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Hessisches LAG, Urteil vom 04.04.2013, 16 TaBVGa 57/13
Schlagworte: | Fortbildung, Schwerbehindertenvertretung | |
Gericht: | Hessisches Landesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 16 TaBVGa 57/13 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 04.04.2013 | |
Leitsätze: | 1. Auf die Freistellung für Schulungen von Schwerbehindertenvertretern nach § 96 Abs. 4 SGB IX gerichtete einstweilige Verfügungen sind zulässig, weil gemäß §§ 85 Abs. 2 ArbGG , 935 , 940 ZPO auch im Beschlussverfahren dem Verfassungsgebot eines effektiven Rechtsschutzes mit der Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung Rechnung zu tragen ist. 2. Eine Auslegung von § 96 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 i.V.m. § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ergibt, dass auch das mit der zweithöchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung einen Schulungsanspruch hat, wenn es zur Wahrnehmung von Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung ständig herangezogen ist. 3. Soweit es um eine Grundschulung geht, die das mit der zweithöchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung erst in die Lage versetzen soll, die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen, sind an die Darlegung der Erforderlichkeit der Kenntnisse keine weiteren Anforderungen zu stellen. |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 27.03.2013, 17 BVGa 117/13 | |
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragsstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27.März 2013 – 17 BVGa 117/13 – abgeändert:
Die Beteiligte zu 2. wird verpflichtet die Beteiligte zu 3. für die Schulungsveranstaltung „XY – SBV II“ in der Zeit vom 08.04.2013 bis 12.04.2013 in M, veranstaltet durch den Schulungsträger V unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht freizustellen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in dem einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob der Arbeitgeber das mit der zweithöchsten Stimmenzahl gewählte weitere stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung für die Teilnahme an einer Grundschulung unter Fortzahlung der Vergütung freistellen muss.
Arbeitgeber ist eine Universitätsklinik, bei der in der Regel mehr als 200 (im Jahresdurchschnitt 2012 genau 320) schwerbehinderte Menschen beschäftigt sind. Zum Vertrauensmann der Schwerbehinderten wurde K, zur 1. Stellvertreterin O und zur 2. Stellvertreterin die Beteiligte zu 3 gewählt.
Nach der durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachten Behauptung der Schwerbehindertenvertretung (Antragsteller) wurden der Beteiligten zu 3 folgende Aufgaben übertragen:
-Teilnahme an BEM-Gesprächen,
-im Rahmen von Bewerbungsverfahren,
-Beratungen für schwerbehinderte Mitarbeiter.
-Ständige Hinzuziehung zur Teilnahme an der Arbeitsgruppe des Personalrats der Uniklinik zum Thema Vermietung von Zimmern und Wohnungen für die Beschäftigten der Anstalt öffentlichen Rechts und der Töchter. Dabei handelt es sich größtenteils um im Eigentum der Uniklinik stehende Personalunterkünfte, welche an die Beschäftigten weiter vermietet werden. Diese Treffen finden regelmäßig alle 1-3 Wochen statt.
-Zu Terminen, wenn der Vertrauensmann und seine 1. Stellvertreterin zeitgleich Termine der Schwerbehindertenvertretung wahrzunehmen haben bzw. Aufgaben aus ihrem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen haben,
-Beratung für die Schwerbehindertenvertretung in Fällen längerer Abwesenheit des Vertrauensmann oder der 1. Stellvertreterin,
-Beratung der fast 400 schwerbehinderten Mitarbeiter bei Maßnahmen zur Sicherung des Arbeitsplatzes,
-Heranziehung zur Beratung der Beschäftigten mit Handicap bei Fragen zu deren Situation am Arbeitsplatz,
-Heranziehung zur Umsetzung der Integrationsvereinbarung.
Im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht hat der Vertrauensmann seine eidesstattliche Versicherung dahingehend präzisiert, dass der Bet. zu 3 nach Durchführung der Schulung noch als ständige Aufgabe die Beratung der fast 400 schwerbehinderten Mitarbeiter bei Maßnahmen zur Sicherung des Arbeitsplatzes, die Beratung der Beschäftigten mit Handicap bei Fragen zu deren Situation am Arbeitsplatz und bei der Umsetzung der Integrationsvereinbarung übertragen werden sollen.
