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Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Kündigungen
17.12.2018. Möchte der Arbeitgeber einen schwerbehinderten Arbeitnehmer kündigen, braucht er dafür die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes zu der Kündigung (falls der Arbeitnehmer bereits länger als sechs Monate beschäftigt ist). Darüber hinaus muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung die Schwerbehindertenvertretung anhören.
Ob er dabei zuerst die Schwerbehindertenvertretung anhören muss oder ob er auch zuerst die Zustimmung des Integrationsamtes beantragen kann, ist gesetzlich nicht geregelt. In Rechtsprechung und juristischer Literatur war dazu in den letzten zwei Jahren beinahe einstimmig die Meinung zu lesen, dass die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung am Anfang stehen sollte. In dieser Weise hat z.B. das Arbeitsgericht Hagen Stellung bezogen (Urteil vom 06.03.2018, 5 Ca 1902/17 , wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 18/121 Erst Anhörung der Schwerbehindertenvertretung, dann Antrag beim Integrationsamt).
Am Donnerstag letzter Woche hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese Frage andersherum entschieden: BAG, Urteil vom 13.12.2018, 2 AZR 378/18 (Pressemeldung des Gerichts).
- Muss der Arbeitgeber vor der Kündigung eines Schwerbehinderten zuerst die Schwerbehindertenvertretung anhören oder kann er zunächst einmal die Zustimmung des Integrationsamtes beantragen?
- Der Leipziger Streitfall: Arbeitgeber beantragt am 16.12.2016 die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung und informiert erst nach der Zustimmung Mitte März 2017 die SBV
- BAG: Die Schwerbehindertenvertretung muss nicht unbedingt vor dem Verfahren beim Integrationsamt zu der Kündigung eines Schwerbehinderten angehört werden
Muss der Arbeitgeber vor der Kündigung eines Schwerbehinderten zuerst die Schwerbehindertenvertretung anhören oder kann er zunächst einmal die Zustimmung des Integrationsamtes beantragen?
Bereits vor dem 30.12.2016 musste der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung (SBV) vor der geplanten Kündigung eines schwerbehinderten Menschen "unverzüglich und umfassend" informieren und anhören, denn so war es bereits in § 95 Abs.2 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) alte Fassung (a.F.) geregelt.
Geändert hat sich ab dem 30.12.2016, dass eine Kündigung, die der Arbeitgeber ohne diese Vorab-Beteiligung der SBV ausspricht, unwirksam ist (§ 95 Abs.2 Satz 3 SGB IX in der vom 30.12.2016 bis 31.12.2017 geltenden Fassung). Diese Regelung ist seit dem 01.01.2018 in § 178 Abs.2 Satz 3 SGB IX enthalten.
Fraglich ist, ob aus der vom Gesetz geforderten "Unverzüglichkeit" der Beteiligung der SBV, d.h. aus § 95 Abs.2 Satz 1 SGB IX a.F. bzw. aus § 178 Abs.2 Satz 1 SGB IX (aktuelle Gesetzesfassung) der Schluss gezogen werden kann, dass der Arbeitgeber immer schon vor dem Antrag beim Integrationsamt auf Zustimmung zur Kündigung (§ 168 SGB IX) die SBV anhören muss, da die Anhörung ja sonst nicht "unverzüglich" wäre. Dafür spricht, dass es in § 178 Abs.2 Satz 3 SGB IX klipp und klar heißt (vom 31.12.2016 bis zum 31.12.2017 stand das in § 95 Abs.2 Satz 3 SGB IX a.F.):
"Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam."
Da ein Hinausschieben der Anhörung der SBV bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Integrationsamt die Zustimmung zu Kündigung bereits erteilt hat (was normalerweise einige Wochen ab Antragstellung dauert), nicht mehr "unverzüglich" ist, kann man argumentieren, dass ein solches Vorgehen des Arbeitgebers die Unwirksamkeit der Kündigung nach sich ziehen muss. So jedenfalls hat das Arbeitsgericht Hagen im März 2018 entschieden (Urteil vom 06.03.2018, 5 Ca 1902/17, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 18/121 Erst Anhörung der Schwerbehindertenvertretung, dann Antrag beim Integrationsamt), und so sehen es viele juristische Autoren.
Anderer Ansicht ist allerdings nunmehr das BAG.
Der Leipziger Streitfall: Arbeitgeber beantragt am 16.12.2016 die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung und informiert erst nach der Zustimmung Mitte März 2017 die SBV
In dem Sächsischen Streitfall ging es um eine 1962 geborene Arbeitnehmerin, die seit 1981 bei demselben Arbeitgeber als Sekretärin tätig war. Sie ist behindert mit einem Grad der Behinderung von 40 und seit Juli 2016 durch Bescheid der Arbeitsagentur einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Am 16.12.2016 (und damit zwei Wochen vor Inkrafttreten von § 95 Abs.2 Satz 3 SGB IX a.F.) beantragte der Arbeitgeber bei dem in Sachsen dafür zuständigen Kommunalen Sozialverband die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung, die mit Bescheid vom 20.02.2017 erteilt wurde. Daraufhin hörte der Arbeitgeber Anfang März erst den Betriebsrat zu der geplanten Kündigung an und schließlich auch die SBV, diese allerdings erst mit Schreiben vom 15.03.2017. Am 24.03.2017 sprach der Arbeitgeber schlussendlich die geplante Kündigung zum 30.09.2017 aus.
Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage und hatte damit vor dem Arbeitsgericht Leipzig (Urteil vom 17.08.2017, 8 Ca 1122/17) und in der Berufung vor dem Sächsischen Landesarbeitsgericht (LAG) Erfolg (Urteil vom 08.06.2018, 5 Sa 458/17). Beide Gerichte meinten, der Arbeitgeber hätte die SBV nicht "unverzüglich" angehört, weshalb die Kündigung unwirksam sei.
