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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/064

Ver­set­zung an ei­nen an­de­ren Ar­beits­ort

Die An­ga­be ei­nes Be­schäf­ti­gungs­or­tes bei der Ein­stel­lung im Ar­beits­ver­trag legt den Ort der Ar­beits­leis­tung nicht dau­er­haft fest: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 28.08.2013, 10 AZR 569/12
Heu­te hier, mor­gen dort

24.02.2014. Wer vom Ar­beit­ge­ber in ei­ne an­de­re Stadt ver­setzt wird, muss ent­we­der um­zie­hen und/oder dau­er­haft wei­te Fahrt­we­ge auf sich neh­men.

Bei der Fra­ge, ob sol­che Ver­set­zun­gen rech­tens sind oder nicht, kommt es auf den In­halt des Ar­beits­ver­trags an:

Ent­hält er ei­nen Ver­set­zungs­vor­be­halt und ist die­ser Vor­be­halt wirk­sam, kann der Ar­beit­ge­ber ein­sei­tig, d.h. per Ar­beits­an­wei­sung dar­über ent­schei­den, ob der Ar­beit­neh­mer sein Bün­del schnü­ren muss oder nicht.

Da­ge­gen hel­fen nur ar­beits­ver­trag­lich bin­den­de Ver­ein­ba­run­gen über den Ort der Ar­beits­leis­tung. Aber auch dann, wenn der Ar­beits­ver­trag ei­nen kon­kre­ten "Be­schäf­ti­gungs­ort" fest­schreibt, muss da­mit nicht un­be­dingt ein dau­er­haf­ter Ein­satz­ort ver­ein­bart sein: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 28.08.2013, 10 AZR 569/12.

Was sind ar­beits­ver­trag­li­che Fest­le­gun­gen des Ar­beits­or­tes wert?

Ei­ne Ver­set­zung in ei­ne an­de­re Stadt ist ei­ne ein­sei­ti­ge Maßnah­me, bei der sich der Ar­beit­ge­ber auf sein Wei­sungs­recht be­ruft. Der Ar­beit­neh­mer muss da­her mit der Ver­set­zung nicht ein­ver­stan­den sein. Vor­aus­set­zung für die Rechtmäßig­keit bzw. Wirk­sam­keit der Ver­set­zung ist viel­mehr nur, dass der Ar­beit­ge­ber bei sei­ner ein­sei­ti­gen An­ord­nung die Gren­zen sei­nes Wei­sungs­rechts einhält.

Da­zu muss die Ver­set­zung - als Wei­sung - "bil­li­gem Er­mes­sen" ent­spre­chen, d.h. sie muss fair sein (§ 106 Ge­wer­be­ord­nung - Ge­wO). Das wie­der­um ist sie, wenn der Ar­beit­ge­ber nicht nur sei­ne In­ter­es­sen berück­sich­tigt hat, son­dern auch die des Ar­beit­neh­mers. Gibt es ei­nen Be­triebs­rat, muss der Ar­beit­ge­ber außer­dem sei­ne Zu­stim­mung zu der Ver­set­zung ein­ge­holt ha­ben.

Für ei­ne Ver­set­zung in ei­ne an­de­re Stadt braucht der Ar­beit­ge­ber stets ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Er­laub­nis, d.h. ei­nen Ver­set­zungs­vor­be­halt bzw. ei­ne Ver­set­zungs­klau­sel, die ei­ne so weit­ge­hen­de Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen ab­deckt. Denn nor­ma­ler­wei­se muss man als Ar­beit­neh­mer zwar da­mit rech­nen, dass man wech­seln­de Ar­beits­or­te in­ner­halb ei­ner Stadt zu­ge­wie­sen be­kommt, nicht aber da­mit, dau­er­haft in ei­ne an­de­re Stadt ver­setzt zu wer­den.

Erst recht muss man mit kei­ner Ver­set­zung in ei­ne an­de­re Stadt rech­nen, wenn der Ver­trag ei­nen kon­kre­ten Ar­beits­ort ver­bind­lich fest­legt. Das kann durch die Fest­le­gung ei­nes "Dienst­sit­zes", ei­nes "Ein­satz­ge­bie­tes" oder ei­nes "Beschäfti­gungs­or­tes" ge­sche­hen. Sol­che ver­trag­li­chen Fest­le­gun­gen sind aus Ar­beit­neh­mer­sicht aber wert­los, wenn sie mit ei­nem Ver­set­zungs­vor­be­halt kom­bi­niert wer­den, wie der vom BAG ent­schie­de­ne Fall zeigt.

