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BAG, Be­schluss vom 07.02.2012, 1 ABR 46/10

   
Schlagworte: Betriebsrat, Betriebliches Eingliederungsmanagement, BEM
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 ABR 46/10
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 07.02.2012
   
Leitsätze: Der Betriebsrat kann verlangen, dass ihm der Arbeitgeber die Arbeitnehmer benennt, welche nach § 84 Abs. 2 SGB IX die Voraussetzungen für die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements erfüllen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 16.06.2010, 5 BV 20/10
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

1 ABR 46/10
5 BV 20/10

Ar­beits­ge­richt

Bonn

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

7. Fe­bru­ar 2012

BESCHLUSS

Klapp, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­ler,

2.

Ar­beit­ge­ber und Sprung­rechts­be­schwer­deführer,

hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Anhörung vom 7. Fe­bru­ar 2012 durch die Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts Schmidt, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Linck und Prof. Dr. Koch so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Hay­en und Dr. Hann für Recht er­kannt:

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Die Sprung­rechts­be­schwer­de des Ar­beit­ge­bers ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Bonn vom 16. Ju­ni 2010 - 5 BV 20/10 - wird zurück­ge­wie­sen.


Von Rechts we­gen!


Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten über Aus­kunfts­ansprüche.

Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat ver­ein­bar­ten am 10. Ja­nu­ar 2008 ei­ne „Be­triebs­ver­ein­ba­rung über die Durchführung des be­trieb­li­chen Ein­glie­de­rungs­ma­nage­ments nach § 84 Abs. 2 SGB IX“. Nach de­ren § 4 Abs. 1 erhält der Be­triebs­rat quar­talsmäßig ein Ver­zeich­nis der Mit­ar­bei­ter, die die Vor­aus­set­zun­gen für ein be­trieb­li­ches Ein­glie­de­rungs­ma­nage­ment (bEM) erfüllen. In der Fol­ge­zeit ver­wei­ger­te der Ar­beit­ge­ber die Erfüllung die­ser Ver­pflich­tung und be­rief sich zur Be­gründung auf da­ten­schutz­recht­li­che Be­lan­ge.

Der Be­triebs­rat hat be­an­tragt, 


den Ar­beit­ge­ber zu ver­pflich­ten, dem Be­triebs­rat quar­talsmäßig ein Ver­zeich­nis der Mit­ar­bei­ter, die die Vor­aus­set­zun­gen für ein be­trieb­li­ches Ein­glie­de­rungs­ma­nage­ment erfüllen, zu über­ge­ben.

Der Ar­beit­ge­ber hat be­an­tragt, den An­trag ab­zu­wei­sen. Ei­ne Pflicht zur Überg­a­be des Mit­ar­bei­ter­ver­zeich­nis­ses an den Be­triebs­rat be­ste­he nur bei ei­nem zu­vor erklärten Ein­verständ­nis der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer. Der Be­triebs­rat könne über die Erfüllung der Pflich­ten aus § 84 Abs. 2 SGB IX auch dann wa­chen, wenn der Ar­beit­ge­ber ihm zunächst nur an­ony­mi­siert die An­zahl der Mit­ar­bei­ter mit­tei­le, de­ren Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten länger als sechs Wo­chen be­tra­gen ha­ben.
 


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Das Ar­beits­ge­richt hat dem An­trag ent­spro­chen. Mit der zu­ge­las­se­nen Sprung­rechts­be­schwer­de ver­folgt der Ar­beit­ge­ber sei­nen Ab­wei­sungs­an­trag wei­ter.


B. Die Sprung­rechts­be­schwer­de des Ar­beit­ge­bers ist un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat dem An­trag zu Recht ent­spro­chen. Der Be­triebs­rat kann nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Be­trVG iVm. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX un­abhängig von ei­ner Zu­stim­mung der Ar­beit­neh­mer be­an­spru­chen, dass ihm der Ar­beit­ge­ber quar­tals­wei­se ein Ver­zeich­nis mit Na­men der Ar­beit­neh­mer aushändigt, die im zurück­lie­gen­den Jah­res­zeit­raum länger als sechs Wo­chen ar­beits­unfähig wa­ren. Ei­nem sol­chen Ver­lan­gen ste­hen da­ten­schutz­recht­li­che Be­lan­ge oder Persönlich­keits­rech­te der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer nicht ent­ge­gen. Es kann da­her da­hin­ste­hen, ob sich ein sol­cher Aus­kunfts­an­spruch auch aus der zwi­schen den Be­tei­lig­ten ab­ge­schlos­se­nen Be­triebs­ver­ein­ba­rung er­gibt.

I. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG hat der Ar­beit­ge­ber den Be­triebs­rat zur Durchführung sei­ner Auf­ga­ben recht­zei­tig und um­fas­send zu un­ter­rich­ten und nach Satz 2 Halbs. 1 auf Ver­lan­gen die zur Durchführung der Auf­ga­ben er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen zur Verfügung zu stel­len. Mit die­ser Ver­pflich­tung geht ein ent­spre­chen­der An­spruch des Be­triebs­rats ein­her, so­weit die be­gehr­te In­for­ma­ti­on zur Auf­ga­ben­wahr­neh­mung er­for­der­lich ist (BAG 15. März 2011 - 1 ABR 112/09 - Rn. 23, EzA Be­trVG 2001 § 80 Nr. 13). Zu den Auf­ga­ben des Be­triebs­rats iSv. § 80 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG gehört es auch, nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG darüber zu wa­chen, dass die zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer gel­ten¬den Ge­set­ze, Ta­rif­verträge und Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen durch­geführt wer­den. Die­se Über­wa­chungs­auf­ga­be ist we­der von ei­ner zu be­sor­gen­den Rechts­ver­let­zung des Ar­beit­ge­bers beim Norm­voll­zug noch vom Vor­lie­gen be­son­de­rer Mit­wir­kungs- oder Mit­be­stim­mungs­rech­te abhängig (BAG 24. Ja­nu­ar 2006 - 1 ABR 60/04 - Rn. 23, AP Be­trVG 1972 § 80 Nr. 65 = EzA Be­trVG 2001 § 80 Nr. 5). Hier­aus folgt ei­ne zwei­stu­fi­ge Prüfung dar­auf hin, ob über­haupt ei­ne Auf­ga­be des Be­triebs­rats ge­ge­ben und ob im Ein­zel­fall die be­gehr­te In­for­ma­ti­on zu ih­rer Wahr­neh­mung er­for­der­lich ist (BAG 30. Sep­tem­ber 2008 - 1 ABR 54/07 - Rn. 28, BA­GE 128, 92).
 


