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ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/040

Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Be­hin­de­rung bei Stel­len­aus­schrei­bung

Ent­schä­di­gungs­an­spruch ei­nes schwer­be­hin­der­ten Be­wer­bers auf­grund von Dis­kri­mi­nie­rung im Be­wer­bungs­ver­fah­ren: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 17.08.2010, 9 AZR 839/08
Mann mit Rollator Be­weis von In­di­zi­en für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung
25.02.2011. Durch das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) wer­den, un­ter an­de­rem, un­ge­recht­fer­tig­te Be­nach­tei­li­gun­gen we­gen ei­ner Be­hin­de­rung ver­bo­ten (§§ 1,7 AGG). Bei ei­nem Ver­stoß ge­gen die­ses Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot ist der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet, den hier­durch ent­stan­de­nen Scha­den zu er­set­zen (§ 15 Abs. 1 AGG). Ne­ben die­sem Scha­dens­er­satz­an­spruch gibt es auch ei­nen Ent­schä­di­gungs­an­spruch. Die­ser folgt aus § 15 Abs. 2 AGG. Da­nach kann der Be­trof­fe­ne we­gen ei­nes Scha­dens, der nicht Ver­mö­gens­scha­den ist, ei­ne an­ge­mes­se­ne Ent­schä­di­gung in Geld ver­lan­gen. Die­se Ent­schä­di­gung darf bei ei­ner Nicht­ein­stel­lung drei Mo­nats­ge­häl­ter nicht über­stei­gen, wenn der oder die Be­schäf­tig­te auch bei be­nach­tei­li­gungs­frei­er Aus­wahl nicht ein­ge­stellt wor­den wä­re.

Bei der ge­richt­li­chen Durch­set­zung die­ses Ent­schä­di­gungs­an­spruchs muss der Klä­ger nicht zwin­gend die Be­nach­tei­li­gung selbst be­wei­sen. Das ist durch­aus ge­recht, weil er als Au­ßen­ste­hen­der re­gel­mä­ßig kei­nen Ein­blick in die in­ter­nen Ab­läu­fe des Ar­beit­ge­bers ha­ben wird. Es ge­nügt da­her, wenn er In­di­zi­en be­weist, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung ver­mu­ten las­sen. Schafft er dies, dann trägt die an­de­re Par­tei - al­so der Ar­beit­ge­ber - die Be­weis­last da­für, dass kein Ver­stoß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gung vor­ge­le­gen hat (§ 22 AGG).

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat nun ent­schie­den, dass ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung da­durch in­di­ziert sein kann, dass der Ar­beit­ge­ber ge­gen so­zi­al­recht­li­che Ver­fah­rens­vor­schrif­ten ver­sto­ßen hat (BAG, Ur­teil vom 17.08.2010, 9 AZR 839/08). So ist er bei­spiels­wei­se zu der Prü­fung ver­pflich­tet, ob freie Ar­beits­plät­ze mit schwer­be­hin­der­ten Men­schen be­setzt wer­den kön­nen (§ 81 Abs. 1 Satz 1 So­zi­al­ge­setz­buch Neun­tes Buch - SGB IX). Da­bei muss er mit der Agen­tur für Ar­beit Kon­takt auf­neh­men (§ 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX) und die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung be­tei­li­gen (§§ 95 Abs.2, 81 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).

In dem zu Grun­de lie­gen­den Fall hat­te ein Ar­beit­ge­ber nicht nur ge­gen die­se Pflich­ten ver­sto­ßen, son­dern ein be­triebs­in­ter­nes Be­för­de­rungs­ver­fah­ren, ent­ge­gen der von ihm selbst ge­setz­ten Frist, vor­zei­tig ab­ge­bro­chen und die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le be­setzt, oh­ne den Ab­bruch be­kannt zu­ge­ben. Da­durch war ein schwer­be­hin­der­ter Be­wer­ber nicht mehr be­rück­sich­tigt wor­den, der sich kurz nach dem Ab­bruch, aber noch in­ner­halb der ur­sprüng­lich ge­plan­ten Frist, be­wor­ben hat­te.

Die Vor­in­stanz, das Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm (Ur­teil vom 26.06.2008, 15 Sa 198/08), war we­gen der ver­meint­lich ver­spä­te­ten Be­wer­bung da­von aus­ge­gan­gen, dass schon al­lein des­halb kei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen sei­ner Be­hin­de­rung vor­lie­ge. An­ders das Bun­des­ar­beits­ge­richt: Die Be­nach­tei­li­gung lie­ge in der ver­wehr­ten Chan­ce auf ei­ne Ein­stel­lung oder Be­för­de­rung in­fol­ge ei­ner dis­kri­mi­nie­ren­den Ge­stal­tung des Be­wer­bungs­ver­fah­rens. Der Ar­beit­ge­ber hat, aus Sicht des Ge­richts, durch den vor­zei­ti­gen Ab­bruch ver­hin­dert, dass der schwer­be­hin­der­te Ar­beit­neh­mer noch ei­ne be­rück­sich­ti­gungs­fä­hi­ge Be­wer­bung ab­ge­ben konn­te.

Zur Klä­rung der Hö­he des so ent­stan­de­nen Ent­schä­di­gungs­an­spruchs, ver­wies das Ge­richt den Rechts­streit zu­rück an das Lan­des­ar­beits­ge­richt.

Fa­zit: Ar­beit­ge­ber müs­sen dar­auf ach­ten, ein dis­kri­mi­nie­rungs­frei­es Stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren zu ge­währ­leis­ten. Da­bei sind sie an selbst ge­setz­te Fris­ten ge­bun­den. Wer­den die­se bei­den Grund­sät­ze nicht ein­ge­hal­ten, dro­hen Ent­schä­di­gungs­an­sprü­che durch er­folg­lo­se Be­wer­ber.

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Letzte Überarbeitung: 21. Dezember 2020

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