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Änderung der Arbeitszeiten und BEM
19.10.2017. Wer in Nachtschicht oder Wechselschicht arbeitet, trägt erhöhte Risiken für seine Gesundheit. Andererseits gibt es Zuschläge, die die Schichtarbeit finanziell attraktiv machen.
Daher gibt es immer wieder Streit vor den Arbeitsgerichten über die Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, einen Arbeitnehmer einseitig per Weisung in einen schlechter bezahlten Schichtdienst umzusetzen.
Gestern hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass solche Weisungen auch dann mit dem Ziel des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt werden können, wenn der Arbeitgeber zuvor kein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt hat: BAG, Urteil vom 18.10.2017, 10 AZR 47/17 (Pressemeldung des BAG).
- Dürfen Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Problemen auch ohne betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) per Weisung in eine andere Schicht umgesetzt werden?
- Im Streit: Gesundheitlich angeschlagener BEM-Kandidat wird ohne BEM von der Nachtschicht in den Wechselschichtdienst umgesetzt
- BAG: Arbeitnehmer können auch ohne vorheriges BEM per Weisung in einen anderen Schichtdienst umgesetzt werden
Dürfen Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Problemen auch ohne betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) per Weisung in eine andere Schicht umgesetzt werden?
Die Zuteilung eines Arbeitnehmers zu einem bestimmten Schichtdienst, also z.B. zur Tagschicht, zur Wechselschicht oder zur Nachtschicht, ist keine Versetzung im Sinne von § 95 Abs.3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), so dass der Betriebsrat hier kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG hat.
Vielmehr ist der Arbeitgeber zu einer solchen Änderung der Arbeitszeiten allein auf der Grundlage von § 106 Gewerbeordnung (GewO) berechtigt, d.h. auf der Grundlage seines Weisungsrechts (Direktionsrecht), falls nicht ausnahmsweise der Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag etwas anderes vorschreiben sollte.
Bei der Ausübung seines Weisungsrechts darf der Arbeitgeber nicht einseitig seine Interessen durchsetzen, sondern muss auch die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen, denn andernfalls entspricht seine Weisung bzw. die einseitig vom Arbeitgeber entschiedene Änderung der Arbeitszeiten nicht "billigem Ermessen" (§ 106 Satz 1 GewO).
Im Prinzip kann der Arbeitgeber eine andere Schichtzuteilung auch mit seiner Sorge um die Gesundheit des Arbeitnehmers begründen, denn damit erfüllt er seine Fürsorgepflicht. Ist der Arbeitnehmer allerdings innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt, muss der Arbeitgeber ein sog. betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen. Das BEM ist eine Art runder Tisch, an dem neben dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer auch der Betriebsrat sitzt (falls der Arbeitnehmer einverstanden ist), und mit dessen Hilfe geklärt werden soll, mit welchen Maßnahmen die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann (§ 84 Abs.2 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX).
Vor diesem Hintergrund fragt sich, ob der Arbeitgeber die Zuteilung anderer Arbeitszeiten bzw. Schichten auch dann mit dem Ziel des Gesundheitsschutzes begründen kann, wenn er zuvor kein BEM durchgeführt hat, obwohl er das aufgrund der langen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers eigentlich hätte tun müssen.
Im Streit: Gesundheitlich angeschlagener BEM-Kandidat wird ohne BEM von der Nachtschicht in den Wechselschichtdienst umgesetzt
Geklagt hatte ein gewerblicher Arbeitnehmer, der seit 1991 in einem Betrieb mit etwa 500 Mitarbeitern als Maschinenbediener tätig war. Seit 1994 arbeitete in Wechselschicht (Frühschicht/Spätschicht), ab 2005 machte er fast ausschließlich Nachtschicht (21:00 Uhr bis 05:00 Uhr). In 2013 und 2014 war er an 35 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt, so dass ein BEM fällig gewesen wäre, das der Arbeitgeber aber nicht durchführte.
