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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 07.10.2010, 2 Sa 1230/10

   
Schlagworte: AGB-Kontrolle, Kurzarbeit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 2 Sa 1230/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 07.10.2010
   
Leitsätze:

1. In Arbeitsverträgen vorformulierte Klauseln, die dem Arbeitgeber die einseitige Anordnung von Kurzarbeit ermöglichen, stellen eine Abweichung von §§ 611 BGB, 2 KSchG dar.

2. Solche Klauseln sind unwirksam, wenn sie nicht ausdrücklich eine Ankündigungsfrist vorsehen.

3. Solche Klauseln können auch dann gem. § 307 Abs 1, 2 BGB unwirksam sein, wenn sie Regelungen über Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit, Festlegung des betroffenen Personenkreises, Art und Weise der Einbeziehung des Personenkreises u. ä. völlig offen lassen.

4. Die bloße Bezugnahme auf die Vorschriften der §§ 169 ff SGB 3 führt weder für sich genommen noch über die Regelung des § 310 Abs 4 BGB zu einer Legitimation der Klauseln, die den genannten Grundsätzen nicht entsprechen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Potsdam, Urteil vom 22.04.2010, 8 Ca 2793/09
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 7. Ok­to­ber 2010

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

2 Sa 1230/10

8 Ca 2793/09
Ar­beits­ge­richt Pots­dam

G.-K., VA
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In Sa­chen

pp 

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 2. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 7. Ok­to­ber 2010
durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Lan­des­ar­beits­ge­richts Dr. B. als Vor­sit­zen­den
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Sch. und B.

für Recht er­kannt:

I. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pots­dam vom
22.04.2010 – 8 Ca 2793/09 – wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

II. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um Vergütungs­dif­fe­ren­zen, die sich aus dem Streit über die Gel­tung ei­ner Kurz­ar­beits­re­ge­lung er­ge­ben, und um Ur­laubs­ab­gel­tung.

Die Kläge­rin war in der Zeit vom 24. Sep­tem­ber 2001 bis zum 12. März 2010 (Ei­genkündi­gung) als kaufmänni­sche An­ge­stell­te bei der Be­klag­ten, ei­nem Un­ter­neh­men des Spe­di­ti­ons­ge­wer­bes, ge­gen ein Brut­to­ent­gelt von 1.600,00 EUR bei ei­ner 42-St­un­den-Wo­che beschäftigt.

Im Ar­beits­ver­trag vom 24. Sep­tem­ber 2001 ist un­ter an­de­rem ver­ein­bart:

„5. Kurz­ar­beit

Kurz­ar­beit kann, wenn sie vom Ar­beits­amt an­er­kannt wird, für den Be­trieb, ei­ne Be­triebs­ab­tei­lung oder ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer nach de­ren Ankündi­gung ein­geführt wer­den.“

Die Be­klag­te rech­ne­te die Vergütung für die Mo­na­te Ju­li 2009 bis No­vem­ber 2009 un­ter Berück­sich­ti­gung ei­ner ein­geführ­ten Kurz­ar­beit ver­min­dert ab, eben­so in der dar­auf fol­gen­den Zeit bis Fe­bru­ar 2010. Sie hat sich dar­auf be­ru­fen, dass im Be­trieb der Be­klag­ten Kurz­ar­beit ein­geführt wor­den und dass die Kläge­rin durch ei­ne Mit­ar­bei­te­rin ent­spre­chend in­for­miert wor­den sei. Die Agen­tur für Ar­beit ha­be am 20. Ju­li 2009 für die Be­triebs­ab­tei­lung, in der die Kläge­rin beschäftigt war, die Einführung von Kurz­ar­beit bis zum Jah­res­en­de und später darüber hin­aus ge­neh­migt.

Dem­ge­genüber hat die Kläge­rin die ent­spre­chen­de Ver­trags­klau­sel für un­wirk­sam ge­hal­ten, die Einführung von Kurz­ar­beit be­strit­ten und vol­le Vergütung eben­so wie ei­nen Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch mit der vor­lie­gen­den, bei Ge­richt am 23. De­zem­ber 2009 ein­ge­gan­gen Kla­ge gel­tend ge­macht.

