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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.10.2010, 2 Sa 1230/10
Schlagworte: | AGB-Kontrolle, Kurzarbeit | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 2 Sa 1230/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 07.10.2010 | |
Leitsätze: | 1. In Arbeitsverträgen vorformulierte Klauseln, die dem Arbeitgeber die einseitige Anordnung von Kurzarbeit ermöglichen, stellen eine Abweichung von §§ 611 BGB, 2 KSchG dar. 2. Solche Klauseln sind unwirksam, wenn sie nicht ausdrücklich eine Ankündigungsfrist vorsehen. 3. Solche Klauseln können auch dann gem. § 307 Abs 1, 2 BGB unwirksam sein, wenn sie Regelungen über Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit, Festlegung des betroffenen Personenkreises, Art und Weise der Einbeziehung des Personenkreises u. ä. völlig offen lassen. 4. Die bloße Bezugnahme auf die Vorschriften der §§ 169 ff SGB 3 führt weder für sich genommen noch über die Regelung des § 310 Abs 4 BGB zu einer Legitimation der Klauseln, die den genannten Grundsätzen nicht entsprechen. |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Potsdam, Urteil vom 22.04.2010, 8 Ca 2793/09 | |
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Verkündet
am 7. Oktober 2010
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
2 Sa 1230/10
8 Ca 2793/09
Arbeitsgericht Potsdam
G.-K., VA
als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 2. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 2010
durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. B. als Vorsitzenden
sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Sch. und B.
für Recht erkannt:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom
22.04.2010 – 8 Ca 2793/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsdifferenzen, die sich aus dem Streit über die Geltung einer Kurzarbeitsregelung ergeben, und um Urlaubsabgeltung.
Die Klägerin war in der Zeit vom 24. September 2001 bis zum 12. März 2010 (Eigenkündigung) als kaufmännische Angestellte bei der Beklagten, einem Unternehmen des Speditionsgewerbes, gegen ein Bruttoentgelt von 1.600,00 EUR bei einer 42-Stunden-Woche beschäftigt.
Im Arbeitsvertrag vom 24. September 2001 ist unter anderem vereinbart:
„5. Kurzarbeit
Kurzarbeit kann, wenn sie vom Arbeitsamt anerkannt wird, für den Betrieb, eine Betriebsabteilung oder einzelne Arbeitnehmer nach deren Ankündigung eingeführt werden.“
Die Beklagte rechnete die Vergütung für die Monate Juli 2009 bis November 2009 unter Berücksichtigung einer eingeführten Kurzarbeit vermindert ab, ebenso in der darauf folgenden Zeit bis Februar 2010. Sie hat sich darauf berufen, dass im Betrieb der Beklagten Kurzarbeit eingeführt worden und dass die Klägerin durch eine Mitarbeiterin entsprechend informiert worden sei. Die Agentur für Arbeit habe am 20. Juli 2009 für die Betriebsabteilung, in der die Klägerin beschäftigt war, die Einführung von Kurzarbeit bis zum Jahresende und später darüber hinaus genehmigt.
Demgegenüber hat die Klägerin die entsprechende Vertragsklausel für unwirksam gehalten, die Einführung von Kurzarbeit bestritten und volle Vergütung ebenso wie einen Urlaubsabgeltungsanspruch mit der vorliegenden, bei Gericht am 23. Dezember 2009 eingegangen Klage geltend gemacht.