Eine verbotene Gesetzesrückwirkung zulasten des Arbeitgebers lag hier nicht vor, so das Arbeitsgericht und das LAG, da die Neuregelung einen noch laufenden bzw. nicht abgeschlossenen Sachverhalt betraf. Daher hatte der Arbeitgeber noch nach Inkrafttreten der Neuregelung (am 30.12.2016) genügend Gelegenheit, nunmehr "unverzüglich" die SBV zu informieren, um so die Unwirksamkeit seiner Kündigung zu vermeiden. Das tat er aber nicht, sondern ließ sich mit der Anhörung der SBV bis zum 15.03.2017 Zeit.
BAG: Die Schwerbehindertenvertretung muss nicht unbedingt vor dem Verfahren beim Integrationsamt zu der Kündigung eines Schwerbehinderten angehört werden
Das BAG hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies den Rechtsstreit zurück zum LAG, das den Fall jetzt noch einmal prüfen muss. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ist nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung entgegen § 178 Abs.2 Satz 1 SGB IX (bis 31.12.2017 § 95 Abs.2 Satz 1 SGB IX a.F.) nicht "unverzüglich" über seine Kündigungsabsicht unterrichtet hat. Vielmehr richten sich sowohl der Inhalt der Anhörung als auch die Dauer der Frist für eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung nach den Grundsätzen, die für die Anhörung des Betriebsrats auf der Grundlage von § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gelten, so das BAG. Damit sind drei rechtliche Fragen beantwortet:
Erstens: Der Arbeitgeber hat die Wahl, ob er zuerst die Schwerbehindertenvertretung anhört oder zuerst einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt stellt. Jedenfalls führt die nachträgliche (= nicht "unverzügliche") Anhörung der SBV nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Hier besteht künftig kein Unterschied zwischen der Anhörung des Betriebsrats und der SBV, denn der Arbeitgeber hat (unstreitig) die rechtliche Möglichkeit, den Betriebsrat erst nach der Zustimmung des Integrationsamtes zu der geplanten Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers anzuhören. Diese Reihenfolge können Arbeitgeber künftig auch bei der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung einhalten.
Zweitens: Der Arbeitgeber muss die Schwerbehindertenvertretung im Rahmen der Anhörung ebenso genau informieren wie den Betriebsrat. An dieser Stelle enthält die vom BAG gezogene Parallele zur Anhörung des Betriebsrats eine gute Nachricht für die Schwerbehindertenvertretung. Denn wenn sich der Arbeitgeber bei dem "Inhalt der Anhörung" künftig ebenso große Mühe geben muss wie bei der Betriebsratsanhörung, muss er bei der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung genauer arbeiten als das derzeit von einigen juristischen Autoren angenommen wird.
Drittens: Die Schwerbehindertenvertretung hat künftig ebenso lange Zeit wie der Betriebsrat, um zu einer Information über eine geplante Kündigung Stellung zu nehmen. Konkret sind das sieben Tage bei einer vom Arbeitgeber geplanten ordentlichen Kündigung (§ 102 Abs.2 Satz 1 und 2 BetrVG) und drei Tage bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung (§ 102 Abs.2 Satz 3 BetrVG).
Fazit: Das BAG-Urteil war auf der Grundlage der Gesetzesfassung und der bislang vorherrschenden Auslegung nicht zu erwarten. Da das BAG in seiner Pressemeldung selbst davon spricht, dass ein Handeln des Arbeitgebers "entgegen" der gesetzlichen Pflicht zur unverzüglichen Information der SBV nicht die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat, kann man auf die Urteilsgründe gespannt sein.
Positiv ist aber jedenfalls zu bewerten, dass das BAG die drei o.g., bislang offenen Rechtsfragen geklärt und die Rechtslage beim Thema Anhörung der Schwerbehindertenvertretung durch die Parallele zur Betriebsratsanhörung vereinfacht hat. Das dient der Rechtssicherheit und ist, was den Inhalt der Anhörung angeht, auch aus Sicht der Schwerbehindertenvertretung positiv zu bewerten.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2018, 2 AZR 378/18 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2018, 2 AZR 378/18
- Arbeitsgericht Hagen, Urteil vom 06.03.2018, 5 Ca 1902/17
- Handbuch Arbeitsrecht: Anhörung des Betriebsrats
- Handbuch Arbeitsrecht: Behinderung, Menschen mit Behinderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen
- Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehinderung, schwerbehinderter Mensch
- Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehindertenvertretung
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
- Tipps und Tricks: Kündigung durch den Arbeitgeber - Checkliste
- Arbeitsrecht aktuell: 20/105a Unterstützung von Menschen mit Behinderung in der Corona-Krise
- Arbeitsrecht aktuell: 20/088 Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erst nach Gleichstellung
- Arbeitsrecht aktuell: 19/197 Interner Arbeitsmarkt statt Kündigungsschutz?
- Arbeitsrecht aktuell: 19/120 Kündigungsschutz Schwerbehinderter bei Massenentlassungen
- Arbeitsrecht aktuell: 18/121 Erst Anhörung der Schwerbehindertenvertretung, dann Antrag beim Integrationsamt
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- Arbeitsrecht aktuell: 16/140 Kein Präventionsverfahren in der Probezeit
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- Arbeitsrecht aktuell: 15/038 Kein Anspruch auf Hinzuziehung eines Anwalts zu BEM-Gesprächen
- Arbeitsrecht aktuell: 13/264 Fortbildung für die Schwerbehindertenvertretung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/375 Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Aufhebungsvertrag
Hinweis: Nach Erstellung dieses Beitrags hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 7. September 2021
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