Von ei­ner nähe­ren Dar­stel­lung des Par­tei­vor­brin­gens ers­ter In­stanz wird un­ter Be­zug­nah­me auf die dort ge­wech­sel­ten Schriftsätze und den

 

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Tat­be­stand der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung ab­ge­se­hen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 22. April 2010 den Kla­ge­an­spruch über­wie­gend als ge­ge­ben an­ge­se­hen und die Be­klag­te ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 12.061,26 EUR brut­to abzüglich 4.545,93 EUR net­to nebst Zin­sen zu zah­len. Es hat da­bei die Vergütungs­ansprüche der Kläge­rin mo­nats­wei­se er­rech­net und hier­zu fest­ge­stellt, dass die Ansprüche nicht da­durch ge­schmälert wor­den sei­en, dass bei der Be­klag­ten wirk­sam Kurz­ar­beit ein­geführt wor­den sei. Zum ei­nen ha­be die Be­klag­te den Be­weis für die Be­wil­li­gung ge­ra­de im Be­reich der Kläge­rin nicht er­bracht, zum an­de­ren sei die Kurz­ar­beits­klau­sel im Ar­beits­ver­trag gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB un­wirk­sam. Sie stel­le ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin dar und sei zu­dem un­klar. Ur­laubs­ab­gel­tung für 15 Ta­ge im Um­fan­ge von 73,58 EUR brut­to sei der Kläge­rin zu gewähren. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf die Ent­schei­dungs­gründe (Bl. 105 ff. d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses am 19. Mai 2010 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die Be­ru­fung der Be­klag­ten, die sie mit ei­nem beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 7. Ju­ni 2010 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz ein­ge­legt und mit ei­nem beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 19. Ju­li 2010 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet hat.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin stellt zunächst dar, dass und mit wel­chen Maßga­ben für den Be­reich der Kläge­rin seit dem 1. Ju­li 2009 Kurz­ar­beit sei­tens der Bun­des­agen­tur für Ar­beit be­wil­ligt wor­den und dass die Kläge­rin hierüber te­le­fo­nisch in­for­miert wor­den sei. Auch für den Be­reich Pots­dam sei seit dem 1. Ok­to­ber 2010 Kurz­ar­beit sei­tens der Ar­beits­agen­tur be­wil­ligt wor­den. In der Sa­che sei das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts un­rich­tig. Die Kläge­rin könne die von ihr gel­tend ge­mach­te Dif­fe­renz­vergütung nicht be­an­spru­chen, da die Kurz­ar­beits­klau­sel im Ar­beits­ver­trag wirk­sam sei und ei­ner Über­prüfung stand­hal­te. Die Klau­sel sei nicht in­trans­pa­rent, sie stel­le klar, dass Kurz­ar­beit nur bei ei­ner An­er­ken­nung durch die Bun­des­agen­tur für Ar­beit ein­geführt wer­den könne. Ei­ne sol­che an den ge­setz­li­chen Maßstäben ori­en­tier­te Klau­sel sei auch im Sin­ne der §§ 305 ff. BGB zulässig. Die recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Einführung von Kurz­ar­beit hätten in dem Fal­le der Ver­wei­sung auf die Bun­des­agen­tur für Ar­beit nicht ei­gens im

 

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Ar­beits­ver­trag auf­ge­nom­men wer­den müssen. So­weit ei­ne Ankündi­gungs­frist im Ar­beits­ver­trag nicht ver­zeich­net sei, ma­che dies die Klau­sel nicht un­wirk­sam. Die Kläge­rin sei im Übri­gen über die Einführung von Kurz­ar­beit durch die Mit­ar­bei­te­rin Frau R. je­den­falls in­for­miert wor­den. Die Klau­sel sei auch nicht „un­an­ge­mes­sen“. Bei der dies­bezügli­chen Prüfung sei­en die „Be­son­der­hei­ten des Ar­beits­verhält­nis­ses“ nach § 310 Abs. 4 BGB zu berück­sich­ti­gen. Der Ge­setz­ge­ber ha­be das In­stru­ment der Kurz­ar­beit aus­drück­lich zu­ge­las­sen, die dann er­fol­gen­de Zah­lung von Kurz­ar­bei­ter­geld si­che­re den Le­bens­un­ter­halt der Ar­beit­neh­mer. Der An­spruch auf Kurz­ar­bei­ter­geld ver­dränge im Übri­gen auch den von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­ten Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruch. Ur­laubs­ab­gel­tung könne die Kläge­rin nicht ver­lan­gen, da der dies­bezügli­che An­spruch ver­fal­len sei. Zu­min­dest be­ste­he ein Zurück­be­hal­tungs­recht der Be­klag­ten, bis die Kläge­rin Aus­kunft über ih­ren Ur­laub bei ei­nem neu­en Ar­beit­ge­ber ge­ge­ben ha­be, § 6 BUrlG. Das Ar­beits­ge­richt ha­be die Ansprüche der Kläge­rin im Übri­gen auch bei Zu­grun­de­le­gung von des­sen Rechts­auf­fas­sung falsch be­rech­net.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pots­dam vom 22. April 2010 ab­zuändern und die Kla­ge voll­umfäng­lich ab­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tritt in der Be­ru­fungs­in­stanz die Auf­fas­sung, auch die nun­mehr vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen be­leg­ten nicht, dass Kurz­ar­beit sei­tens der Bun­des­agen­tur für Ar­beit über­haupt be­wil­ligt wor­den wäre. Es er­ge­be sich aus ih­nen nur, dass ei­ne An­zei­ge sei­tens der Be­klag­ten er­folgt sei und dass ei­ne Be­wil­li­gung für den Zeit­raum 1. Ja­nu­ar 2010 bis 30. Ju­ni 2010 vor­lie­ge. Ge­nannt würden in dem Be­scheid aber als Vor­aus­set­zung, dass ei­ne schrift­li­che Ein­verständ­nis­erklärung der Ar­beit­neh­mer vor­lie­ge. Die­se Vor­aus­set­zung sei im Streit­fall nicht erfüllt. Dem­nach ste­he fest, dass für die Zeit von Ju­li 2009 bis De­zem­ber 2009 kei­ne Be­wil­li­gung von Kurz­ar­beit sei­tens der Bun­des­agen­tur für Ar­beit vor­lie­ge. Im Übri­gen sei die Klau­sel in Punkt 5 des Ar­beits­ver­tra­ges nicht ge­eig­net, das Ein­verständ­nis der Kläge­rin