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II. Der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG er­for­der­li­che Auf­ga­ben­be­zug liegt vor.

Nach § 84 Abs. 2 SGB IX hat der Ar­beit­ge­ber ge­genüber Beschäftig­ten, die in­ner­halb ei­nes Jah­res länger als sechs Wo­chen un­un­ter­bro­chen oder wie­der­holt ar­beits­unfähig er­kran­ken, ein bEM durch­zuführen. In die­sem sol­len un­ter Be­tei­li­gung der zuständi­gen Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tun­gen so­wie mit Zu­stim­mung und Be­tei­li­gung des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers die Möglich­kei­ten geklärt wer­den, wie die Ar­beits­unfähig­keit möglichst über­wun­den und mit wel­chen Leis­tun­gen oder Hil­fen er­neu­ter Ar­beits­unfähig­keit vor­ge­beugt und der Ar­beits­platz er­hal­ten wer­den kann (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Die Pflicht zur Durchführung des bEM ist nicht auf Beschäftig­te mit ei­ner Be­hin­de­rung be­schränkt, son­dern er­streckt sich auf al­le Ar­beit­neh­mer mit ei­ner krank­heits­be­ding­ten Fehl­zeit von mehr als sechs Wo­chen in­ner­halb ei­nes Jah­res­zeit­raums (BAG 12. Ju­li 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BA­GE 123, 234). Sie be­steht un­abhängig von ei­nem An­trag der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer oder ei­ner der am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten Stel­len. Viel­mehr ob­liegt dem Ar­beit­ge­ber die Pflicht, bei Vor­lie­gen der ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ein bEM ein­zu­lei­ten (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23, EzA SGB IX § 84 Nr. 8). Nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX hat ua. der Be­triebs­rat darüber zu wa­chen, dass der Ar­beit­ge­ber die ihm nach § 84 SGB IX ob­lie­gen­den Ver­pflich­tun­gen erfüllt. Die Vor­schrift wie­der­holt für den Be­reich der Pri­vat­wirt­schaft die sich be­reits aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG er­ge­ben­de Über­wa­chungs­auf­ga­be des Be­triebs­rats.

III. Die Überg­a­be des be­gehr­ten Ver­zeich­nis­ses ist zur Durchführung der sich aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG, § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX er­ge­ben­den Über­wa­chungs­auf­ga­be er­for­der­lich.


1. Der An­spruch auf In­for­ma­ti­on und Über­las­sung der er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Be­trVG rich­tet sich da­nach, in wel­chem Um­fang der Be­triebs­rat be­reits über Kennt­nis­se verfügt, de­ren er zur Erfüllung sei­ner Über­wa­chungs­auf­ga­be be­darf (BAG 19. Ok­to­ber 1999 - 1 ABR 75/98 - zu B I 2 b der Gründe, AP Be­trVG 1972 § 80 Nr. 58 = EzA Be­trVG 1972 § 80 Nr. 45).
 


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2. Der Be­triebs­rat verfügt über kei­ne an­der­wei­ti­gen Kennt­nis­se über den Kreis der Ar­beit­neh­mer, de­nen der Ar­beit­ge­ber die Durchführung ei­nes bEM an­bie­ten muss. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beit­ge­bers reicht die an­ony­mi­sier­te Un­ter­rich­tung für die Über­wa­chung sei­ner sich aus § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX er­ge­ben­den Pflich­ten nicht aus. Ein an­ony­mi­sier­tes Mit­ar­bei­ter­ver­zeich­nis lässt nur die bloße An­zahl der Ar­beit­neh­mer er­ken­nen, wel­che die Vor­aus­set­zun­gen für ein bEM erfüllen. Für die Über­wa­chung, ob der Ar­beit­ge­ber das Ver­fah­ren ent­spre­chend sei­ner ge­setz­li­chen Initia­tiv­last auch ein­lei­tet, ist die bloße Kennt­nis der An­zahl der für ein bEM in Fra­ge kom­men­den Ar­beit­neh­mer un­zu­rei­chend (vgl. BVerwG 23. Ju­ni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 43, BVerw­GE 137, 148). Auch die Überg­a­be ei­ner Mit­ar­bei­ter­lis­te, in der nur die­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter auf­geführt sind, wel­che nicht nur die Vor­aus­set­zun­gen für ein bEM erfüllen, son­dern darüber hin­aus der Wei­ter­ga­be der Da­ten an den Be­triebs­rat zu­stim­men, wäre nicht in glei­cher Wei­se ge­eig­net, den Ar­beit­ge­ber bei der Ein­hal­tung sei­ner Initia­tiv­last zu über­wa­chen. Man­gels Kennt­nis des kon­kre­ten Ar­beit­neh­mers könn­te der Be­triebs­rat nicht durch Nach­fra­ge über­prüfen, ob der Ar­beit­ge­ber über­haupt die Durchführung ei­nes bEM an­ge­bo­ten und den Ar­beit­neh­mer ord­nungs­gemäß be­lehrt hat.

