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BAG, Ur­teil vom 24.10.2013, 6 AZR 854/11

   
Schlagworte: Kündigung: Betriebsbedingt, Interessenausgleich, Auswahlrichtlinie, Sozialauswahl, Betriebsänderung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 6 AZR 854/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.10.2013
   
Leitsätze: Arbeitgeber und Betriebsrat können Auswahlrichtlinien im Sinn von § 1 Abs. 4 KSchG später oder zeitgleich - etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste - ändern. Setzen sich die Betriebsparteien in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, gilt die Namensliste.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hagen, Urteil vom 30.9.2010 - 4 Ca 415/10
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 Sa 1975/10
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

6 AZR 854/11
2 Sa 1975/10
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Hamm

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

24. Ok­to­ber 2013

UR­TEIL

Gaßmann, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­ter, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Sechs­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts am 24. Ok­to­ber 2013 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Fi­scher­mei­er, die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gall­ner und Spel­ge so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Au­gat und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Pe­ter für Recht er­kannt:
 


- 2 -

1. Auf die Re­vi­si­on des Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 4. Mai 2011 - 2 Sa 1975/10 - auf­ge­ho­ben.


2. Die Sa­che wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung, auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on, an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob ihr Ar­beits­verhält­nis durch ei­ne auf be­trieb­li­che Gründe gestütz­te Kündi­gung auf­gelöst wur­de.

Der 1970 ge­bo­re­ne, un­ver­hei­ra­te­te Kläger war seit Ok­to­ber 1998 als Werk­zeug­ma­cher bei der Schuld­ne­rin, der T GmbH & Co. KG, beschäftigt. Die Schuld­ne­rin war ein Un­ter­neh­men der Au­to­mo­bil­zu­lie­fer­in­dus­trie.


Mit Be­schluss vom 2. De­zem­ber 2009 wur­de über das Vermögen der Schuld­ne­rin das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net und der Be­klag­te zum In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt.
 

Der Be­klag­te und der im Be­trieb der Schuld­ne­rin ge­bil­de­te Be­triebs­rat schlos­sen am 10. Fe­bru­ar 2010 ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich und ei­nen So­zi­al-plan. Der von bei­den Be­triebs­par­tei­en auf je­der Sei­te un­ter­zeich­ne­te In­ter­es­sen­aus­gleich lau­tet aus­zugs­wei­se:

„II. Kündi­gun­gen/Frei­stel­lun­gen

1. ...

... Zwi­schen­zeit­lich ist es ge­lun­gen, ei­nen Be­triebs­er­wer­ber zu fin­den, mit dem in Kürze ein Kauf­ver­trag wirk­sam wer­den kann. Der Be­triebs­er­wer­ber ist je­doch nur in der La­ge, das Ziel, den Stand­ort H lang­fris­tig zu er­hal­ten, zu er­rei­chen, wenn ho­he Ein­spa­run­gen rea­li­siert wer­den, um die Kos­ten dem tatsächli­chen, um 30 % ge­sun­ke­nen Um­satz­vo­lu­men an­zu­pas­sen. ... Die Re­struk­tu­rie­rung der Beschäfti­gungs­struk­tur ist durch ent­spre­chen­den Per­so­nal­ab­bau zu er­rei­chen.

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Es wur­de ein tatsäch­li­cher Beschäfti­gungs­be­darf für ca. 460 Ar­beitsplätze am Stand­ort H er­mit­telt. Die ursprüng­lich in H be­ste­hen­den ca. 604 Ar­beitsplätze wur­den vor und in der In­sol­venz, ins­be­son­de­re durch Aus­lau­fen be­fris­te­ter Ar­beits­verträge, auf ak­tu­ell ca. 509 Ar­beitsplätze re­du­ziert. Der nun noch er­for­der­li­che Ab­bau von Ar­beitsplätzen durch ent­spre­chen­den Per­so­nal­ab­bau soll durch den Aus­spruch von 48 be­triebs­be­ding­ten Be­en­di­gungskündi­gun­gen nach Ab­schluss ei­nes ent­spre­chen­den In­ter­es­sen­aus­gleichs er­fol­gen. Hin­zu kommt, dass ge­genüber zwei Ar­beit­neh­mern ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gun­gen aus­ge­spro­chen wer­den bzw. wor­den sind, de­ren Ar­beitsplätze (Pro­duk­ti­ons­hel­fer) eben­falls nicht wie­der be­setzt wer­den.

2. Der In­sol­venz­ver­wal­ter und der Be­triebs­rat sind sich darüber ei­nig, dass ei­ne Fortführung des Geschäfts­be­trie­bes nur möglich ist, wenn die An­zahl der Mit­ar­bei­ter auf et­wa 460 re­du­ziert wird. Da­her ist es er­for­der­lich, die Ar­beits­verhält­nis­se mit den nach­fol­gend auf­geführ­ten Mit­ar­bei­tern aus be­triebs­be­ding­ten Gründen zum nächst­zulässi­gen Ter­min im Sin­ne des § 113 In­sO zu kündi­gen. Die nach­fol­gen­de Auf­lis­tung stellt die Na­mens­lis­te im Sin­ne von § 125 In­sO dar.

...

44 St S

...

3. Der Be­triebs­rat wur­de über die für die So­zi­al­aus­wahl re­le­van­ten Merk­ma­le al­ler Mit­ar­bei­ter der Ge­sell­schaft un­ter Vor­la­ge von Per­so­nal­lis­ten un­ter­rich­tet. Die dem Be­triebs­rat über­reich­ten Per­so­nal­lis­ten ent­hal­ten un­ter an­de­rem An­ga­ben zur Per­son und zu den So­zi­al­da­ten im Sin­ne des § 1 Abs. 3 KSchG (Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit, Le­bens­al­ter, Un­ter­halts­pflich­ten, Schwer­be­hin­de­rung).


4. Die Par­tei­en ha­ben nach­ste­hen­de Aus­wahl­richt­li­nie gem. § 1 Abs. 4 KSchG i. V. m. § 95 Be­trVG ver­ein­bart, nach der die so­zia­len Ge­sichts­punk­te bei der Aus­wahl von Mit­ar­bei­tern zu den be­ab­sich­tig­ten Kündi­gun­gen zu wer­ten sind:

Le­bens­al­ter

Für je­des voll­ende­te Le­bens­jahr 1 Punkt Ma­xi­mal 55 Punk­te

Be­triebs­zu­gehörig­keit

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Für je­des voll­ende­te Jahr der Be­triebs­zu­gehörig­keit 1 Punkt


Für je­des voll­ende­te Jahr der Be­triebs­zu­gehörig­keit ab dem 11. Beschäfti­gungs­jahr 2 Punk­te
Ma­xi­mal 70 Punk­te


Un­ter­halts­pflich­ten

Ver­hei­ra­tet 8 Punk­te

Je Kind 4 Punk­te


Schwer­be­hin­de­rung

Schwer­be­hin­de­rung im Sin­ne der §§ 85 ff. SGB IX bis zu ei­nem Grad der Be­hin­de­rung von GdB 50 oder Gleich­stel­lung 5 Punk­te

je 1 wei­te­rer Punkt pro 10 GdB mehr

Als Stich­tag für die Be­rech­nung wur­de der 01.02.2010 zu­grun­de ge­legt.

