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Interner Arbeitsmarkt statt Kündigungsschutz?
26.08.2019. In den meisten Großunternehmen gibt es interne Arbeitsmärkte, d.h. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben die Möglichkeit, sich intern auf freie Stellen im Unternehmen oder im Konzern zu „bewerben“.
Typischerweise sind die Auswahlkriterien und Bewerbungsabläufe durch Betriebsvereinbarungen oder Firmentarifverträge geregelt, so dass die Arbeitnehmervertretungen Mitverantwortung für die Ausgestaltung der internen Arbeitsmärkte tragen.
In einem aktuellen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass Überhangkräften, die nach den Planungen des Unternehmens betriebsbedingt entlassen werden müssten, der gesetzliche Kündigungsschutz nicht unter Berufung darauf entzogen werden kann, dass sie sich vor Ausspruch der Kündigung längere Zeit erfolglos intern beworben haben: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.06.2019, 2 AZR 50/19.
- Wie sind Beschäftigungsmöglichkeiten für unkündbare Arbeitnehmer zu ermitteln, um eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden?
- Streit wegen der Zusammenlegung von Funktionen bei der Lufthansa - Lufthansa Global Business Service (LGBS)
- BAG: Arbeitgeber können die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung von Überhangkräften nicht damit begründen, dass diese bei internen „Stellenbewerbungen“ keinen Erfolg hatten
Wie sind Beschäftigungsmöglichkeiten für unkündbare Arbeitnehmer zu ermitteln, um eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden?
Arbeitnehmer, die gemäß Tarif- oder Arbeitsvertrag ordentlich unkündbar sind, können nur aus wichtigem Grunde auf der Grundlage von § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gekündigt werden. In der Regel handelt es sich bei solchen außerordentlichen Kündigungen um verhaltensbedingte und fristlos ausgesprochene Kündigungen, aber auch außerordentliche Kündigungen unkündbarer Mitarbeiter aus betrieblichen Gründen sind im Prinzip möglich. Sie kommen in der Praxis vor allem bei Betriebsschließungen vor.
Ein solches Vorgehen setzt voraus, dass der Arbeitgeber zuvor große Anstrengungen unternommen hat, um die betriebsbedingte außerordentliche Kündigung zu vermeiden. Denn andernfalls würde den betroffenen Arbeitnehmern der besondere Kündigungsschutz genommen, der sich aus ihrer ordentlichen Unkündbarkeit ergibt. Dieser Kündigungsschutz ist substantiell stärker als der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen, den Arbeitnehmer bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) auf der Grundlage von § 1 KSchG genießen.
Daher müssen Arbeitgeber, bevor sie einen unkündbaren Arbeitnehmer außerordentlich betriebsbedingt kündigen, alle Möglichkeiten einer anderweitigen Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen ausschließen. Dabei sind auch Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen, für die der Arbeitnehmer zuvor Fortbildungen oder Umschulungen durchlaufen müsste. Auch Änderungen des Arbeitsvertrags sind eine Option, ebenso wie der Einsatz in einem anderen Betrieb und/oder in einer anderen Stadt, d.h. der Arbeitgeber muss notfalls eine (außerordentliche betriebsbedingte) Änderungskündigung aussprechen.
Im Ergebnis müssen Arbeitgeber bis zur Dauer von einigen Jahren (!) eine bloße Pro-Forma-Beschäftigung ohne nennenswerte Arbeitsleistung hinnehmen. Erst dann, wenn infolge (absolut) fehlender Beschäftigungsmöglichkeiten das Arbeitsverhältnis auf (viele) Jahre hin nur in Lohnzahlungen bestehen würde, d.h. „sinnentleert“ wäre, kann der Arbeitgeber außerordentlich aus betriebsbedingten Gründen kündigen. Selbstverständlich muss er in diesem Fall die Kündigungsfrist, die einem vergleichbar lang beschäftigten ordentlich kündbaren Arbeitnehmer zustehen würde, einhalten, d.h. er muss eine dieser Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist gewähren.
Es ist offensichtlich, dass Großunternehmen kaum jemals in der Lage sind, diese hohen Hürden einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zu erfüllen, abgesehen vom Fall der Betriebsstilllegung und/oder eines Interessenausgleichs mit Namensliste. Bei „normalen“ betriebsbedingten Kündigungswellen, z.B. infolge der Schließung von Betriebsabteilungen oder der Streichung von betrieblichen Hierarchieebenen, müssen unkündbare Mitarbeiter demgegenüber betriebsbedingte Entlassungen kaum befürchten.
Vor diesem Hintergrund liegt für Großrunternehmen nahe, die Suche nach einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit bei betriebsbedingten Kündigungswellen den bedrohten Mitarbeitern selbst zu überlassen, d.h. sie auf die Möglichkeiten des internen Stellenmarktes zu verweisen.
Streit wegen der Zusammenlegung von Funktionen bei der Lufthansa - Lufthansa Global Business Service (LGBS)
Im Streitfall war ein 1963 geborener, langjährig bei der Deutschen Lufthansa (DLH) beschäftigter Arbeitnehmer außerordentlich betriebsbedingt gekündigt worden. Er war bei der Lufthansa seit Anfang Mai 1988 beschäftigt, zuletzt als Allrounder Finanz-/Rechnungswesen im Bereich Bordverkaufsabrechnung (FRA RA/C-B) zu einem Bruttojahrgehalt von 49.811,56 EUR. Er war verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Zudem war er schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 und aufgrund tariflicher Vorschriften ordentlich unkündbar.