 

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mit der Einführung von Kurz­ar­beit zu er­set­zen. Die Klau­sel ih­rer­seits sei un­wirk­sam, sie stel­le ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin dar, weil sie ein­sei­tig das Wirt­schafts­ri­si­ko zu Las­ten der Ar­beit­neh­me­rin ver­la­ge­re. Der An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung be­ste­he, die Kläge­rin ha­be ih­ren Ur­laub nicht neh­men können, die­ser sei auch nicht ver­fal­len. Dop­pel­ansprüche kämen für 2009 über­haupt nicht in Be­tracht und sei­en für 2010 nicht ge­ge­ben, so dass auch ein Zurück­be­hal­tungs­recht der Be­klag­ten nicht be­ste­he.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des zweit­in­stanz­li­chen Par­tei­vor­brin­gens wird auf den Schrift­satz der Be­klag­ten und Be­ru­fungskläge­rin vom 16. Ju­li 2010 (Bl. 126 ff. d. A.) und auf den­je­ni­gen der Kläge­rin und Be­ru­fungs­be­klag­ten vom 23. Au­gust 2010 (Bl. 157 ff. d. A.) Be­zug ge­nom­men.

 

Ent­schei­dungs­gründe


1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG, 511 ZPO statt­haf­te Be­ru­fung ist form- und frist­ge­recht im Sin­ne von §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

Die Be­ru­fung war da­her zulässig.

2. Die Be­ru­fung hat­te in der Sa­che kei­nen Er­folg.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kläge­rin zu Recht und be­tragsmäßig zu­tref­fend die von ihr be­gehr­te Ur­laubs­ab­gel­tung und die un­ge­schmäler­te Vergütung für die frag­li­chen Mo­na­te zu­ge­spro­chen; das Be­ru­fungs­ge­richt schließt sich den dies­bezügli­chen Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts auch bezüglich der Be­rech­nung an, § 69 Abs. 2 ArbGG.

2.1 Der Kläge­rin steht der gel­tend ge­mach­te Vergütungs­an­spruch in un­ge­schmäler­ter Höhe zu, weil die Be­klag­te die Vergütung nicht im Hin­blick auf ei­ne ein­geführ­te Kurz­ar­beit kürzen durf­te. Die Klau­sel in Zif­fer 5 des

 

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Ar­beits­ver­tra­ges stellt sich als un­wirk­sam dar, da sie ei­ner Klau­sel­kon­trol­le an­hand der Re­ge­lun­gen der §§ 307, 310 Abs. 4 BGB nicht standhält.

2.1.1 Al­ler­dings ist die Re­ge­lung in Zif­fer 5 des von der Be­klag­ten vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­ver­tra­ges im Hin­blick auf die Fra­ge der „Ein­be­zie­hung“ der Klau­sel in die ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung nicht zu be­an­stan­den; die Re­ge­lung ist als ei­genständi­ge Re­ge­lung im Ar­beits­ver­trag klar ge­kenn­zeich­net und deut­lich her­aus­ge­stellt. Es han­delt sich auch nicht um ei­ne „über­ra­schen­de Klau­sel“ im Sin­ne von § 305 c BGB; Kurz­ar­beits­klau­seln stel­len im Rah­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses kei­ne un­gewöhn­li­chen Klau­seln dar, mit de­nen der Ar­beit­neh­mer nicht rech­nen müss­te.

2.1.2 Al­ler­dings hält die Klau­sel in Zif­fer 5 des Ar­beits­ver­tra­ges ei­ner In­halts­kon­trol­le nach § 307 Abs. 1, 2 BGB nicht stand.

