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Kündigung während der Schwangerschaft bei Massenentlassung
29.06.2018. Gemäß Art.10 Nr.1 der Mutterschutz-Richtlinie (Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19.10.1992) ist die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin nur in Ausnahmefällen zulässig, die nicht mit der Schwangerschaft in Zusammenhang stehen dürfen.
Ein solcher Ausnahmefall könnte eine Massenentlassung im Sinne von Art.1 Abs.1 Buchstabe a) der Massenentlassungsrichtlinie (Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998) sein. Denn hierbei geht es ja definitionsgemäß um Entlassungen aus Gründen, „die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen“ (Art.1 Abs.1 Buchstabe a) Richtlinie 98/59/EG).
In einem aktuellen Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigt, dass Kündigungen im Rahmen einer Massenentlassung als Ausnahme im Sinne von Art.10 Nr.1 Richtlinie 92/85/EWG anzusehen sind und daher auch die Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen erlauben.
Dabei muss der Arbeitgeber allerdings in zeitlicher Nähe zur Kündigung die Gründe für die Massenentlassung sowie die Kriterien für die Sozialauswahl schriftlich mitteilen: EuGH, Urteil vom 22.02.2018, C-103/16 (Porras Guisado).
- Wie stark sind schwangere Arbeitnehmerinnen vor Kündigungen infolge einer Massenentlassung geschützt?
- Der spanische Streitfall: Jessica Porras Guisado gegen Bankia SA
- EuGH: Die EU-Staaten können die Kündigung Schwangerer bei Massenentlassungen erlauben, doch treffen den Arbeitgeber erweiterte Begründungspflichten
Wie stark sind schwangere Arbeitnehmerinnen vor Kündigungen infolge einer Massenentlassung geschützt?
Wie erwähnt erlaubt Art.10 Nr.1 der Mutterschutz-Richtlinie (Richtlinie 92/85/EWG) die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin im Prinzip gar nicht, d.h. beschränkt solche Kündigungen auf Ausnahmefälle. Diese Vorschrift lautet:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Kündigung der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs nach Artikel 8 Absatz 1 zu verbieten; davon ausgenommen sind die nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sind, wobei gegebenenfalls die zuständige Behörde ihre Zustimmung erteilen muß.“
Wenn man bedenkt, dass viele betriebsbedingte Kündigungen im Zusammenhang mit einer Massenentlassung im Sinne von Art.1 Abs.1 Buchstabe a) der Massenentlassungsrichtlinie (Richtlinie 98/59/EG) ausgesprochen werden, kann man daran zweifeln, ob jede Massenentlassung auch gleichzeitig eine „Ausnahme“ im Sinne von Art.10 Nr.1 der Mutterschutz-Richtlinie (Richtlinie 92/85/EWG) ist.
Möglicherweise rechtfertigt der Wegfall von Arbeitsbedarf infolge einer Massenentlassung nicht oder nicht in allen Fällen die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin. Dann wäre der massenentlassungsbedingte Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten für eine schwangere Arbeitnehmerin als solcher noch kein „Ausnahmefall“ im Sinne von Art.10 Nr.1 der Mutterschutz-Richtlinie (Richtlinie 92/85/EWG).
Dann läge die Schlussfolgerung nahe, dass schwangere Arbeitnehmerinnen nach Art.10 der Richtlinie 92/85/EWG bei Massenentlassungen einen vorrangigen Bestandsschutz gegenüber anderen Arbeitnehmern haben müssen.
Der spanische Streitfall: Jessica Porras Guisado gegen Bankia SA
In dem aus Spanien stammenden Vorlagefall hatte eine gut sieben Jahre lang beschäftigte Bankangestellte, Frau Guisado, im November 2013 eine betriebsbedingte Kündigung (mit Abfindungszahlung) erhalten. Zu diesem Schritt hatte sich die Bank im Zuge einer größeren Kündigungswelle bzw. Massenentlassung entschlossen. Zum Zeitpunkt der Kündigung war Frau Guisado schwanger. Ob der Arbeitgeber damals davon wusste, blieb zwischen den Parteien streitig, auch vor dem EuGH.
Grundlage der Kündigung waren Kollektivvereinbarungen der Bank mit den zuständigen Gewerkschaften über die Anzahl der zu streichenden Stellen und über die Kriterien für die Sozialauswahl. Diesen Kriterien zufolge kam die Frau Guisado auf eine recht geringe Punktzahl.
Frau Guisado klagte gegen die Kündigung, hatte in der ersten Instanz aber keinen Erfolg. Das Berufungsgericht, das Oberste Gericht von Katalonien, setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH einige Fragen zur Reichweite des Kündigungsschutzes schwangerer Arbeitnehmerinnen bei Massenentlassungen vor.
Insbesondere wollte das spanische Gericht wissen, ob eine Massenentlassung als solche bereits eine „Ausnahme“ im Sinne von Art.10 Nr.1 der Mutterschutz-Richtlinie (Richtlinie 92/85/EWG) darstellt oder ob weitere Umstände erforderlich sind, um von einer „Ausnahme“ im Sinne der Mutterschutz-Richtlinie ausgehen zu können.
EuGH: Die EU-Staaten können die Kündigung Schwangerer bei Massenentlassungen erlauben, doch treffen den Arbeitgeber erweiterte Begründungspflichten
Der EuGH entschied im Wesentlichen zugunsten der Bank und bestätigte damit, dass die spanischen arbeitsrechtlichen Vorschriften über den Kündigungsschutz schwangerer Arbeitnehmerinnen bei Massenentlassungen mit dem Europarecht im Prinzip vereinbar sind.