Hintergrund der Kündigung war eine 2013 entschiedene Organisationsänderung bei der DLH, der zufolge bestimmte Serviceleistungen in einer neuen Servicegesellschaft, der Lufthansa Global Business Service (LGBS), gebündelt und dort für den gesamten DLH-Konzern erledigt werden sollten. Aufgrund dieser Betriebsänderung wurde die Abteilung, in der der Mitarbeiter beschäftigt war, 2014 in eine andere Stadt verlagert. Die Lufthansa vereinbarte mit dem örtlichen Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Darin war u.a. ein „Clearingverfahren“ vorgesehen, das den betroffenen Mitarbeitern die Möglichkeit eröffnete, sich auf offene Stellen im Konzern zu bewerben, wobei ihnen entsprechende Stellenangebote von der Lufthansa unterbreitet wurden.
Nachdem der Mitarbeiter dieses Clearingverfahren drei Jahre lang in Anspruch genommen, einen Sprachkurs absolviert und sich auf mehrere „Stellenangebote“ beworben hatte, allerdings ohne Erfolg, sprach die Lufthansa im September 2017 nach Anhörung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung sowie nach vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung aus, wobei sie eine Auslauffrist zum 31.03.2018 gewährte.
Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage und hatte damit vor dem Arbeitsrecht Frankfurt am Main (Urteil vom 27.02.2018, 16 Ca 6899/17) Erfolg, ebenso wie in der Berufung vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (Urteil vom 29.11.2018,11 Sa 418/18).
BAG: Arbeitgeber können die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung von Überhangkräften nicht damit begründen, dass diese bei internen „Stellenbewerbungen“ keinen Erfolg hatten
Auch in Erfurt vor dem BAG zog die Lufthansa den Kürzeren. Zur Begründung heißt es in dem Urteil des BAG:
Eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung setzt voraus, dass „sämtliche denkbaren Alternativen ausscheiden“, um dem betroffenen Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, ggf. zu geänderten arbeitsvertraglichen Bedingungen (Urteil, Rn.13 und 14). Diese Voraussetzungen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 BGB muss der Arbeitgeber vor Gericht darlegen bzw. beweisen. Einen solchen Nachweis hatte die Lufthansa im Streitfall nicht erbracht, da sie sich im Wesentlichen nur auf das ohne Erfolg durchgeführte Clearingverfahren berufen hatte. Das war aber zu wenig. Denn, so das BAG:
„Der in das Clearingverfahren einbezogene Kläger hatte lediglich die Position eines Stellenbewerbers, der sich bei den jeweiligen Fachbereichen bewerben konnte und anschließend von diesen ein Einstellungsangebot oder eine Ablehnung erhält. Die Beklagte hat ihren Vortrag auf den Hinweis beschränkt, die betreffenden Fachbereiche hätten den Kläger als ungeeignet angesehen. Dies allein ist (…) zur Darlegung einer fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit nicht ausreichend. Die Beklagte musste jedenfalls bei den in ihrem Unternehmen zu besetzenden Stellen die Eignung des Klägers selbst prüfen und durfte sich nicht allein auf die von ihren Fachbereichen erklärte Ablehnung berufen.“
Darüber hinaus hielt das BAG der Lufthansa vor, keine Sozialauswahl entsprechend § 1 Abs.3 KSchG durchgeführt zu haben (Urteil, Rn.22), obwohl auch bei außerordentlichen betriebsbedingten Kündigungen das Prinzip der Sozialauswahl in sinngemäßer Anwendung von § 1 Abs.3 KSchG beachtet werden muss. Dazu hätten alle mit dem Kläger auf der gleichen Betriebshierarchie („horizontal“) vergleichbaren Arbeitnehmer (und nicht nur die von der Umstrukturierung unmittelbar betroffenen Mitarbeiter) nach ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit bewertet bzw. in eine Rangfolge gebracht werden müssen, wohingegen die Lufthansa im Streitfall nur diejenigen Arbeitnehmer dem Clearingverfahren unterworfen hatte, deren konkreter Arbeitsplatz weggefallen ist. Ein solches Vorgehen nach dem Muster „mitgefangen - mitgehangen“ missachtet offensichtlich das Prinzip der Sozialauswahl.
Fazit: Bewerbungsmöglichkeiten im Rahmen eines unternehmensinternen Stellenmarktes sind ohne Zweifel sinnvoll. Dadurch steigen die Chancen, dass die aufnehmenden Abteilungen nicht infolge von Personalüberhängen ungewollt neue Teammitglieder aufnehmen müssen, obwohl sie diese möglicherweise nicht für optimal geeignet halten. Außerdem führen Clearingverfahren dazu, dass am Ende nur noch wenige „Kündigungskandidaten“ übrig bleiben.
Auf der anderen Seite kann ein interner Stellenmarkt kein Ersatz für den gesetzlichen Kündigungsschutz sein. Freiwillige Bewerbungsverfahren entlasten den Arbeitgeber nicht davon, in eigener Verantwortung nach anderweitigen Einsatzmöglichkeiten für ordentlich unkündbare Mitarbeiter zu suchen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.06.2019, 2 AZR 50/19
- Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 29.11.2018,11 Sa 418/18
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsänderung
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- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Änderungskündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
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- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
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- Arbeitsrecht aktuell: 18/042 Betriebsbedingte Kündigung wegen Wegfalls einer Hierarchieebene
- Arbeitsrecht aktuell: 17/079 Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsschließung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/304 Dauer der Konsultation bei Massenentlassungen
- Arbeitsrecht aktuell: 16/086 Massenentlassungsanzeige bei erneuter Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 15/118 Massenentlassung und Personalstruktur
- Arbeitsrecht aktuell: 14/024 tarifliche Unkündbarkeit und Altersdiskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/147 außerordentliche betriebsbedingte Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 10/254 Sozialauswahl bei einzelvertraglich vereinbarter Unkündbarkeit
Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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