Der Fall des BAG: Flug­be­glei­te­rin mit ver­trag­lich fest­ge­leg­tem Beschäfti­gungs­ort Müns­ter/Os­nabrück soll künf­tig von Düssel­dorf aus ar­bei­ten

Im Streit­fall ging es um ei­ne 1969 ge­bo­re­ne Flug­be­glei­te­rin, die seit De­zem­ber 1994 bei ei­ner Air­lines beschäftigt war. In ih­rem Ver­trag war fol­gen­de Re­ge­lung ent­hal­ten:

"1. Be­ginn der Tätig­keit

Die Mit­ar­bei­te­rin wird ab 03.12.1994 im Be­reich Flug­be­trieb, Beschäfti­gungs­ort Müns­ter/Os­nabrück, als Flug­be­glei­te­rin ein­ge­stellt.

2. Rech­te und Pflich­ten

Die Rech­te und Pflich­ten der Mit­ar­bei­te­rin er­ge­ben sich aus den ein­schlägi­gen Ge­set­zen, den je­weils gülti­gen Vergütungs­ver­ein­ba­run­gen, den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen so­wie den Dienst­vor­schrif­ten der Eu­ro­wings AG. Durch ih­re Un­ter­schrift bestätigt die Mit­ar­bei­te­rin gleich­zei­tig den Er­halt der Be­triebs­ver­ein­ba­rung.“

Die im Ar­beits­ver­trag ge­nann­te "Be­triebs­ver­ein­ba­rung" war zwar nur ei­ne Re­ge­lung, die ei­ne in­for­mell ge­bil­de­te "Bord­ver­tre­tung" mit dem Ar­beit­ge­ber ver­ein­bart hat­te, d.h. es gab da­mals we­der ei­nen Be­triebs­rat noch ech­te, d.h. von ei­nem Be­triebs­rat aus­ge­han­del­te Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen. Das mach­te aber letzt­lich nichts, denn die dem Ar­beits­ver­trag ge­nann­te "Be­triebs­ver­ein­ba­rung" war der Ar­beit­neh­me­rin tatsächlich zu­sam­men mit dem Ar­beits­ver­trag aus­gehändigt wor­den und ent­hielt fol­gen­den Ver­set­zungs­vor­be­halt:

"Der Mit­ar­bei­ter kann un­ter Berück­sich­ti­gung sei­ner Kennt­nis­se und Fähig­kei­ten je nach be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen an ei­nen an­de­ren dienst­li­chen Wohn­sitz ver­setzt wer­den und mit an­de­ren im Rah­men der Geschäftstätig­keit des Flug­be­trie­bes der Eu­ro­wings lie­gen­den Auf­ga­ben im In- und Aus­land be­traut wer­den. Dies gilt auch bei vorüber­ge­hen­dem oder aus­hilfs­wei­sem Ein­satz in Zu­sam­men­hang mit dem Flug- und Ver­kehrs­be­trieb."

Im Jah­re 2011 kon­zen­trier­te die Air­lines ih­ren Flug­be­trieb in der Wei­se, dass sie Flug­be­glei­ter ge­ne­rell nur noch von Düssel­dorf und Ham­burg aus ein­setz­te. Die Ste­war­dess er­hielt da­her die Mit­tei­lung, sie wer­de ab Ju­ni 2011 von Müns­ter/Os­nabrück nach Düssel­dorf als neu­en dienst­li­chen Ein­satz­ort ver­setzt.

Kurz dar­auf erklärte die Air­lines vor­sorg­lich ei­ne Ände­rungskündi­gung, mit der sie die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit Düssel­dorf als neu­em Ar­beits­ort an­bot. Die­ses Ände­rungs­an­ge­bot nahm die Ste­war­dess un­ter dem Vor­be­halt der so­zia­len Recht­fer­ti­gung (§ 2 Kündi­gungs­schutz­ge­setz - KSchG) an.

Ge­gen Ver­set­zung und Ände­rung ih­rer Ar­beits­be­din­gun­gen er­hob sie Kla­ge. Da­mit hat­te sie we­der vor dem Ar­beits­ge­richt Düssel­dorf (Ur­teil vom 12.06.2011, 11 Ca 2059/11) noch vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf kei­nen Er­folg (Ur­teil vom 22.03.2012, 15 Sa 1204/11).

