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Betriebliches Eingliederungsmanagement und Kündigung
08.11.2013. Sind Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen.
BEM heißt: Der Arbeitgeber muss unter Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers und des Betriebsrats bzw. Personalrats klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (§ 84 Abs.2 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX)).
Spricht der Arbeitgeber eine auf lange Krankheitszeiten gestützte krankheitsbedingte Kündigung aus, ohne zuvor ein korrektes BEM durchgeführt zu haben, ist die Kündigung zwar nicht automatisch unwirksam, denn ein vorheriges BEM ist keine notwendige Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Krankheit.
Allerdings haben es BEM-Muffel schwer, mit einer solchen Kündigung vor Gericht durchzukommen. Das zeigt ein aktueller Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.09.2013, 3 Sa 133/13.
- Wie hängen BEM und krankheitsbedingte Kündigung zusammen?
- Der Streitfall: Häufig kranke Altenpflegerin soll nach Reha-Maßnahme Atteste vorlegen und erklärt daraufhin über die Gewerkschaft, sie werde ein BEM-Gespräch ablehnen
- LAG Schleswig-Holstein: Arbeitgeber müssen den Arbeitnehmer auch dann ausdrücklich zum BEM auffordern, wenn der Arbeitnehmer zuvor Ablehnung signalisiert hat
Wie hängen BEM und krankheitsbedingte Kündigung zusammen?
Wer über zwei oder drei Jahre hinweg deutlich länger als sechs Wochen pro Jahr wegen häufiger Kurzerkrankungen fehlt, muss mit einer krankheitsbedingten Kündigung rechnen, und zwar auch dann, wenn er Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) hat. Denn § 1 KSchG erlaubt dem Arbeitgeber in solchen Fällen die ordentliche Kündigung, wenn
- aufgrund der bisherigen häufigen Krankheitszeiten die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Arbeitnehmer auch künftig sehr oft krank sein wird (negative Prognose),
- wenn solche künftigen Fehlzeiten die betrieblichen und/oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigen, und
- wenn die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers überwiegt.
Betriebliche Interessen des Arbeitgebers können z.B. dadurch beeinträchtigt sein, dass er den Arbeitnehmer auch in Zukunft voraussichtlich immer wieder durch andere Arbeitnehmer vertreten lassen muss.
Dagegen ist eine Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers durch wahrscheinliche künftige Krankheitszeiten ausgeschlossen, wenn es die Möglichkeit gibt, den Arbeitnehmer auf einem anderen, "leidensgerechten" Arbeitsplatz einzusetzen, wo sich seine gesundheitlichen Probleme nicht oder nicht so stark bemerkbar machen.
Hier kommt das BEM in Spiel: Denn das BEM dient ja eben der gemeinsamen Überprüfung, ob und wo und wie es eine solche leidensgerechte weitere Beschäftigung geben könnte. Unterlässt der Arbeitgeber daher vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung ein BEM oder führt es nicht korrekt durch, kann er dem Bundesarbeitsgericht (BAG) zufolge im Kündigungsschutzprozess nicht einfach pauschal behaupten, es gebe für den gekündigten Arbeitnehmer infolge seiner krankheitsbedingten Probleme keine geeigneten anderen Arbeitsplätze.
Vielmehr muss der Arbeitgeber dann umfassend vor Gericht erklären, warum ein Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz und eine vielleicht denkbare Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz nicht möglich ist (BAG, Urteil vom 12.07.2007, 2 AZR 716/06, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 07/39 Kündigung wg. Krankheit und Eingliederungsmanagement).
Einen so umfassenden und konkreten Vortrag bringt kaum ein Arbeitgeber vor Gericht zustande. Daher scheitern viele krankheitsbedingte Kündigungen im Ergebnis daran, dass das BEM unterlassen oder verschlampt wurde.
Der Streitfall: Häufig kranke Altenpflegerin soll nach Reha-Maßnahme Atteste vorlegen und erklärt daraufhin über die Gewerkschaft, sie werde ein BEM-Gespräch ablehnen
Im Streitfall war eine langjährig beschäftigte Altenpflegerin 2010 insgesamt 51 Arbeitstage krank, in 2011 insgesamt 100 Arbeitstage und bis Mitte 2012 insgesamt 84 Arbeitstage lang krank, wobei sich die Fehlzeiten in jedem Jahr auf viele kürzere Zeiträume verteilten.
Ende Juli 2012 befand sich die Altenpflegerin nach einer Reha-Maßnahme im Urlaub, als sie eine schriftliche Aufforderung ihres Arbeitgebers erhielt, sie möge doch einmal zum Nachweis einer Prognose künftiger krankheitsbedingter Fehlzeiten ärztliche Atteste vorlegen.