Von einer näheren Darstellung des Parteivorbringens erster Instanz wird unter Bezugnahme auf die dort gewechselten Schriftsätze und den
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Tatbestand der angefochtenen Entscheidung abgesehen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 22. April 2010 den Klageanspruch überwiegend als gegeben angesehen und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 12.061,26 EUR brutto abzüglich 4.545,93 EUR netto nebst Zinsen zu zahlen. Es hat dabei die Vergütungsansprüche der Klägerin monatsweise errechnet und hierzu festgestellt, dass die Ansprüche nicht dadurch geschmälert worden seien, dass bei der Beklagten wirksam Kurzarbeit eingeführt worden sei. Zum einen habe die Beklagte den Beweis für die Bewilligung gerade im Bereich der Klägerin nicht erbracht, zum anderen sei die Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Sie stelle eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin dar und sei zudem unklar. Urlaubsabgeltung für 15 Tage im Umfange von 73,58 EUR brutto sei der Klägerin zu gewähren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 105 ff. d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses am 19. Mai 2010 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 7. Juni 2010 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 19. Juli 2010 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Beklagte und Berufungsklägerin stellt zunächst dar, dass und mit welchen Maßgaben für den Bereich der Klägerin seit dem 1. Juli 2009 Kurzarbeit seitens der Bundesagentur für Arbeit bewilligt worden und dass die Klägerin hierüber telefonisch informiert worden sei. Auch für den Bereich Potsdam sei seit dem 1. Oktober 2010 Kurzarbeit seitens der Arbeitsagentur bewilligt worden. In der Sache sei das Urteil des Arbeitsgerichts unrichtig. Die Klägerin könne die von ihr geltend gemachte Differenzvergütung nicht beanspruchen, da die Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag wirksam sei und einer Überprüfung standhalte. Die Klausel sei nicht intransparent, sie stelle klar, dass Kurzarbeit nur bei einer Anerkennung durch die Bundesagentur für Arbeit eingeführt werden könne. Eine solche an den gesetzlichen Maßstäben orientierte Klausel sei auch im Sinne der §§ 305 ff. BGB zulässig. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit hätten in dem Falle der Verweisung auf die Bundesagentur für Arbeit nicht eigens im
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Arbeitsvertrag aufgenommen werden müssen. Soweit eine Ankündigungsfrist im Arbeitsvertrag nicht verzeichnet sei, mache dies die Klausel nicht unwirksam. Die Klägerin sei im Übrigen über die Einführung von Kurzarbeit durch die Mitarbeiterin Frau R. jedenfalls informiert worden. Die Klausel sei auch nicht „unangemessen“. Bei der diesbezüglichen Prüfung seien die „Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses“ nach § 310 Abs. 4 BGB zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber habe das Instrument der Kurzarbeit ausdrücklich zugelassen, die dann erfolgende Zahlung von Kurzarbeitergeld sichere den Lebensunterhalt der Arbeitnehmer. Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld verdränge im Übrigen auch den von der Klägerin geltend gemachten Entgeltfortzahlungsanspruch. Urlaubsabgeltung könne die Klägerin nicht verlangen, da der diesbezügliche Anspruch verfallen sei. Zumindest bestehe ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten, bis die Klägerin Auskunft über ihren Urlaub bei einem neuen Arbeitgeber gegeben habe, § 6 BUrlG. Das Arbeitsgericht habe die Ansprüche der Klägerin im Übrigen auch bei Zugrundelegung von dessen Rechtsauffassung falsch berechnet.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 22. April 2010 abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt in der Berufungsinstanz die Auffassung, auch die nunmehr vorgelegten Unterlagen belegten nicht, dass Kurzarbeit seitens der Bundesagentur für Arbeit überhaupt bewilligt worden wäre. Es ergebe sich aus ihnen nur, dass eine Anzeige seitens der Beklagten erfolgt sei und dass eine Bewilligung für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2010 vorliege. Genannt würden in dem Bescheid aber als Voraussetzung, dass eine schriftliche Einverständniserklärung der Arbeitnehmer vorliege. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt. Demnach stehe fest, dass für die Zeit von Juli 2009 bis Dezember 2009 keine Bewilligung von Kurzarbeit seitens der Bundesagentur für Arbeit vorliege. Im Übrigen sei die Klausel in Punkt 5 des Arbeitsvertrages nicht geeignet, das Einverständnis der Klägerin
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mit der Einführung von Kurzarbeit zu ersetzen. Die Klausel ihrerseits sei unwirksam, sie stelle eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin dar, weil sie einseitig das Wirtschaftsrisiko zu Lasten der Arbeitnehmerin verlagere. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestehe, die Klägerin habe ihren Urlaub nicht nehmen können, dieser sei auch nicht verfallen. Doppelansprüche kämen für 2009 überhaupt nicht in Betracht und seien für 2010 nicht gegeben, so dass auch ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nicht bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Schriftsatz der Beklagten und Berufungsklägerin vom 16. Juli 2010 (Bl. 126 ff. d. A.) und auf denjenigen der Klägerin und Berufungsbeklagten vom 23. August 2010 (Bl. 157 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG, 511 ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO eingelegt und begründet worden.
Die Berufung war daher zulässig.
