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Versetzung und Arbeitsverweigerung
08.12.2014. Wer aufgrund einer Versetzung an einen anderen Arbeitsort immense zusätzliche Wegstrecken zurücklegen muss, hat oft keine andere Möglichkeit, als eine solche Weisung nicht zu befolgen.
Dann aber droht eine Abmahnung oder schlimmstenfalls sogar eine fristlose Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung.
Solche arbeitsrechtlichen Konsequenzen setzen allerdings voraus, dass die Versetzung ihrerseits rechtmäßig war, d.h. vom Weisungsrecht gedeckt und für den Arbeitnehmer zumutbar: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 28.08.2014, 6 Sa 423/14.
- Was tun bei einer Versetzung in eine andere Stadt?
- Der Streitfall: 59jähriger gewerblicher Arbeitnehmer möchte nicht 70 km nach Belgien pendeln
- LAG Köln: Die Nichtbefolgung einer unzumutbaren Versetzung ist keine Arbeitsverweigerung und berechtigt nicht zur Kündigung
Was tun bei einer Versetzung in eine andere Stadt?
Viele Arbeitsverträge enthalten einen Versetzungsvorbehalt, der den Arbeitgeber dazu berechtigt, den Arbeitnehmer innerhalb des gesamten Bundesgebiets zu versetzen. Auf den ersten Blick werden dem Arbeitgeber dadurch sehr weitgehende Befugnisse eingeräumt, doch das täuscht. Denn ein bundesweites Versetzungsrecht folgt bereits aus dem Gesetz, nämlich aus § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO). Diese Vorschrift lautet:
"Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind."
Das heißt: Setzen die hier genannten Regelungen (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, spezielle Gesetzesvorschriften) dem Versetzungsrecht des Arbeitgebers keine Grenzen, besteht dieses gemäß § 106 Satz 1 GewO deutschlandweit.
Immerhin muss der Arbeitgeber bei jeder Versetzungsentscheidung im Einzelfall auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Seine Versetzungsanordnung muss fair sein, d.h. "billigem Ermessen" entsprechen. Hier kommen familiäre Lage (kleine Kinder?), zusätzliche Wegezeiten, Höhe des Arbeitslohns, Fahrtkosten (bzw. eine Fahrtkostenerstattung durch den Arbeitgeber) und dgl. ins Spiel.
Hält der Arbeitnehmer eine Versetzung für unrechtmäßig, kann er vor Gericht ziehen und dies feststellen lassen. Außerdem kann er auf Beschäftigung an seinem bisherigen Arbeitsort klagen. Allerdings dauern solche Prozesse oft jahrelang und Eilverfahren haben in diesen Fällen meist geringe Erfolgsaussichten (wir berichteten zuletzt in Arbeitsrecht aktuell: 14/157 Versetzung mit Ortswechsel per Eilverfahren stoppen?).
Daher sollte es dem Arbeitnehmer zumindest möglich sein, eine "unbillige" und aus diesem Grunde unrechtmäßige Versetzung nicht zu befolgen. Eben dieses (eigentlich selbstverständliche) Recht des Arbeitnehmers ist aber zweifelhaft, weil der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vor einigen Jahren entschieden hat, dass auch unbillige (= die Interessen des Arbeitnehmers nicht fair berücksichtigende und daher unrechtmäßige) Versetzungen einstweilen befolgt werden müssen, bis ein Gericht hierüber rechtskräftig entschieden hat (BAG, Urteil vom 22.2.2012, 5 AZR 249/11).
Diese BAG-Entscheidung wird zurecht überwiegend kritisiert, und auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln ist ihr nicht gefolgt.
Der Streitfall: 59jähriger gewerblicher Arbeitnehmer möchte nicht 70 km nach Belgien pendeln
Im Streitfall sollte ein 59 Jahre alter gewerblicher Arbeitnehmer mit einem Monatslohn von 2.700,00 EUR nach 36jähriger Beschäftigung in Deutschland statt einer einfachen täglichen Wegstrecke von bisher 15 km künftig 70 km Wegstrecke (einfach) auf sich nehmen, d.h. hin und zurück 140 km, und zwar zu einem Arbeitsort in Belgien.
Diese Versetzungsentscheidung hatte einen etwas schalen Beigeschmack, weil der Arbeitgeber ein halbes Jahr zuvor eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen hatte und sich abzeichnete, dass er damit vor Gericht nicht durchkommen würde.
Nachdem der Arbeitnehmer einen Tag in Belgien gearbeitet hatte, erklärte er tags darauf, dieser Anweisung nicht weiter Folge zu leisten. Prompt erhielt er eine fristlose Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung, die das Arbeitsgericht Köln als wirksam ansah. Denn die Versetzungsentscheidung sei, so das Arbeitsgericht, rechtens gewesen.
Das wollte der Arbeitnehmer nicht auf sich beruhen lassen und legte Berufung ein.
LAG Köln: Die Nichtbefolgung einer unzumutbaren Versetzung ist keine Arbeitsverweigerung und berechtigt nicht zur Kündigung
Das LAG Köln entschied andersherum und gab dem Arbeitnehmer Recht. Denn das LAG sah es als "nicht zweifelhaft" an, dass die Versetzung für den Kläger nicht zumutbar und daher rechtswidrig war.
