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Bei Massenentlassungen zählen Geschäftsführer als Arbeitnehmer
30.07.2015. Viele arbeitsrechtliche Regelungen gelten nur ab einer bestimmten Betriebsgröße, d.h. ab einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern, die regelmäßig in einem Betrieb beschäftigt sind.
Ein derartiger arbeitsrechtlicher Schwellenwert ist in § 17 Abs.1 Nr.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) enthalten. Danach ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, der Arbeitsagentur eine sog. Massenentlassungsanzeige zu erstatten, wenn er plant, in einem Betrieb mit mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern innerhalb von 30 Tagen sechs oder mehr Arbeitnehmer zu entlassen.
In einem aktuellen Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass zu den "Arbeitnehmern" im Sinne der Richtlinie, die hinter § 17 KSchG steht, auch die Geschäftsführer einer GmbH zu zählen sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie ähnlich wie Angestellte von einem regelmäßigen Gehalt abhängig sind, Weisungen der Gesellschafter befolgen müssen und keine Geschäftsanteile besitzen: EuGH, Urteil vom 09.07.2015, C-229/14 (Balkay gg. Kiesel Abbruch GmbH).
- Wann ist ein Betrieb groß genug für eine Massenentlassung?
- Der Streitfall: Schließung eines Betriebs mit 19 "normalen" Arbeitnehmern, einem Fremdgeschäftsführer und einer Umschülerin
- EuGH: GmbH-Fremdgeschäftsführer zählen bei der Anwendung des Schwellenwertes für Massenentlassungen als Arbeitnehmer
Wann ist ein Betrieb groß genug für eine Massenentlassung?
Die Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ("Massenentlassungsrichtlinie") sieht in ihrem Art.2 die Pflicht von Arbeitgebern vor, bei sog. Massenentlassungen die betrieblichen Arbeitnehmervertretungen vorab zu konsultieren. "Konsultation" heißt, dass die Arbeitnehmervertretung umfassend über die geplanten Maßnahmen zu informieren ist und der Arbeitgeber mit ihr beraten muss, ob und wie diese Maßnahmen möglicherweise verhindert werden können.
Damit die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) wissen, wann sie den Arbeitgebern ein solches Konsultationsverfahren vorschreiben müssen, definiert Art.1 Abs.1 Buchstabe a) der Massenentlassungsrichtlinie die Voraussetzungen, unter denen eine "Massenentlassung" vorliegt. Dabei können die Mitgliedsstaaten den Begriff der Massenentlassung entweder für einen 30-Tages-Zeitraum oder für einen 90-Tages-Zeitraum festlegen, d.h. entweder auf die innerhalb von 30 Tagen oder auf die innerhalb von 90 Tagen geplanten Entlassungen abstellen.
Entscheiden sich die Mitgliedsstaaten für den 30-Tages-Zeitraum (wie Deutschland in § 17 KSchG), dann gilt als "Massenentlassung", wenn der Arbeitgeber eines Betriebs mit einer Belegschaft von 21 bis 99 Arbeitnehmern plant, binnen 30 Tagen mindestens zehn Arbeitnehmer zu entlassen, und zwar aus Gründen, die "nicht in ihrer Person liegen". Nach deutschem Arbeitsrecht liegt eine Massenentlassung bei einer Arbeitnehmerzahl von 21 bis 59 bereits dann vor, wenn mindestens sechs Entlassungen geplant sind (§ 17 Abs.1 Nr.1 KSchG).
Somit kommt es für die Geltung der Massenentlassungsrichtlinie und gleichermaßen für die Anwendung von § 17 Abs.1 Nr.1 KSchG darauf an, ob der Schwellenwert von mindestens 21 Arbeitnehmern erreicht wird oder nicht. Wird er erreicht und sollen von diesen mindestens 21 Arbeitnehmern mindestens sechs innerhalb von 30 Tagen aus betrieblichen Gründen entlassen werden, liegt eine Massenentlassung im Sinne des deutschen Arbeitsrechts vor. Dann muss der Arbeitgeber den Betriebsrat konsultieren und außerdem die Arbeitsagentur über die geplanten Entlassungen in Form einer Massenentlassungsanzeige informieren.
Spricht der Arbeitgeber im Rahmen einer anzeigepflichtigen Massenentlassung Kündigungen aus, ohne zuvor eine Massenentlassungsanzeige durchzuführen, sind die Kündigungen nach der Rechtsprechung unwirksam. Ein Nachschieben der Massenentlassungsanzeige ist nicht möglich bzw. ändert nichts daran, dass die Kündigungen unwirksam sind.