2. Die Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat der Klägerin zu Recht und betragsmäßig zutreffend die von ihr begehrte Urlaubsabgeltung und die ungeschmälerte Vergütung für die fraglichen Monate zugesprochen; das Berufungsgericht schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts auch bezüglich der Berechnung an, § 69 Abs. 2 ArbGG.
2.1 Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch in ungeschmälerter Höhe zu, weil die Beklagte die Vergütung nicht im Hinblick auf eine eingeführte Kurzarbeit kürzen durfte. Die Klausel in Ziffer 5 des
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Arbeitsvertrages stellt sich als unwirksam dar, da sie einer Klauselkontrolle anhand der Regelungen der §§ 307, 310 Abs. 4 BGB nicht standhält.
2.1.1 Allerdings ist die Regelung in Ziffer 5 des von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrages im Hinblick auf die Frage der „Einbeziehung“ der Klausel in die vertragliche Vereinbarung nicht zu beanstanden; die Regelung ist als eigenständige Regelung im Arbeitsvertrag klar gekennzeichnet und deutlich herausgestellt. Es handelt sich auch nicht um eine „überraschende Klausel“ im Sinne von § 305 c BGB; Kurzarbeitsklauseln stellen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses keine ungewöhnlichen Klauseln dar, mit denen der Arbeitnehmer nicht rechnen müsste.
2.1.2 Allerdings hält die Klausel in Ziffer 5 des Arbeitsvertrages einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2 BGB nicht stand.
2.1.2.1 Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Gemäß § 307 Abs. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
Unangemessen ist dabei jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird (BAG vom 04.03.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727 m.w.N.). Bei der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung bedarf es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Dabei ist bei der Beurteilung der Unangemessenheit ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäftes
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generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (BAG a.a.O.).
Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (Nr. 1). Liegen die Voraussetzungen des § 307 Abs. 2 BGB vor, so wird eine unangemessene Benachteiligung vermutet (BAG vom 08.08.2007 – 7 AZR 855/06 – NZA 2008, 229).
2.1.2.2 Die Regelung in Ziffer 5 des hier streitgegenständlichen Arbeitsvertrages stellt eine solche unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 BGB dar, weil sie eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung der §§ 611 BGB einerseits und § 2 KSchG andererseits vornimmt, ohne dass dies nach den genannten Kriterien billigenswert wäre.
2.1.2.2.1 Die Einführung von Kurzarbeit bewirkt eine (zeitweise) Herabsetzung der arbeitsvertraglich geschuldeten und betriebsüblichen Arbeitszeit, mit der eine proportionale Verkürzung der (synallagmatisch) vertraglich geschuldeten Arbeitsvergütung einhergeht. Die volle Vergütungspflicht des Arbeitgebers wird für die Dauer der Kurzarbeitsperiode befristet zeitanteilig suspendiert.
Diese vergütungsrechtliche Folge der Einführung von Kurzarbeit stellt sich als Abweichung von § 611 BGB dar; zugleich liegt in ihr eine Abweichung von § 2 KSchG, der – für den Fall der Anwendbarkeit dieser Vorschrift – vorsieht, dass entsprechende Vertragsänderungen nur über den Weg einer Änderungskündigung möglich wären. Denn es ist anerkannt, dass der Arbeitgeber Kurzarbeit nicht alleine im Wege des Direktionsrechts anordnen könnte (BAG vom 16.12.2008 – 9 AZR 164/08 – NZA 2009, 689).
