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Dauer der Konsultation bei Massenentlassungen
27.09.2016. Bei Massenentlassungen müssen Arbeitgeber viele gesetzliche Vorgaben beachten und können dabei leicht patzen. Dann haben die gekündigten Arbeitnehmer später vor Gericht gute Chancen, dass die Kündigungen für unwirksam erklärt werden.
Erschwerend kommt für Arbeitgeber hinzu, dass sie unter Zeitdruck stehen. Je später die geplanten Kündigungen ausgesprochen werden, desto länger können die Arbeitnehmer ihr Gehalt verlangen.
In einem Grundsatzurteil vom Donnerstag letzter Woche hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Arbeitgeber die gesetzlich vorgeschriebenen Verhandlungen mit dem Betriebsrat vorzeitig abbrechen können, wenn der Betriebsrat mauert: BAG, Urteil vom 22.09.2016, 2 AZR 276/16 (Pressemeldung des Gerichts).
- Wann ist das Konsulationsverfahren abgeschlossen und was kann der Arbeitgeber tun, wenn der Betriebsrat nicht verhandlungsbereit ist?
- Betriebsschließung im Bereich der Fluggastabfertigung an Berliner Flughäfen
- BAG: Arbeitgeber können das Konsultationsverfahren als beenden ansehen, wenn der Betriebsrat nicht verhandlungsbereit ist
Wann ist das Konsulationsverfahren abgeschlossen und was kann der Arbeitgeber tun, wenn der Betriebsrat nicht verhandlungsbereit ist?
Plant der Arbeitgeber eine Massenentlassung im Sinne von § 17 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), muss er den Betriebsrat vorab umfassend informieren, nämlich über die in § 17 Abs.2 Satz 1 KSchG genannten sechs Punkte.
Außerdem muss er mit dem Betriebsrat Beratungen abhalten über die Möglichkeiten, die geplanten Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Diese sog. Konsultationspflicht ergibt sich aus § 17 Abs.2 Satz 2 KSchG.
Im Gesetz nicht klar geregelt und daher umstritten ist die Frage, wie lange denn Betriebsrat und Arbeitgeber beratschlagen müssen. Einige Autoren sind hier der Meinung, dass der Arbeitgeber seine Konsultationspflicht erfüllt hat, wenn er (mindestens) zwei Wochen lang mit dem Betriebsrat verhandelt hat.
Denn das Gesetz enthält eine Regelung für den Fall, dass der Betriebsrat keine Stellungnahme zu den geplanten Entlassungen abgibt, die der Arbeitgeber aber seiner Massenentlassungsanzeige im Allgemeinen beifügen muss (§ 17 Abs.3 Satz 1 KSchG). Dann genügt es für eine wirksame Anzeige gemäß § 17 Abs.3 Satz 2 KSchG, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor der Massenentlassungsanzeige korrekt informiert hat (außerdem muss er die Arbeitsagentur über den Stand der Beratungen in Kenntnis setzen). Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass das Gesetz einen Zweiwochenzeitraum als ausreichend lang für sinnvolle Konsultationen ansieht.
Für den Arbeitgeber hängt von einer korrekten Durchführung des Konsultationsverfahrens viel ab: Hat er nämlich den Betriebsrat nicht richtig konsultiert und spricht trotzdem betriebsbedingten Kündigungen zur Durchführung der geplanten Massenentlassung aus, sind die Kündigungen wegen Gesetzesverstoßes gemäß § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig. Dann muss er später ein weiteres Mal kündigen, und für die Zwischenzeit laufen Lohnansprüche auf.
Es ist daher eine praktisch wichtige Frage, wie lange der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat Konsultationsverhandlungen führen muss, bevor er der Arbeitsagentur eine Massenentlassungsanzeige erstatten und Kündigungen aussprechen kann. Da Betriebsräte in solchen Situationen verständlicherweise keine besondere Eile an den Tag legen und/oder erste Kompromissangebote des Arbeitgebers empört zurückweisen, fragt sich außerdem, ob der Arbeitgeber seinerseits das Konsultationsverfahren abbrechen kann, wenn der Betriebsrat zu keinen Verhandlungen bereit ist.
