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ARBEITSRECHT AKTUELL // 15/009

Ge­schäfts­füh­rer kön­nen nach Ab­be­ru­fung zum Ar­beits­ge­richt

BAG er­wei­tert die Zu­stän­dig­keit der Ar­beits­ge­rich­te für Ge­schäfts­füh­rer­kla­gen: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 22.10.2014, 10 AZB 46/14
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06.01.2015. In der Ver­gan­gen­heit hat­ten es Ge­schäfts­füh­rer schwer, vor den Ar­beits­ge­rich­ten zu kla­gen, und zwar auch dann, wenn ihr An­stel­lungs­ver­trag ein Ar­beits­ver­trag war.

Denn die Ar­beits­ge­rich­te er­klär­ten sich ge­ne­rell für un­zu­stän­dig bei Kla­gen, die mit dem Ver­trags­ver­hält­nis zu tun hat­ten, das der Tä­tig­keit als "Or­gan" der Ge­sell­schaft zu­grun­de lag - ei­ner­lei, ob die­ses Ver­trags­ver­hält­nis ein Ar­beits­ver­hält­nis oder ein frei­es Dienst­ver­hält­nis war.

Da­mit ist nun Schluss: Künf­tig steht dem Ar­beit­neh­mer-Ge­schäfts­füh­rer ab dem Zeit­punkt sei­ner Ab­be­ru­fung als Ge­schäfts­füh­rer der Weg zum Ar­beits­ge­richt of­fen: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 22.10.2014, 10 AZB 46/14.

Wo klagt man als GmbH-Geschäftsführer nach ei­ner Kündi­gung, ei­ner Frei­stel­lung oder ei­ner Ab­be­ru­fung - vor dem Land­ge­richt oder vor dem Ar­beits­ge­richt?

Nach jahr­zehn­te­lang "gel­ten­der" Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) konn­te ein Geschäftsführer we­gen Strei­tig­kei­ten aus dem An­stel­lungs­ver­trag nie vor den Ar­beits­ge­rich­ten ge­gen "sei­ne" Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung (GmbH) kla­gen, denn dem stand nach bis­he­ri­gem Verständ­nis § 5 Abs.1 Satz 3 Ar­beits­ge­richts­ge­setz (ArbGG) ent­ge­gen. Die­se Vor­schrift lau­tet:

"Als Ar­beit­neh­mer gel­ten nicht in Be­trie­ben ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son oder ei­ner Per­so­nen­ge­samt­heit Per­so­nen, die kraft Ge­set­zes, Sat­zung oder Ge­sell­schafts­ver­trags al­lein oder als Mit­glie­der des Ver­tre­tungs­or­gans zur Ver­tre­tung der ju­ris­ti­schen Per­son oder der Per­so­nen­ge­samt­heit be­ru­fen sind."

Und da § 2 Abs.1 Nr.3 ArbGG wie­der­um für bürger­lich-recht­li­che Kla­gen, al­so z.B. für Ge­halts­kla­gen, für Kla­gen auf Zeug­nis­er­tei­lung oder Kündi­gungs­schutz­kla­gen, die Ar­beits­ge­rich­te nur dann für zuständig erklärt, wenn die Par­tei­en Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber sind, können Geschäftsführer we­gen sol­cher Strei­tig­kei­ten nicht vor die Ar­beits­ge­rich­te zie­hen, denn sie "gel­ten" ja gemäß § 5 Abs.1 Satz 3 ArbGG nicht als Ar­beit­neh­mer.

Das Tor zum Ar­beits­ge­richt blieb auch dann ver­schlos­sen, wenn der Geschäftsführer­ver­trag als Ar­beits­ver­trag an­zu­se­hen war, weil der Geschäftsführer von den Wei­sun­gen der Ge­sell­schaf­ter abhängig und da­her als "Ar­beit­neh­mer" im Sin­ne der BAG-Recht­spre­chung ein­zu­ord­nen war. Denn auch ein Geschäftsführer, der ma­te­ri­ell-recht­lich als Ar­beit­neh­mer an­zu­se­hen ist, ist kraft Ge­set­zes ver­tre­tungs­be­rech­tig­tes Or­gan "sei­ner" GmbH und gilt da­her pro­zess­recht­lich nicht als Ar­beit­neh­mer (§ 5 Abs.1 Satz 3 ArbGG).

Vor die­sem Hin­ter­grund muss­ten sich Geschäftsführer bzw. de­ren Anwälte, wenn sie vor dem Ar­beits­ge­richt kla­gen woll­ten, um den Nach­weis bemühen,

  • dass es ne­ben dem Geschäftsführer-An­stel­lungs­ver­trag noch ein wei­te­res (ru­hen­des) Ver­trags­verhält­nis gab, und zwar ein Ar­beits­verhält­nis, und dass die­ses Ver­trags­verhält­nis Grund­la­ge der Kla­ge war, z.B. weil
  • das Ar­beits­verhält­nis, das der Geschäftsführ­ertätig­keit zu­grun­de lag, nach Ab­be­ru­fung vom Geschäftsführer­amt wei­ter durch­geführt wur­de, aber mit an­de­ren Auf­ga­ben, oder weil
  • mit der Beförde­rung vom Ar­beit­neh­mer zum Geschäftsführer ein münd­li­cher Geschäftsführer­ver­trag ver­ein­bart wur­de und da­her das bis da­hin maßgeb­li­che Ar­beits­verhält­nis ru­hend ge­stellt wur­de, oder weil
  • der Geschäftsführer ne­ben dem Geschäftsführer­ver­trag mit ei­ner Kon­zern­toch­ter noch ei­nen (ru­hen­den) Ar­beits­ver­trag mit der Mut­ter­ge­sell­schaft hat.

