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Fortbildung für die Schwerbehindertenvertretung
10.09.2013. Wie Betriebsratsmitglieder haben auch die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung einen gesetzlichen Anspruch auf Fortbildung.
Damit haben Schwerbehindertenvertreter aber auch ähnliche Probleme wie Betriebsräte, wenn es zum Streit mit dem Arbeitgeber über die Erforderlichkeit einer Fortbildungsmaßnahme kommt.
Denn der Arbeitgeber sitzt am Geldhebel. Verweigert er die Kostenübernahme zu einer geplanten Fortbildung, müssen die betroffenen Interessenvertretungen vor Gericht ziehen, um sich finanziell abzusichern.
In einer aktuellen Entscheidung hat das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) entschieden, dass auch zweite stellvertretende Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung einen Schulungsanspruch haben und diesen im Eilverfahren durchsetzen können: Hessisches LAG, Beschluss vom 04.04.2013, 16 TaBVGa 57/13.
- Wann können stellvertretende Vertrauenspersonen Fortbildungen besuchen und wie können sie ihren Fortbildungsanspruch durchsetzen?
- Der Streitfall: Zweites stellvertretendes Mitglied einer Schwerbehindertenvertretung möchte eine Grundlagenschulung besuchen
- LAG Frankfurt: Auch zweite stellvertretende Vertrauenspersonen haben einen Schulungsanspruch und können ihn im Eilverfahren durchsetzen
Wann können stellvertretende Vertrauenspersonen Fortbildungen besuchen und wie können sie ihren Fortbildungsanspruch durchsetzen?
Gemäß § 96 Abs.4 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) haben die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung einen Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit, "wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist". Das gilt gemäß § 96 Abs.4 Satz 3 SGB IX entsprechend für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen, wenn diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind.
Damit haben die Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Arbeitnehmer ähnlich wie Betriebsratsmitglieder einen gesetzlichen Anspruch auf Schulungen, nur dass dieser bei Betriebsratsmitgliedern aus § 37 Abs.6 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) folgt und bei Vertrauenspersonen aus § 96 Abs.4 Satz 3 SGB IX.
Der Anspruch auf bezahlte Freistellung zur Teilnahme an notwendigen Schulungsveranstaltungen gilt damit im Prinzip auch für Nachrücker, wenn diese regelmäßig an der Gremienarbeit teilnehmen.
§ 96 Abs.4 Satz 4 SGB IX enthält aber eine unklare Sonderregelung für Nachrücker. Danach kann das erste stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung Schulungen besuchen, und zwar dann, wenn die Fortbildung erforderlich ist
- wegen ständiger Heranziehung nach § 95 SGB IX, und/oder
- wegen häufiger Vertretung der Vertrauensperson für längere Zeit, und/oder
- wegen absehbaren Nachrückens in das Amt der Schwerbehindertenvertretung in kurzer Frist.
Andererseits kann die Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs.1 Satz 4 SGB IX in Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 200 schwerbehinderten Menschen nicht nur das erste stellvertretende Mitglied zur Gremienarbeit heranziehen, sondern auch das zweite stellvertretende Mitglied.
Daher könnte man meinen, dass auch die zweite stellvertretende Vertrauensperson ein Anrecht auf Schulungen hat. Das aber ergibt sich nicht eindeutig aus § 96 Abs.4 Satz 4 SGB IX, denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf das erste stellvertretende Mitglied. Ob auch das zweite stellvertretende Mitglied Fortbildung verlangen kann, ist nicht klar geregelt.
Außerdem fragt sich, ob der Schulungsanspruch von Vertrauenspersonen im gerichtlichen Eilverfahren durchgesetzt werden kann.
Der Streitfall: Zweites stellvertretendes Mitglied einer Schwerbehindertenvertretung möchte eine Grundlagenschulung besuchen
Im Streitfall wollte das zweite stellvertretende Mitglied einer Schwerbehindertenvertretung eine einwöchige Grundlagenschulung besuchen. Der Arbeitgeber, eine Universitätsklinik mit in der Regel mehr über 320 schwerbehinderten Menschen, lehnte den Antrag auf bezahlte Freistellung und Kostenübernahme ab.
Die Schwerbehindertenvertretung zog vor Gericht mit dem Ziel, den Arbeitgeber zur Freistellung des zweiten stellvertretenden Mitglieds und zur Kostenübernahme zu verpflichten, und zwar im Eilverfahren.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main wies den Antrag zurück, weil es der Ansicht war, die Schwerbehindertenvertretung hätte schon früher ein reguläres Feststellungsverfahren einleiten können (Beschluss vom 27.03.2013, 17 BVGa 117/13).