2.1.2.1 Nach die­ser Vor­schrift sind Be­stim­mun­gen in all­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen un­wirk­sam, wenn sie den Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen. Gemäß § 307 Abs. 2 BGB ist ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung im Zwei­fel dann an­zu­neh­men, wenn ei­ne Be­stim­mung mit we­sent­li­chen Grund­ge­dan­ken der ge­setz­li­chen Re­ge­lung, von der ab­ge­wi­chen wird, nicht zu ver­ein­ba­ren ist oder we­sent­li­che Rech­te oder Pflich­ten, die sich aus der Na­tur des Ver­tra­ges er­ge­ben, so ein­schränkt, dass die Er­rei­chung des Ver­trags­zwecks gefähr­det ist.

Un­an­ge­mes­sen ist da­bei je­de Be­ein­träch­ti­gung ei­nes recht­lich an­er­kann­ten In­ter­es­ses des Ar­beit­neh­mers, die nicht durch be­gründe­te und bil­li­gens­wer­te In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ge­recht­fer­tigt ist oder durch gleich­wer­ti­ge Vor­tei­le aus­ge­gli­chen wird (BAG vom 04.03.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727 m.w.N.). Bei der Fest­stel­lung ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung be­darf es ei­ner um­fas­sen­den Würdi­gung der bei­der­sei­ti­gen Po­si­tio­nen un­ter Berück­sich­ti­gung des Grund­sat­zes von Treu und Glau­ben. Da­bei ist bei der Be­ur­tei­lung der Un­an­ge­mes­sen­heit ein ge­ne­rel­ler, ty­pi­sie­ren­der, vom Ein­zel­fall los­gelöster Maßstab an­zu­le­gen. Zu prüfen ist, ob der Klau­sel­in­halt bei der in Re­de ste­hen­den Art des Rechts­geschäftes

 

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ge­ne­rell und un­ter Berück­sich­ti­gung der ty­pi­schen In­ter­es­sen der be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ver­trags­part­ners er­gibt (BAG a.a.O.).

Ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung ist nach § 307 Abs. 2 BGB im Zwei­fel dann an­zu­neh­men, wenn ei­ne Be­stim­mung mit we­sent­li­chen Grund­ge­dan­ken der ge­setz­li­chen Re­ge­lung, von der ab­ge­wi­chen wird, nicht zu ver­ein­ba­ren ist (Nr. 1). Lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des § 307 Abs. 2 BGB vor, so wird ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung ver­mu­tet (BAG vom 08.08.2007 – 7 AZR 855/06 – NZA 2008, 229).

2.1.2.2 Die Re­ge­lung in Zif­fer 5 des hier streit­ge­genständ­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges stellt ei­ne sol­che un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne von § 307 Abs. 2 BGB dar, weil sie ei­ne Ab­wei­chung von der ge­setz­li­chen Re­ge­lung der §§ 611 BGB ei­ner­seits und § 2 KSchG an­de­rer­seits vor­nimmt, oh­ne dass dies nach den ge­nann­ten Kri­te­ri­en bil­li­gens­wert wäre.

2.1.2.2.1 Die Einführung von Kurz­ar­beit be­wirkt ei­ne (zeit­wei­se) Her­ab­set­zung der ar­beits­ver­trag­lich ge­schul­de­ten und be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit, mit der ei­ne pro­por­tio­na­le Verkürzung der (syn­al­lag­ma­tisch) ver­trag­lich ge­schul­de­ten Ar­beits­vergütung ein­her­geht. Die vol­le Vergütungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers wird für die Dau­er der Kurz­ar­beits­pe­ri­ode be­fris­tet zeit­an­tei­lig sus­pen­diert.

Die­se vergütungs­recht­li­che Fol­ge der Einführung von Kurz­ar­beit stellt sich als Ab­wei­chung von § 611 BGB dar; zu­gleich liegt in ihr ei­ne Ab­wei­chung von § 2 KSchG, der – für den Fall der An­wend­bar­keit die­ser Vor­schrift – vor­sieht, dass ent­spre­chen­de Ver­tragsände­run­gen nur über den Weg ei­ner Ände­rungskündi­gung möglich wären. Denn es ist an­er­kannt, dass der Ar­beit­ge­ber Kurz­ar­beit nicht al­lei­ne im We­ge des Di­rek­ti­ons­rechts an­ord­nen könn­te (BAG vom 16.12.2008 – 9 AZR 164/08 – NZA 2009, 689).