Infolgedessen sind Arbeitgeber gut beraten, vor einer möglicherweise unter § 17 Abs.1 Nr.1 KSchG fallenden Kündigungswelle die Anzahl der beschäftigten und der zu entlassenden Arbeitnehmer sehr genau zu zählen. Gehört der Betrieb einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und beschäftigt ungefähr 20 Arbeitnehmer, kann es für das Vorliegen einer Massenentlassung entscheidend darauf ankommen, ob der Geschäftsführer der GmbH als Arbeitnehmer zu zählen ist oder nicht.
Zu dieser Frage hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 09.07.2015 (C-229/14 - Ender Balkay gg. Kiesel Abbruch GmbH) geäußert.
Der Streitfall: Schließung eines Betriebs mit 19 "normalen" Arbeitnehmern, einem Fremdgeschäftsführer und einer Umschülerin
In dem aus Deutschland stammenden Vorlagefall ging es um einen angestellten Techniker, Herrn Ender Balkaya, der seit April 2011 in dem Betrieb der Kiesel Abbruch und Recycling Technik GmbH beschäftigt war. In dem Betrieb waren mit ihm 19 "normale" Arbeitnehmer tätig, daneben eine vom Jobcenter bezahlte Umschülerin bzw. Praktikantin sowie der Geschäftsführer der GmbH, der keine Anteile besaß und daher ein sog. "Fremdgeschäftsführer" war.
Nachdem die Kiesel Abbruch GmbH insolvent geworden war, kündigte sie allen Arbeitnehmern, dem Fremdgeschäftsführer und der Praktikantin Anfang 2013 und stellte den Betrieb ein.
Der Techniker erhob daraufhin Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Verden und argumentierte damit, dass die streitige Kündigung unwirksam sei, weil die GmbH die erforderliche Massenentlassungsanzeige unterlassen hätte. Eine solche Anzeige gab es in der Tat nicht, so dass es entscheidend darauf ankommt, ob der Geschäftsführer und die Umschülerin als "Arbeitnehmer" anzusehen sind oder nicht.
Das Arbeitsgericht Verden setzte das Verfahren aus und fragte den Gerichtshof, ob die Vorschriften der Massenentlassungsrichtlinie auch auf Fremdgeschäftsführer anzuwenden sind (Arbeitsgericht Verden, Beschluss vom 06.05.2014, 1 Ca 35/13).
EuGH: GmbH-Fremdgeschäftsführer zählen bei der Anwendung des Schwellenwertes für Massenentlassungen als Arbeitnehmer
Der EuGH stellte fest, dass der Fremdgeschäftsführer der GmbH als Arbeitnehmer im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie einzustufen und damit bei der Berechnung des Schwellenwerts im Rahmen von Massenentlassungen mit zu berücksichtigen ist. Dabei kommt es, so der EuGH, nicht darauf an, ob GmbH-Geschäftsführer nach dem Recht der EU-Mitgliedsstaaten Arbeitnehmer sind oder nicht.
Maßgeblich für den Begriff des Arbeitnehmers im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie ist für den EuGH, ob jemand für eine bestimmte Zeit Leistungen für einen anderen nach dessen Weisungen erbringt und als Gegenleistung dafür eine Vergütung erhält. Und unter diese Definition fällt auch der Fremdgeschäftsführer einer GmbH.
Von der leitenden Stellung als Manager der GmbH ließ sich der Gerichtshof nicht beeindrucken. Denn als GmbH-Fremdgeschäftsführer kann man jederzeit, auch gegen seinen Willen, von den Gesellschaftern abberufen werden und man unterliegt bei der Geschäftsführung den Weisungen und der Aufsicht der GmbH-Gesellschafter. Hier im Streitfall kam hinzu, dass der Geschäftsführer der beklagten GmbH keine Anteile an der Gesellschaft besaß.
Fazit: Das Urteil des EuGH fügt sich in seine bisherige Rechtsprechung zur Arbeitnehmereigenschaft von Vertretungsorganen juristischer Personen. So hatte der Gerichtshof schon 2010 entschieden, dass sich eine schwangere Geschäftsführerin auf die Mutterschutzrichtlinie berufen kann (Urteil vom 11.11.2010, C-232/09 - Danosa). Da die §§ 17 ff. KSchG der Umsetzung der Massenentlassungsrichtlinie dienen, sind Fremdgeschäftsführer einer GmbH künftig als Arbeitnehmer mitzuzählen, wenn es um die hier im Gesetz enthaltenen Schwellenwerte geht.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 09.07.2015, C-229/14 (Ender Balkay gg. Kiesel Abbruch GmbH)
- Arbeitsgericht Verden, Beschluss vom 06.05.2014, 1 Ca 35/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Geschäftsführerkündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Geschäftsführervertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz
- Arbeitsrecht aktuell: 19/136 Geschäftsführer als Arbeitnehmer im Sinne des AGG
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Letzte Überarbeitung: 11. Juni 2019
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