Das wies die Gewerkschaft, die die Altenpflegerin rechtlich unterstützte, postwendend unter Hinweis auf die derzeit bestehende Arbeitsfähigkeit zurück. In diesem Schreiben der Gewerkschaft heißt es weiter:
"Daher werden wir unserem Mitglied für den Fall, dass Sie nunmehr das Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) einleiten wollen, empfehlen, dieses Gespräch abzulehnen."
Umso besser, dann machen wir eben kein BEM, dachte sich der Arbeitgeber und kündigte im September 2012 ordentlich aus krankheitsbedingten Gründen. Dagegen erhob die Altenpflegerin mit Erfolg Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Elmshorn (Arbeitsgericht Elmshorn, Urteil vom 20.03.2013, 1 Ca 1656 b/12).
LAG Schleswig-Holstein: Arbeitgeber müssen den Arbeitnehmer auch dann ausdrücklich zum BEM auffordern, wenn der Arbeitnehmer zuvor Ablehnung signalisiert hat
Auch vor dem LAG hatte der Arbeitgeber keinen Erfolg mit seiner Kündigung.
Denn das Gericht hatte trotz der häufigen Fehlzeiten in den Jahren 2010, 2011 und 2012 Zweifel an der negativen Gesundheitsprognose, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützte. Immerhin war die Reha Mitte 2012 erfolgreich verlaufen und die Arbeitnehmerin war zum Zeitpunkt der Kündigung wieder gesund.
Und selbst dann, wenn man von einer schlechten Gesundheitsprognose ausgehen würde, würden zu erwartende künftige Fehlzeiten die Interessen des Arbeitgebers nicht erheblich beeinträchtigen, da er nicht ausreichend genau erklärt hatte, wieso eine leidensgerechte Arbeit ausgeschlossen sein sollte. Eine solche umfassende Erklärung hätte er nämlich liefern müssen, da er vor der Kündigung kein BEM durchgeführt hatte.
Von dieser Pflicht war der Arbeitgeber nach Ansicht des LAG auch nicht deshalb befreit, weil die ver.di im Sommer 2012 erklärt hatte, der Altenpflegerin "empfehlen" zu wollen, ein BEM-Gespräch abzulehnen. Hier beruft sich das LAG auf die BAG-Rechtsprechung, der zufolge der Arbeitgeber die "Initiativlast für die Durchführung eines BEM trägt" (BAG, Urteil vom 24.03.2011, 2 AZR 170/10).
Im Streitfall hatte der Arbeitgeber aber schlicht gar nichts gemacht, um ein BEM auf den Weg zu bringen, denn die Aufforderung vom Juli 2012, die Arbeitnehmerin möge ärztliche Atteste zum Nachweis einer Prognose künftiger krankheitsbedingter Fehlzeiten beibringen, war hier auf jeden Fall zu wenig.
Fazit: Auch wenn der Arbeitnehmer eine ablehnende Haltung gegenüber einem BEM einnimmt oder Maßnahmen nicht mitmachen möchte, die sich aus einem BEM heraus ergeben, muss der Arbeitgeber (weiter) auf den Arbeitnehmer zugehen und ihm je nach Lage des Falles wiederholt deutlich machen, wozu ein BEM dient und dass der Arbeitnehmer im eigenen Interesse zur Vermeidung einer krankheitsbedingten Kündigung "mitmachen" sollte (BAG, Urteil vom 10.12.2009, 2 AZR 400/08, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/074 Anforderungen an betriebliches Eingliederungsmanagement). Unterlässt der Arbeitgeber das, wird später im Kündigungsschutzprozess in aller Regel den Kürzeren ziehen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.09.2013, 3 Sa 133/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Behinderung, Menschen mit Behinderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
- Handbuch Arbeitsrecht: Krankheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Kündigung wegen Krankheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehinderung, schwerbehinderter Mensch
- Arbeitsrecht aktuell: 18/170 BEM-Ergebnisse und ihre Umsetzung
- Arbeitsrecht aktuell: 17/266 Änderung der Arbeitszeiten und BEM
- Arbeitsrecht aktuell: 17/026 Kündigung in Unkenntnis einer Schwerbehinderung
- Arbeitsrecht aktuell: 10/253 Rechtsschutzversicherung muss im Zustimmungsverfahren den Rechtsanwalt eines schwerbehinderten Arbeitnehmers bezahlen.
- Arbeitsrecht aktuell: 10/074 Anforderungen an betriebliches Eingliederungsmanagement
- Arbeitsrecht aktuell: 07/39 Kündigung wg. Krankheit und Eingliederungsmanagement
Letzte Überarbeitung: 29. Juni 2019
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