2.1.2.2.2 In der Li­te­ra­tur wird die Auf­nah­me ei­ner Kurz­ar­beits­klau­sel in den Ar­beits­ver­trag im Grund­satz als zulässig an­ge­se­hen (vgl. Bau­er/Günther, BB 2009, 662; Müller/De­eg, ArbR Ak­tu­ell 2010, 209). An die For­mu­lie­rung ei­ner

 

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ent­spre­chen­den Klau­sel wer­den im Hin­blick auf die dar­ge­leg­ten Schnitt­li­ni­en mit § 307 Abs. 2 BGB un­ter­schied­li­che An­for­de­run­gen ge­stellt. Die Zulässig­keit der Klau­seln wird bei­spiels­wei­se un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner Ana­lo­gie zu den „Ände­rungs­vor­be­hal­ten“ in Ar­beits­verträgen ge­se­hen, hin­sicht­lich de­rer das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG vom 07.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423) bei ei­nem Pro­zent­satz von 25 % kei­ne Be­den­ken geäußert hat (Bau­er/Günther a.a.O). Ein Ver­s­toß ge­gen die Vor­schrift des § 307 Abs. 2 BGB sei nicht an­zu­neh­men, wenn das An­ord­nungs­recht für die Kurz­ar­beit mit der Be­wil­li­gung und Gewährung von Kurz­ar­beits­geld durch die Bun­des­agen­tur für Ar­beit im Sin­ne von §§ 169 ff. SGB III ge­kop­pelt wer­de. In die­sem Zu­sam­men­hang wird teil­wei­se auf die Vor­schrift des § 310 Abs. 4 BGB und dar­auf ver­wie­sen, dass recht­li­che Be­son­der­hei­ten des Ar­beits­verhält­nis­ses ins­be­son­de­re Rechts­vor­schrif­ten sei­en, die im Ar­beits­recht von be­son­de­rer Be­deu­tung sei­en, al­so auch die §§ 169 ff. SGB III. Ver­wie­sen wird dar­auf, dass die Kurz­ar­beit der Ver­mei­dung be­triebs­be­ding­ter Kündi­gun­gen die­ne und dass hier­von bei­de Par­tei­en pro­fi­tier­ten (Müller/De­eg, ArbR Ak­tu­ell 2010, 209). Als not­wen­dig wird auch die Fi­xie­rung ei­ner Ankündi­gungs­frist an­ge­se­hen, die da­bei teil­wei­se eher der Ausübungs­kon­trol­le zu­ge­wie­sen wird. In ei­ner Ankündi­gungs­frist müsse der Ar­beit­neh­mer in die La­ge ver­setzt wer­den, sich auf die geänder­ten Umstände ein­zu­stel­len. Ta­rif­verträge zur Kurz­ar­beit sähen Ankündi­gungs­fris­ten zwi­schen fünf Ar­beits­ta­gen und vier Wo­chen vor (Müller/De­eg, a.a.O.).

2.1.2.2.3 Für den Streit­fall kann es da­hin­ste­hen, ob über­haupt und be­ja­hen-den­falls un­ter wel­chen in­halt­li­chen Vor­aus­set­zun­gen Klau­seln im Ar­beits­ver­trag zulässig sind, die dem Ar­beit­ge­ber ein ein­sei­ti­ges An­ord­nungs­recht für Kurz­ar­bei­ten einräumt. Denn die hier streit­ge­genständ­li­che Klau­sel in Zif­fer 5 des Ar­beits­ver­tra­ges hält ei­ner Über­prüfung an der Vor­schrift des § 307 Abs. 1, 2 BGB je­den­falls nicht stand.

Die Klau­sel enthält kei­ne Ankündi­gungs­frist für die An­ord­nung von Kurz­ar­beit. Be­reits die­ser Um­stand führt für sich ge­nom­men zur Un­wirk­sam­keit der Klau­sel. Denn nach dem Wort­laut der Klau­sel wäre es möglich, dass der Ar­beit­ge­ber von ei­nem auf den an­de­ren Tag Kurz­ar­beit an­ord­net und da­mit den dem Ar­beit­neh­mer zu sei­ner Exis­tenz­si­che­rung

 

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die­nen­den Vergütungs­an­spruch ganz oder teil­wei­se so­fort zu Fall bräch­te. Dies mit den ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen des § 611 BGB und des § 2 KSchG schlech­ter­dings nicht ver­ein­bar. Im Hin­blick auf die exis­tenz­si­chern­de Funk­ti­on der Ar­beits­vergütung ist in die­sem spe­zi­el­len Kon­text auch nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass die oh­ne­hin an­zu­wen­den­de Re­ge­lung des § 106 Ge­wO ein aus­rei­chen­des Kor­rek­tiv sei, so dass auf ei­ne Ankündi­gungs­frist ver­zich­tet wer­den könn­te, wie es der 9. Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts für die Fra­ge ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­set­zungs­klau­sel an­ge­nom­men hat (BAG vom 13.04.2010 – 9 AZR 36/09 – BB 2010, 2432). Denn in je­ner Kon­stel­la­ti­on geht es (nur) um die Fra­ge des Ar­beits­or­tes, die Ar­beits­vergütung steht dem­ge­genüber nicht in Re­de. Im Rah­men der Klau­sel­kon­trol­le ist es da­her im Be­zugs­punkt die­ser Fra­ge auch nicht möglich, die ver­wand­te For­mu­lie­rung – „nach de­ren Ankündi­gung“ so aus­zu­le­gen, dass ein an­ge­mes­se­ner (?) Ankündi­gungs­zeit­raum durch Aus­le­gung zu er­mit­teln wäre.