2.1.2.2.2 In der Literatur wird die Aufnahme einer Kurzarbeitsklausel in den Arbeitsvertrag im Grundsatz als zulässig angesehen (vgl. Bauer/Günther, BB 2009, 662; Müller/Deeg, ArbR Aktuell 2010, 209). An die Formulierung einer
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entsprechenden Klausel werden im Hinblick auf die dargelegten Schnittlinien mit § 307 Abs. 2 BGB unterschiedliche Anforderungen gestellt. Die Zulässigkeit der Klauseln wird beispielsweise unter dem Gesichtspunkt einer Analogie zu den „Änderungsvorbehalten“ in Arbeitsverträgen gesehen, hinsichtlich derer das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 07.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423) bei einem Prozentsatz von 25 % keine Bedenken geäußert hat (Bauer/Günther a.a.O). Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 307 Abs. 2 BGB sei nicht anzunehmen, wenn das Anordnungsrecht für die Kurzarbeit mit der Bewilligung und Gewährung von Kurzarbeitsgeld durch die Bundesagentur für Arbeit im Sinne von §§ 169 ff. SGB III gekoppelt werde. In diesem Zusammenhang wird teilweise auf die Vorschrift des § 310 Abs. 4 BGB und darauf verwiesen, dass rechtliche Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses insbesondere Rechtsvorschriften seien, die im Arbeitsrecht von besonderer Bedeutung seien, also auch die §§ 169 ff. SGB III. Verwiesen wird darauf, dass die Kurzarbeit der Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen diene und dass hiervon beide Parteien profitierten (Müller/Deeg, ArbR Aktuell 2010, 209). Als notwendig wird auch die Fixierung einer Ankündigungsfrist angesehen, die dabei teilweise eher der Ausübungskontrolle zugewiesen wird. In einer Ankündigungsfrist müsse der Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, sich auf die geänderten Umstände einzustellen. Tarifverträge zur Kurzarbeit sähen Ankündigungsfristen zwischen fünf Arbeitstagen und vier Wochen vor (Müller/Deeg, a.a.O.).
2.1.2.2.3 Für den Streitfall kann es dahinstehen, ob überhaupt und bejahen-denfalls unter welchen inhaltlichen Voraussetzungen Klauseln im Arbeitsvertrag zulässig sind, die dem Arbeitgeber ein einseitiges Anordnungsrecht für Kurzarbeiten einräumt. Denn die hier streitgegenständliche Klausel in Ziffer 5 des Arbeitsvertrages hält einer Überprüfung an der Vorschrift des § 307 Abs. 1, 2 BGB jedenfalls nicht stand.
Die Klausel enthält keine Ankündigungsfrist für die Anordnung von Kurzarbeit. Bereits dieser Umstand führt für sich genommen zur Unwirksamkeit der Klausel. Denn nach dem Wortlaut der Klausel wäre es möglich, dass der Arbeitgeber von einem auf den anderen Tag Kurzarbeit anordnet und damit den dem Arbeitnehmer zu seiner Existenzsicherung
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dienenden Vergütungsanspruch ganz oder teilweise sofort zu Fall brächte. Dies mit den gesetzlichen Regelungen des § 611 BGB und des § 2 KSchG schlechterdings nicht vereinbar. Im Hinblick auf die existenzsichernde Funktion der Arbeitsvergütung ist in diesem speziellen Kontext auch nicht davon auszugehen, dass die ohnehin anzuwendende Regelung des § 106 GewO ein ausreichendes Korrektiv sei, so dass auf eine Ankündigungsfrist verzichtet werden könnte, wie es der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts für die Frage einer arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel angenommen hat (BAG vom 13.04.2010 – 9 AZR 36/09 – BB 2010, 2432). Denn in jener Konstellation geht es (nur) um die Frage des Arbeitsortes, die Arbeitsvergütung steht demgegenüber nicht in Rede. Im Rahmen der Klauselkontrolle ist es daher im Bezugspunkt dieser Frage auch nicht möglich, die verwandte Formulierung – „nach deren Ankündigung“ so auszulegen, dass ein angemessener (?) Ankündigungszeitraum durch Auslegung zu ermitteln wäre.
Die genannte Klausel in Ziffer 5 des Arbeitsvertrages stellt weiterhin auch deswegen eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1, 2 BGB dar, weil sie keinerlei Begrenzungen des Umfanges der Kurzarbeit und keinerlei Maßgaben zur personellen Konkretisierung der Kurzarbeit aufstellt.