3. Auch die quar­tals­wei­se Über­las­sung ei­ner Auf­stel­lung mit den Na­men der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ist er­for­der­lich.

Zwar verhält sich § 80 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Be­trVG nicht darüber, in wel­cher Form der Ar­beit­ge­ber die benötig­te Aus­kunft zu er­tei­len hat. Dar­in ist der Ar­beit­ge­ber grundsätz­lich frei. Je­doch ist er bei um­fang­rei­chen und kom­ple­xen An­ga­ben al­ler­dings nach § 2 Abs. 1 Be­trVG re­gelmäßig ge­hal­ten, die Aus­kunft schrift­lich zu er­tei­len (BAG 30. Sep­tem­ber 2008 - 1 ABR 54/07 - Rn. 29, BA­GE 128, 92). Dass auch ei­ne münd­li­che In­for­ma­ti­on über den Kreis der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer aus­rei­chend ist, wird von dem Ar­beit­ge­ber selbst nicht gel­tend ge­macht. Die vom Be­triebs­rat ge­for­der­te quar­tals­wei­se Über­las­sung der Un­ter­la­gen hält sich da­her im Rah­men des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Be­trVG.


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4. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Rechts­be­schwer­de sind die für Brut­to­lohn- und Ge­halts­lis­ten gel­ten­den Be­schränkun­gen des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 Be­trVG nicht auf die Über­mitt­lung von per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten über­trag­bar. Nach der Se­nats­recht­spre­chung un­ter­schei­den sich der Aus­kunfts­an­spruch gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG und das Ein­blicks­recht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 Be­trVG so­wohl nach ih­rem In­halt als auch nach ih­ren Vor­aus­set­zun­gen und kom­men ne­ben­ein­an­der in Be­tracht (30. Sep­tem­ber 2008 - 1 ABR 54/07 - Rn. 24, 30, BA­GE 128, 92). Dem­zu­fol­ge gel­ten die ein­schränken­den Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen der Ar­beit­ge­ber ei­nem vom Be­triebs­rat ge­bil­de­ten Aus­schuss Ein­blick in die Lis­ten über die Brut­tolöhne und -gehälter gewähren muss, für die Vor­la­ge von Un­ter­la­gen nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Be­trVG nicht.

IV. Der Ar­beit­ge­ber muss dem Be­triebs­rat die Na­men der Ar­beit­neh­mer mit Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten von mehr als sechs Wo­chen im Jah­res­zeit­raum auch dann mit­tei­len, wenn die­se der Wei­ter­ga­be nicht zu­ge­stimmt ha­ben.

1. Die Über­wa­chungs­auf­ga­be des Be­triebs­rats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG ist nicht von ei­ner vor­he­ri­gen Ein­wil­li­gung der von der Vor­schrift begüns­tig­ten Ar­beit­neh­mer abhängig. Der Ge­set­zes­wort­laut enthält ei­ne ent­spre­chen­de Ein­schränkung nicht. Das Be­tei­li­gungs­recht aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG dient der Si­cher­stel­lung ei­nes ord­nungs­gemäßen Norm­voll­zugs durch den Ar­beit­ge­ber. Sei­ne Wahr­neh­mung steht nach der Kon­zep­ti­on des Be­trVG nicht zur Dis­po­si­ti­on der Ar­beit­neh­mer.

2. Ei­ne sol­che Ein­schränkung der Über­wa­chungs­auf­ga­be folgt auch nicht aus § 84 Abs. 2 SGB IX.

a) Nach die­ser Vor­schrift muss der Ar­beit­ge­ber in ei­ner ers­ten Pha­se al­len Ar­beit­neh­mern mit den er­for­der­li­chen Krank­heits­zei­ten im Jah­res­zeit­raum ein bEM an­bie­ten. Vor des­sen Durchführung ist er nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ge­hal­ten, den Ar­beit­neh­mer ord­nungs­gemäß auf die Zie­le des bEM so­wie auf

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Art und Um­fang der hierfür er­ho­be­nen und ver­wen­de­ten Da­ten hin­zu­wei­sen. Erst da­nach ist in ei­ner zwei­ten Pha­se zu klären, wie die Ar­beits­unfähig­keit möglichst über­wun­den, er­neu­ter Ar­beits­unfähig­keit vor­ge­beugt und wie der Ar­beits­platz er­hal­ten wer­den kann. Das Ge­setz zwingt den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer nicht, ein bEM durch­zuführen, son­dern ver­pflich­tet le­dig­lich den Ar­beit­ge­ber, dem Ar­beit­neh­mer un­ter den ge­setz­lich nor­mier­ten Vor­aus­set­zun­gen ein bEM an­zu­bie­ten. Die nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX er­for­der­li­che Zu­stim­mung der be­trof­fe­nen Per­son be­zieht sich nur auf den Klärungs­pro­zess, nicht aber auf die vor­her­ge­hen­de Pha­se, die mit dem Zu­gang des An­ge­bots über die Durchführung des bEM beim Ar­beit­neh­mer en­det (vgl. BVerwG 23. Ju­ni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 38 f., BVerw­GE 137, 148). Für die­sen Teil des bEM hat der Ge­setz­ge­ber kein Zu­stim­mungs­er­for­der­nis nor­miert.

b) We­der Sinn und Zweck des bEM noch das Zu­stim­mungs­er­for­der­nis in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ste­hen der Über­las­sung ei­ner Auf­stel­lung mit den Na­men der für die Durchführung des bEM in Be­tracht kom­men­den Ar­beit­neh­mer an den Be­triebs­rat ent­ge­gen.