All die­se an­stren­gen­den und oft er­folg­lo­sen ju­ris­ti­schen Klimmzüge sind künf­tig überflüssig, denn nach der Ab­be­ru­fung als Geschäftsführer können Ar­beit­neh­mer-Geschäftsführer künf­tig prak­tisch im­mer vor dem Ar­beits­ge­richt kla­gen, d.h. auch dann, wenn kei­ne der o.g. Fall­kon­stel­la­tio­nen vor­liegt.

Im Streit: Geschäftsführer mit nur ei­nem Ver­trags­verhält­nis wird ab­be­ru­fen und am Fol­ge­tag or­dent­lich gekündigt

Ge­klagt hat­te ein GmbH-Geschäftsführer, der zunächst im Jah­re 2001 als Ar­beit­neh­mer be­gon­nen hat­te und 2005 zum Geschäftsführer befördert wor­den war. Im März 2013 un­ter­zeich­ne­te er ei­nen schrift­li­chen Geschäftsführer­ver­trag, der al­le bis­he­ri­gen Ver­ein­ba­run­gen er­setz­te, die Dienst­zei­ten seit 2001 aber an­er­kann­te.

Nach­dem er im Sep­tem­ber 2013 zunächst ab­be­ru­fen und darüber per E-Mail in­for­miert wor­den war, er­hielt er am Fol­ge­tag ei­ne schrift­li­che or­dent­li­che Kündi­gung zum 30.09.2014, in der ihm die Ab­be­ru­fung noch­mals mit­ge­teilt wur­de. Außer­dem wur­de er für die gut einjähri­ge Rest­lauf­zeit des An­stel­lungs­verhält­nis­ses von der Ar­beit frei­ge­stellt.

Der Geschäftsführer er­hob vor dem Ar­beits­ge­richt Ne­umüns­ter frist­gemäß in­ner­halb von drei Wo­chen nach Er­halt der Kündi­gung Kündi­gungs­schutz­kla­ge, Kla­ge auf Wei­ter­beschäfti­gung und auf Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses. Noch be­vor die Kla­ge an die GmbH zu­ge­stellt wur­de, wur­de die Ab­be­ru­fung im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen.

Das Ar­beits­ge­richt erklärte sich für un­zuständig und ver­wies den Rechts­streit an das Land­ge­richt (Be­schluss vom 18.12.2013, 3 Ca 1259 a/13). Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Schles­wig-Hol­stein wies die da­ge­gen ge­rich­te­te so­for­ti­ge Be­schwer­de des Geschäftsführers zurück (LAG Schles­wig-Hol­stein, Be­schluss vom 29.04.2014, 4 Ta 52/14).

Denn dass der kla­gen­de Geschäftsführer vor­trug, sein Dienst­verhält­nis sei ein Ar­beits­verhält­nis, ände­re nichts an der Un­zuständig­keit der Ar­beits­ge­rich­te gemäß § 5 Abs.1 Satz 3 ArbGG, so das LAG. Ein wei­te­res Ver­trags­verhält­nis ge­be es un­strei­tig nicht, d.h. das ein­zi­ge Ver­trags­verhält­nis war der im März 2013 ab­ge­schlos­se­ne Ver­trag.

Al­ler­dings ließ das LAG die Rechts­be­schwer­de zum BAG zu, da das BAG in zwei neue­ren Ent­schei­dun­gen (Be­schluss vom 26.10.2012, 10 AZB 55/12, Be­schluss vom 04.02.2013, 10 AZB 78/12) an­ge­deu­tet hat­te, dass ei­ne ar­beits­ge­richt­li­che Kla­ge je­den­falls dann an § 5 Abs.1 Satz 3 ArbGG schei­tert, wenn der Geschäftsführer bei Kla­ge­er­he­bung noch nicht ab­be­ru­fen ist.

Dass § 5 Abs.1 Satz 3 ArbGG aber um­ge­kehrt ei­ner ar­beits­ge­richt­li­chen Kla­ge au­to­ma­tisch bzw. oh­ne wei­te­res dann nicht mehr im Weg steht, so­bald der Geschäftsführer ein­mal ab­be­ru­fen ist, hat­te das BAG in die­sen Ent­schei­dun­gen nicht ge­sagt.