Die Beteiligte zu 3 nahm im Februar 2011 bereits an dem 1. Baustein der Grundschulung „XY I“ teil. Sie beabsichtigte dann in der Zeit vom 25. bis 30. September 2011 an der (Folge-) Grundschulung XY II teilzunehmen und erwirkte insoweit, nachdem der Arbeitgeber der Schulungsteilnahme widersprach, im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main (24 BVGa 775/11) die Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung zu dieser Veranstaltung. Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitgeber Beschwerde ein. Zu einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kam es nicht, da die Beteiligte zu 3 wegen Krankheit an der Schulungsveranstaltung nicht teilnehmen konnte.
Nach ihrer Wiedergenesung begehrt die Schwerbehindertenvertretung die Freistellung der Beteiligten zu 3 unter Fortzahlung der Vergütung zu der Schulungsveranstaltung „XY- SBV II“ in der Zeit vom 8. April 2013 bis 12. April 2013 in M, veranstaltet durch den Schulungsträger V. Seminarinhalte sind:
-Situation schwerbehinderter Menschen in der Arbeitswelt,
-Maßnahmen zur Sicherung des Arbeitsplatzes,
-Beschäftigungs- und Prüfpflicht des Arbeitgebers,
-behindertengerechte Arbeitsplatzgestaltung, Maßnahmen, Hilfen und Leistungen,
-vom Einzelfallmanagement zur Integrationsvereinbarung.
Die Seminargebühren betragen 710 € zuzüglich Mehrwertsteuer. Hinzu kommen die Kosten der Tagungsstätte von ca. 483 € inklusive Mehrwertsteuer.
Der Veranstalter bietet ein inhaltsgleiches Seminar neunmal jährlich an, u.a. im näher gelegenen G
(Hessen).
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 lehnte der Arbeitgeber die Genehmigung und Finanzierung von Schulungsmaßnahmen für die Beteiligte zu 3 ab.
Mit ihrem am 18. Februar 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Schwerbehindertenvertretung die Freistellung der Beteiligten zu 3 unter Fortzahlung der Vergütung für die Schulungsveranstaltung gerichtlich geltend gemacht.
Die Schwerbehindertenvertretung hat die Auffassung vertreten, die im einstweiligen Verfügungsverfahren erforderliche Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass es ihr nicht zuzumuten sei, wenn die Beteiligte zu 3 erst nach Durchführung eines Monate dauernden Hauptsacheverfahrens die Schulung besuchen könnte. Damit werde eine Amtsausübung und die Wahrnehmung der Aufgaben, zu denen die Beteiligte zu 3 herangezogen werde, für einen nicht unwesentlichen Zeitraum verhindert. Der Eilbedürftigkeit stehe nicht entgegen, dass es einer eine Zustimmungs- oder Freistellungserklärung des Arbeitgebers nicht bedürfe. Denn die Beteiligte zu 3 würde sonst Gefahr laufen, für die Dauer der Schulung keine Vergütung zu erhalten. Auch ein Verfügungsanspruch sei gegeben. Die Teilnahme an dem 2. Teil des Grundlagenseminars sei zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich. Schließlich stehe § 96 Abs. 4 S. 4 SGB IX , der die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied vorsehe, nicht entgegen. Dies ergebe sich daraus, dass § 95 Abs. 1 S. 4 SGB IX eine Heranziehung des 2. Stellvertreters in Betrieben und Dienststellen mit mehr als 200 schwerbehinderten Menschen gewährleiste. Eine derartige Heranziehung setze jedoch voraus, dass das betreffende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung über die erforderlichen Grundkenntnisse verfüge.
Der Arbeitgeber hat bestritten, dass und in welchem Umfang Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung auf die Beteiligte zu 3 delegiert worden. Hinsichtlich der 2. Stellvertreterin der Schwerbehindertenvertretung bestehe kein Schulungsanspruch, was sich aus § 96 Abs. 4 S. 4 SGB IX eindeutig ergebe. Es werde bestritten, dass die Beteiligte zu 3 ständig i.S.d. § 95 Abs. 1 S. 4 SGB IX herangezogen werde. Dem Arbeitgeber dürfe nicht grenzenlos in Bezug auf Dienstbefreiung und die Übernahme von Kosten hinsichtlich der Teilnahme an Schulungsveranstaltungen belastet werden.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I der Gründe verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Es fehle bereits am Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Zwischen den Beteiligten sei bereits seit 2011 streitig gewesen, ob ein Schulungsanspruch für die 2. Stellvertreterin der Schwerbehindertenvertretung bestehe. Die Schwerbehindertenvertretung hätte daher losgelöst von einem konkreten Ausgangsfall eine gerichtliche Klärung des streitigen Rechtsverhältnisses suchen müssen. Da sie dies nicht getan habe, sondern bis zum nächsten konkreten Anlass abwartete, um dann wiederum einstweiligen Rechtschutz zu begehren, habe sie die Eilbedürftigkeit selbst herbeigeführt, wodurch der Verfügungsgrund entfallen sei. Unabhängig hiervon habe die Schwerbehindertenvertretung nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen des § 96 Abs. 4 S. 4 SGB IX erfüllt sind. Schon nach ihrem eigenen Vortrag werde die Beteiligte zu 3 dauerhaft nur zur Teilnahme an der Arbeitsgruppe des Personalrats zur Vermietung von Personalunterkünften herangezogen. Die weiteren Aufgaben übernehme sie nur teilweise und sporadisch.
