann dementsprechend vom Arbeitgeber verlangen, über eine solche Vereinbarung Verhandlungen zu führen.
Die Inklusionsvereinbarung muss Regelungen zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen enthalten. Das betrifft die Personalplanung, die Arbeitsplatzgestaltung, die Gestaltung des Arbeitsumfelds, die Arbeitsorganisation, die Arbeitszeit und beinhaltet auch die praktische Umsetzung dieser Regelungen.
Über diesen Mindestinhalt hinaus können in einer Integrationsvereinbarung auch weitere Regelungen getroffen werden. Das Gesetz zählt hier beispielhaft einige Themen auf wie z.B.
- Regeln zur Besetzung freier, frei werdender oder neuer Stellen mit schwerbehinderten Menschen,
- die Festlegung einer anzustrebenden Schwerbehindertenquote (einschließlich einer Quote schwerbehinderter Frauen),
- Regelungen zur Teilzeitarbeit,
- Regelungen zur Ausbildung behinderter Jugendlicher,
- Regelungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM),
- Regelungen zur Hinzuziehung des Werks- oder Betriebsarztes.
Welchen Kündigungsschutz hat die Schwerbehindertenvertretung, d.h. Vertrauensperson und Stellvertreter?
Wie erwähnt besteht die Schwerbehindertenvertretung aus der Vertrauenspersonen und ihrem Stellvertreter. Sie sind vor Kündigungen und Versetzungen durch den Arbeitgeber gemäß § 179 Abs.3 SGB IX besonders geschützt.
Die Vertrauenspersonen und deren Stellvertreter (bei Vertretungstätigkeit oder bei Heranziehung zu bestimmten Aufgaben) haben gemäß § 179 Abs.3 Satz 1 SGB IX denselben Kündigungsschutz wie Betriebsratsmitglieder. Sie können daher nur im Falle der Stilllegung des Betriebs oder einer Betriebsabteilung ordentlich gekündigt werden (§ 15 Abs.4 und Abs.5 Kündigungsschutzgesetz - KSchG).
Liegt ein solcher Fall nicht vor, kann der Arbeitgeber die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung nur außerordentlich kündigen. Dazu braucht er aber einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und außerdem die vorherige Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung (§ 103 Abs.1 BetrVG).
Welchen Schutz vor Versetzungen hat die Schwerbehindertenvertretung, d.h. Vertrauensperson und Stellvertreter?
Außerdem sind die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung ebenso gut wie Betriebsratsmitglieder vor Versetzungen geschützt. Für die Versetzung eines Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung braucht der Arbeitgeber nämlich gemäß § 179 Abs.3 Satz 1 SGB IX in Verb. mit § 103 Abs.3 BetrVG die vorherige Zustimmung des Betriebsrats.
Für die Stellvertreter gilt dieser Schutz allerdings gemäß § 179 Abs.3 Satz 2 SGB IX nur eingeschränkt, nämlich
- für die Zeit, während der sie die Vertrauensperson vertreten und/oder
- für die Zeit, während der sie (in großen Betrieben) für bestimmte Aufgaben ständig, d.h. auch bei Anwesenheit der Vertrauensperson herangezogen wird (§ 178 Abs.1 Satz 4 und 5 SGB IX).
Der Schutz der Stellvertreter wird aber zeitlich erheblich ausgedehnt und damit gestärkt, dass sie die gleiche Rechtsstellung wie Ersatzmitglieder des Betriebsrats besitzen (§ 179 Abs.3 Satz 2, 2. Halbsatz SGB IX). Daher sind sie gemäß § 15 Abs.1 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für ein Jahr nach Beendigung der Amtszeit ordentlich unkündbar. Bei Stellvertretern beginnt die Jahresfrist (ähnlich wie bei Ersatzmitgliedern des Betriebsrats, die nur vorübergehend in den Betriebsrat nachrücken), wenn sie die Vertrauensperson nicht mehr vertreten, weil diese wieder auf dem Posten ist.
Haben Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung einen Anspruch auf Freistellung?
Ja, ein solcher Anspruch besteht. Gemäß § 179 Abs.4 Satz 1 SGB IX werden Vertrauenspersonen von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung der Vergütung befreit, "wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist".
Dieses Recht auf bezahlte Freistellung von der Arbeit ist anlassbezogen: Wer als Mitglied der Schwerbehindertenvertretung tätig wird, z.B. im Rahmen eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) oder einer Sitzung des Betriebsrats, kann sich von seiner Arbeit abmelden und muss die liegengebliebene Arbeit auch nicht nacharbeiten.
Darüber hinaus haben Vertrauenspersonen ähnlich wie Betriebsratsmitglieder in größeren Betrieben und Dienststellen das Recht, eine dauerhafte Freistellung von der Arbeitspflicht zu verlangen (§ 179 Abs.4 Satz 2 SGB IX). Ab dem 01.01.2018 beträgt die dazu erforderliche Zahl der im Betrieb beschäftigten schwerbehinderter Menschen 100 Arbeitnehmer (statt wie bisher 200).