Die Kernaussage der Entscheidung lautet: Das Bestehen einer Schwangerschaft schützt bei größeren betriebsbedingten Entlassungswellen, d.h. bei einer Massenentlassung im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie, nicht vor einer wirksamen Kündigung. Anders gesagt: Das Vorliegen einer (sachlich begründeten) Massenentlassung im Sinne von Art.1 Abs.1 Buchstabe a) der Massenentlassungsrichtlinie (Richtlinie 98/59/EG) stellt einen Ausnahmefall im Sinne von Art.10 Nr.1 der Mutterschutz-Richtlinie (Richtlinie 92/85/EWG) dar (Urteil, Rn.49 f.).
Weiterhin verweist der Gerichtshof allerdings darauf, dass der Arbeitgeber gemäß Art.10 Nr.2 der Mutterschutz-Richtlinie (Richtlinie 92/85/EWG) dazu verpflichtet ist, der gekündigten (oder demnächst zu kündigenden) Schwangeren schriftlich die Gründe für die Kündigung mitteilen. Art.10 Nr.2 der Richtlinie 92/85/EWG lautet:
„Wird einer Arbeitnehmerin im Sinne des Artikels 2 während der in Nummer 1 genannten Zeit gekündigt, so muß der Arbeitgeber schriftlich berechtigte Kündigungsgründe anführen.“
Hierzu führt der EuGH aus, dass sich diese Begründungspflicht bei einer Kündigung aufgrund einer Massenentlassung auf folgende zwei Umstände erstreckt:
- Die nicht in der Person der Gekündigten liegenden Gründe, aus denen der Arbeitgeber eine Massenentlassung vornimmt. „Solche Gründe können u. a. wirtschaftliche oder technische Gründe sein oder Gründe, die sich auf Organisation oder Produktion des Unternehmens beziehen“ (Urteil, Rn.53).
- Die „sachlichen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer“ (Urteil, Rn.54).
Schließlich stellt der EuGH klar, dass Art.10 Nr.1 der Richtlinie 92/85/EWG ein präventives Verbot der Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin bzw. vorbeugende Maßnahmen des Staates gegen solche Kündigungen erfordert (Urteil, Rn.66). Andererseits sind die EU-Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet, schwangere Arbeitnehmerinnen bei Massenentlassungen generell gegenüber anderen Arbeitnehmern durch einen gesteigerten Bestands- bzw. Weiterbeschäftigungsschutz zu privilegieren (Urteil, Rn.74).
Das deutsche Arbeitsrecht ist mit den Aussagen des EuGH zu Art.10 der Richtlinie 92/85/EWG bei Massenentlassungen im Wesentlichen vereinbar. Denn § 17 Abs.1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) verbietet die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin nur grundsätzlich, d.h. es lässt eine Kündigung im Ausnahmefall wie z.B. bei einer Betriebsänderung oder Massenentlassung zu. Dabei sorgt das Erfordernis einer vorherigen Zustimmung der obersten Landesarbeitsschutzbehörde (§ 17 Abs.2 Satz 1 MuSchG) für den vom EuGH geforderten präventiven Schutz vor Kündigungen.
Allerdings schreibt § 17 Abs.2 Satz 2 MuSchG in formeller Hinsicht (neben der Schriftform der Kündigung) vor, dass das Kündigungsschreiben selbst „den Kündigungsgrund angeben“ muss. An dieser Stelle ergeben sich aus dem EuGH-Urteil vom 22.02.2018 (C-103/16) strengere Anforderungen, d.h. das Kündigungsschreiben gegenüber einer Schwangeren im Rahmen einer Massenentlassung muss künftig folgende Angaben enthalten:
Arbeitgeber müssen von sich aus im Kündigungsschreiben erläutern, aus welchen wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen sie sich zu einer Massenentlassung entschlossen haben. Außerdem sind die Kriterien für die Sozialauswahl im Kündigungsschreiben anzugeben, d.h. es kommt nicht darauf an, ob die gekündigte Arbeitnehmerin ein entsprechendes Verlangen im Sinne von § 1 Abs.3 Satz 1, 2. Halbsatz Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geäußert hat oder nicht.
Fazit: Arbeitgeber ist zu raten, bei der Kündigung einer Schwangeren im Rahmen einer Massenentlassung die vom EuGH geforderten, recht umfangreichen schriftlichen Erklärungen zum Bestandteil des Kündigungsschreibens zu machen. Als Grundlage für diese Erläuterungen können die Erklärungen dienen, mit denen der Arbeitgeber die oberste Landesarbeitsschutzbehörde von der in Aussicht genommenen Kündigung im Rahmen des Zustimmungsverfahrens informiert hat.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 22.02.2018, C-103/16 (Porras Guisado)
- Europäischer Gerichtshof, Schwangeren Arbeitnehmerinnen darf aufgrund einer Massenentlassung gekündigt werden, Pressemeldung Nr.15/18 vom 22.02.2018 (Rs. C-103/16 - Porras Guisado)
- Schlussanträge der Generalanwältin beim EuGH Eleanor Sharpston, vom 14.09.2017, C-103/16 (Porras Guisado)
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Letzte Überarbeitung: 12. August 2020
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