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Massenentlassung und Unterrichtung des Betriebsrats
21.09.2012. Spricht der Arbeitgeber im Rahmen einer Kündigungswelle, die wegen ihrer Größe eine "Massenentlassung" darstellt, betriebsbedingte Kündigungen aus, kann er damit aus formaljuristischen Gründen auf die Nase fallen, d.h. die Kündigungen können unwirksam sein.
Kündigungen im Rahmen einer Massenentlassungen sind nämlich nur wirksam, wenn der Arbeitgeber zuvor den Betriebsrat gemäß § 17 Abs.2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) über die geplante Massenentlassung informiert hat und wenn er der Arbeitsagentur eine vollständige und korrekte Massenentlassungsanzeige erstattet hat.
Die Unwirksamkeit als "Strafe" für Patzer bei der Information bzw. Beratung mit dem Betriebsrat oder bei der Anzeige der Massenentlassung ist allerdings gesetzlich nicht geregelt, sondern wurde von der Rechtsprechung entwickelt. Daher ist bei einzelnen Massenentlassungsfehlern unklar und umstritten, ob sie zur Unwirksamkeit der später ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen führen.
Ein solcher Fehler ist eine nicht schriftliche Information des Betriebsrats über die anstehende Massenentlassung. Die Schriftform ist für die Information des Betriebsrats zwar vorgeschrieben (§ 17 Abs.2 Satz 1 KSchG), doch kann der Betriebsrat unter bestimmten Umständen auch anders informiert werden, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) gestern klargestellt hat: BAG, Urteil vom 20.09.2012, 6 AZR 155/11.
- Was heißt schriftliche Information des Betriebsrats über geplante Massenentlassungen?
- Der Fall des BAG: Arbeitgeber vereinbart mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich, der alle Informationen gemäß § 17 Abs.2 KSchG enthält, aber möglicherweise hat der Betriebsrat zuerst unterschrieben
- BAG: Wird der Betriebsrat nicht schriftlich unterrichtet, kann der Schriftformmangel durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats geheilt werden
Was heißt schriftliche Information des Betriebsrats über geplante Massenentlassungen?
Unter welchen Umständen eine Kündigungswelle eine "Massenentlassung" ist, regelt § 17 Abs.1 KSchG sehr genau unter Angabe entsprechender Zahlenverhältnisse. So liegt eine Massenentlassung vor, wenn bei einer Betriebsgröße zwischen 21 und 59 Arbeitnehmern sechs Arbeitnehmer oder mehr innerhalb von 30 Tagen entlassen werden sollen. Bei einer Betriebsgröße zwischen 60 und 499 Arbeitnehmern ist der Schwellenwert erreicht, wenn 10 Prozent der Arbeitnehmer oder mehr als 25 Arbeitnehmer entlassen werden sollen usw.
Bei solchen Planungen muss der Arbeitgeber den Betriebsrat umfassend über die Hintergründe, Auswirkungen usw. der geplanten Entlassungswelle informieren und mit ihm auf der Grundlage dieser Informationen ergebnisoffen verhandeln, d.h. er muss den Betriebsrat "konsultieren".
Das ergibt sich nicht nur aus § 17 Abs.2 KSchG, sondern auch aus § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), da Massenentlassungen praktisch immer auch eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG darstellen. Und auf der Grundlage dieser Vorschrift kann der Betriebsrat ernsthafte Verhandlungen über einen Interessenausgleich verlangen.
Den Startpunkt dieser Verhandlungen stellt die umfassende Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber dar, und die muss gemäß § 17 Abs.2 Satz 1 KSchG nun einmal schriftlich geschehen. Und "schriftlich" heißt in diesem Fall, dass ein Papier ausgefertigt und vom Aussteller eigenhändig unterschrieben wird (§ 126 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Eine E-Mail, ein nicht unterschriebenes Informationsblatt, ein Fax oder gar eine Präsentation auf dem Beamer oder Flipchart sind allesamt nicht "schriftlich" im Sinne dieser Vorschrift.
Hier kann man aber einhaken und sich fragen, ob der Betriebsrat nur dann sinnvoll mit dem Arbeitgeber über die geplante Massenentlassung verhandeln kann, wenn er ein Stück Papier mit der Unterschrift des Chefs in der Hand hat - oder ob solche Verhandlungen nicht ebenso gut auf der Grundlage einer Information in Textform geführt werden könnten.
Der Fall des BAG: Arbeitgeber vereinbart mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich, der alle Informationen gemäß § 17 Abs.2 KSchG enthält, aber möglicherweise hat der Betriebsrat zuerst unterschrieben
Im Streitfall ging es um eine Massenentlassung, die ein Insolvenzverwalter durchführte, nachdem ein größerer Arbeitgeber Anfang September 2009 insolvent geworden und das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.
