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Auswahlrichtlinie und Interessenausgleich mit Namensliste
26.10.2013. Bei einer größeren betriebsbedingten Kündigungswelle muss der Arbeitgeber das Punkteschema für die Sozialauswahl gemeinsam mit dem Betriebsrat festlegen.
Denn ein Punkteschema ist eine Auswahlrichtlinie im Sinne von § 95 Abs.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), und hier hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht.
Weicht ein Interessenausgleich mit Namensliste allerdings von diesem Punkteschema ab, wird ein Arbeitnehmer, der auf der Namensliste steht, betriebsbedingt gekündigt, obwohl er nach dem Punkteschema, d.h. der Auswahlrichtlinie eigentlich bleiben müsste.
In einem vorgestern ergangenen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die Namensliste in einem solchen Fall vorgeht: BAG, Urteil vom 24.10.2013, 6 AZR 854/11.
- Auswahlrichtlinie gemäß § 95 Abs.1 BetrVG oder Interessenausgleich mit Namensliste - was geht vor?
- Der Fall des BAG: Insolvenzverwalter und Betriebsrat vereinbaren einen Interessenausgleich mit Punkteschema und Namensliste und weichen bei der Namensliste vom Punkteschema ab
- BAG: Mit dem Betriebsrat vereinbarte Auswahlrichtlinien können durch einen Interessenausgleich mit Namensliste geändert werden
Auswahlrichtlinie gemäß § 95 Abs.1 BetrVG oder Interessenausgleich mit Namensliste - was geht vor?
Nicht nur Betriebsschließungen, sondern auch größere Kündigungswellen sind Betriebsänderungen im Sinne von § 111 BetrVG. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich verhandeln muss und der Betriebsrat einen Sozialplan verlangen kann.
Lässt sich der Betriebsrat auf einen Interessenausgleich im Sinne von § 1 Abs.5 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ein, d.h. auf einen Interessenausgleich mit Namensliste (was er nicht muss), nimmt er den Arbeitnehmern, die auf der Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer stehen, weitgehend den Kündigungsschutz (und kann im Gegenzug bessere Sozialplanleistungen durchsetzen).
Bei einer solchen Namensliste wird nach dem Gesetz vermutet, dass die Kündigung der auf der Namensliste stehenden Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, und auch die Sozialauswahl wird dann vom Gericht nur auf "grobe" Fehler überprüft.
Eine Namensliste müssen Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam ausarbeiten, d.h. der Betriebsrat entscheidet zusammen mit dem Arbeitgeber über jeden einzelnen Arbeitnehmer, der auf die Namensliste gesetzt werden soll. Im Hintergrund steht dabei das Punkteschema, d.h. eine Auswahlrichtlinie im Sinne von § 95 Abs.1 BetrVG, die ebenfalls von Arbeitgeber und Betriebsrat festgelegt wurde. Das Punkteschema setzt fest, wie viele Sozialpunkte man für das Lebensalter, die Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung bekommt, denn diese für die Sozialauswahl wichtigen Merkmale müssen ja irgendwie "zusammengerechnet" werden.
Weichen Arbeitgeber und Betriebsrat bei der Erstellung der Namensliste von ihrem eigenen Punkteschema ab, d.h. wenden sie dieses Punkteschema nicht korrekt an, stellt sich die Frage, was Vorrang hat: die Namensliste oder das Punkteschema bzw. die Auswahlrichtlinie.
Aus Sicht eines Arbeitnehmers, der auf der Namensliste steht, aber gemäß dem Punkteschema keine Kündigung hätte erhalten dürfen, ist das eine unzulässige Benachteiligung im Sinne von § 75 Abs.1 BetrVG, die zur groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl im Sinne von § 1 Abs.5 KSchG führt. Denn das Punkteschema bzw. die Auswahlrichtlinie ist ja dazu da, dass die Sozialauswahl und damit die Kündigungsentscheidungen korrekt sind.
Dass die Auswahlrichtlinie große Bedeutung hat, zeigt auch § 1 Abs.4 KSchG. Denn danach kann die Bewertung der sozialen Gesichtspunkte, die in einer Auswahlrichtlinie gemäß § 95 Abs.1 BetrVG festgelegt ist, vom Arbeitsgericht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
Aus Sicht des Arbeitgebers dagegen verändert eine Namensliste, die die Auswahlrichtlinie "falsch" umsetzt, eben die Auswahlrichtlinie. Und das ist zulässig, denn warum sollten die Betriebspartner nicht per Namensliste eine Einzelfallabweichung von ihrem eigenen Punkteschema vereinbaren können?