Diese Fragen hat das BAG bisher ausdrücklich offen gelassen (so zuletzt mit Urteil vom 21.03.2013, 2 AZR 60/12). Jetzt haben die Erfurter Richter aber dazu Stellung genommen.
Betriebsschließung im Bereich der Fluggastabfertigung an Berliner Flughäfen
Der beklagte Arbeitgeber betrieb auf den Flughäfen Berlin Tegel und Schönefeld mit etwa 200 Arbeitnehmern Passagierabfertigung. Sein einziger Auftraggeber, die GGB GmbH & Co. KG (GGB), kündigte dem Arbeitgeber im September 2014 alle Aufträge aus dem Bereich Check-in zu Anfang November 2014, die übrigen Aufträge zum 31.03.2015.
Daraufhin leitete der Arbeitgeber nach dem Scheitern eines Interessenausgleichs im Dezember 2014 ein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs.2 KSchG ein und entschied Ende Januar 2015, seinen Betrieb zum 31.03.2015 stillzulegen. Er erstattete eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs.1 in Verb. mit Abs.3 KSchG und kündigte alle Arbeitsverhältnisse.
Nachdem einige Arbeitnehmer mit ihren Kündigungsschutzverfahren in der ersten Instanz Erfolg hatten, da die Richter von Fehlern der Verfahren nach § 17 KSchG ausgingen, leitete der Arbeitgeber im Juni 2015 vorsichtshalber ein erneutes Konsultationsverfahren ein und beriet mit dem Betriebsrat über eine mögliche Wiedereröffnung des Betriebs.
Wie sich dem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg in einer Parallelstreitigkeit entnehmen lässt (Urteil vom 14.04.2016, 21 Sa 1544/15), fanden am 24.06.2015 (Mittwoch) mehrstündige Beratungen mit einer vierköpfigen Verhandlungskommission des Betriebsrats statt, wobei der Arbeitgeber bis zum Folgetag um 18:00 Uhr einer abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats entgegensah. Stattdessen kündigte der Betriebsrat aber am Folgetag (Donnerstag) an, dass das gesamte Betriebsrats-Gremium erst am nächsten Dienstag (30.06.2015) über die am 24.06.2015 vom Arbeitgeber erhaltenen Informationen beraten werde.
Daraufhin erklärte der Arbeitgeber postwendend am 26.06.2015 (Freitag), so lange wolle man nicht warten. Ohne eine deutliche kurzfristige Senkung der Personalkosten sei eine Wiedereröffnung des Betriebs nicht möglich. Darauf habe sich der Betriebsrat aber noch nicht einmal im Ansatz eingelassen. Am selben Tag erstattete der Arbeitgeber eine erneute Massenentlassungsanzeige und ließ am 27.06.2015 (Samstag) eine Reihe von betriebsbedingten Kündigungen herausgehen. Die Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hatte der Arbeitgeber bereits zwei Wochen zuvor durchgeführt.
Eine der betroffenen Arbeitnehmerinnen, die zuerst am 13.02.2015 und sodann ein weiteres Mal am 15.07.2015 gekündigt worden war, hatte mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin zwar kein Glück (Urteil vom 01.10.2015, 57 Ca 3172/15), dafür aber vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg. Denn das LAG hielt beide Kündigungen für unwirksam (Urteil vom 24.02.2016, 15 Sa 1953/15), weil dem Betriebsrat die Hintergründe der geplanten Massenentlassungen nicht in ausreichendem Umfang mitgeteilt worden waren, so das LAG.