BAG: Ar­beit­neh­mer-Geschäftsführer können nach Ab­be­ru­fung vor dem Ar­beits­ge­richt kla­gen, so­weit sie ih­re Ansprüche auf ein Ar­beits­verhält­nis stützen

Das BAG hob die Be­schlüsse der Vor­in­stan­zen auf und stell­te fest, dass der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen zulässig ist.

Zur Be­gründung führt das BAG zunächst aus, dass die vom Kläger an­gekündig­ten Anträge nur Er­folg ha­ben könn­ten, wenn zwi­schen den Par­tei­en ein Ar­beits­verhält­nis be­steht. Die­se Auf­fas­sung hat­te der Kläger ver­tre­ten, so dass nach den all­ge­mei­nen Re­geln über die Zuständig­keit die Ar­beits­ge­rich­te zu prüfen hat­ten, ob ein Ar­beits­verhält­nis vor­liegt oder nicht (sog. sic-non-Fall).

Im nächs­ten Schritt meint das BAG, dass § 5 Abs.1 Satz 3 ArbGG ar­beits­ge­richt­li­chen Kla­gen im­mer dann nicht (mehr) im Weg steht, wenn der Geschäftsführer ein­mal ab­be­ru­fen ist.

Da­bei kommt es, so das BAG, auf die Ab­be­ru­fung als Be­schluss der Ge­sell­schaf­ter und auf die Mit­tei­lung der Ab­be­ru­fung ge­genüber dem Geschäftsführer an und nicht et­wa auf die (späte­re und nur rechts­verkünden­de = de­kla­ra­to­ri­sche) Ein­tra­gung der Ab­be­ru­fung im Han­dels­re­gis­ter. Ei­ne sol­che, den Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten eröff­nen­de Ab­be­ru­fung muss nicht be­reits zum Zeit­punkt der Kla­ge­er­he­bung vor­lie­gen, son­dern kann auch später vor­ge­nom­men wer­den. Spätes­ter Zeit­punkt ist die rechts­kräfti­ge ge­richt­li­che Ent­schei­dung über den Rechts­weg.

Mit die­sem Be­schluss hat das BAG die bis­her gel­ten­den Maßstäbe zur Klärung der Rechts­weg­fra­ge in Geschäftsführ­erfällen weit­ge­hend über Bord ge­wor­fen. Neu ist vor al­lem, dass § 5 Abs.1 Satz 3 ArbGG nach ei­ner Ab­be­ru­fung oh­ne wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen als Hin­der­nis für ei­ne Ar­beits­ge­richts­kla­ge fortfällt. Das hat­ten die Ge­rich­te bis­her an­ders ge­se­hen, wor­auf das LAG mit Zi­ta­ten zur bis­he­ri­gen Recht­spre­chung hin­weist.

Fa­zit: Wer als Geschäftsführer nach ei­ner Kündi­gung vor dem Ar­beits­ge­richt kla­gen möch­te, tut gut dar­an, denn ers­tens ken­nen sich die Ar­beits­ge­rich­te im Kündi­gungs­schutz­recht bes­ser aus als die or­dent­li­chen Ge­rich­te und zwei­tens gilt dann § 12a Abs.1 Satz 1 ArbGG, der das Kos­ten­ri­si­ko für den Fall der Kla­ge­ab­wei­sung er­heb­lich ver­min­dert, da man die­ser Vor­schrift zu­fol­ge als Ver­lie­rer dem Pro­zess­ge­win­ner nicht des­sen An­walts­kos­ten er­stat­ten muss.

Ein­zi­ge Vor­aus­set­zung für ei­ne ar­beits­ge­richt­li­che Kla­ge sind Anträge, die das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses vor­aus­set­zen, und die ent­spre­chen­de Rechts­be­haup­tung des Klägers. Dass die ver­klag­te Ge­sell­schaft aus pro­zesstak­ti­schen Gründen die zur Ri­si­kom­in­de­rung not­wen­di­ge Ab­be­ru­fung und de­ren Ein­tra­gung im Re­gis­ter verzögert, ist un­wahr­schein­lich, aber letzt­lich auch egal, denn an­statt wo­chen- und mo­na­te­lang ver­geb­lich auf ei­ne Ab­be­ru­fung zu war­ten, kann der Geschäftsführer sein Amt auch nie­der­le­gen. Auch dann ist er nicht mehr Geschäftsführer, und auch dann gilt nach der ak­tu­el­len BAG-Recht­spre­chung § 5 Abs.1 Satz 3 ArbGG nicht mehr.

Ei­ne Amts­nie­der­le­gung ist je­den­falls dann mit kei­nen recht­li­chen Ri­si­ken ver­bun­den, wenn der Geschäftsführer mit ihr auf ei­ne Frei­stel­lung re­agiert. Denn dann kann er in­fol­ge der Frei­stel­lung nicht mehr die Geschäfte der GmbH steu­ern, trägt aber im­mer noch auf­grund der Geschäftsführer­po­si­ti­on um­fang­rei­che Haf­tungs­ri­si­ken, was ihm nicht zu­zu­mu­ten ist.

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Letzte Überarbeitung: 30. September 2016

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