...

III. Anhörungs­ver­fah­ren gemäß § 102 Be­trVG

1. Bei den Ver­hand­lun­gen über den In­ter­es­sen­aus­gleich und der Er­stel­lung der Na­mens­lis­te la­gen dem Be­triebs­rat die So­zi­al­da­ten im Sin­ne des § 1 Abs. 3 KSchG sämt­li­cher Ar­beit­neh­mer vor. Mit der Er­stel­lung der Na­mens­lis­te ist gleich­zei­tig das Anhörungs­ver­fah­ren nach § 102 Be­trVG zur Kündi­gung der in der Na­mens­lis­te ge­nann­ten Ar­beit­neh­mer ein­ge­lei­tet wor­den. Die Erörte­run­gen, die zur Er­stel­lung der Na­mens­lis­te geführt ha­ben, sind gleich­zei­tig die förm­li­chen In­for­ma­tio­nen des Be­triebs­rats über die Kündi­gungs­gründe gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG. Dies wur­de dem Be­triebs­rat vor Be­ginn der Ver­hand­lun­gen über den In­ter­es­sen­aus­gleich mit­ge­teilt.


Der Be­triebs­rat hat­te Ge­le­gen­heit, über die be­ab­sich­tig­ten Kündi­gun­gen zu be­ra­ten.

...

Der Be­triebs­rat gibt fol­gen­de ab­sch­ließen­de Stel­lung­nah­me ab:

Den Kündi­gun­gen wi­der­spricht der Be­triebs­rat nicht. Der Be­triebs­rat be­trach­tet das Anhörungs­ver­fah­ren da­mit als

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ab­ge­schlos­sen. ...

IV. In­for­ma­ti­on und Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats gemäß § 17 KSchG

1. Dem Be­triebs­rat wur­den im Sin­ne des § 17 KSchG die zweck­dien­li­chen Auskünf­te wie folgt er­teilt:

a) Gründe für die ge­plan­ten Ent­las­sun­gen: Sie­he Zif­fer II. 1. die­ses In­ter­es­sen­aus­gleichs

b) Zahl und Be­rufs­grup­pen der zu ent­las­sen­den Ar­beit­neh­mer: Sie­he Na­mens­lis­te in Ver­bin­dung mit der über-reich­ten Per­so­nal­lis­te

c) Zahl und Be­rufs­grup­pen der in der Re­gel beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer: Gemäß der über­reich­ten Per­so­nal­lis­te

d) Zeit­raum, in dem die Ent­las­sun­gen vor­ge­nom­men wer-den sol­len: Sie­he Zif­fer II. 2. die­ses In­ter­es­sen­aus­gleichs

e) Kri­te­ri­en für die Be­rech­nung et­wai­ger Ab­fin­dun­gen: Le­bens­al­ter, Be­triebs­zu­gehörig­keit, Un­ter­halts­pflich­ten,
Schwer­be­hin­de­rung


2. Der In­sol­venz­ver­wal­ter und der Be­triebs­rat ha­ben die Möglich­kei­ten be­ra­ten, Ent­las­sun­gen zu ver­mei­den oder ein­zu­schränken und ih­re Fol­gen zu min­dern.

3. Der Be­triebs­rat gibt fol­gen­de Stel­lung­nah­me gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 ab:

Der Be­triebs­rat hat sich ausführ­lich mit den ge­plan­ten Ent­las­sun­gen be­fasst und ist der Auf­fas­sung, dass die ge­plan­ten Ent­las­sun­gen un­ver­meid­bar sind, und sieht kei­ne an­de­re Möglich­keit, da­mit zu­min­dest die da­nach noch vor­han­de­nen Ar­beitsplätze er­hal­ten wer­den können.
...“


Der Kläger ist un­ter Nr. 44 der Na­mens­lis­te be­nannt. In dem In­ter­es­sen­aus­gleich wur­den 51 Ver­gleichs­grup­pen ge­bil­det. Die Be­triebs­par­tei­en bil­de­ten für drei der 51 Ver­gleichs­grup­pen fünf Al­ters­grup­pen (bis 24 Jah­re, 25 bis 34 Jah­re, 35 bis 44 Jah­re, 45 bis 54 Jah­re, ab 55 Jah­re). Der Kläger war ne­ben 21 wei­te­ren Ar­beit­neh­mern der Ver­gleichs­grup­pe Nr. 10 „In­stand­hal­ter Me­cha­nik/Werk­zeug­bau“ zu­ge­ord­net. Er gehörte der Al­ters­grup­pe 35 bis 44 Jah­re an. Für die Ver­gleichs­grup­pe Nr. 10 wa­ren fol­gen­de Kündi­gun­gen ge­plant:
 


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Al­ters­grup­pe - Beschäftig­te Ar­beit­neh­mer - Kündi­gun­gen

Bis 24 Jah­re - 1 - 0
25 bis 34 Jah­re - 4 - 1
35 bis 44 Jah­re - 7 - 1
45 bis 54 Jah­re - 8 - 2
Ab 55 Jah­re - 2 - 0


Von den sie­ben Ar­beits­verhält­nis­sen der Ver­gleichs- und Al­ters­grup­pe des Klägers wur­de nur sein Ar­beits­verhält­nis gekündigt. In sei­ner Ver­gleichs-und Al­ters­grup­pe wies der Kläger nach dem Punk­te­sche­ma der Aus­wahl­lis­te mit 51 Punk­ten zwei So­zi­al­punk­te mehr als der Ar­beit­neh­mer Y mit 49 Punk­ten auf.
 

Der Be­klag­te zeig­te mit Schrei­ben vom 11. Fe­bru­ar 2010 ge­genüber der Agen­tur für Ar­beit H die Ent­las­sung von 48 Ar­beit­neh­mern an. Die Agen­tur für Ar­beit H teil­te dem Be­klag­ten un­ter dem 18. Fe­bru­ar 2010 mit, die an­ge­zeig­ten 48 Ent­las­sun­gen könn­ten mit der ge­plan­ten Wir­kung in der Frei­f­rist durch-geführt wer­den, die sich an die am 11. März 2010 en­den­de Re­gel­sperr­frist an-schließe. Die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge sei am 11. Fe­bru­ar 2010 wirk­sam ge­wor­den.


Der Be­klag­te kündig­te das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger mit Schrei­ben vom 12. Fe­bru­ar 2010 zum 31. Mai 2010.