LAG Frankfurt: Auch zweite stellvertretende Vertrauenspersonen haben einen Schulungsanspruch und können ihn im Eilverfahren durchsetzen
Das LAG hob den Beschluss des Arbeitsgerichts auf und verpflichtete den Arbeitgeber dazu, das zweite stellvertretende Mitglied für die Dauer der streitigen Schulungsveranstaltung unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen.
Denn § 96 Abs.4 Satz 4 SGB IX regelt zwar ausdrücklich nur den Schulungsanspruch des ersten stellvertretenden Mitglieds, schließt aber einen Anspruch des zweiten stellvertretenden Mitglieds nicht aus, so das LAG. Und weil gemäß § 95 Abs.1 Satz 4 SGB IX in Betrieben mit über 200 schwerbehinderten Arbeitnehmern auch die zweiten stellvertretenden Mitglieder in die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung einbezogen werden können, steht ihnen auch eine Grundlagenschulung zu.
Außerdem kann die Freistellung für Schulungen auch im Eilverfahren durchgesetzt werden, so das LAG.
Denn im Hauptverfahren die Feststellung zu beantragen, dass bestimmte Schulungen beansprucht werden können, hat nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) keine Aussicht auf Erfolg. Hier verweist das LAG auf den Beschluss des BAG vom 12.01.2011, 7 ABR 94/09 (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 11/085 Rhetorik-Schulung für den Betriebsrat).
In dieser Entscheidung hatte das BAG gegen einen Betriebsrat entschieden, der allgemein festgestellt haben wollte, dass sein Vorsitzender Rhetorikschulungen eines bestimmten Schulungsveranstalters besuchen kann. Ohne Bezug zu einer konkreten Veranstaltung, so das BAG, lässt sich aber nicht feststellen, ob eine Schulung erforderlich ist, weil die Erforderlichkeit immer abhängig ist von Ort, Zeit, Kosten und Gegenstand einer konkreten Schulung.
Fazit: Betriebsräte und Schwerbehindertenvertretungen können Schulungsveranstaltungen praktisch gesehen nur als Leistungsantrag mit Bezug auf konkrete, in der Zukunft liegende Veranstaltungen durchsetzen. Denn ein Feststellungsverfahren ist nicht aussichtsreich, wie das BAG im Jahre 2011 entschieden hat.
Im regulären "Hauptsacheverfahren" scheitert ein Antrag auf Verpflichtung des Arbeitgebers zur bezahlten Freistellung und Kostenübernahme aber, wenn der Arbeitgeber auf Zeit spielt und Rechtsmittel einlegt. Denn dann haben sich die streitigen Schulungen meist schon durch Zeitablauf erledigt, bevor die gerichtliche Entscheidung rechtskräftig wird.
Daher bleiben letztlich nur Eilanträge, die in der Vergangenheit aber von vielen Gerichten ebenfalls zurückgewiesen wurden. Umso wichtiger ist der hier ergangene Beschluss des Hessischen LAG, auf den sich nicht nur Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten, sondern auch Betriebsräte berufen können.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 04.04.2013, 16 TaBVGa 57/13
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 12.01.2011, 7 ABR 94/09
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsmitglied
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsschulung
- Handbuch Arbeitsrecht: Fortbildung
- Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehinderung, schwerbehinderter Mennsch
- Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehindertenvertretung
- Arbeitsrecht aktuell: 20/088 Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erst nach Gleichstellung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/305 Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Kündigungen
- Arbeitsrecht aktuell: 18/121 Erst Anhörung der Schwerbehindertenvertretung, dann Antrag beim Integrationsamt
- Arbeitsrecht aktuell: 16/291 Gesetzentwurf zum Bundesteilhabegesetz
- Arbeitsrecht aktuell: 11/153 Betriebsratsschulung auf englisch
- Arbeitsrecht aktuell: 11/085 Rhetorik-Schulung für den Betriebsrat
- Arbeitsrecht aktuell: 09/214 Betriebsrat hat Anspruch auf Rethorikschulung
- Arbeitsrecht aktuell: 09/167 Betriebsrat: Grundlagenschulung zur Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten ist erforderlich.
- Arbeitsrecht aktuell: 09/079 Zeitpunkt der Erforderlichkeit einer Betriebsratsschulung
Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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