BAG: Nennt der Ar­beits­ver­trag Zeit und Ort der Ein­stel­lung un­ter der Über­schrift "Be­ginn der Tätig­keit", wird der Ort der Ar­beits­leis­tung da­mit nicht dau­er­haft fest­ge­legt

Auch das BAG ent­schied ge­gen die Flug­be­glei­te­rin, die da­mit in al­len drei In­stan­zen den Kürze­ren zog. Zur Be­gründung heißt es in dem Ur­teil des BAG:

Der Ar­beits­ver­trag ent­hielt trotz der Erwähnung von Müns­ter/Os­nabrück als "Beschäfti­gungs­ort" kei­ne ver­bind­li­che, d.h. das Wei­sungs­recht der Air­lines be­schränken­de Fest­le­gung des Ar­beits­orts. Denn, so das BAG: Weil der Beschäfti­gungs­ort hier un­ter dem Punkt "Be­ginn der Tätig­keit" ge­nannt wur­de und es hier wei­ter heißt, die Flug­be­glei­te­rin wer­de mit die­sem Beschäfti­gungs­ort "ein­ge­stellt", be­zeich­net Müns­ter/Os­nabrück nur den Ort der ers­ten Tätig­keit.

Außer­dem ent­hielt der Ver­trag auf­grund der Be­zug­nah­me auf die "Be­triebs­ver­ein­ba­rung" ei­nen Ver­set­zungs­vor­be­halt, und der war nach An­sicht des BAG wirk­sam. Auch des­halb war die Ver­ein­ba­rung des Ar­beits­or­tes aus Sicht der Ste­war­dess wert­los, denn die ar­beits­ver­trag­li­che Kom­bi­na­ti­on von Fest­le­gung ei­nes Ar­beits­or­tes und Ver­set­zungs­vor­be­halt läuft dar­auf hin­aus, dass der Ein­satz­ort von vorn­her­ein nicht auf den im Ver­trag ge­nann­ten Ar­beits­ort be­schränkt ist, son­dern dem Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers un­ter­steht.

Da die Ver­set­zung auf ei­ner deutsch­land­weit um­ge­setz­ten Kon­zen­tra­ti­on der Hei­mat­flughäfen auf Düssel­dorf und Ham­burg be­ruh­te, und weil die kla­gen­de Flug­be­glei­te­rin auch kei­ne be­son­de­ren persönli­chen Umstände vor­ge­bracht hat­te, die die Ver­set­zung nach Düssel­dorf als un­an­ge­mes­sen hätte er­schei­nen las­sen, war auch die Ausübung des Wei­sungs­rechts, d.h. die kon­kre­te die Ver­set­zung im Streit­fall in Ord­nung, so das BAG. Sch­ließlich woh­ne der "der Tätig­keit ei­ner Flug­be­glei­te­rin ei­ne ge­wis­se Vo­la­ti­lität stets in­ne", d.h. ein mit ei­nem orts­fes­ten Ar­beits­ein­satz können Flug­be­glei­ter von vorn­her­ein kaum rech­nen.

Fa­zit: Wirk­sa­me Ver­set­zungs­vor­be­hal­te ma­chen ver­trag­li­che Fest­le­gun­gen der Ar­beits­auf­ga­ben und des Ein­satz­or­tes zu rein op­ti­schem Fir­le­fanz. Wer als "Wirt­schafts­re­dak­teur" ein­ge­stellt wird, aber ei­nen ver­trag­li­chen Vor­be­halt der Ver­set­zung in an­de­re Re­dak­tio­nen ak­zep­tiert, ist All­ge­mein-Re­dak­teur und kein Wirt­schafts­re­dak­teur. Und wer ei­nen Ver­trag mit "Dienst­sitz Ber­lin" plus Ver­set­zungs­vor­be­halt un­ter­schreibt, kann je­der­zeit nach Bonn, Stutt­gart oder Of­fen­bach ver­setzt wer­den.

Im Streit­fall hätte die Kla­ge der Flug­be­glei­te­rin letzt­lich wohl so oder so kei­nen Er­folg ha­ben können, weil die hilfs­wei­se aus­ge­spro­chen Ände­rungskündi­gung durch­ge­gan­gen wäre, falls die Ver­set­zung nicht ge­hal­ten hätte. Denn da es kei­ne Ein­satzmöglich­keit mehr in Müns­ter/Os­nabrück gab, wäre die be­triebs­be­ding­te Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen so­zi­al ge­recht­fer­tigt ge­we­sen.

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Letzte Überarbeitung: 11. Juni 2020

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