Bei der Einführung von Kurzarbeit im Sinne von §§ 169 ff. SGB III ergibt sich eine Vielzahl von Regelungsnotwendigkeiten. Dies betrifft beispielsweise Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit, den betroffenen betrieblichen Bereich, den betroffenen Personenkreis, die Art und Weise der Einbeziehung dieses Personenkreises und vieles mehr. In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass dann, wenn Kurzarbeit im Rahmen des § 87 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG durch eine Betriebsvereinbarung eingeführt werden soll, die Betriebsparteien Regelungen bezüglich dieser Punkte vornehmen müssen, wenn davon ausgegangen werden soll, dass der Betriebsrat von seinem Mitbestimmungsrecht in dem ausreichenden Umfange Gebrauch gemacht hat, wie es für die einschneidende Wirkung einer solchen Betriebsver-einbarung auf das Einzelarbeitsverhältnis gefordert wird (vgl. beispielsweise LAG Baden-Württemberg vom 25.11.2005 – 2 Sa 112/04 -; LAG Rheinland-Pfalz vom 30.03.2006 – 11 Sa 609/05 -). Mit den genannten Kriterien wird deutlich, dass die Auswirkungen der Einführung von Kurzarbeit auf einzelne
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Bereiche und einzelne Arbeitsverhältnisse höchstunterschiedlich sein können, so dass hier das Bedürfnis nach einer „gerechten Verteilung“ im Wege einer mitbestimmten Regelung erkennbar wird. Im Hinblick auf den (teilweisen) Verlust der Arbeitsvergütung besteht ein Schutzbedürfnis für die Arbeitnehmer, dem im mitbestimmten Bereich durch die Beteiligung des Betriebsrates Rechnung getragen wird.
Nichts anderes kann gelten, wenn es dem Arbeitgeber vertraglich gestattet sein sollte, einseitig Kurzarbeit einzuführen. Auch hier bedarf es der genannten Regelungen, um einen vergleichbaren Schutzbereich aufzustellen, wie er im mitbestimmten Betrieb durch die Beteiligung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bewirkt wird.
Solche Regelungen müssen in der Klausel selbst enthalten sein; eine bloße Ausübungskontrolle unter dem Gesichtspunkt des § 106 GewO reichte zur Aufrechterhaltung eines solchen Schutzbereiches nicht aus. Denn diese Ausübungskontrolle könnte sich, bei ansonsten erfolgter Anerkennung einer Kurzarbeitsklausel ohne entsprechende Regelungen, nur auf dasjenige beziehen, was in der – so anerkannten – Regelung enthalten wäre. Die Verlagerung des Schutzbereiches in den Sektor (bloßen) Ausübungskontrolle reicht mithin nicht aus. Vielmehr muss – wenn man diesbezügliche Klauseln überhaupt zulassen will – in der Klausel selbst zum Ausdruck kommen, inwieweit und mit welchem Schutzbereich der betroffene Arbeitnehmer im Falle der Einführung (welcher?) Kurzarbeit betroffen sein kann. Denn nur so könnte er selbst sowohl im Vorhinein erkennen, welche Einschnitte ihn erwarten können, als auch im Nachhinein überprüfen (lassen), ob die ihm vertraglich eingeräumte Rechtsposition im konkreten Fall tangiert worden war oder nicht.
Die streitgegenständliche Klausel enthält solche Regelungen nicht. Sie spricht davon, dass Kurzarbeit „für den Betrieb, eine Betriebsabteilung oder einzelne Arbeitnehmer“ eingeführt werden kann, wenn sie vom Arbeitsamt anerkannt worden ist. Alle die soeben dargestellten Fragen bleiben in der so formulierten Klausel offen. Weder wird deutlich, welche Betriebsabteilung beispielsweise und welche Arbeitnehmer beispielsweise betroffen sein werden, noch wird erkennbar, inwieweit etwa bei der Frage der Einführung von dem Umfange Gebrauch gemacht werden soll, den die Bundesagentur
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bewilligt hat. Die hier streit-gegenständliche Klausel genügt all diesen genannten Anforderungen nicht.
Entgegen der in der Literatur geäußerten Auffassung liefern auch nicht bereits die §§ 169 ff. SGB III einen legislativen Ansatz, Kurzarbeitsklauseln der vorliegenden Art eine Wirksamkeit zu verleihen. Dabei ist zum einen festzustellen, dass §§ 169 ff. SGB III die sozialrechtlichen Voraussetzungen und arbeitsförderungsrechtlichen Folgewirkungen der Einführung von Kurzarbeit regeln. Es ist schon von daher zweifelhaft, ob sie in dieser Funktion überhaupt geeignet sind, Anknüpfungspunkt für die Frage zu sein, ob gegen wesentliche Grundgedanken einer gesetzlichen (arbeitsrechtlichen) Regelung verstoßen werde (so aber Bauer/Günther, BB 2009, 662). Zu Recht verweisen Müller/Deeg (a.a.O.) darauf, dass sich aus den Regelungen der §§ 169 ff. SGB III zwingende Rückschlüsse auf den zulässigen Umfang der Kurzarbeit und damit den zulässigen Eingriff in das Synallagma nicht ziehen lassen. Zum anderen aber ist festzustellen, dass die §§ 169 ff. SGB III die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Anordnung von Kurzarbeit ihrerseits gerade voraussetzen; arbeitsrechtliche Aussagen treffen die entsprechenden Vorschriften nicht und können sie auch nicht treffen (so zutreffend Müller/Deeg, a.a.O.).