Der Fall des BAG: Insolvenzverwalter und Betriebsrat vereinbaren einen Interessenausgleich mit Punkteschema und Namensliste und weichen bei der Namensliste vom Punkteschema ab
Im Streitfall ging es um einen 1970 geborenen, unverheirateten Arbeitnehmer, der seit 1998 als Werkzeugmacher beschäftigt war. Sein Arbeitgeber wurde insolvent und es wurde im Dezember 2009 ein Insolvenzverwalter bestellt.
Der Verwalter vereinbarte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich, der eine Auswahlrichtlinie und eine Namensliste enthielt. Die Einschränkungen des Kündigungsschutzes ergeben sich in diesem Fall nicht aus § 1 Abs.5 KSchG, sondern aus § 125 Abs.1 Insolvenzordnung (InsO).
Der Arbeitnehmer konnte nach dem Punkteschema der Auswahlrichtlinie zwei Sozialpunkte mehr als ein mit ihm vergleichbarer Kollege vorweisen. Eigentlich hätte er daher nicht gekündigt werden können. Trotzdem befand sich sein Name auf der Namensliste. Und dementsprechend erhielt er und nicht sein Kollege die Kündigung.
Er erhob Kündigungsschutzklage und argumentierte, die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft im Sinne von § 125 Abs.1 InsO. Denn der Insolvenzverwalter hätte nicht ihn, sondern gemäß der Auswahlrichtlinie seinen Kollegen kündigen müssen.
Das Arbeitsgericht Hagen (Urteil vom 30.09.2010, 4 Ca 415/10) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm sahen das auch so und gaben dem Arbeitnehmer recht (LAG Hamm, Urteil vom 04.05.2011, 2 Sa 1975/10).
BAG: Mit dem Betriebsrat vereinbarte Auswahlrichtlinien können durch einen Interessenausgleich mit Namensliste geändert werden
Das BAG war anderer Meinung und hob die Urteile des Arbeitsgerichts und des LAG Hamm auf. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Arbeitgeber und Betriebsrat können Auswahlrichtlinien im Sinne von § 1 Abs.4 KSchG später oder zeitgleich, z.B. bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste, ändern, so das BAG. Setzen sich die Betriebsparteien daher in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, gilt die Namensliste.
Fazit: Verstoßen Arbeitgeber und Betriebsrat bei Erstellung einer Namensliste gegen eine von ihnen vereinbarte Auswahlrichtlinie, wird dieser Verstoß automatisch wieder gutgemacht, eben indem die Betriebsparteien den Namen eines gemäß der Auswahlrichtlinie eigentlich nicht zu kündigenden Arbeitnehmers auf die Namensliste setzen. Die fehlerhafte Anwendung der von den Betriebspartnern selbst geschaffenen Auswahlrichtlinie modifiziert diese Richtlinie und führt daher nicht zu einer grob fehlerhaften Sozialauswahl.
Aus Arbeitnehmersicht ist das eine schlechte Nachricht, denn nach der Rechtsprechung des BAG führt es auch nicht zur Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung, wenn der Arbeitgeber ohne Mitwirkung des Betriebsrats, d.h. unter Verletzung seines Mitbestimmungsrechts, ein Punkteschema erstellt und auf dieser Grundlage eine Sozialauswahl vornimmt. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber zwar zusammen mit dem Betriebsrat ein Punkteschema erarbeitet hat, aber dann von ihm abweicht (ohne dass es eine Namensliste gibt).
In solchen Fällen kann nur der Betriebsrat etwas tun, nämlich dem Arbeitgeber gerichtlich die bevorstehenden mitbestimmungswidrigen Kündigungen untersagen lassen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.10.2013, 6 AZR 854/11 (Pressemeldung des BAG)
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 04.05.2011, 2 Sa 1975/10
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe schriftlich abgefasst und veröffentlicht. Die Entscheidungsgründe im Volltext finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 6. Oktober 2016
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