Der Kläger hat sich mit sei­ner am 25. Fe­bru­ar 2010 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge ge­gen die Kündi­gung ge­wandt. Er hat die Un­ter­rich­tung des Be­triebs­rats und die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge für nicht ord­nungs­gemäß ge­hal­ten. Die so­zia­le Aus­wahl sei grob feh­ler­haft. Das fol­ge schon dar­aus, dass der Be­klag­te mit sei­nem Kündi­gungs­ent­schluss von der Aus­wahl­richt­li­nie ab­ge­wi­chen sei. Er ha­be nicht das Ar­beits­verhält­nis des Ar­beit­neh­mers Y gekündigt, der nach dem Punk­te­sche­ma so­zi­al am stärks­ten ge­we­sen sei. Es sei auch nicht er­kenn­bar, dass es er­for­der­lich ge­we­sen sei, Al­ters­grup­pen zu bil­den, um ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Per­so­nal­struk­tur zu er­hal­ten oder zu schaf­fen. Wes­halb nur für drei Ver­gleichs­grup­pen Al­ters­grup­pen ge­bil­det wor­den sei­en,
 


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sei eben­so we­nig er­sicht­lich. Fer­ner sei­en die Ar­beits­verhält­nis­se ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer in der „In­stand­hal­tung Me­cha­nik/Werk­zeug­bau“ nicht gekündigt wor­den, ob­wohl die Ar­beit­neh­mer kei­nen Kündi­gungs­schutz ge­nos­sen hätten. Da­bei hand­le es sich um die ehe­ma­li­gen Aus­zu­bil­den­den B und Sh, die erst im Ja­nu­ar 2010 ei­nen Ar­beits­ver­trag er­hal­ten hätten. Auch der frühe­re Leih­ar­beit­neh­mer Bi ha­be erst im De­zem­ber 2009 ei­nen Ar­beits­ver­trag mit dem Be­klag­ten ge­schlos­sen.

Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt 


fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung des Be­klag­ten vom 12. Fe­bru­ar 2010 nicht be­en­det wur­de.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die so­zia­le Aus­wahl sei ob­jek­tiv nicht grob feh­ler­haft. Ihm ha­be bei Ab­wei­chun­gen bis zu zehn So­zi­al­punk­ten nach dem übe­rein­stim­men­den Wil­len der Be­triebs­par­tei­en ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu­ge­stan­den, ob­wohl die Aus­wahl­richt­li­nie ei­nen sol­chen nicht aus­drück­lich er­ken­nen las­se. Die­ser Be­ur­tei­lungs­spiel­raum sei bei ei­nem Ab­stand von nur zwei So­zi­al­punk­ten nicht über­schrit­ten. Die Be­triebs­par­tei­en hätten fer­ner an­ge­nom­men, der Kläger sei auf­grund sei­ner Ar­beits­leis­tung und Ar­beits­mo­ral am ehes­ten ent­behr­lich ge­we­sen. Die­ser Um­stand sei in den In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­hand­lun­gen erörtert wor­den. Die Al­ters­grup­pen­bil­dung sei nicht zu be­an­stan­den.


Die Vor­in­stan­zen ha­ben der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on will der Be­klag­te die Kla­ge wei­ter ab­ge­wie­sen wis­sen.
 


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Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu Un­recht an­ge­nom­men, die so­zia­le Aus­wahl sei grob feh­ler­haft, weil der Be­klag­te ge­gen die im In­ter­es­sen­aus­gleich ent­hal­te­ne Aus­wahl­richt­li­nie ver­s­toßen ha­be. Auf der Grund­la­ge des bis­her fest­ge­stell­ten Sach­ver­halts kann der Se­nat nicht darüber ent­schei­den, ob die Kündi­gung wirk­sam ist. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist des­halb auf­zu­he­ben und die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

A. Der be­klag­te In­sol­venz­ver­wal­ter ist nach wie vor pas­siv le­gi­ti­miert. Es ist nicht fest­ge­stellt, ob und ggf. wann es nach Zu­gang der Kündi­gung zu ei­nem Be­triebsüber­gang kam. Selbst wenn der Be­trieb der Schuld­ne­rin veräußert wor­den sein soll­te, wäre der Be­klag­te noch im­mer pas­siv le­gi­ti­miert. Der be­triebs­veräußern­de Ar­beit­ge­ber, der das Ar­beits­verhält­nis vor ei­nem Be­triebsüber­gang gekündigt hat, bleibt für die ge­richt­li­che Klärung der so­zia­len Recht­fer­ti­gung der Kündi­gung auch nach dem Be­triebsüber­gang pas­siv le­gi­ti­miert. §§ 265, 325 ZPO sind in ei­nem sol­chen Fall ent­spre­chend an­zu­wen­den (vgl. für die st. Rspr. BAG 28. Ju­ni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 21; 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 3 d der Gründe, BA­GE 114, 362).


B. Der Se­nat kann auf­grund der ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen noch nicht ab­sch­ließend be­ur­tei­len, ob die Kündi­gung vom 12. Fe­bru­ar 2010 das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit der drei­mo­na­ti­gen Frist des § 113 Satz 2 In­sO zum 31. Mai 2010 be­en­de­te.

I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat rechts­feh­ler­frei die Ver­mu­tung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 In­sO be­jaht. Es hat auch zu­tref­fend er­kannt, dass die so­zia­le Aus­wahl der Ar­beit­neh­mer nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 In­sO nur auf gro­be Feh­ler­haf­tig­keit über­prüft wer­den kann. Die Kündi­gung ist auf­grund ei­ner Be­triebsände­rung er­folgt. Der Kläger ist in ei­nem zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat ver­ein­bar­ten In­ter­es­sen­aus­gleich na­ment­lich be­zeich­net. Es steht je-


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doch noch nicht fest, ob die Kündi­gung vom 12. Fe­bru­ar 2010 den Vor­ga­ben der § 1 Abs. 3 KSchG, § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 In­sO genügt oder ob die So­zi­al­aus­wahl grob feh­ler­haft ist.


1. Die Kündi­gung ist durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG be­dingt, die ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers ent­ge­gen­ste­hen.


a) Die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 125 Abs. 1 Satz 1 In­sO sind erfüllt. Darüber be­steht zwi­schen den Par­tei­en kein Streit.

aa) Die Kündi­gung be­ruht auf ei­ner Be­triebsände­rung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 Be­trVG.

(1) Um ei­ne Be­triebsände­rung han­delt es sich auch bei ei­nem bloßen Per­so­nal­ab­bau, wenn die Zah­len und Pro­zent­an­ga­ben des § 17 Abs. 1 KSchG er­reicht sind. Aus­schlag­ge­bend ist die Zahl der in ei­nem Be­trieb er­fol­gen­den Kündi­gun­gen im Verhält­nis zur Zahl der in der Re­gel in die­sem Be­trieb beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer. Der Be­griff des Be­triebs in § 17 KSchG ent­spricht dem der §§ 1, 4 Be­trVG (st. Rspr., vgl. zB BAG 20. Sep­tem­ber 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 17; 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 17).