Eine Legitimierung einer unbestimmten Kurzarbeitsklausel über die Vorschrift des § 310 Abs. 4 BGB in Verbindung mit §§ 169 ff. SGB III kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es mag zwar zutreffen, dass Kurzarbeit für das Arbeitsleben keine gänzlich ausgeschlossene und nicht ins Kalkül zu ziehende „Besonderheit“ darstellt. Dass eine solche in der Koppelung mit dem Sozialrecht möglich ist, sagt aber über die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen und insbesondere deren Folgen nichts aus. Die Regelungen der §§ 169 ff. SGB III können daher nicht als „arbeitsrechtliche Besonderheit“ angesehen werden, die ihrerseits die individualrechtlichen und tarifrechtlichen Verbindlichkeiten im Arbeitsverhältnis außer Kraft zu setzen in der Lage wären.
Die §§ 169 ff. SGB III und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Arbeitnehmer, nämlich der Bezug von Kurzarbeitergeld, sind auch nicht bereits für sich genommen geeignet, die „Benachteiligung“ selbst oder die „unangemessene Benachteiligung“ im Sinne des § 307 Abs. 1, 2 BGB
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auszuschließen. Dies ergibt sich zum einen bereits daraus, dass die Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld auf einer ganz anderen, nämlich sozialrechtlichen Ebene geregelt und angewandt werden. Für das Synallagma des Arbeitsverhältnisses haben sie keine konstitutive oder derogative Bedeutung; die Rechte und Pflichten der Vertragspartner aus dem Arbeitsverhältnis regeln sich aus ihrem Binnenverhältnis, sie werden nicht dadurch modifiziert, dass ein „Dritter“, hier die Bundesagentur für Arbeit, eine kompensatorische Leistung gewährt. Für die Existenzsicherung des Arbeitnehmers nimmt das Kurzarbeitergeld zweifellos eine wichtige Position ein; Fragen des Synallagmas werden jedoch hiervon nicht betroffen.
Mithin erweist sich die streitgegenständliche Klausel im Arbeitsvertrag als unwirksam im Sinne von §§ 307 Abs. 1, 2 BGB. Die Beklagte war daher bereits vom Vertrag her nicht berechtigt, die Vergütung der Klägerin – wie geschehen – zu kürzen. Auf die Frage, ob gerade für den Bereich der Klägerin Kurzarbeit wirksam eingeführt worden war und in welchem Umfange dies geschehen sein sollte, kam es mithin nicht an.
2.2 Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klägerin auch ihren Anspruch auf Urlaubsabgeltung zugesprochen; die hiergegen von der Beklagten erhobenen Einwände greifen nicht durch, die von ihr – abstrakt – erhobenen Einwände gegen die Berechnung waren nicht erfolgreich.
Dem von der Beklagten geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht liegt keine Rechtsgrundlage zugrunde. Ein von ihr reklamierter Auskunftsanspruch über genommene Urlaubstage bei einem anderen Arbeitgeber besteht nicht. Er ergibt sich insbesondere nicht aus § 6 BUrlG, der nur Urlaubsansprüche in einem nachfolgenden Arbeitsverhältnis ausschließt, indes dem Arbeitgeber des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses keine Kürzungsbefugnis einräumt. Hat die Gewährung von Urlaubsansprüchen in einem folgenden Arbeitsverhältnis aber keinerlei Einfluss auf Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten, kann diese auch keinen Auskunftsanspruch reklamieren (vgl. bereits LAG Berlin-Brandenburg vom 03.11.2009 – 7 Sa 1782/09 -).
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3. Nach alledem musste die Berufung der Beklagten mit der Folge zurückgewiesen werden, dass sie gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.
4. Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Die Beklagte wird auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG hingewiesen.
Dr. B.
Dr. Sch.
B.
Ra
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