BAG: Arbeitgeber können das Konsultationsverfahren als beenden ansehen, wenn der Betriebsrat nicht verhandlungsbereit ist
Das BAG hielt die erste Kündigung für unwirksam, die zweite dagegen für wirksam, womit der Arbeitgeber letztlich als Sieger vom Platz ging. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es zur Begründung:
Die erste Kündigung vom 13.02.2015 war gemäß § 17 Abs.3 Satz 3 KSchG in Verb. mit § 134 BGB nichtig, denn der Arbeitgeber hatte in seiner (ersten) Massenentlassungsanzeige den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat nicht korrekt dargelegt. Damit stimmt das BAG dem LAG zwar im Ergebnis zu, lässt sich aber auf keine Diskussion darüber ein, ob der Betriebsrat in diesem ziemlich speziellen Fall ausreichend informiert worden war (immerhin hatte der Arbeitgeber dem Betriebsrat im Dezember 2014 im Wesentlichen nur mitgeteilt, dass die GGB als alleiniger Kunde eben alle Aufträge gekündigt hatte, warum auch immer).
Dagegen war die zweite Kündigung nach Ansicht der Erfurter Richter wirksam und scheiterte insbesondere nicht daran, dass der Arbeitgeber kein korrektes Konsultationsverfahren durchgeführt hatte. Denn der Arbeitgeber hatte dem Betriebsrat im Juni 2015 alle erforderlichen Auskünfte erteilt, um dem Betriebsrat die Möglichkeit zu geben, auf den seinen Entschluss zu Betriebsstilllegung einzuwirken.
Außerdem ließ der Betriebsrat, so das BAG, keine Bereitschaft erkennen, an Maßnahmen einer möglichen Lohnsenkung mitzuwirken. Eine Lohnsenkung hatte der Arbeitgeber aber zur Bedingung einer möglichen Wiedereröffnung des Betriebs gemacht. Daher durfte der Arbeitgeber die Verhandlungen als gescheitert ansehen.
Kritisch ist anzumerken, dass der Betriebsrat nach der Verhandlungsrunde im kleinen Kreis (Mittwochnachmittag, 24.06.2014) eine regelrechte Blitz-Sitzung hätte abhalten müssen, um der extrem "sportlichen" Erwartung des Arbeitgebers nachzukommen, dass bis 18:00 Uhr (!) des Folgetags (!) eine abschließende Stellungnahme eingehen sollte. Es ist daher nicht recht verständlich, woraus das BAG hier den Schluss zieht, dass "der Betriebsrat" angeblich keine Kompromissbereitschaft in puncto Lohnsenkung erkennen ließ.
Fazit: Verweigert der Betriebsrat Verhandlungen über die Planungen des Arbeitgebers, kann der Arbeitgeber das Konsultationsverfahren vorzeitig abbrechen bzw. als gescheitert ansehen. Woran man erkennen kann, dass der Betriebsrat mauert, lässt sich der derzeit vorliegenden Pressemeldung des BAG nicht entnehmen. Hier wird man die Urteilsgründe abwarten müssen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.09.2016, 2 AZR 276/16 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.09.2016, 2 AZR 276/16
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2013, 2 AZR 60/12
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.02.2016, 15 Sa 1953/15
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.04.2016, 21 Sa 1544/15, 21 Sa 1568/15, 21 Sa 1544/15, 21 Sa 1568/15
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsänderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsstilllegung, Betriebsschließung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Interessenausgleich
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Massenentlassung
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- Mustervereinbarung: Sozialplan
- Arbeitsrecht aktuell: 19/197 Interner Arbeitsmarkt statt Kündigungsschutz?
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- Arbeitsrecht aktuell: 17/029 Bei Massenentlassung keine Benachteiligung während einer Elternzeit
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- Arbeitsrecht aktuell: 15/225 Der Begriff des Betriebs bei Massenentlassungen
- Arbeitsrecht aktuell: 15/118 Massenentlassung und Personalstruktur
- Arbeitsrecht aktuell: 12/252 Fehlerhafte Massenentlassungsanzeige
- Arbeitsrecht aktuell: 12/129 Massenentlassung und Stellungnahme des Betriebsrats
- Arbeitsrecht aktuell: 11/028 Betriebsbedingte Kündigung nach fehlerhafter Massenentlassungsanzeige
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 12. August 2020
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