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Datenschutz - Betriebsrat darf Arbeitszeiten erfahren
07.03.2012. Zu den Aufgaben des Betriebsrates gehört es, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Das steht in § 80 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Damit der Betriebsrat diese Aufgabe erfüllen kann, muss ihm der Arbeitgeber alle „erforderlichen“ Unterlagen zur Verfügung stellen, § 80 Abs.2 BetrVG.
Will der Betriebsrat kontrollieren, ob die regelmäßige tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden gemäß § 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) oder eine Betriebsvereinbarung über Gleitzeit eingehalten werden, muss er allerdings personenbezogene Daten der Arbeitnehmer kennen. Hier fragt sich, ob der Datenschutz wichtiger ist als die effektive Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats. Nach einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln muss hier der Datenschutz zurückstehen: LAG Köln, Beschluss vom 28.06.2011, 12 TaBV 1/11.
- Darf der Betriebsrat Arbeitszeitnachweise für die Arbeitnehmer des Betriebs verlangen?
- LAG Köln: Der Betriebsrat braucht individualisierte Arbeitszeitnachweise - Datenschutz ist kein Hindernis
Darf der Betriebsrat Arbeitszeitnachweise für die Arbeitnehmer des Betriebs verlangen?
Informationen über das Gehalt eines Arbeitnehmers, über seine Krankheitszeiten oder auch "nur" über die von ihm geleistete Arbeitszeit sind personenbezogene Daten. Sie dürfen nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, wenn das ausdrücklich gesetzlich erlaubt ist oder der Betroffene eingewilligt hat (§ 4 Abs.1 und § 4a Bundesdatenschutzgesetz - BDSG).
In einem bestehenden Arbeitsverhältnis ist die Datennutzung gemäß § 32 BDSG erlaubt, wenn sie zur Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses „erforderlich“ ist (§ 32 Abs.1 S.1 BDSG). Wann das der Fall ist, ist im Gesetz nicht konkret geregelt. Manche Datenschutzbeauftragten meinen, dass der Betriebsrat keine individualisierten Arbeitnehmerdaten benötigt, um sein Überwachungsrecht gemäß § 80 BetrVG wahrnehmen zu können. Das LAG Köln sah das aber anders.
LAG Köln: Der Betriebsrat braucht individualisierte Arbeitszeitnachweise - Datenschutz ist kein Hindernis
In einem Betrieb galt eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung und über ein Gleitzeitsystem. Der Arbeitgeber hatte Äußerungen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit so verstanden, dass er die Gleitzeit-Daten nur mit Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer an den Betriebsrat weitergeben dürfe.
Darauf wollte sich der Betriebsrat aber nicht einlassen und verlangte Auskunft über die individuell geleisteten Arbeitszeiten und die Herausgabe von Zeitnachweislisten, was der Arbeitgeber unter Hinweis auf den Datenschutz ablehnte.
Das Arbeitsgericht Bonn (Beschluss vom 24.11.2010, 2 BV 52/10) und das LAG Köln sahen im Datenschutz aber kein Hindernis und gaben dem Betriebsrat Recht.
§ 32 BDSG übernimmt nämlich nur zum Zwecke der Klarstellung die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Datenschutz im Arbeitsverhältnis, ist also nur eine Art „Merkposten“.
Nach der bisherigen Rechtsprechung ist aber eine Datennutzung durch den Betriebsrat erforderlich, wenn er seiner Aufgaben auf andere Weise nicht sinnvoll erledigen kann. Und da der Betriebsrat immer nur bezogen auf den einzelnen Arbeitnehmer prüfen kann, ob die Arbeitszeitregelungen eingehalten werden, muss der Arbeitgeber ihm individualisierte Zeitnachweise aushändigen.
Fazit: Das LAG München hatte vor einiger Zeit in einem Fall, in dem es um krankheitsbedingte Fehlzeiten und die Pflicht des Arbeitgebers zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) ging, ebenfalls pro Betriebsrat entschieden (LAG München, Beschluss vom 24.11.2010, 11 TaBV 48/10 - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 11/104), und vor kurzem hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in diesem Sinne geurteilt (BAG, Beschluss vom 07.02.2012, 1 ABR 46/10 - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 12/065).
Vor diesem Hintergrund liegt der Beschluss des LAG Köln im Trend. Aber auch abgesehen davon ist er richtig. Denn es ist datenschutzrechtlich in Ordnung, wenn der Betriebsrat personenbezogene Arbeitnehmerdaten über Gleitzeitarbeit und krankheitsbedingte Fehlzeiten erhält. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber diese und ähnliche Daten verlangen, und zwar auch ohne Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers, da er andernfalls seine gesetzlichen Überwachungsaufgaben nicht erfüllen könnte.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 28.06.2011, 12 TaBV 1/11
- Landesarbeitsgericht Köln (Webseite)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.02.2012, 1 ABR 46/10
- Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 24.11.2010, 11 TaBV 48/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehindertenvertretung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/101 Grenzen der Mitbestimmung beim BEM
- Arbeitsrecht aktuell: 13/275 Pflicht zur Nutzung einer elektronischen Signaturkarte
- Arbeitsrecht aktuell: 13/024 Gesetz zum Arbeitnehmer-Datenschutz
- Arbeitsrecht aktuell: 12/228 Mitbestimmung und betriebliches Eingliederungsmanagement
- Arbeitsrecht aktuell: 12/065 Betriebsrat und betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
- Arbeitsrecht aktuell: 11/104 Rechte des Betriebsrats beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)
- Arbeitsrecht aktuell: 10/077 Datenschutz in Betriebsvereinbarung
- Arbeitsrecht aktuell: 10/044 Bußgeld wegen Verstoß gegen Datenschutz
- Arbeitsrecht aktuell: 09/137 Gesetzes zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften vom 10.07.2009
Letzte Überarbeitung: 29. Juni 2019
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