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Massenentlassungsanzeige bei erneuter Kündigung
14.03.2016. Plant der Arbeitgeber eine größere Kündigungswelle bzw. eine Massenentlassung, muss er den Betriebsrat zuvor umfassend konsultieren und die bevorstehenden Entlassungen der Arbeitsagentur vorab anzeigen.
Manchmal unterlaufen bei einer einzelnen Kündigung allerdings Fehler, so dass der Arbeitgeber denselben Arbeitnehmer vorsorglich erneut kündigen möchte.
Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Entscheidung vom Januar dieses Jahres klargestellt hat, muss der Arbeitgeber in einem solchen Fall, d.h. vor Ausspruch einer vorsorglich nachgeschobenen Kündigung, der Arbeitsagentur erneut eine Massenentlassungsanzeige erstatten. Und auf einen solchen Wirksamkeitsmangel der Kündigung muss sich der Arbeitnehmer in der ersten Instanz ausdrücklich berufen, d.h. es genügt nicht, pauschal Mängel des Massenentlassungsverfahrens zu rügen: BAG, Urteil vom 20.01.2016, 6 AZR 601/14.
- Pflichten des Arbeitgebers bei Massenentlassungen
- Der Streitfall: Arbeitnehmer wird auf Grundlage einer Massenentlassungsanzeige zweimal gekündigt
- BAG: Kündigt der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer im Rahmen einer Massenentlassung vorsorglich erneut, muss er zuvor erneut Massenentlassungsanzeige erstatten
Pflichten des Arbeitgebers bei Massenentlassungen
Wann eine größere Welle betriebsbedingter Kündigungen als Massenentlassung einzustufen ist, ist in § 17 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) genau festgelegt und hängt von der Betriebsgröße und der Anzahl der Entlassungen ab. Liegt eine Massenentlassung vor und gibt es in dem betroffenen Betrieb einen Betriebsrat, muss der Arbeitgeber zwei Dinge tun:
- Erstens muss er den Betriebsrat vorab umfassend über seine Planungen informieren und sie mit ihm "ergebnisoffen" beraten. Das ist das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs.2 KSchG.
- Zweitens muss er die Arbeitsagentur vorab schriftlich über die geplanten Entlassungen informieren, d.h. über Anzahl der Entlassungen, die betroffenen Berufsgruppen usw. Das ist die Massenentlassungsanzeige bzw. das Anzeigeverfahren gemäß § 17 Abs.1 und Abs.3 KSchG.
Konsultationsverfahren und Anzeigeverfahren sind miteinander verzahnt. Denn der Arbeitgeber muss der Arbeitsagentur auch eine Kopie seines an den Betriebsrat gerichteten Informationsschreibens zukommen lassen und außerdem eine Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen (§ 17 Abs.3 KSchG).
Hat der Arbeitgeber Konsultations- und Anzeigeverfahren korrekt absolviert, kann er die Kündigungen aussprechen. Fehler bei einem dieser beiden Verfahren führen zur Unwirksamkeit der einzelnen betriebsbedingten Kündigungen und können von den betroffenen Arbeitnehmern im Kündigungsschutzverfahren gegen den Arbeitgeber bzw. gegen die Kündigung vorgebracht werden.
Im Gesetz nicht klar geregelt ist die Frage, ob der Arbeitgeber dazu berechtigt ist, auf der Grundlage ein und derselben Massenentlassungsanzeige einzelnen Arbeitnehmern nicht nur einmal, sondern mehrfach betriebsbedingt zu kündigen. Solche Mehrfachkündigungen kommen nicht selten vor, nämlich dann, wenn dem kündigenden Arbeitgeber auffällt, dass er bei der ersten Kündigungserklärungen einen rechtlichen Fehler gemacht hat, also z.B. nicht (deutlich genug) unterschrieben oder einen falschen Briefbogen verwendet oder die Kündigungsfrist falsch berechnet hat.
Der Streitfall: Arbeitnehmer wird auf Grundlage einer Massenentlassungsanzeige zweimal gekündigt
Im Streitfall wurde ein insolventer Luftverkehrsbetrieb vom Insolvenzverwalter stillgelegt. Der Verwalter erstattete am 08.04.2013 bei der zuständigen Arbeitsagentur Massenentlassungsanzeige für die 218 Arbeitnehmer des fliegenden Personals. Ob es in dem Betrieb (noch) eine Arbeitnehmervertretung gab, die der Verwalter hätte konsultieren müssen, war rechtlich unklar.
Betroffen von dieser Entlassungswelle war ein seit 2007 beschäftigter Verkehrspilot. Er bekam einen Tag nach der Massenentlassungsanzeige, nämlich am 09.04.2013, eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung seitens des Insolvenzverwalters, und zwar zum 30.06.2013, vorsorglich zum nächstmöglichen Termin.
Zwei Wochen später, mit Schreiben vom 23.04.2013, teilte der Insolvenzverwalter dem Arbeitnehmer mit:
"Ich habe Ihnen mit Schreiben vom 09.04.2013 eine Kündigung ausgesprochen. Leider wurde dabei die Kündigungsfrist falsch berechnet. Bitte betrachten Sie dieses Kündigungsschreiben daher als gegenstandslos. Sie erhalten in der Anlage ein neues Kündigungsschreiben mit der richtigen Kündigungsfrist gemäß § 113 InsO."