Der Verwalter vereinbarte einige Wochen nach seiner Bestellung, nämlich am 15.10.2009, mit dem Gesamtbetriebsrat einen von beiden Seiten unterzeichneten Interessenausgleich mit Namensliste für drei Betriebe des Unternehmens, d.h. in diesem Interessenausgleich hatte sich der Gesamtbetriebsrat dazu breitschlagen lassen, die zu kündigenden Arbeitnehmer im Interessenausgleich namentlich aufzulisten, was den Kündigungsschutz für die Betroffenen erheblich einschränkt.
In diesem Interessenausgleich waren alle Informationen zu der Entlassungswelle enthalten, die der Verwalter gemäß § 17 Abs.2 KSchG dem Betriebsrat an die Hand geben musste, d.h. die Gründe für die Entlassungen, die Anzahl der betroffen Arbeitnehmer usw. Daher erklärte der Gesamtbetriebsrat in dem Interessenausgleich auch "brav", er sei umfassend gemäß § 17 Abs.2 KSchG unterrichtet worden.
Das Problem für den Verwalter war allerdings, dass er außer diesem Interessenausgleich mit Namensliste keinen weiteren Belege für eine schriftliche Information des Gesamtbetriebsrats in der Hand hatte und es später vor Gericht unklar blieb, ob nicht möglicherweise der Gesamtbetriebsrat den Interessenausgleich zuerst unterschrieben hat. Dann hätte der Gesamtbetriebsrat keine "schriftliche" Information über die geplante Massenentlassung erhalten.
Im nächsten Schritt zeigte der Verwalter die Massenentlassung der Arbeitsagentur an und fügte der Massenentlassungsanzeige den Interessenausgleich bei. Nach Eingang der Anzeige bei der Arbeitsagentur sprach er die geplanten Kündigungen aus.
Einer der gekündigten Arbeitnehmerinner erhob Kündigungsschutzklage und argumentierte, die Kündigung sei unwirksam, weil der Gesamtbetriebsrat nicht schriftformgerecht gemäß § 17 Abs.2 KSchG unterrichtet worden sei.
Damit hatte die gekündigte Arbeitnehmerin aber weder vor dem Arbeitsgericht Paderborn (Urteil vom 02.07.2010, 4 Ca 88/10) noch in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm Erfolg (LAG Hamm, Urteil vom 15.12.2010, 6 Sa 1344/10).
BAG: Wird der Betriebsrat nicht schriftlich unterrichtet, kann der Schriftformmangel durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats geheilt werden
Die Klägerin hatte auch in der Revision vor dem BAG keinen Erfolg. Das BAG hielt die Einwände der Klägerin gegen die Art und Weise der Information des Gesamtbetriebsrats für unbegründet und die streitige Kündigung demnach für rechtens. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Ein "etwaiger Schriftformmangel" bei der Unterrichtung ist im Ergebnis nicht wichtig bzw. "geheilt", so das BAG, weil der Gesamtbetriebsrat durch seine aktive Beteiligung am Interessenausgleich und die dortige Bestätigung, korrekt informiert worden zu sein, eine "abschließende Stellungnahme" abgegeben hat.
Dabei beruft sich das BAG auf den Zweck des gesetzlichen Pflicht zur Unterrichtung des Betriebsrats, mit der Art.2 Abs.3 Unterabs.1 Buchstabe b der Richtlinie 98/59/EG umgesetzt werden soll. Diese in der "Massenentlassungsrichtlinie" enthaltene Vorschrift hat nach der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) den Zweck, dass der Betriebsrat in die Lage versetzt wird, konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, um die geplante Massenentlassung zu verhindern oder einzuschränken.
Dieser Zweck wird nach Ansicht des BAG ausreichend sichergestellt, wenn die Arbeitnehmervertretung aufgrund "schriftlich fixierter ausreichender Angaben des Arbeitgebers" zu den geplanten Entlassungen eine abschließende Stellungnahme abgibt.
Fazit: Soweit der Pressemeldung zu entnehmen ist, hat sich das BAG nicht zu der allgemeinen Aussage durchgerungen, dass "schriftlich" im Sinne von § 17 Abs.2 Satz 1 KSchG auch bedeuten kann, dass der Betriebsrat in Textform unterrichtet wird. Eine E-Mail genügt daher nach wie vor nicht. Allerdings genügt es wohl künftig, wenn die Pflichtangaben zu der Massenentlassung in einem Interessenausgleich (mit oder ohne Namensliste) enthalten sind und der Betriebsrats in diesem Interessenausgleich ausdrücklich erklärt, umfassend informiert worden zu sein.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.09.2012, 6 AZR 155/11 (Pressemeldung Nr. 66/12 des BAG vom 20.09.2012)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.09.2012, 6 AZR 155/11
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 15.12.2010, 6 Sa 1344/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsänderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Insolvenz des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Interessenausgleich
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Massenentlassung
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 5. Juni 2020
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