Von Anfang Dezember 2014 bis Ende Februar 2015 konnte der Arbeitnehmer aufgrund einer Suchttherapie nicht arbeiten. Danach wurde er zunächst wieder in der Nachtschicht eingesetzt. Ende März 2015 erteilte ihm der Arbeitgeber die Weisung, künftig in Wechselschicht zu arbeiten.
Der Arbeitnehmer erhob daraufhin vor dem Arbeitsgericht Pforzheim Klage mit dem Ziel, wieder in der Nachtschicht eingesetzt zu werden. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab (Urteil vom 20.08.2016, 6 Ca 154/15), während das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg ihr stattgab (Urteil vom 22.11.2016, 15 Sa 76/15).
Begründung des LAG: Der Arbeitgeber konnte seine Weisung nicht mit dem Ziel rechtfertigen, die Gesundheit des Klägers zu schonen. Denn würde er sich ernsthaft Gedanken um die angeschlagene Gesundheit seines Mitarbeiters machen, hätte er ja ein BEM durchführen können, wozu er 2013, 2014 und 2015 aufgrund der langen Ausfallzeiten ohnehin verpflichtet gewesen wäre.
BAG: Arbeitnehmer können auch ohne vorheriges BEM per Weisung in einen anderen Schichtdienst umgesetzt werden
Das BAG war anderer Meinung als das LAG Baden-Württemberg. Es hob das LAG-Urteil daher auf und verwies den Fall zurück, damit die Rechtmäßigkeit der Arbeitszeitänderung noch einmal geprüft wird. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Die Durchführung eines BEM im Sinne von § 84 Abs.2 SGB IX ist keine "formelle Voraussetzung" für die Wirksamkeit einer Arbeitszeitänderung. Dies gilt auch dann, so die Erfurter Richter, wenn eine solche Weisung (unter anderem) auf Gründe gestützt wird, die mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers zusammenhängen. Entscheidend ist nicht, ob vor der Weisung bzw. Arbeitszeitänderung ein BEM durchgeführt wurde, sondern ob die Weisung insgesamt billigem Ermessen entspricht, d.h. den gesetzlichen Vorgaben des § 106 Satz 1 GewO und des § 315 Abs.1 BGB.
Fazit: Arbeitgeber, die einen Arbeitnehmer aus krankheitsbedingten Gründen kündigen wollen, müssen vorher ein BEM durchführen, denn sonst verlieren sie den nachfolgenden Kündigungsschutzprozess. Die Unterlassung eines BEM macht die krankheitsbedingte Kündigung zwar nicht automatisch unwirksam, doch trägt der Arbeitgeber dann im Prozess die (nicht zu bewältigende) Beweislast dafür, dass es zum Kündigungszeitpunkt keine Einsatzmöglichkeiten gab, mit denen der Arbeitnehmer trotz seiner Gesundheitsprobleme klargekommen wäre. Diese Spielregeln bzw. Beweislastvorgaben wollte das Stuttgarter LAG auf Arbeitsanweisungen (Arbeitszeitänderungen, Versetzungen) übertragen, mit denen der Arbeitgeber (vorgeblich) auf gesundheitliche Probleme des Arbeitnehmers reagiert. Dabei hat das BAG nicht mitgemacht.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.10.2017, 10 AZR 47/17 (Pressemeldung des BAG)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.10.2017, 10 AZR 47/17
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2016, 15 Sa 76/15
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitszeit und Arbeitszeitrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Beschäftigung, Beschäftigungsanspruch
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
- Handbuch Arbeitsrecht: Krankheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Kündigung wegen Krankheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Versetzung
- Handbuch Arbeitsrecht: Weisungsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 20/060 Versetzung wegen Konflikten am Arbeitsplatz
- Arbeitsrecht aktuell: 13/325 Betriebliches Eingliederungsmanagement und Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 07/39 Kündigung wegen Krankheit und Eingliederungsmanagement
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 11. Juni 2020
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