Diesem Schreiben fügte er eine erneute Kündigung bei, der zufolge das Arbeitsverhältnis am 31.07.2013 enden sollte. Eine erneute Anzeige der Massenentlassung erstattete der Verwalter vor Ausspruch dieser erneuten Kündigung nicht.
Der gekündigte Pilot erhob Kündigungsschutzklage und berief sich darauf, dass der Verwalter das Anzeigeverfahren vor der Kündigung erneut hätte durchführen müssen. Damit überzeugte er das Arbeitsgericht Stuttgart nicht, das die Klage abwies (Urteil vom 17.12.2013, 25 Ca 3150/13).
In der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hatte die Klage dagegen Erfolg (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.08.2014, 4 Sa 12/14). Begründung des LAG:
Eine erneute Anzeige der Massenentlassung vor Ausspruch der weiteren Kündigung war zwar nicht nötig, aber der Verwalter hätte die Arbeitnehmervertretung konsultieren müssen. Speziell darauf hatte sich der Arbeitnehmer zwar in der ersten Instanz nicht berufen, doch konnte er sich trotzdem bzw. trotz § 6 KSchG noch in der Berufungsinstanz auf diesen Unwirksamkeitsgrund stützen, so das LAG. Denn immerhin hatte er ja vor dem Arbeitsgericht Mängel des Verfahrens nach § 17 KSchG gerügt.
BAG: Kündigt der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer im Rahmen einer Massenentlassung vorsorglich erneut, muss er zuvor erneut Massenentlassungsanzeige erstatten
Die Erfurter Richter stimmten ihren Stuttgarter Richterkollegen nur im Ergebnis bei, d.h. auch vor dem BAG hatte der Pilot Erfolg. Die Begründung des BAG für dieses Ergebnis weicht aber in allen Punkten von dem LAG-Urteil ab.
Zunächst stellt das BAG klar, dass der Verwalter vor Ausspruch der erneuten vorsorglichen Kündigung vom 23.04.2013 der Arbeitsagentur sehr wohl eine weitere bzw. erneute Anzeige der Massenentlassung hätte erstatten müssen. Das ist laut BAG keineswegs eine "Förmelei", wie das LAG meinte, sondern soll verhindern, dass sich Arbeitgeber mit zu weit gefassten Massenentlassungsanzeigen "bevorraten", um dann auf Basis der einmal erstatteten Anzeige flexibel bzw. je nach Bedarf kündigen zu können.
Zweitens war der Arbeitnehmer wegen der Fristenregelung in § 6 KSchG daran gehindert, sich im Berufungsverfahren vor dem LAG auf den (angeblichen) Unwirksamkeitsgrund der unterlassenen Konsultation des Betriebsrats zu berufen. § 6 KSchG lautet:
"Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen."
Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass Arbeitnehmer im Kündigungsschutzverfahren ihr Pulver schon in der ersten Instanz komplett verschießen müssen, d.h. sie müssen alle denkbaren Gründe, aus denen die streitige Kündigung unwirksam ist bzw. sein könnte, schon vor dem Arbeitsgericht vorbringen. Ohne eine solche erstinstanzliche "Berufung" auf (mögliche) Unwirksamkeitsgründe können diese in der Berufungs- und Revisionsinstanz nicht mehr zugunsten des Arbeitnehmers berücksichtig werden. Der Arbeitnehmer ist mit der verspäteten Berufung auf solche Unwirksamkeitsgründe "präkludiert".
Und genau diese Präklusion war hier eingetreten, so das BAG, und zwar mit der Berufung des gekündigten Arbeitnehmers auf die (angeblich) unterlassene Konsultation der betrieblichen Arbeitnehmervertretung. Denn der Arbeitnehmer hatte sich vor dem Arbeitsgericht nur auf einen Mangel des Anzeigeverfahrens berufen, nicht aber auch auf einen Mangel des Konsultationsverfahrens. Im Ergebnis schadete das dem Kläger hier nicht, da er vor dem BAG ja schon mit seinem Argument Erfolg hatte, dass der Verwalter eine erneute Anhörung hätte vornehmen müssen, und dieses Argument hatte er schon vor dem Arbeitsgericht vorgebracht.
Fazit: Vor einer vorsorglich nachgeschobenen weiteren Kündigung desselben Arbeitnehmers im Rahmen einer Massenentlassung muss der Arbeitgeber zwingend eine weitere bzw. erneute Massenentlassungsanzeige erstatten. Diese Pflicht ist dem Anzeigeverfahren zuzurechnen, das in § 17 Abs.1 und Abs.3 KSchG geregelt und von dem in § 17 Abs.2 KSchG festgelegten Konsultationsverfahren streng zu trennen ist. Trägt der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Wirksamkeitsmängel im Anzeigeverfahren vor, hat er sich damit noch nicht auf Wirksamkeitsmängel im Konsultationsverfahren gemäß § 6 KSchG berufen (und umgekehrt).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.01.2016, 6 AZR 601/14
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13.08.2014, 4 Sa 12/14
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Letzte Überarbeitung: 30. August 2019
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