(2) Der Per­so­nal­ab­bau über­schritt hier die Zah­len­wer­te des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Maßgeb­lich für die Be­rech­nung des Schwel­len­werts war die im Be­trieb H, in dem der Kläger tätig war, beschäftig­te Zahl von 509 Ar­beit­neh­mern. In die­sem Be­trieb wa­ren 48 Ar­beit­neh­mer von den (be­ab­sich­tig­ten) Kündi­gun­gen be­trof­fen, wie sich aus Nr. II 1 Abs. 4 Satz 3 des In­ter­es­sen­aus­gleichs vom 10. Fe­bru­ar 2010 er­gibt. Die Na­men der 48 zu kündi­gen­den Ar­beit­neh­mer fin­den sich in der Na­mens­lis­te, die in Nr. II 2 des In­ter­es­sen­aus­gleichs in­te­griert ist. Die Min­dest­beschäftig­ten­zahl von 500 Ar­beit­neh­mern und der Schwel­len­wert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG von min­des­tens 30 zu Ent­las­sen­den wa­ren da­mit er­reicht.
 


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bb) Die in den In­ter­es­sen­aus­gleichs­text ein­be­zo­ge­ne und vom Be­klag­ten und vom Be­triebs­rat un­ter­zeich­ne­te Na­mens­lis­te weist den Na­men des Klägers un­ter Nr. 44 aus.


b) Der Kläger hat die Ver­mu­tung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 In­sO nicht wi­der­legt. Er hat da­zu nichts vor­ge­bracht. Die Ver­mu­tung, dass die Kündi­gung be­triebs­be­dingt ist, ist erst dann wi­der­legt, wenn der Ar­beit­neh­mer sub­stan­ti­iert dar­legt und im Be­strei­tens­fall be­weist, dass der nach dem In­ter­es­sen­aus­gleich in Be­tracht kom­men­de be­trieb­li­che Grund in Wirk­lich­keit nicht be­steht (vgl. BAG 27. Sep­tem­ber 2012 - 2 AZR 520/11 - Rn. 25; 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 17, BA­GE 140, 169).


c) Der Kläger hat nicht be­haup­tet, die Sach­la­ge ha­be sich nach Zu­stan­de­kom­men des In­ter­es­sen­aus­gleichs we­sent­lich iSv. § 125 Abs. 1 Satz 2 In­sO geändert. Ei­ne we­sent­li­che Ände­rung der Sach­la­ge ist nur an­zu­neh­men, wenn im Kündi­gungs­zeit­punkt da­von aus­zu­ge­hen ist, dass die Geschäfts­grund­la­ge ent­fal­len ist. Das ist zu be­ja­hen, wenn nicht ernst­haft be­zwei­felt wer­den kann, dass bei­de Be­triebs­par­tei­en oder ei­ne von ih­nen den In­ter­es­sen­aus­gleich in Kennt­nis der späte­ren Ände­rung nicht oder mit an­de­rem In­halt ge­schlos­sen hätten (vgl. BAG 18. Ok­to­ber 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 38; 28. Ju­ni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 32). Dar­auf hat sich der Kläger nicht be­ru­fen.


2. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­ge­be­nen Be­gründung kann nicht an­ge­nom­men wer­den, dass die so­zia­le Aus­wahl grob feh­ler­haft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 In­sO ist.


a) Die so­zia­le Aus­wahl kann nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 In­sO nur auf gro­be Feh­ler­haf­tig­keit über­prüft wer­den. Die­ser Prüfungs­maßstab gilt nicht nur für die Aus­wahl­kri­te­ri­en und ih­re re­la­ti­ve Ge­wich­tung selbst. Auch die Bil­dung der aus­wahl­re­le­van­ten Ar­beit­neh­mer­grup­pe kann ge­richt­lich le­dig­lich auf gro­be Feh­ler über­prüft wer­den. Die So­zi­al­aus­wahl ist grob feh­ler­haft, wenn ein evi­den­ter, ins Au­ge sprin­gen­der schwe­rer Feh­ler vor­liegt und der In­ter­es­sen­aus­gleich je­de so­zia­le Aus­ge­wo­gen­heit ver­mis­sen lässt (st. Rspr., vgl. für § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG BAG 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 38 f.,
 


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BA­GE 140, 169; 5. No­vem­ber 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 21; s. auch BT-Drucks. 15/1204 S. 12). Die ge­trof­fe­ne Aus­wahl muss sich mit Blick auf den kla­gen­den Ar­beit­neh­mer im Er­geb­nis als grob feh­ler­haft er­wei­sen. Nicht ent­schei­dend ist, ob das Aus­wahl­ver­fah­ren zu be­an­stan­den ist (vgl. BAG 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 39 mwN, aaO).


b) Die­sen An­for­de­run­gen wird die Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht ge­recht.


aa) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die So­zi­al­aus­wahl sei grob feh­ler­haft, weil der Be­klag­te die Aus­wah­l­ent­schei­dung zu­las­ten des Klägers ge­trof­fen ha­be, ob­wohl er das Ar­beits­verhält­nis des Ar­beit­neh­mers Y hätte kündi­gen müssen, der zwei So­zi­al­punk­te we­ni­ger auf­ge­wie­sen ha­be. Die im In­ter­es­sen­aus­gleich ent­hal­te­ne, als Be­triebs­ver­ein­ba­rung ein­zu­ord­nen­de Aus­wahl­richt­li­nie iSv. § 95 Be­trVG le­ge die Aus­wahl­kri­te­ri­en als Rechts­norm ver­bind­lich fest und las­se kei­ne Aus­nah­men zu. Die Be­triebs­par­tei­en hätten ge­ra­de nicht nur ei­ne Vor­aus­wahl ge­trof­fen und dem Ar­beit­ge­ber die ab­sch­ließen­de Be­ur­tei­lung des Ein­zel­falls über­las­sen. Es kom­me da­her nicht auf die ab­wei­chen­de Be­wer­tung der Be­triebs­par­tei­en in der Na­mens­lis­te des In­ter­es­sen­aus­gleichs vom 10. Fe­bru­ar 2010 an.


bb) Die­se Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts berück­sich­tigt nicht al­le we­sent­li­chen Umstände.


(1) Mit dem Be­ru­fungs­ge­richt ist da­von aus­zu­ge­hen, dass es sich bei der in Nr. II 4 des In­ter­es­sen­aus­gleichs vom 10. Fe­bru­ar 2010 ent­hal­te­nen Re­ge­lung um ei­ne Aus­wahl­richt­li­nie iSv. § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG, § 95 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG, al­so um ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung iSv. § 77 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG han­delt.