aa) Mit der Durchführung ei­nes bEM soll nach der Vor­stel­lung des Ge­setz­ge­bers zu ei­nem möglichst frühen Zeit­punkt ei­ner Gefähr­dung des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­nes kran­ken Men­schen be­geg­net und die dau­er­haf­te Fort­set­zung der Beschäfti­gung er­reicht wer­den. Ziel des bEM ist die Klärung, ob und wel­che Maßnah­men zu er­grei­fen sind, um ei­ne möglichst dau­er­haf­te Fort­set­zung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses zu fördern. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX ge­nann­ten Maßnah­men die­nen da­mit letzt­lich der Ver­mei­dung der Kündi­gung und der Ver­hin­de­rung von Ar­beits­lo­sig­keit er­krank­ter Men­schen (vgl. BT-Drucks. 15/1783 S. 16; BAG 12. Ju­li 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 40, BA­GE 123, 234; BVerwG 23. Ju­ni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 62, BVerw­GE 137, 148). Da­ne­ben kann die Klärung von mögli­chen Maßnah­men nicht nur zur Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten und den mit dem krank­heits­be­ding­ten Aus­fall ver­bun­de­nen be­trieb­li­chen und fi­nan­zi­el­len Be­las­tun­gen des
 


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Ar­beit­ge­bers führen, son­dern auch die Mehr­be­las­tun­gen re­du­zie­ren, die der Be­leg­schaft durch die vorüber­ge­hen­de Ab­we­sen­heit des ar­beits­unfähi­gen Ar­beit­neh­mers ent­ste­hen.

bb) Das in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX be­stimm­te Zu­stim­mungs­er­for­der­nis der von der Durchführung ei­nes bEM be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer soll gewähr­leis­ten, dass die Klärung ih­res Ge­sund­heits­zu­stands nur frei­wil­lig er­folgt. Ein bEM kann oh­ne Ein­wil­li­gung des be­trof­fe­nen Beschäftig­ten schon des­halb nicht sinn­voll durch­geführt wer­den, weil der Ar­beit­neh­mer re­gelmäßig nicht zur Mit­tei­lung der Gründe für sei­ne krank­heits­be­ding­ten Fehl­zei­ten ver­pflich­tet ist und die vom Ge­setz­ge­ber an­ge­streb­te Klärung der mögli­chen Maßnah­men zu de­ren Re­du­zie­rung oh­ne die dafür er­for­der­li­chen An­ga­ben des Ar­beit­neh­mers nicht möglich ist. Da­ne­ben ist auch ein bEM, an dem der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer nicht ak­tiv mit­wirkt, we­nig er­folg­ver­spre­chend.

cc) Der vom Ge­setz­ge­ber ver­folg­te Zweck des bEM wird durch die Mit­tei­lung der Na­men der für ein sol­ches Ver­fah­ren in Be­tracht kom­men­den Ar­beit­neh­mer an den Be­triebs­rat nicht in Fra­ge ge­stellt. Die­sem wird nur der Per­so­nen­kreis be­nannt, der die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Ein­lei­tung ei­nes bEM erfüllt. Ei­ne In­for­ma­ti­on über die der Ar­beits­unfähig­keit zu­grun­de lie­gen­den Krank­hei­ten oder de­ren Ur­sa­chen ist da­mit nicht ver­bun­den. Eben­so wird die Ent­schei­dungs­frei­heit des Ar­beit­neh­mers über die Teil­nah­me an ei­nem bEM nicht be­ein­träch­tigt, da er sich über sein Ein­verständ­nis erst nach dem An­ge­bot des Ar­beit­ge­bers und der da­mit ver­bun­de­nen Be­leh­rung über die Chan­cen und Ri­si­ken des bEM erklären muss.


V. Da­ten­schutz­recht­li­che Gründe ste­hen der Über­mitt­lung der Na­men der Ar­beit­neh­mer, de­nen der Ar­beit­ge­ber die Durchführung ei­nes bEM an­bie­ten muss, nicht ent­ge­gen. Das Er­he­ben von Da­ten über die krank­heits­be­ding­ten Fehl­zei­ten durch den Ar­beit­ge­ber und ih­re Über­mitt­lung an den Be­triebs­rat ist auch bei feh­len­der Ein­wil­li­gung der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG zulässig.

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1. Die vom An­trag er­fass­te Auf­stel­lung über die Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten von mehr als sechs Wo­chen fällt in den Gel­tungs­be­reich des BDSG. Es han­delt sich nicht um au­to­ma­ti­sier­te Da­tei­en iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 3 iVm. § 3 Abs. 2 Satz 2 BDSG.

2. Bei den vom An­trag um­fass­ten An­ga­ben han­delt es sich um be­son­de­re Ar­ten per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten über die Ge­sund­heit iSd. § 3 Abs. 9 BDSG (sen­si­ti­ve Da­ten). Auf­grund der An­ga­ben ist er­sicht­lich, dass der be­nann­te Ar­beit­neh­mer auf­grund ei­ner Krank­heit in­ner­halb ei­nes Jah­res­zeit­raums mehr als sechs Wo­chen ar­beits­unfähig ab­we­send war.