Dieser Beschluss wurde den Beteiligten am 2. April 2013 per Telefax und am 3. April 2013 mit Empfangsbekenntnis zugestellt. Die Schwerbehindertenvertretung hat dagegen mit einem am 28. März 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.
Die Schwerbehindertenvertretung ist der Ansicht, die Durchführung eines Feststellungsverfahrens über eine Schulungsberechtigung der Beteiligten zu 3 sei nicht erforderlich gewesen, da die 24. Kammer des Arbeitsgerichts den Schulungsanspruch bereits bejaht habe. Im Übrigen würde ein feststellendes Hauptsacheverfahren den Schulungsanspruch der Beteiligten zu 3 und deren Tätigkeit im Rahmen der Heranziehung durch die Schwerbehindertenvertretung aushebeln, da bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zum einen die Wahlperiode abgelaufen sei und zum anderen auf unbestimmte Zeit die Wahrnehmung der Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung durch die Beteiligte zu 3 ausgeschlossen wäre. Auch ein Verfügungsanspruch bestehe. Dieser ergebe sich aus § 96 Abs. 4 S. 4 i.V.m. § 95 Abs. 1 S. 4 SGB IX . Die Wahrnehmung von Aufgaben durch die 2. Stellvertreterin der Schwerbehindertenvertretung erfordere eine vorherige Schulung. Die Schwerbehindertenvertretung habe der Beteiligten zu 3 hier auch konkrete Aufgaben zugewiesen.
Die Schwerbehindertenvertretung beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. März 2013-17 BVGa 117/13-abzuändern und den Arbeitgeber zu verpflichten, die Beteiligte zu 3, Frau E, für die Schulungsveranstaltung „XY-SBV II“ in der Zeit vom 8. April 2013 bis einschließlich 12. April 2013 in M, veranstaltet durch den Schulungsträger V, unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht freizustellen.
Der Arbeitgeber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber ist der Auffassung, aus dem klaren Gesetzeswortlaut von § 96 Abs. 4 S. 4 SGB IX ergebe sich, dass dem 2. stellvertretenden Mitglied der Schwerbehindertenvertretung kein Anspruch auf Teilnahme an Bildungs- und Schulungsveranstaltungen zustehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokoll Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist statthaft, § 84 Abs. 1 ArbGG , und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1 , § 66 Abs. 1 S. 1 , § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG.
2. Die Beschwerde ist begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Schwerbehindertenvertretung zu Unrecht zurückgewiesen.
a) Der erforderliche Verfügungsgrund liegt vor, § 85 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 935 , 940 ZPO.