Können Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung Fortbildungen verlangen?
Das Recht auf anlassbezogene bezahlte Freistellung von der Arbeit gemäß § 179 Abs.4 Satz 1 SGB IX gilt gemäß § 179 Abs.4 Satz 3 SGB IX auch für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen, wenn diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind.
Aufgrund dieser Vorschriften haben die Vertrauenspersonen ähnlich wie Betriebsratsmitglieder einen gesetzlichen Anspruch auf Schulungen, nur dass dieser bei Betriebsratsmitgliedern aus § 37 Abs.6 Satz 1 BetrVG folgt und bei Vertrauenspersonen aus § 179 Abs.4 Satz 3 SGB IX.
Seit dem 01.01.2018 haben nicht nur die Vertrauenspersonen, sondern auch die mit der höchsten Stimmenzahl gewählten Stellvertreter einen Anspruch auf den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen (§ 179 Abs.4 Satz 3 SGB IX). Dementsprechend kommt es seit dem 01.01.2018 nicht mehr auf die Frage an, ob und wie oft der Stellvertreter die Vertrauensperson vertritt und/oder in großen Betrieben Aufgaben gemäß § 178 Abs.1 Satz 4 und 5 SGB IX wahrnimmt.
Der Anspruch auf Schulungen, die Grundlagenkenntnisse vermitteln, besteht immer bzw. ohne weitere Begründung der "Erforderlichkeit", wenn das Mitglied der Schwerbehindertenvertretung eine solche Schulung noch nicht besucht hat oder wenn der letzte Besuch einer solchen Veranstaltung bereits recht lang zurückliegt.
Bei Fortbildungsveranstaltungen, die keine Grundkenntnisse, sondern Spezialwissen vermitteln, muss die Schwerbehindertenvertretung darlegen, warum dieses Spezialwissen für die Arbeit der Vertrauensperson bzw. des Stellvertreters erforderlich sein soll.
Der Anspruch auf Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen beinhaltet einen Anspruch auf bezahlte Freistellung während der Dauer der besuchten Veranstaltung und zum anderen einen Anspruch auf Übernahme der Kursgebühren sowie möglicherweise anfallender Reise- und Übernachtungskosten durch den Arbeitgeber.
Wo finden Sie mehr zum Thema Schwerbehindertenvertretung?
Weitere Informationen, die Sie im Zusammenhang mit dem Thema Schwerbehindertenvertretung interessieren könnten, finden Sie hier:
- Handbuch Arbeitsrecht: Anhörung des Betriebsrats
- Handbuch Arbeitsrecht: Behinderung, Menschen mit Behinderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat - Kündigungsschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsmitglied
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsmitglied - Versetzung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsschulung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen
- Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehinderung, schwerbehinderter Mensch
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
Kommentare unseres Anwaltsteams zu aktuellen Fragen rund um das Thema Schwerbehindertenvertretung finden Sie hier:
- Update Arbeitsrecht 13/2022 LAG Baden-Württemberg: Anspruch des Betriebsrats auf Mitteilung von Anzahl und Namen schwerbehinderter Arbeitnehmer
- Arbeitsrecht aktuell: 20/105a Unterstützung von Menschen mit Behinderung in der Corona-Krise
- Arbeitsrecht aktuell: 20/088 Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erst nach Gleichstellung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/305 Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Kündigungen
- Arbeitsrecht aktuell: 18/179 Unterrichtung des Arbeitnehmers über die Vertragsauflösung wegen Erwerbsminderungsrente
- Arbeitsrecht aktuell: 18/121 Erst Anhörung der Schwerbehindertenvertretung, dann Antrag beim Integrationsamt
- Arbeitsrecht aktuell: 16/291 Gesetzentwurf zum Bundesteilhabegesetz
- Arbeitsrecht aktuell: 16/140 Kein Präventionsverfahren in der Probezeit
- Arbeitsrecht aktuell: 16/101 Grenzen der Mitbestimmung beim BEM
- Arbeitsrecht aktuell: 15/339 Einstellung von Schwerbehinderten
- Arbeitsrecht aktuell: 15/038 Kein Anspruch auf Hinzuziehung eines Anwalts zu BEM-Gesprächen
- Arbeitsrecht aktuell: 14/328 Schwerbehinderung im Bewerbungsverfahren
- Arbeitsrecht aktuell: 13/264 Fortbildung für die Schwerbehindertenvertretung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/375 Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Aufhebungsvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 12/101 Datenschutz - Betriebsrat darf Arbeitszeiten erfahren
- Arbeitsrecht aktuell: 12/081 Diskriminierung wegen Behinderung bei der Bewerbung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/104 Rechte des Betriebsrats beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)
- Arbeitsrecht aktuell: 11/040 Diskriminierung wegen Behinderung bei Stellenausschreibung
- Arbeitsrecht aktuell: 10/074 Anforderungen an Betriebliches Eingliederungsmanagement
- Arbeitsrecht aktuell: 07/39 Kündigung wegen Krankheit und Eingliederungsmanagement
Letzte Überarbeitung: 1. Juli 2022
Was können wir für Sie tun?
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