3. Die Über­mitt­lung der Na­men der Ar­beit­neh­mer an den Be­triebs­rat ist nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG auch dann zulässig, wenn die­se der Wei­ter­ga­be nicht zu­ge­stimmt ha­ben.


a) Nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG ist das Er­he­ben, Ver­ar­bei­ten und Nut­zen be­son­de­rer Ar­ten per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten iSd. § 3 Abs. 9 BDSG für ei­ge­ne Geschäfts­zwe­cke auch oh­ne Ein­wil­li­gung des Be­trof­fe­nen zulässig, wenn dies zur Gel­tend­ma­chung, Ausübung oder Ver­tei­di­gung recht­li­cher Ansprüche er­for­der­lich ist und kein Grund zu der An­nah­me be­steht, dass das schutzwürdi­ge In­ter­es­se des Be­trof­fe­nen an dem Aus­schluss der Er­he­bung, Ver­ar­bei­tung oder Nut­zung über­wiegt. Nicht ein­schlägig ist hin­ge­gen § 32 BDSG, auch wenn die­se Vor­schrift ei­ne Re­ge­lung über den Da­ten­schutz im Beschäfti­gungs­verhält­nis trifft. Ihr Re­ge­lungs­ge­gen­stand be­schränkt sich auf per­so­nen­be­zo­ge­ne Da­ten iSd. § 3 Abs. 1 BDSG und er­fasst nicht die Ver­ar­bei­tung sen­si­ti­ver Da­ten iSd. § 3 Abs. 9 BDSG.


b) Die Ausübung recht­li­cher Ansprüche iSv. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG um­fasst auch ei­ne Nut­zung sen­si­ti­ver Da­ten durch den Ar­beit­ge­ber, die die­ser zur Erfüllung sei­ner ge­setz­li­chen Pflich­ten vor­neh­men muss. Ein sol­ches Verständ­nis gibt das Uni­ons­recht vor.

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aa) Die Er­he­bung und Nut­zung sen­si­ti­ver Da­ten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG fällt in den An­wen­dungs­be­reich des Uni­ons­rechts. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 95/46/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 24. Ok­to­ber 1995 zum Schutz natürli­cher Per­so­nen bei der Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten und zum frei­en Da­ten­ver­kehr (ABl. L 281 vom 23. No­vem­ber 1995 S. 31) gilt die­se für die ganz oder teil­wei­se au­to­ma­ti­sier­te Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten so­wie für die nicht au­to­ma­ti­sier­te Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten, die in ei­ner Da­tei ge­spei­chert sind oder ge­spei­chert wer­den sol­len. Als ei­ne sol­che Da­tei mit per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten gilt je­de struk­tu­rier­te Samm­lung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten, die nach be­stimm­ten Kri­te­ri­en zugäng­lich sind, gleichgültig ob die­se Samm­lung zen­tral, de­zen­tra­li­siert oder nach funk­tio­na­len oder geo­gra­phi­schen Ge­sichts­punk­ten auf­ge­teilt geführt wird (Art. 2 Buchst. c RL 95/46/EG). Nach Art. 8 Abs. 1 RL 95/46/EG un­ter­sa­gen die Mit­glied­staa­ten ua. die Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten über die Ge­sund­heit. Von die­sem Ver­bot be­steht nach Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG ei­ne Aus­nah­me, wenn die Ver­ar­bei­tung er­for­der­lich ist, um den Rech­ten und Pflich­ten des für die Ver­ar­bei­tung Ver­ant­wort­li­chen auf dem Ge­biet des Ar­beits­rechts Rech­nung zu tra­gen, so­fern dies auf­grund von ein­zel­staat­li­chem Recht, das an­ge­mes­se­ne Ga­ran­ti­en vor­sieht, zulässig ist. Da­her wird die Er­he­bung und Nut­zung von An­ga­ben über krank­heits­be­ding­te Fehl­zei­ten in­ner­halb ei­nes be­stimm­ten Zeit­raums vom An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie 95/46/EG er­fasst.


bb) Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on ist die An­wen­dung der Richt­li­nie 95/46/EG nicht da­von abhängig, ob in dem zu ent­schei­den­den Sach­ver­halt ein hin­rei­chen­der Zu­sam­men­hang mit der Ausübung der durch den Ver­trag ga­ran­tier­ten Grund­frei­hei­ten oder tatsächlich ein Zu­sam­men­hang mit dem frei­en Ver­kehr zwi­schen den Mit­glied­staa­ten be­steht. Zur Be­gründung hat der Ge­richts­hof auf den Wort­laut von Art. 3 RL 95/46/EG ver­wie­sen, der mit Aus­nah­me des in Abs. 2 be­stimm­ten Be­reichs die Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten dem An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie un­ter­wirft (EuGH 20. Mai 2003 - C-465/00 - [Öster­rei­chi­scher Rund­funk ua.] Rn. 39 ff., 44, Slg. 2003, I-4989). Von ei­nem sol­chen Verständ­nis ist auch der deut­sche

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Ge­setz­ge­ber aus­ge­gan­gen, der mit den Re­ge­lun­gen in § 28 Abs. 6 bis Abs. 9 BDSG die Vor­ga­ben aus Art. 8 RL 95/46/EG in na­tio­na­les Recht um­set­zen woll­te (BT-Drucks. 14/4329 S. 43). Die Vor­schrift ist da­nach uni­ons­rechts­kon­form in ei­ner Wei­se aus­zu­le­gen, die den Vor­ga­ben in Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 RL 95/46/EG Rech­nung trägt.