(a) Der Se­nat kann of­fen­las­sen, ob der ge­sam­te In­ter­es­sen­aus­gleich in die­sem be­son­de­ren Fall der Ver­bin­dung von Aus­wahl­richt­li­nie und Na­mens­lis­te zu­gleich die Rechts­na­tur ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung auf­weist.


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(aa) Die Be­triebs­par­tei­en können ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich ein­sch­ließlich ei­ner dar­in ent­hal­te­nen Aus­wahl­richt­li­nie auch als Be­triebs­ver­ein­ba­rung schließen (vgl. zu ei­nem sol­chen Fall BAG 6. No­vem­ber 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 4, BA­GE 128, 238; Lin­ge­mann/Beck NZA 2009, 577, 578).

(bb) Hier sind so­wohl der In­ter­es­sen­aus­gleich als Ge­samt­heit der ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen als auch die Aus­wahl­richt­li­nie und die Na­mens­lis­te im Be­son­de­ren von bei­den Be­triebs­par­tei­en un­ter­schrie­ben. Die Aus­wahl­richt­li­nie ist des­we­gen schon nach ih­rem Wort­laut ei­ne schrift­form­ge­rech­te Be­triebs­ver­ein­ba­rung iSv. § 77 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG. Sie be­zeich­net sich selbst als Aus­wahl­richt­li­nie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG iVm. § 95 Be­trVG, nach der die so­zia­len Ge­sichts­punk­te bei der Aus­wahl von Mit­ar­bei­tern zu den be­ab­sich­tig­ten Kündi­gun­gen zu wer­ten sind.

(b) Der Qua­li­fi­ka­ti­on von Nr. II 4 des In­ter­es­sen­aus­gleichs vom 10. Fe­bru­ar 2010 als Aus­wahl­richt­li­nie iSv. § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG iVm. § 95 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG steht nicht ent­ge­gen, dass sich die Be­stim­mung auf ei­ne kon­kre­te Mas­senkündi­gung be­zieht. Ein Punk­te­sche­ma für die so­zia­le Aus­wahl ist auch dann ei­ne nach § 95 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Aus­wahl­richt­li­nie, wenn der Ar­beit­ge­ber es nicht ge­ne­rell auf al­le künf­ti­gen be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen, son­dern nur auf kon­kret be­vor­ste­hen­de Kündi­gun­gen an­wen­den will (vgl. BAG 9. No­vem­ber 2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 32, BA­GE 120, 115; 6. Ju­li 2006 - 2 AZR 442/05 - Rn. 30; grund­le­gend 26. Ju­li 2005 - 1 ABR 29/04 - zu B II 1 der Gründe, BA­GE 115, 239; abl. Lin­ge­mann/Beck Anm. AP KSchG 1969 § 1 So­zia­le Aus­wahl Nr. 87 zu 4; Quecke RdA 2007, 335, 336 ff.).

(2) Es kann da­hin­ste­hen, ob die in Nr. II 4 des In­ter­es­sen­aus­gleichs vom 10. Fe­bru­ar 2010 ent­hal­te­ne Aus­wahl­richt­li­nie wirk­sam ist, ob­wohl sie ne­ben den von § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 In­sO ge­nann­ten so­zia­len Ge­sichts­punk­ten der Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit, des Le­bens­al­ters und der Un­ter­halts­pflich­ten auch die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu be­ach­ten­de Schwer­be­hin­de­rung und die Gleich­stel­lung von Ar­beit­neh­mern mit schwer­be­hin­der­ten Men­schen berück­sich­tigt. Das ist des­halb nicht un­pro­ble­ma­tisch, weil der Na­mens­lis­te in Nr. II 2 des In­ter­es­sen­aus­gleichs zu­min­dest in wei­ten Tei­len die Aus­wahl­richt­li-



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nie in Nr. II 4 des In­ter­es­sen­aus­gleichs zu­grun­de liegt, die bei­den Re­ge­lungs-kom­ple­xe al­so mit­ein­an­der ver­knüpft sind. Je­den­falls dürfen zusätz­li­che Fak­to­ren über die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ge­nann­ten Ge­sichts­punk­te hin­aus nicht berück­sich­tigt wer­den (vgl. BAG 12. Au­gust 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 46). Sonst wird der ge­mil­der­te Prüfungs­maßstab der gro­ben Feh­ler­haf­tig­keit nicht aus­gelöst (vgl. BAG 18. Ok­to­ber 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 28, BA­GE 120, 18). Al­len­falls kommt ei­ne Ergänzung in der Ge­wich­tung der Grund­da­ten aus § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG in Be­tracht, wenn sich die ergänzen­den Fak­to­ren un­mit­tel­bar auf die Grund­da­ten be­zie­hen (vgl. BAG 12. Au­gust 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 46). Wird un­ter­stellt, dass die Berück­sich­ti­gung der Schwer­be­hin­de­rung und der Gleich­stel­lung die Wirk­sam­keit der Aus­wahl­richt­li­nie nicht hin­dert, ist nicht er­kenn­bar, dass sie ge­gen Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te des AGG verstößt oder in ih­rer kon­kre­ten Aus­ge­stal­tung zu be­an­stan­den ist.

(a) Die Berück­sich­ti­gung des Le­bens­al­ters bei der So­zi­al­aus­wahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ver­folgt das Ziel, älte­re Ar­beit­neh­mer, die ty­pi­scher­wei­se schlech­te Chan­cen auf dem Ar­beits­markt ha­ben, bes­ser zu schützen. Die da­mit ver­bun­de­ne Un­gleich­be­hand­lung jünge­rer Ar­beit­neh­mer iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist uni­ons­rechts­kon­form (vgl. näher BAG 27. Sep­tem­ber 2012 - 2 AZR 520/11 - Rn. 52 mwN; 28. Ju­ni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 24; 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 48 ff. mwN, BA­GE 140, 169).

(b) Die Aus­wahl­richt­li­nie ist un­ter der Vor­aus­set­zung, dass die Fra­ge der von ihr berück­sich­tig­ten Schwer­be­hin­de­rung und der Gleich­stel­lung da­hin­ge­stellt bleibt, auch in ih­rer kon­kre­ten Aus­ge­stal­tung nicht zu be­an­stan­den.

(aa) Die Be­triebs­par­tei­en ha­ben dem Le­bens­al­ter kein un­an­ge­mes­sen ho­hes Ge­wicht bei­ge­mes­sen. Dass sie die Be­triebs­zu­gehörig­keit im Verhält­nis zum Al­ter ab dem elf­ten Beschäfti­gungs­jahr stärker ge­wich­tet ha­ben, ist mit den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben ver­ein­bar und wird vom Kläger nicht gerügt.