Die ge­nann­te Klau­sel in Zif­fer 5 des Ar­beits­ver­tra­ges stellt wei­ter­hin auch des­we­gen ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne von § 307 Abs. 1, 2 BGB dar, weil sie kei­ner­lei Be­gren­zun­gen des Um­fan­ges der Kurz­ar­beit und kei­ner­lei Maßga­ben zur per­so­nel­len Kon­kre­ti­sie­rung der Kurz­ar­beit auf­stellt.

Bei der Einführung von Kurz­ar­beit im Sin­ne von §§ 169 ff. SGB III er­gibt sich ei­ne Viel­zahl von Re­ge­lungs­not­wen­dig­kei­ten. Dies be­trifft bei­spiels­wei­se Um­fang und Aus­maß der Kurz­ar­beit, den be­trof­fe­nen be­trieb­li­chen Be­reich, den be­trof­fe­nen Per­so­nen­kreis, die Art und Wei­se der Ein­be­zie­hung die­ses Per­so­nen­krei­ses und vie­les mehr. In die­sem Zu­sam­men­hang ist an­er­kannt, dass dann, wenn Kurz­ar­beit im Rah­men des § 87 Abs. 1 Zif­fer 3 Be­trVG durch ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung ein­geführt wer­den soll, die Be­triebs­par­tei­en Re­ge­lun­gen bezüglich die­ser Punk­te vor­neh­men müssen, wenn da­von aus­ge­gan­gen wer­den soll, dass der Be­triebs­rat von sei­nem Mit­be­stim­mungs­recht in dem aus­rei­chen­den Um­fan­ge Ge­brauch ge­macht hat, wie es für die ein­schnei­den­de Wir­kung ei­ner sol­chen Be­triebs­ver-ein­ba­rung auf das Ein­zel­ar­beits­verhält­nis ge­for­dert wird (vgl. bei­spiels­wei­se LAG Ba­den-Würt­tem­berg vom 25.11.2005 – 2 Sa 112/04 -; LAG Rhein­land-Pfalz vom 30.03.2006 – 11 Sa 609/05 -). Mit den ge­nann­ten Kri­te­ri­en wird deut­lich, dass die Aus­wir­kun­gen der Einführung von Kurz­ar­beit auf ein­zel­ne

 

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Be­rei­che und ein­zel­ne Ar­beits­verhält­nis­se höchst­un­ter­schied­lich sein können, so dass hier das Bedürf­nis nach ei­ner „ge­rech­ten Ver­tei­lung“ im We­ge ei­ner mit­be­stimm­ten Re­ge­lung er­kenn­bar wird. Im Hin­blick auf den (teil­wei­sen) Ver­lust der Ar­beits­vergütung be­steht ein Schutz­bedürf­nis für die Ar­beit­neh­mer, dem im mit­be­stimm­ten Be­reich durch die Be­tei­li­gung des Be­triebs­ra­tes Rech­nung ge­tra­gen wird.

Nichts an­de­res kann gel­ten, wenn es dem Ar­beit­ge­ber ver­trag­lich ge­stat­tet sein soll­te, ein­sei­tig Kurz­ar­beit ein­zuführen. Auch hier be­darf es der ge­nann­ten Re­ge­lun­gen, um ei­nen ver­gleich­ba­ren Schutz­be­reich auf­zu­stel­len, wie er im mit­be­stimm­ten Be­trieb durch die Be­tei­li­gung des Be­triebs­ra­tes nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 Be­trVG be­wirkt wird.