Selbst wenn es hinreichende betriebliche Gründe für den 70 km entfernten Einsatz in Belgien gegeben haben sollte, hätte der Arbeitgeber die zusätzlichen Fahrtkosten übernehmen oder ein Firmenfahrzeug stellen müssen, so die Kölner Richter. Denn der Arbeitnehmer war dazu bei seinem Monatslohn nicht in der Lage, wie er dem Gericht vorgerechnet hatte. Trotzdem hatte der Arbeitgeber die Übernahme der Kosten bzw. einen Kostenvorschuss abgelehnt, obwohl er dazu nach Ausspruch der Versetzung ausdrücklich aufgefordert worden war.
Mit Blick auf das o.g. BAG-Urteil vom 22.2.2012 (5 AZR 249/11) meinte das LAG, dass diese Entscheidung nicht zum Thema Kündigung, sondern zu den Voraussetzungen des Annahmeverzugs ergangen sei. Für das Kündigungsrecht bleibt es nach Ansicht des LAG dabei, dass von einer beharrlichen Arbeitsverweigerung nicht die Rede sein kann, wenn die vorausgegangene Versetzung nicht rechtens war.
Der Entscheidung des LAG Köln ist zuzustimmen.
Denn erstens ist das o.g. BAG-Urteil nicht überzeugend und wird daher in der juristischen Literatur zurecht überwiegend kritisiert bzw. abgelehnt. Ist eine Versetzung nicht rechtens, ist sie gemäß § 315 Abs.3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dem Arbeitnehmer gegenüber nicht verbindlich. Über diese klar gesetzliche Regelung setzt sich der Fünfte BAG-Senat in dieser Entscheidung hinweg.
Zweitens wird kein Arbeitnehmer leichtfertig eine Versetzung nicht befolgen, denn dann drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen bis zu Abmahnung und Kündigung. Dabei trägt der Arbeitnehmer das Risiko einer rechtlichen Fehleinschätzung der Versetzung.
Drittens war die Kündigung hier im Streitfall so oder so rechtswidrig. Denn für eine Versetzung über Deutschlands Grenzen hinaus gab es hier keine (vertragliche) Rechtsgrundlage und zudem durfte der Arbeitgeber ohne vorherige Abmahnung keinesfalls kündigen (d.h. selbst dann nicht, wenn die Versetzung rechtens gewesen sein sollte).
Fazit: Bei rechtswidrigen Versetzungsentscheidungen haben Arbeitnehmer infolge der aktuellen Rechtsprechung derzeit schlechte Karten.
Denn zum einen ist das o.g. BAG-Urteil noch in der Welt und kann Arbeitnehmern entgegengehalten werden, wenn sie unzulässige Versetzungen nicht befolgen. Zum anderen hilft die Rechtsprechung dem Arbeitgeber auch dann, wenn er eine Änderungskündigung ausspricht, obwohl er eine Versetzungsanweisung hätte erteilen können, denn dann ist die Änderungsschutzklage kostenpflichtig abzuweisen (BAG, Urteil vom 26.01.2012, 2 AZR 102/11, wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 12/272 Änderungskündigung oder Weisung?).
Umso wichtiger ist es, dass das LAG Köln hier klargestellt hat, dass die Nichtbefolgung einer rechtswidrigen Versetzungsentscheidung (selbstverständlich) keine "beharrliche Arbeitsverweigerung" ist und den Arbeitgeber daher (selbstverständlich) nicht zur Kündigung berechtigt.
Nähere Informationen finden sie hier:
- Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 28.08.2014, 6 Sa 423/14
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.02.2012, 5 AZR 249/11
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.01.2012, 2 AZR 102/11
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Versetzungsvorbehalt, Versetzungsklausel
- Handbuch Arbeitsrecht: Beschäftigung, Beschäftigungsanspruch
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Änderungskündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Versetzung
- Handbuch Arbeitsrecht: Weisungsrecht
- Tipps und Tricks: Was tun bei Versetzung?
- Arbeitsrecht aktuell: 19/189 Klageantrag bei Änderungsschutzklagen
- Arbeitsrecht aktuell: 19/013 Keine einseitige Weisung, im Home-Office zu arbeiten
- Arbeitsrecht aktuell: 18/267 Einstweiliger Rechtsschutz gegen Freistellung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/102 LAG Hamburg stärkt Beschäftigungsanspruch
- Arbeitsrecht aktuell: 18/082 Durchsetzung der Beschäftigung trotz Wegfall des Arbeitsplatzes
- Arbeitsrecht aktuell: 17/068 Einstweilige Verfügung bei Streit um den Arbeitsort
- Arbeitsrecht aktuell: 14/157 Versetzung mit Ortswechsel per Eilverfahren stoppen?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/151 Versetzung eines Betriebsratsmitglieds
- Arbeitsrecht aktuell: 14/064 Versetzung an einen anderen Arbeitsort
- Arbeitsrecht aktuell: 13/212 Ermessen des Arbeitgebers bei Versetzungen
- Arbeitsrecht aktuell: 13/116 Klage gegen Versetzung
- Arbeitsrecht aktuell: 13/032 Weiterbeschäftigung per einstweiliger Verfügung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/272 Änderungskündigung oder Weisung?
- Arbeitsrecht aktuell: 11/079 Keine Versetzung einer Teilzeitkraft ins Ausland
- Arbeitsrecht aktuell: 11/029 Kontrolle einer arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel
Letzte Überarbeitung: 29. August 2019
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