(bb) Der Wirk­sam­keit des Punk­te­sys­tems steht nicht ent­ge­gen, dass es kei­ne ab­sch­ließen­de Ein­zel­fall­be­trach­tung des Be­klag­ten vor­sieht. Nach § 1

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Abs. 3 Satz 1 KSchG idF des Ge­set­zes zu Re­for­men am Ar­beits­markt vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) muss der Ar­beit­ge­ber die im Ge­setz aus­drück­lich be­zeich­ne­ten Grund­da­ten berück­sich­ti­gen. Ob er darüber hin­aus an­de­re Ge­sichts­punk­te ein­be­zie­hen darf, ist dem Ge­setz nicht un­mit­tel­bar zu ent­neh­men. Der Ar­beit­ge­ber braucht ne­ben den im Ge­setz vor­ge­schrie­be­nen Kri­te­ri­en je­den­falls kei­ne wei­te­ren Ge­sichts­punk­te zu berück­sich­ti­gen. Ein Punk­te­sys­tem muss des­halb kei­ne in­di­vi­du­el­le Ab­schluss­prüfung mehr vor­se­hen (vgl. BAG 9. No­vem­ber 2006 - 2 AZR 812/05 - Rn. 29 mwN, BA­GE 120, 137).


(3) Wird zu­guns­ten des Klägers un­ter­stellt, dass die Berück­sich­ti­gung der Schwer­be­hin­de­rung und der Gleich­stel­lung von Ar­beit­neh­mern für die Wirk­sam­keit der Aus­wahl­richt­li­nie unschädlich ist, kommt ihr auch die Wir­kung der § 1 Abs. 4 KSchG, § 95 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG zu. Sie pri­vi­le­giert den Ar­beit­ge­ber hin­sicht­lich des Prüfungs­maßstabs. Ist in ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung iSv. § 95 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG fest­ge­legt, wie die so­zia­len Ge­sichts­punk­te im Verhält­nis zu­ein­an­der zu be­wer­ten sind, kann die­se Ge­wich­tung nach § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG nur auf gro­be Feh­ler­haf­tig­keit über­prüft wer­den. Sie ist grob feh­ler­haft, wenn sie je­de Aus­ge­wo­gen­heit ver­mis­sen lässt, ein­zel­ne So­zi­al­da­ten al­so über­haupt nicht, ein­deu­tig un­zu­rei­chend oder mit ein­deu­tig überhöhter Be­deu­tung berück­sich­tigt wur­den. Darüber hin­aus bin­det sich der Ar­beit­ge­ber selbst an die in der Aus­wahl­richt­li­nie ge­trof­fe­ne Be­wer­tung (vgl. BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 13; 5. Ju­ni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 19).

(4) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat je­doch außer Acht ge­las­sen, dass die Be­triebs­par­tei­en die in der Aus­wahl­richt­li­nie vor­ge­nom­me­ne Be­wer­tung (teil­wei­se) re­vi­die­ren konn­ten, in­dem sie nicht den Ar­beit­neh­mer Y, son­dern den Kläger in die Na­mens­lis­te un­ter Nr. II 2 des In­ter­es­sen­aus­gleichs vom 10. Fe­bru­ar 2010 auf­nah­men.


(a) Die Be­triebs­par­tei­en können Ver­ein­ba­run­gen über die per­so­nel­le Aus­wahl bei späte­rer oder schon bei zeit­glei­cher Ge­le­gen­heit - et­wa bei Ab­schluss ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs mit Na­mens­lis­te - ändern. Set­zen sie sich in ei­nem be­stimm­ten Punkt ge­mein­sam über die Aus­wahl­richt­li­nie hin­weg, ist die Na­mens­lis­te zu­min­dest dann maßgeb­lich, wenn In­ter­es­sen­aus­gleich und Aus-
 


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wahl­richt­li­nie - wie hier - von den­sel­ben Be­triebs­par­tei­en herrühren (vgl. BAG 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 45, BA­GE 140, 169; Lin­ge­mann/Rolf NZA 2005, 264, 268).


(b) Der Kläger hätte des­halb Tat­sa­chen dar­le­gen müssen, aus de­nen sich bei ob­jek­ti­ver Be­trach­tung er­gibt, dass die Ge­wich­tung der So­zi­al­kri­te­ri­en bei sei­ner Aus­wahl zur Kündi­gung an­stel­le des Ar­beit­neh­mers Y im Aus­wahl­er­geb­nis grob feh­ler­haft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 In­sO war. Ei­ne sol­che gro­be Feh­ler­haf­tig­keit ist we­der dar­ge­legt noch er­sicht­lich. Viel­mehr weist der Ar­beit­neh­mer Y nur den verhält­nismäßig ge­ringfügi­gen Un­ter­schied von zwei Punk­ten nach dem von der Na­mens­lis­te in­so­weit auf­ge­ho­be­nen Punk­te­sys­tem der Aus­wahl­richt­li­nie auf. Während auf den Kläger am Stich­tag des 1. Fe­bru­ar 2010 51 Punk­te ent­fie­len, wies der Ar­beit­neh­mer Y 49 Punk­te auf. Sol­che ge­ringfügi­gen Un­ter­schie­de können ei­ne gro­be Feh­ler­haf­tig­keit des Aus­wahl­er­geb­nis­ses iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 In­sO je­den­falls für sich ge­nom­men nicht be­gründen (vgl. BAG 18. Ok­to­ber 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 49; 10. Ju­ni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 28). Das Ge­setz räumt den Be­triebs­par­tei­en so­wohl in § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG als auch in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 In­sO ei­nen wei­ten Spiel­raum bei der Ge­wich­tung der So­zi­al­kri­te­ri­en ein (vgl. für § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 13; für § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 32).


c) Auf der Grund­la­ge der ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen kann der Se­nat nicht ab­sch­ließend be­ur­tei­len, ob die so­zia­le Aus­wahl im Hin­blick auf das Aus­wahl­er­geb­nis der Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers grob feh­ler­haft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 In­sO ist.

aa) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird Fest­stel­lun­gen zu der Fra­ge der Ver­gleich­bar­keit der Ar­beit­neh­mer B, Sh und Bi tref­fen müssen. Es wird auf­grund die­ser Fest­stel­lun­gen zu würdi­gen ha­ben, ob die Aus­wahl des Klägers im Verhält­nis zu die­sen Ar­beit­neh­mern im Er­geb­nis grob feh­ler­haft ist, weil der aus­wahl­re­le­van­te Per­so­nen­kreis of­fen­sicht­lich zu eng ge­zo­gen wur­de.