cc) Bei ei­ner sol­chen Aus­le­gung ist nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on zu berück­sich­ti­gen, dass die Har­mo­ni­sie­rung der ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten in der Richt­li­nie 95/46/EG nicht auf ei­ne Min­dest­har­mo­ni­sie­rung be­schränkt ist, son­dern zu ei­ner grundsätz­lich um­fas­sen­den Har­mo­ni­sie­rung führt. Nach dem Verständ­nis des Ge­richts­hofs stel­len die in der Richt­li­nie ent­hal­te­nen Re­ge­lun­gen ei­ne erschöpfen­de und ab­sch­ließen­de Lis­te der Fälle dar, in de­nen ei­ne Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten als rechtmäßig an­ge­se­hen wer­den kann. Nach dem Erwägungs­grund 22 zur RL 95/46/EG können die Mit­glied­staa­ten in ih­ren Rechts­vor­schrif­ten die all­ge­mei­nen Be­din­gun­gen präzi­sie­ren, un­ter de­nen die Ver­ar­bei­tun­gen rechtmäßig sind. Sie dürfen aber we­der neue Grundsätze in Be­zug auf die Zulässig­keit der Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten einführen noch zusätz­li­che Be­din­gun­gen stel­len, die die Trag­wei­te der in der Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Grundsätze verändern würden (vgl. zu Art. 7 RL 95/46/EG: EuGH 24. No­vem­ber 2011 - C-468/10 - [Aso­ci­a­ción Na­cio­nal de Es­ta­ble­ci­mi­en­tos Fi­nan­cie­ros de Crédi­to] Rn. 28 - 32, Eza EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 95/46 Nr. 1). In­so­weit stellt die RL 95/46/EG zu­gleich ei­ne Kon­kre­ti­sie­rung der in den Art. 7 und Art. 8 GRC verbürg­ten Rech­te der von ei­ner Da­ten­ver­ar­bei­tung be­trof­fe­nen Per­son dar (EuGH 24. No­vem­ber 2011 - C-468/10 - [Aso­ci­a­ción Na­cio­nal de Es­ta­ble­ci­mi­en­tos Fi­nan­cie­ros de Crédi­to] Rn. 41 f., 44 f., aaO).

dd) Das Ge­bot der uni­ons­rechts­kon­for­men Aus­le­gung er­for­dert da­her ei­ne Aus­le­gung von § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG, die dem Ar­beit­ge­ber un­ter den dort be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen die Erfüllung sei­ner ihm ob­lie­gen­den ge­setz­li­chen Pflich­ten­stel­lung ermöglicht.

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(1) Ei­ne Ausübung recht­li­cher Ansprüche als Vor­aus­set­zung ei­ner Da­ten­er­he­bung und -nut­zung nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG ist un­ter den dort ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen zulässig, wenn die Da­ten­ver­ar­bei­tung durch den Ar­beit­ge­ber auf­grund ei­ner ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Pflicht im Be­reich des Ar­beits­rechts er­folgt. Ein Wil­le des Ge­setz­ge­bers, durch die For­mu­lie­rung der Vor­aus­set­zun­gen in § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG der Er­he­bung, Ver­ar­bei­tung und Nut­zung sen­si­ti­ver Da­ten durch den Ar­beit­ge­ber im Be­reich des Ar­beits­rechts en­ge­re Gren­zen als durch Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG vor­ge­se­hen zu set­zen, ist nicht er­sicht­lich (vgl. Go­la RDV 2001, 125, 127).


(2) Der deut­sche Ge­setz­ge­ber hat bei der Um­set­zung von Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG die uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben be­ach­tet. Die­se er­lau­ben die Ver­ar­bei­tung von Da­ten über die Ge­sund­heit iSv. Art. 8 Abs. 1 RL 95/46/EG, wenn dies nach na­tio­na­lem Recht zulässig ist und die­ses in­so­weit an­ge­mes­se­ne Ga­ran­ti­en vor­sieht. Sol­che Ga­ran­ti­en, die den Be­trof­fe­nen vor ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­ein­träch­ti­gung der Grund­frei­hei­ten und sei­ner Pri­vat­sphäre schützen, sieht das BDSG bei der Ver­ar­bei­tung sen­si­ti­ver Da­ten durch den Ar­beit­ge­ber vor.


Die Ver­ar­bei­tung von sen­si­ti­ven Da­ten iSd. § 3 Abs. 9 BDSG ist nur bei Be­ste­hen ei­ner be­son­de­ren Rechts­grund­la­ge zulässig. Die­se un­ter­liegt den Be­schränkun­gen in § 4 Abs. 1 BDSG, wo­nach die Er­he­bung, Ver­ar­bei­tung und Nut­zung von Da­ten oh­ne Ein­wil­li­gung des Be­trof­fe­nen nur zulässig ist, so­weit das BDSG selbst oder ei­ne an­de­re Rechts­vor­schrift dies er­laubt (Go­la RDV 2001, 125, 126). Nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG darf grundsätz­lich nur ei­ne Ver­ar­bei­tung von Ge­sund­heits­da­ten er­fol­gen, wenn ei­ne Ein­wil­li­gung des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers vor­liegt. Oh­ne des­sen Ein­verständ­nis ist dem Ar­beit­ge­ber de­ren Ver­ar­bei­tung nur ge­stat­tet, wenn nach ei­ner am Zweck der RL 95/46/EG ori­en­tier­ten In­ter­es­sen­abwägung ein ent­ge­gen­ste­hen­des In­ter­es­se des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers nicht über­wiegt. Über­dies wird die Ver­ar­bei­tung von sen­si­ti­ven Da­ten durch den Ar­beit­ge­ber von ei­nem be­trieb­li­chen
 


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Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten kon­trol­liert, der auf die Ein­hal­tung des BDSG hin­wirkt und da­bei dem Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers nicht un­ter­liegt (§ 4f Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, § 4 g Abs. 1 Satz 1 BDSG).


c) Die Er­he­bung und Nut­zung der An­ga­ben über die krank­heits­be­ding­ten Fehl­zei­ten durch den Ar­beit­ge­ber ist auch bei feh­len­der Ein­wil­li­gung der Ar­beit­neh­mer nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG zulässig.


aa) Die Durchführung ei­nes bEM gehört zu den ge­setz­li­chen Pflich­ten des Ar­beit­ge­bers auf dem Ge­biet des Ar­beits­rechts.

bb) Die Er­he­bung die­ser Da­ten ist er­for­der­lich, da­mit der Ar­beit­ge­ber die ihm nach § 84 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 SGB IX ob­lie­gen­den Pflich­ten erfüllen kann. Ein bEM kann nur ein­ge­lei­tet wer­den, wenn fest­steht, dass der Ar­beit­neh­mer in dem maßgeb­li­chen Be­mes­sungs­zeit­raum länger als sechs Wo­chen ar­beits­unfähig war.


cc) Ein Grund zu der An­nah­me, dass das schutzwürdi­ge In­ter­es­se des je­weils be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der Da­ten­er­he­bung über­wiegt, be­steht nicht.