Auf die Freistellung für Schulungen von Schwerbehindertenvertretern nach § 96 Abs. 4 SGB IX gerichtete einstweilige Verfügungen sind zulässig, weil gemäß §§ 85 Abs. 2 ArbGG , 935 , 940 ZPO auch im Beschlussverfahren dem Verfassungsgebot eines effektiven Rechtsschutzes mit der Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung Rechnung zu tragen ist. Eine Befriedigungsverfügung ist trotz ihrer nicht nur sichernden, sondern befriedigenden Wirkung und der damit verbundenen Vorwegnahme der Entscheidung im Hauptsacheverfahren ausnahmsweise zulässig, wenn sie zur Erfüllung des rechtsstaatlichen Justizgewährungsanspruchs auf effektiven Rechtsschutz erforderlich ist. Entscheidend für die Zulässigkeit einer Befriedigungsverfügung ist in den Fällen der Dringlichkeit wegen der Gefahr eines irreversiblen Rechtsverlust eine Abwägung der Interessen der Beteiligten im jeweils gegebenen Einzelfall ( Hess. LAG 14. Januar 2010-9 TaBVGa 229/09 -Behindertenrecht 2011,26; Rn. 6). Das Interesse der Schwerbehindertenvertretung an einer Befriedigungsverfügung ist darin zu sehen, dass die Schulung zeitnah und nicht erst nach Durchführung eines Hauptsacheverfahrens in vielleicht 12 oder 18 Monaten stattfindet. Das zur Schulung entsandte Mitglied läuft Gefahr für die Dauer der Schulung keine Vergütung zu erhalten und die Kosten für Unterbringung und Fahrt selbst tragen zu müssen. Demgegenüber liegt das Interesse des Arbeitgebers darin, dass nicht im Eilverfahren ohne hinreichend sichere Feststellung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Schulung endgültige und irreparable Zustände geschaffen werden. Diesem Interesse lässt sich beispielsweise dadurch Rechnung tragen, dass der Arbeitgeber im Rahmen eines Anhörungstermins ausreichend Gelegenheit erhält, seinen Standpunkt darzustellen. Ferner hat die Schwerbehindertenvertretung ihre tatsächlichen Behauptungen durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft zu machen. Im Hinblick auf die bereits am 8. April 2013 beginnende Schulungsveranstaltung ist die Entscheidung eilbedürftig. Dem steht nicht entgegen, dass von demselben Veranstalter mehrmals jährlich an verschiedenen Orten inhaltsgleiche Schulungsveranstaltungen angeboten werden. Wenn bereits damit die Eilbedürftigkeit verneint werden könnte, ließe sich bei jeder Schulungsveranstaltung einwenden, der Teilnehmer möge doch an der nächsten Veranstaltung teilnehmen. So würde der Schulungsanspruch letztlich vereitelt.
Die Eilbedürftigkeit lässt sich entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht deshalb verneinen, weil der Streit darüber, ob das 2. stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung einen Schulungsanspruch hat, zwischen den Beteiligten bereits seit 2011 bestand, ohne dass die Schwerbehindertenvertretung losgelöst vom konkreten Fall eine gerichtliche Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren angestrebt hätte. Ein derartiger Antrag wäre unzulässig gewesen. Auch im Beschlussverfahren muss der Antrag hinreichend bestimmt sein, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO , § 46 Abs. 2 , § 80 Abs. 2 ArbGG . Ohne Konkretisierung von Zeitpunkt und Ort der Schulung kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Antrag begründet ist. Zeitpunkt und Ort der Schulung sind vielmehr neben ihrem Inhalt für die Frage von Bedeutung, ob das Gremium die Schulung für erforderlich halten darf ( Bundesarbeitsgericht 12. Januar 2011-7 ABR 94/09 -NZA 2011,813, Rn. 17).
Diesen zwingenden Anforderungen an die Bestimmtheit genügt ein Antrag, der sich darauf beschränkt, die Berechtigung des 2. stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung zur Teilnahme an Schulungen festzustellen, nicht.
b) Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 96 Abs. 4 S. 4 Nr. 1 i.V.m. § 95 Abs. 1 S. 4 SGB IX.
Dies ergibt eine Auslegung dieser Vorschriften. § 96 Abs. 4 S. 4 SGB IX gilt nach seinem Wortlaut für das mit der höchsten Stimmenzahl gewählten stellvertretende Mitglied. Dies schließt eine Anwendung der Norm auf das mit der zweithöchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied nicht ausdrücklich aus. Die entgegenstehende Auffassung von Hohmann (in: Wiegand, SGB IX, § 96 Rn. 189), der meint § 96 Abs. 4 S. 4 SGB IX beschränke den Anspruch ausdrücklich auf das stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung mit der höchsten Stimmenzahl, trifft nicht zu. Die Vorschrift nennt zwar ausdrücklich nur das stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung mit der höchsten Stimmenzahl. Einen Ausschluss des Anspruchs auf Schulungsteilnahme für das weitere stellvertretende Mitglied mit der nächsthöchsten Stimmenzahl im Sinne von § 95 Abs. 1 S. 4 Halbs. 2 SGB IX enthält § 96 Abs. 4 S. 4 jedoch nicht.
Vielmehr spricht der systematische Zusammenhang zu § 95 Abs. 1 S. 4 SGB IX , der sich aus der Verweisung in § 96 Abs. 4 S. 4 Nr. 1 SGB IX ergibt, dafür dass auch dem mit der nächsthöchsten Stimmenzahl gewählten weiteren stellvertretenden Mitglied ein Anspruch auf Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen zusteht, wenn es zu bestimmten Aufgaben herangezogen wird.