Sol­che Re­ge­lun­gen müssen in der Klau­sel selbst ent­hal­ten sein; ei­ne bloße Ausübungs­kon­trol­le un­ter dem Ge­sichts­punkt des § 106 Ge­wO reich­te zur Auf­recht­er­hal­tung ei­nes sol­chen Schutz­be­rei­ches nicht aus. Denn die­se Ausübungs­kon­trol­le könn­te sich, bei an­sons­ten er­folg­ter An­er­ken­nung ei­ner Kurz­ar­beits­klau­sel oh­ne ent­spre­chen­de Re­ge­lun­gen, nur auf das­je­ni­ge be­zie­hen, was in der – so an­er­kann­ten – Re­ge­lung ent­hal­ten wäre. Die Ver­la­ge­rung des Schutz­be­rei­ches in den Sek­tor (bloßen) Ausübungs­kon­trol­le reicht mit­hin nicht aus. Viel­mehr muss – wenn man dies­bezügli­che Klau­seln über­haupt zu­las­sen will – in der Klau­sel selbst zum Aus­druck kom­men, in­wie­weit und mit wel­chem Schutz­be­reich der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer im Fal­le der Einführung (wel­cher?) Kurz­ar­beit be­trof­fen sein kann. Denn nur so könn­te er selbst so­wohl im Vor­hin­ein er­ken­nen, wel­che Ein­schnit­te ihn er­war­ten können, als auch im Nach­hin­ein über­prüfen (las­sen), ob die ihm ver­trag­lich ein­geräum­te Rechts­po­si­ti­on im kon­kre­ten Fall tan­giert wor­den war oder nicht.

Die streit­ge­genständ­li­che Klau­sel enthält sol­che Re­ge­lun­gen nicht. Sie spricht da­von, dass Kurz­ar­beit „für den Be­trieb, ei­ne Be­triebs­ab­tei­lung oder ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer“ ein­geführt wer­den kann, wenn sie vom Ar­beits­amt an­er­kannt wor­den ist. Al­le die so­eben dar­ge­stell­ten Fra­gen blei­ben in der so for­mu­lier­ten Klau­sel of­fen. We­der wird deut­lich, wel­che Be­triebs­ab­tei­lung bei­spiels­wei­se und wel­che Ar­beit­neh­mer bei­spiels­wei­se be­trof­fen sein wer­den, noch wird er­kenn­bar, in­wie­weit et­wa bei der Fra­ge der Einführung von dem Um­fan­ge Ge­brauch ge­macht wer­den soll, den die Bun­des­agen­tur

 

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be­wil­ligt hat. Die hier streit-ge­genständ­li­che Klau­sel genügt all die­sen ge­nann­ten An­for­de­run­gen nicht.

Ent­ge­gen der in der Li­te­ra­tur geäußer­ten Auf­fas­sung lie­fern auch nicht be­reits die §§ 169 ff. SGB III ei­nen le­gis­la­ti­ven An­satz, Kurz­ar­beits­klau­seln der vor­lie­gen­den Art ei­ne Wirk­sam­keit zu ver­lei­hen. Da­bei ist zum ei­nen fest­zu­stel­len, dass §§ 169 ff. SGB III die so­zi­al­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und ar­beitsförde­rungs­recht­li­chen Fol­ge­wir­kun­gen der Einführung von Kurz­ar­beit re­geln. Es ist schon von da­her zwei­fel­haft, ob sie in die­ser Funk­ti­on über­haupt ge­eig­net sind, An­knüpfungs­punkt für die Fra­ge zu sein, ob ge­gen we­sent­li­che Grund­ge­dan­ken ei­ner ge­setz­li­chen (ar­beits­recht­li­chen) Re­ge­lung ver­s­toßen wer­de (so aber Bau­er/Günther, BB 2009, 662). Zu Recht ver­wei­sen Müller/De­eg (a.a.O.) dar­auf, dass sich aus den Re­ge­lun­gen der §§ 169 ff. SGB III zwin­gen­de Rück­schlüsse auf den zulässi­gen Um­fang der Kurz­ar­beit und da­mit den zulässi­gen Ein­griff in das Sy­nal­lag­ma nicht zie­hen las­sen. Zum an­de­ren aber ist fest­zu­stel­len, dass die §§ 169 ff. SGB III die ar­beits­recht­li­che Zulässig­keit der An­ord­nung von Kurz­ar­beit ih­rer­seits ge­ra­de vor­aus­set­zen; ar­beits­recht­li­che Aus­sa­gen tref­fen die ent­spre­chen­den Vor­schrif­ten nicht und können sie auch nicht tref­fen (so zu­tref­fend Müller/De­eg, a.a.O.).

Ei­ne Le­gi­ti­mie­rung ei­ner un­be­stimm­ten Kurz­ar­beits­klau­sel über die Vor­schrift des § 310 Abs. 4 BGB in Ver­bin­dung mit §§ 169 ff. SGB III kommt eben­falls nicht in Be­tracht. Es mag zwar zu­tref­fen, dass Kurz­ar­beit für das Ar­beits­le­ben kei­ne gänz­lich aus­ge­schlos­se­ne und nicht ins Kalkül zu zie­hen­de „Be­son­der­heit“ dar­stellt. Dass ei­ne sol­che in der Kop­pe­lung mit dem So­zi­al­recht möglich ist, sagt aber über die ar­beits­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und ins­be­son­de­re de­ren Fol­gen nichts aus. Die Re­ge­lun­gen der §§ 169 ff. SGB III können da­her nicht als „ar­beits­recht­li­che Be­son­der­heit“ an­ge­se­hen wer­den, die ih­rer­seits die in­di­vi­du­al­recht­li­chen und ta­rif­recht­li­chen Ver­bind­lich­kei­ten im Ar­beits­verhält­nis außer Kraft zu set­zen in der La­ge wären.