Die Er­he­bung der Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten im Jah­res­zeit­raum ist Vor­aus­set­zung für die Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers, den be­trof­fe­nen Beschäftig­ten die Durchführung ei­nes bEM an­zu­bie­ten. Die­ses Ver­fah­ren dient der Er­hal­tung ih­res Ar­beits­plat­zes und da­mit ih­rer wirt­schaft­li­chen Exis­tenz (BVerwG 23. Ju­ni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 42, BVerw­GE 137, 148). In­halt­lich be­trifft die Da­ten­er­he­bung le­dig­lich die Na­men der Ar­beit­neh­mer und die Fest­stel­lung, dass de­ren Fehl­zei­ten im maßgeb­li­chen Jah­res­zeit­raum sechs Wo­chen über­schrit­ten ha­ben. Be­son­de­re An­ga­ben über die Art und Dau­er der Krank­heit wer­den vom Ar­beit­ge­ber in der ers­ten Pha­se des bEM nicht er­ho­ben. Über­dies sind die An­ga­ben über die Dau­er der Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten oh­ne­hin vor­han­den, weil sie die Grund­la­ge für die Be­rech­nung der in die­sem Zeit­raum zu zah­len­den Vergütung bil­den (§ 3 EFZG). Ein In­ter­es­se der je­weils
 


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be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer an dem Un­ter­blei­ben der Da­ten­er­he­bung ist dem-ge­genüber nicht er­sicht­lich. Auf das Recht des Ar­beit­neh­mers, die Durchführung ei­nes bEM ab­zu­leh­nen, hat die­se Da­ten­er­he­bung kei­nen Ein­fluss.

d) Da­ten­schutz­recht­li­che Gründe ste­hen der Über­mitt­lung der vom Ar­beit­ge­ber er­ho­be­nen Da­ten über die Fehl­zei­ten der ar­beits­unfähi­gen Ar­beit­neh­mer an den Be­triebs­rat nicht ent­ge­gen.


aa) Die Zu­sam­men­stel­lung der die ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer be­tref­fen­den Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten zu ei­ner schrift­li­chen Auf­stel­lung und de­ren Wei­ter­ga­be an den Be­triebs­rat ist kei­ne Da­tenüber­mitt­lung an ei­nen Drit­ten, die von dem Er­laub­nistat­be­stand in § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG nicht er­fasst wird. Der Be­triebs­rat ist nicht als „Drit­ter“ iSd. § 3 Abs. 4 Nr. 3 BDSG an­zu­se­hen, der außer­halb der ver­ant­wort­li­chen Stel­le iSd. § 3 Abs. 7 BDSG, al­so des Un­ter­neh­mens steht. Viel­mehr ist er selbst Teil die­ser Stel­le (zu § 3 BDSG aF: BAG 3. Ju­ni 2003 - 1 ABR 19/02 - zu B II 2 a bb [3] [a] der Gründe, BA­GE 106, 188) und hat die be­trieb­li­chen und ge­setz­li­chen Da­ten­schutz­be­stim­mun­gen ein­zu­hal­ten (vgl. BAG 12. Au­gust 2009 - 7 ABR 15/08 - Rn. 27, BA­GE 131, 316), zu de­nen ins­be­son­de­re die Wah­rung des Da­ten­ge­heim­nis­ses (§ 5 Satz 1 BDSG) gehört.


bb) Über­wie­gen­de schutzwürdi­ge In­ter­es­sen iSd. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ste­hen der Be­kannt­ga­be ih­rer Na­men ge­genüber dem Be­triebs­rat nicht ent­ge­gen.


(1) Zwar han­delt es nicht um be­triebsöffent­li­che Da­ten, die al­len Ar­beit­neh­mern und da­mit auch dem Be­triebs­rat be­kannt sind. Den­noch ist der auf Krank­heit be­ru­hen­de Ar­beits­aus­fall we­gen der da­durch aus­gelösten Not­wen­dig­keit ei­ner Ver­tre­tung re­gelmäßig im Be­trieb be­kannt.


(2) Wei­ter­hin verstärkt die Über­wa­chung der dem Ar­beit­ge­ber durch § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf­er­leg­ten Ver­pflich­tung die mit der Einführung des bEM ver­bun­de­ne Er­war­tung des Ge­setz­ge­bers, den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern durch das An­ge­bot ei­nes be­son­de­ren Präven­ti­ons­ver­fah­rens möglichst ih­ren


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Ar­beits­platz zu er­hal­ten. Der Ge­setz­ge­ber konn­te auch da­von aus­ge­hen, dass der Be­triebs­rat als Ver­tre­ter der Be­leg­schaft die In­ter­es­sen der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber in ge­eig­ne­ter Wei­se wahr­nimmt. Das durch Art. 8 Abs. 1 GRC gewähr­leis­te­te Recht auf Schutz der ei­ne Per­son be­tref­fen­den per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten wird aus­rei­chend da­durch ge­wahrt, dass der Be­triebs­rat in Be­zug auf Ge­sund­heits­da­ten der Ar­beit­neh­mer nicht nur dem Da­ten­ge­heim­nis, son­dern auch ei­ner straf­be­wehr­ten Ver­schwie­gen­heits­pflicht un­ter­liegt (§ 79 Abs. 1, § 120 Abs. 2 Be­trVG) und die ei­gent­li­che Durchführung des bEM mit der da­mit ver­bun­de­nen Erörte­rung der be­son­ders sen­si­blen Krank­heits­da­ten von ei­ner wei­te­ren Be­leh­rung des Ar­beit­ge­bers und der Zu­stim­mung der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer abhängig ist. Eben­so wie ein Ar­beit­neh­mer aus da­ten­schutz­recht­li­chen Gründen nicht be­an­spru­chen kann, dass be­stimm­te Mit­ar­bei­ter im Rah­men ih­rer Ar­beits­auf­ga­be mit der Ver­ar­bei­tung sei­ner persönli­chen Da­ten nicht be­fasst wer­den, kann er auch nicht ver­lan­gen, dass ei­ne eben­sol­che Über­mitt­lung an den Be­triebs­rat un­ter­bleibt.