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bb) Das Be­ru­fungs­ge­richt wird bei sei­ner er­neu­ten Prüfung der gro­ben Feh­ler­haf­tig­keit der So­zi­al­aus­wahl da­von aus­zu­ge­hen ha­ben, dass die So­zi­al­aus­wahl nicht un­ter Berück­sich­ti­gung der von den Be­triebs­par­tei­en ver­ein­bar­ten Al­ters­grup­pen vor­zu­neh­men war. Die Al­ters­grup­pen­bil­dung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG war in der Ver­gleichs­grup­pe des Klägers nicht ge­eig­net, ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur zu er­hal­ten oder zu schaf­fen.


(1) Ent­ge­gen der in den Vor­in­stan­zen geäußer­ten Auf­fas­sung des Klägers ist ei­ne Al­ters­grup­pen­bil­dung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht be­reits des-halb un­zulässig, weil das Le­bens­al­ter als Aus­wahl­kri­te­ri­um berück­sich­tigt wird. Das ist un­abhängig von ei­ner Al­ters­grup­pen­bil­dung durch § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vor­ge­ge­ben. Die in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG eröff­ne­te Möglich­keit, die Aus­wahl zum Zweck der Si­che­rung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Per­so­nal­struk­tur in­ner­halb von Al­ters­grup­pen vor­zu­neh­men, verstößt auch nicht ge­gen § 7 Abs. 1 und 2 iVm. §§ 1, 3 AGG so­wie das uni­ons­recht­li­che Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung und sei­ne Aus­ge­stal­tung durch die Richt­li­nie 2000/78/EG vom 27. No­vem­ber 2000 (vgl. et­wa BAG 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 25; 28. Ju­ni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 28 ff.; 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 46 ff., BA­GE 140, 169).


(2) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG er­laubt iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 In­sO ab­wei­chend von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ei­ne So­zi­al­aus­wahl im Rah­men von Al­ters­grup­pen, um ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Per­so­nal­struk­tur des Be­triebs zu er­hal­ten oder zu schaf­fen, wenn das im be­rech­tig­ten be­trieb­li­chen In­ter­es­se liegt.


(a) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglicht es dem Ar­beit­ge­ber - und über § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG oder § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 In­sO den Be­triebs­par­tei­en -, be­stimm­te Ar­beit­neh­mer im be­rech­tig­ten be­trieb­li­chen In­ter­es­se von der So­zi­al­aus­wahl aus­zu­neh­men (vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 11). Da­nach ist es zulässig, dass der Ar­beit­ge­ber in­ner­halb des zur So­zi­al­aus­wahl an­ste­hen­den Per­so­nen­krei­ses Al­ters­grup­pen nach sach­li­chen Kri­te­ri­en bil­det, die pro­zen­tua­le Ver­tei­lung auf die Al­ters­grup­pen fest­stellt und die Ge­samt­zahl der aus­zu­spre­chen­den Kündi­gun­gen die­sem Pro­porz ent­spre­chend auf die ein­zel­nen Al­ters­grup­pen ver­teilt. Fol­ge ist, dass sich die So­zi­al­aus­wahl iSv. § 1 Abs. 3
 


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Satz 1 KSchG nur in den Grup­pen voll­zieht und sich der An­stieg des Le­bens­al­ters le­dig­lich in­ner­halb der je­wei­li­gen Al­ters­grup­pe aus­wirkt. Das kann da­zu führen, dass das Ar­beits­verhält­nis ei­nes Ar­beit­neh­mers, der we­gen sei­nes höhe­ren Le­bens­al­ters in ei­ne höhe­re Al­ters­grup­pe fällt, zu kündi­gen ist, während ein jünge­rer Ar­beit­neh­mer mit im Übri­gen glei­chen So­zi­al­da­ten al­lein durch die Zu­ord­nung zu ei­ner an­de­ren Al­ters­grup­pe sei­nen Ar­beits­platz behält (vgl. BAG 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 60 mwN, BA­GE 140, 169; s. auch 28. Ju­ni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 30; Krie­ger/Rei­ne­cke DB 2013, 1906, 1910). Ein be­rech­tig­tes be­trieb­li­ches In­ter­es­se ist nur an­zu­neh­men, wenn die im kon­kre­ten Fall vor­ge­nom­me­ne Al­ters­grup­pen­bil­dung tatsächlich ge­eig­net ist, ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Per­so­nal­struk­tur zu si­chern (vgl. BAG 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 26; 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 29).


(b) Nach die­sen Grundsätzen war die Al­ters­grup­pen­bil­dung in Ver­gleichs­grup­pe Nr. 10 „In­stand­hal­ter Me­cha­nik/Werk­zeug­bau“ nicht ge­eig­net, die bis­he­ri­ge Al­ters­struk­tur zu be­wah­ren. Die Al­ters­struk­tur ver­schob sich in die­ser Ver­gleichs­grup­pe, weil die un­ters­te und die höchs­te Al­ters­grup­pe nicht von Kündi­gun­gen be­trof­fen wa­ren (vgl. BAG 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 32).


(c) Der Se­nat braucht nicht darüber zu ent­schei­den, ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen die Be­triebs­par­tei­en ver­ein­ba­ren können, die Al­ters­struk­tur zu ver­bes­sern (be­ja­hend LAG Rhein­land-Pfalz 11. März 2010 - 10 Sa 581/09 - zu II der Gründe; in dem an­de­ren Zu­sam­men­hang des le­gi­ti­men Ziels iSv. § 10 Satz 1 und 2 AGG of­fen­ge­las­sen von BAG 24. Ja­nu­ar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 49 f.). Die Al­ters­grup­pen­bil­dung in der Ver­gleichs­grup­pe des Klägers war nicht ge­eig­net, ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 In­sO zu schaf­fen.

(aa) Der Ar­beit­ge­ber muss, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG be­ru­fen will, zu den Aus­wir­kun­gen und mögli­chen Nach­tei­len von Kündi­gun­gen für die Al­ters­struk­tur der Be­leg­schaft und da­mit ver­bun­de­nen mögli­chen Nach­tei­len für den Be­trieb kon­kret vor­tra­gen.
 


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(aaa) Der Ge­setz­ge­ber gibt ei­ne Al­ters­grup­pen­bil­dung in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht zwin­gend vor. Er überlässt dem Ar­beit­ge­ber - bzw. ggf. den Be­triebs­par­tei­en - das „Ob“ und das „Wie“ der Grup­pen­bil­dung. Er räumt dem Ar­beit­ge­ber bzw. den Be­triebs­par­tei­en da­bei ei­nen Be­ur­tei­lungs- und Ge­stal­tungs­spiel­raum ein. In­wie­weit Kündi­gun­gen Aus­wir­kun­gen auf die Al­ters­struk­tur des Be­triebs ha­ben und wel­che Nach­tei­le sich dar­aus er­ge­ben, hängt von den be­trieb­li­chen Verhält­nis­sen ab und kann nicht abs­trakt für al­le denk­ba­ren Fälle be­schrie­ben wer­den. Der Ar­beit­ge­ber muss die Aus­wir­kun­gen und mögli­chen Nach­tei­le der Grup­pen­bil­dung des­we­gen im Ein­zel­nen dar­le­gen, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG be­ru­fen will (vgl. BAG 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, BA­GE 140, 169; 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 23).