Die §§ 169 ff. SGB III und die sich dar­aus er­ge­ben­den Kon­se­quen­zen für den Ar­beit­neh­mer, nämlich der Be­zug von Kurz­ar­bei­ter­geld, sind auch nicht be­reits für sich ge­nom­men ge­eig­net, die „Be­nach­tei­li­gung“ selbst oder die „un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung“ im Sin­ne des § 307 Abs. 1, 2 BGB

 

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aus­zu­sch­ließen. Dies er­gibt sich zum ei­nen be­reits dar­aus, dass die Vor­aus­set­zun­gen zur Gewährung von Kurz­ar­bei­ter­geld auf ei­ner ganz an­de­ren, nämlich so­zi­al­recht­li­chen Ebe­ne ge­re­gelt und an­ge­wandt wer­den. Für das Sy­nal­lag­ma des Ar­beits­verhält­nis­ses ha­ben sie kei­ne kon­sti­tu­ti­ve oder de­ro­ga­ti­ve Be­deu­tung; die Rech­te und Pflich­ten der Ver­trags­part­ner aus dem Ar­beits­verhält­nis re­geln sich aus ih­rem Bin­nen­verhält­nis, sie wer­den nicht da­durch mo­di­fi­ziert, dass ein „Drit­ter“, hier die Bun­des­agen­tur für Ar­beit, ei­ne kom­pen­sa­to­ri­sche Leis­tung gewährt. Für die Exis­tenz­si­che­rung des Ar­beit­neh­mers nimmt das Kurz­ar­bei­ter­geld zwei­fel­los ei­ne wich­ti­ge Po­si­ti­on ein; Fra­gen des Sy­nal­lag­mas wer­den je­doch hier­von nicht be­trof­fen.

Mit­hin er­weist sich die streit­ge­genständ­li­che Klau­sel im Ar­beits­ver­trag als un­wirk­sam im Sin­ne von §§ 307 Abs. 1, 2 BGB. Die Be­klag­te war da­her be­reits vom Ver­trag her nicht be­rech­tigt, die Vergütung der Kläge­rin – wie ge­sche­hen – zu kürzen. Auf die Fra­ge, ob ge­ra­de für den Be­reich der Kläge­rin Kurz­ar­beit wirk­sam ein­geführt wor­den war und in wel­chem Um­fan­ge dies ge­sche­hen sein soll­te, kam es mit­hin nicht an.

2.2 Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt der Kläge­rin auch ih­ren An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung zu­ge­spro­chen; die hier­ge­gen von der Be­klag­ten er­ho­be­nen Einwände grei­fen nicht durch, die von ihr – abs­trakt – er­ho­be­nen Einwände ge­gen die Be­rech­nung wa­ren nicht er­folg­reich.

Dem von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­ten Zurück­be­hal­tungs­recht liegt kei­ne Rechts­grund­la­ge zu­grun­de. Ein von ihr re­kla­mier­ter Aus­kunfts­an­spruch über ge­nom­me­ne Ur­laubs­ta­ge bei ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber be­steht nicht. Er er­gibt sich ins­be­son­de­re nicht aus § 6 BUrlG, der nur Ur­laubs­ansprüche in ei­nem nach­fol­gen­den Ar­beits­verhält­nis aus­sch­ließt, in­des dem Ar­beit­ge­ber des vor­an­ge­gan­ge­nen Ar­beits­verhält­nis­ses kei­ne Kürzungs­be­fug­nis einräumt. Hat die Gewährung von Ur­laubs­ansprüchen in ei­nem fol­gen­den Ar­beits­verhält­nis aber kei­ner­lei Ein­fluss auf Ansprüche der Kläge­rin ge­genüber der Be­klag­ten, kann die­se auch kei­nen Aus­kunfts­an­spruch re­kla­mie­ren (vgl. be­reits LAG Ber­lin-Bran­den­burg vom 03.11.2009 – 7 Sa 1782/09 -).

 

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3. Nach al­le­dem muss­te die Be­ru­fung der Be­klag­ten mit der Fol­ge zurück­ge­wie­sen wer­den, dass sie gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten des er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels zu tra­gen hat.

4. Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Be­tracht, da die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen nicht vor­ge­le­gen ha­ben.


Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

Die Be­klag­te wird auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de gemäß § 72 a ArbGG hin­ge­wie­sen.

 

Dr. B.

Dr. Sch.

B.

Ra

 

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