e) Ei­nes Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens zur Aus­le­gung der RL 95/46/EG an den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on be­darf es nicht (vgl. zur Vor­la­ge­pflicht der na­tio­na­len Ge­rich­te BVerfG 2. Se­nat 2. Kam­mer 21. No­vem­ber 2011 - 2 BvR 516/09, 2 BvR 535/09 - Rn. 23 ff., NJW 2012, 598; 1. Se­nat 2. Kam­mer 24. Ok­to­ber 2011 - 1 BvR 1103/11 - Rn. 11 f., NZA 2012, 202). Die hier ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Rechts­fra­gen sind in der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs hin­rei­chend geklärt. Dies gilt für den Gel­tungs­be­reich der Richt­li­nie, ih­ren Norm­zweck und die für die na­tio­na­len Ge­rich­te bei der ein­zel­fall­be­zo­ge­nen In­ter­es­sen­abwägung zu berück­sich­ti­gen­den Umstände.


aa) Die RL 95/46/EG eröff­net dem na­tio­na­len Ge­setz­ge­ber durch Art. 5 Hand­lungs­spielräume, auf­grund de­rer er die in Art. 6 bis Art. 8 RL 95/46/EG fest­ge­leg­ten Grundsätze näher be­stim­men kann. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on sind die Me­cha­nis­men, die ei­ne Abwägung der ver­schie­de­nen Rech­te und In­ter­es­sen ermögli­chen, zum ei­nen in der RL 95/46/EG selbst fest­ge­legt, so­weit die­se Vor­schrif­ten enthält, die

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be­stim­men, in wel­chen Si­tua­tio­nen und in wel­chem Um­fang die Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten rechtmäßig ist und wel­che Schutz­vor­keh­run­gen vor­zu­se­hen sind. Zum an­de­ren eröff­nen vie­le der in der RL 95/46/EG verhält­nismäßig all­ge­mein ge­hal­te­nen Be­stim­mun­gen den Mit­glied­staa­ten ei­nen Hand­lungs­spiel­raum bei der Um­set­zung in na­tio­na­les Recht oder ei­ne Aus­wahl zwi­schen den in der Richt­li­nie fest­ge­leg­ten Op­tio­nen (EuGH 6. No­vem­ber 2003 - C-101/01 - [Lind­qvist] Rn. 82 f., Slg. 2003, I-12971). Die­ses Zu­sam­men­spiel zwi­schen den zwin­gen­den Richt­li­ni­en­vor­ga­ben und dem na­tio­na­len Recht überlässt den na­tio­na­len Ge­rich­ten den er­for­der­li­chen Spiel­raum, um bei der hier in Re­de ste­hen­den ein­zel­fall­be­zo­ge­nen An­wen­dung der die RL 95/46/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Re­ge­lung ei­nen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich zwi­schen den mit der Richt­li­nie ver­folg­ten Zwe­cken her­zu­stel­len (EuGH 6. No­vem­ber 2003 - C-101/01 - [Lind­qvist] Rn. 85, aaO). Dem ent­spre­chend hat der Se­nat bei der In­ter­es­sen­abwägung im Rah­men des § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG berück­sich­tigt, dass es nach den Erwägungs­gründen Nr. 33, 34 der RL 95/46/EG de­ren Ziel ist, bei der Ver­ar­bei­tung von be­son­ders sen­si­blen Da­ten­ka­te­go­ri­en ei­nen möglichst weit­ge­hen­den Schutz der Be­ein­träch­ti­gung der Grund­frei­hei­ten und der Pri­vat­sphäre zu gewähr­leis­ten, an­de­rer­seits es aber auch dem Ar­beit­ge­ber zu ermögli­chen, ei­ne ge­setz­li­che Pflich­ten­stel­lung zu erfüllen, die ihm im We­sent­li­chen zu­guns­ten des be­trof­fe­nen Beschäftig­ten auf­er­legt wor­den ist.

bb) Ob der Ar­beit­ge­ber nach Uni­ons­recht über­haupt be­rech­tigt ist, sich un­ter Be­ru­fung auf die Grund­rechts­po­si­tio­nen der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ei­ner Wei­ter­ga­be der für die Über­wa­chungs­auf­ga­be er­for­der­li­chen Da­ten an den Be­triebs­rat zu ent­zie­hen, be­darf an­ge­sichts der feh­len­den Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit die­ser Fra­ge kei­ner Klärung durch den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on.

VI. Es be­darf kei­ner Ent­schei­dung, ob das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewähr­leis­te­te Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung der Über­mitt­lung der Na­men von Ar­beit­neh­mern mit krank­heits­be­ding­ten Fehl­zei­ten von mehr als sechs Wo­chen im vor­an­ge­gan­ge­nen Jah­res­zeit­raum an den

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Be­triebs­rat ent­ge­gen­steht. Der Ar­beit­ge­ber ist nicht be­fugt, sich ge­genüber dem Über­wa­chungs­recht des Be­triebs­rats auf Grund­rech­te von Ar­beit­neh­mern zu be­ru­fen (vgl. BAG 20. De­zem­ber 1995 - 7 ABR 8/95 - zu B II 1 der Gründe, BA­GE 82, 36).

Schmidt 

Linck 

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