Entscheidend ergibt sich dies aus dem Sinn und Zweck der Norm. Die Heranziehung des mit der nächsthöchsten Stimmenzahl gewählten weiteren stellvertretenden Mitglieds nach § 95 Abs. 1 S. 4 SGB IX kann nur dann erfolgreich im Sinne einer Wahrnehmung der Interessen der Schwerbehinderten sein, wenn auch dieses Mitglied zuvor entsprechend geschult wurde. Ohne die erforderlichen Grundkenntnisse ist die Übernahme von Aufgaben einer Schwerbehindertenvertretung nicht möglich. Wenn daher § 95 Abs. 1 S. 4 SGB IX die Heranziehung des mit der nächsthöchsten Stimmenzahl gewählten weiteren Stellvertretendenmitglieds vorsieht, muss dieses einen Anspruch auf Schulungsteilnahme haben (ähnlich:Neumann/Pahlen/Majerski, SGB IX, 12. Aufl., § 96 Rn. 14 am Ende). Die Beschwerdekammer folgt damit der zutreffenden Rechtsprechung der 24. Kammer des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. September 2011-24 BVGa 775/11.
Die bei dem Arbeitgeber gebildete Schwerbehindertenvertretung, die mehr als 200 schwerbehinderte Menschen repräsentiert, hat das mit der nächsthöchsten Stimmenzahl gewählte weitere stellvertretende Mitglied nach § 95 SGB IX ständig herangezogen. Dies ist durch die eidesstattliche Versicherung des Schwerbehindertenvertreters glaubhaft gemacht. Danach wurden der Beteiligten zu 3 unter anderem die Teilnahme an BEM (betriebliches Eingliederungsmanagement)-Gesprächen sowie Aufgaben im Rahmen von Bewerbungsverfahren und Beratungen für schwerbehinderte Mitarbeiter übertragen. Im Rahmen der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht hat der Schwerbehindertenvertrauensmann klargestellt, dass die Arbeit derart aufgeteilt ist, dass er, der hauptberuflich im Verwaltungsbereich arbeitet, Gespräche führt, die Mitarbeiter in der Verwaltung betreffen, die 1. Stellvertreterin, die hauptberuflich Krankenschwester ist, Gespräche führt, die Mitarbeiter aus diesem Bereich betreffen und die 2. Stellvertreterin, die med.-technische Assistentin ist, Gespräche führt, die Arbeitnehmer aus diesem Bereich betreffen. Die Beschwerdekammer hält dies für eine sachgerechte Aufteilung. Hierdurch ist sichergestellt, dass das betreffende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung eine eigene Kenntnis der spezifischen Belastungen an dem Arbeitsplatz, auf dem die betreffende Person beschäftigt wird, hat. Ob bzw. in welchem Umfang die 2. Stellvertreterin in der Vergangenheit tatsächlich Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung wahrgenommen hat, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist es nicht zu beanstanden, wenn mit der Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben so lange zugewartet wird, bis die erforderlichen Grundschulungen von ihr besucht wurden.
Da es hier um eine Grundschulung geht, die die 2. Stellvertreterin erst in die Lage versetzen soll, die ihr übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen, sind an die Darlegung der Erforderlichkeit der Kenntnisse keine weiteren Anforderungen zu stellen (vgl. für Betriebsratsschulungen: Bundesarbeitsgericht 12. Januar 2011-7 ABR 94/09 -NZA 2011,813, Rn. 19).
Der Erforderlichkeit der Teilnahme an der Schulungsmaßnahme steht nicht entgegen, dass derselbe Veranstalter eine inhaltsgleiche Veranstaltung auch in G (Hessen) anbietet, während sich die Schwerbehindertenvertretung hier für eine Veranstaltung in M (Baden-Württemberg) entschieden hat. Wie weit diese beiden Orte von Frankfurt am Main entfernt liegen, wird von den Beteiligten nicht vorgetragen. Es ist daher nicht erkennbar, um wieviel höhere Fahrtkosten nach M im Vergleich zu G anfallen. Letztlich misst die Beschwerdekammer diesem Aspekt im Hinblick auf die entstehenden Gesamtkosten (Teilnehmergebühr, Unterbringung sowie Fortzahlung der Vergütung) keine entscheidende Bedeutung zu.
III.
Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft, § 92 Abs. 1 S. 3 ArbGG .
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