(bbb) Je­den­falls dann, wenn die Zahl der Kündi­gun­gen in ei­ner Grup­pe ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer im Verhält­nis zur Zahl al­ler Ar­beit­neh­mer des Be-triebs die Schwel­len­wer­te des § 17 KSchG er­reicht, kom­men dem Ar­beit­ge­ber Er­leich­te­run­gen zu­gu­te. In die­sem Fall ist ein be­rech­tig­tes be­trieb­li­ches In­ter­es­se an der Bei­be­hal­tung der Al­ters­struk­tur - wi­der­leg­bar - in­di­ziert (vgl. BAG 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 28; 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 30; 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, BA­GE 140, 169; 6. No­vem­ber 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BA­GE 128, 238).


(bb) Ei­ne sol­che In­dizwir­kung schei­det im Streit­fall aus. Der Schwel­len­wert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG war zwar hin­sicht­lich der ins­ge­samt zu ent­las­sen­den Ar­beit­neh­mer über­schrit­ten. Die Ge­samt­be­leg­schaft von 509 Ar­beit­neh­mern wur­de um 48 Ar­beit­neh­mer ver­rin­gert. Be­zo­gen auf die Zahl von vier Ar­beits­verhält­nis­sen, die in der Ver­gleichs­grup­pe des Klägers zu kündi­gen wa­ren, war der Schwel­len­wert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG aber bei Wei­tem nicht er­reicht. Die Ver­gleichs­grup­pe weist we­ni­ger Kündi­gun­gen (vier) als Al­ters­grup­pen (fünf) auf (vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 35).


(cc) Ob die Dar­le­gung des be­rech­tig­ten be­trieb­li­chen In­ter­es­ses an ei­ner Al­ters­grup­pen­bil­dung iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG auch dann zu er­leich­tern ist, wenn ei­ner der Schwel­len­wer­te des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG nur im Ge­samt­be­trieb, aber nicht in der Ver­gleichs­grup­pe er­reicht ist, kann auf sich be­ru-


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hen. Die Al­ters­grup­pen­bil­dung war hier je­den­falls nicht ge­eig­net, ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur her­bei­zuführen (vgl. für die Si­che­rung der Al­ters­struk­tur BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 31; s. auch 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 29). Der Be­klag­te ist sei­ner Dar­le­gungs­last nicht nach­ge­kom­men.


(aaa) Er hätte zunächst vor­tra­gen müssen, wel­che kon­kre­te Al­ters­struk­tur die Be­triebs­par­tei­en schaf­fen woll­ten, dh. ob sie den Al­ters­durch­schnitt sen­ken oder erhöhen woll­ten. Zu­dem hätte der Be­klag­te die Gründe dafür nen­nen müssen. Schlag­wort­ar­ti­ge Be­zeich­nun­gen genügen nicht. Sonst kann nicht über­prüft wer­den, ob die Un­gleich­be­hand­lung durch das ver­folg­te Ziel ge­recht­fer­tigt ist (vgl. BAG 24. Ja­nu­ar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 50).


(bbb) Soll­ten die Be­triebs­par­tei­en ei­ne Verjüngung der Al­ters­struk­tur an­ge­strebt ha­ben, hätte das die Kündi­gung ei­ner über­pro­por­tio­nal ho­hen Zahl älte­rer Ar­beit­neh­mer in den höhe­ren Al­ters­grup­pen der Ver­gleichs­grup­pe Nr. 10 vor­aus­ge­setzt. Das ist we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich, zu­mal in die­ser Ver­gleichs­grup­pe die höchs­te Al­ters­grup­pe der bei­den Ar­beit­neh­mer ab Voll­endung des 55. Le­bens­jah­res nicht von Kündi­gun­gen be­trof­fen war.


(3) Sind da­nach die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Ab­wei­chung von den Grundsätzen der So­zi­al­aus­wahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG durch die Bil­dung von Al­ters­grup­pen nicht erfüllt, hat­te die So­zi­al­aus­wahl oh­ne Rück­sicht auf Al­ters­grup­pen zu er­fol­gen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird zu prüfen ha­ben, ob die so­zia­le Aus­wahl den­noch im Aus­wahl­er­geb­nis nicht grob feh­ler­haft ist. Die ge­trof­fe­ne Aus­wahl muss sich ge­ra­de mit Blick auf den kla­gen­den Ar­beit­neh­mer im Er­geb­nis als grob feh­ler­haft er­wei­sen. Nicht ent­schei­dend ist, dass das Aus­wahl­ver­fah­ren zu be­an­stan­den ist. Ein man­gel­haf­tes Aus­wahl­ver­fah­ren kann zu ei­nem rich­ti­gen - nicht grob feh­ler­haf­ten - Aus­wahl­er­geb­nis führen (vgl. zB BAG 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 34; 10. Ju­ni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19).


II. Der Rechts­streit ist nicht aus an­de­ren Gründen zur End­ent­schei­dung reif. Die Re­vi­si­on kann nicht nach § 561 ZPO zurück­ge­wie­sen wer­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat - nach sei­nem Lösungs­weg kon­se­quent - kei­ne Fest-
 


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stel­lun­gen ge­trof­fen, die es dem Se­nat er­lau­ben zu be­ur­tei­len, ob die Anhörung des Be­triebs­rats (§ 102 Be­trVG) und die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge des Be­klag­ten (§ 17 KSchG) ord­nungs­gemäß wa­ren. Der Kläger hat die­se for­mel­len Un­wirk­sam­keits­gründe gerügt.

1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird bei sei­ner Prüfung zu be­ach­ten ha­ben, dass der Ar­beit­ge­ber die Pflich­ten aus §§ 111, 102 Abs. 1 Be­trVG und § 17 Abs. 2 KSchG gleich­zei­tig erfüllen kann. Er muss da­bei hin­rei­chend klar­stel­len, wel­che Ver­fah­ren durch­geführt wer­den sol­len (vgl. nur BAG 20. Sep­tem­ber 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 47 mwN).


2. Aus Nr. II 3, Nr. III 1 Abs. 1 und Nr. IV 1, 2 des In­ter­es­sen­aus­gleichs vom 10. Fe­bru­ar 2010 geht aus­drück­lich her­vor, dass mit dem In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­fah­ren zu­gleich die Un­ter­rich­tungs­pflich­ten aus § 102 Abs. 1 Be­trVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG so­wie die Be­ra­tungs­pflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG erfüllt wer­den soll­ten.

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Au­gat 

Cl. Pe­ter

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