HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/116

Kla­ge ge­gen Ver­set­zung

Bei Kla­gen ge­gen ei­ne un­zu­läs­si­ge Ver­set­zung bzw. auf ver­trags­ge­rech­te Be­schäf­ti­gung kön­nen Stel­len­be­schrei­bun­gen wich­tig sein: Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, Ur­teil vom 04.01.2013, 10 Sa 901/12
Nicht je­de Se­kre­ta­ri­ats­ar­beit er­for­dert gründ­li­che und viel­sei­ti­ge Fach­kennt­nis­se

26.04.2013. Ge­mäß § 106 Ge­wer­be­ord­nung (Ge­wO) hat der Ar­beit­ge­ber ein Wei­sungs­recht (Di­rek­ti­ons­recht), das ihn be­rech­tigt, sei­ne Ar­beit­neh­mer ent­spre­chend den wech­seln­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen ein­zu­set­zen.

Im ein­zel­nen er­laubt § 106 Ge­wO dem Ar­beit­ge­ber, In­halt, Ort und Zeit der Ar­beits­leis­tung "nach bil­li­gem Er­mes­sen nä­her be­stim­men", so­weit die­se Ar­beits­be­din­gun­gen nicht be­reits durch den Ar­beits­ver­trag, durch Be­stim­mun­gen ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung oder ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges oder durch ge­setz­li­che Vor­schrif­ten fest­ge­legt sind.

Auch mit ei­ner Ver­set­zung übt der Ar­beit­ge­ber sein Wei­sungs­recht aus, d.h. es han­delt sich um ei­ne ein­sei­ti­ge "An­sa­ge" des Ar­beit­ge­bers, mit der der Ar­beit­neh­mer nicht ein­ver­stan­den sein muss. An­de­rer­seits ist nicht je­de Ver­set­zung rech­tens, denn sie muss als Wei­sung des Ar­beit­ge­bers ge­mäß § 106 Ge­wO "bil­li­gem Er­mes­sen" ent­spre­chen.

Wie ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Hamm zeigt, kann bei ei­ner Kla­ge ge­gen ei­ne Ver­set­zung bzw. auf ver­trags­ge­mä­ße Be­schäf­ti­gung ei­ne de­tail­lier­te Stel­len­an­zei­ge pro­zes­s­ent­schei­dend sein: LAG Hamm, Ur­teil vom 04.01.2013, 10 Sa 901/12.

Was tun bei ei­ner schi­kanösen Ver­set­zung?

Wer als Ar­beit­neh­mer auf ein­mal nur noch un­ter­ge­ord­ne­te Tätig­kei­ten er­le­di­gen soll oder oh­ne nach­voll­zieh­ba­re Sach­gründe in ei­ne an­de­re Ab­tei­lung oder gar in ei­ne an­de­re Stadt ver­setzt wird, wird das in der Re­gel als kal­te Kündi­gung emp­fin­den. Dann stellt sich die Fra­ge, was man ge­gen ei­ne sol­che Ver­set­zung tun kann. Wenn Ver­hand­lun­gen nicht hel­fen, muss man not­falls kla­gen. Aber mit wel­chem Kla­ge­ziel?

Ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge mit dem Ziel, dass das Ge­richt die Ver­set­zung für rechts­wid­rig bzw. rechts­un­wirk­sam erklärt, be­ein­druckt Ar­beit­ge­ber meist nicht wirk­lich, da Fest­stel­lungs­ur­tei­le kei­nen voll­streck­ba­ren In­halt ha­ben und der Ar­beit­ge­ber oben­drein die Rechts­kraft ei­nes sol­chen Ur­teils jah­re­lang hin­auszögern kann.

Be­ein­dru­cken­der ist da schon ei­ne Leis­tungs­kla­ge, mit der der Ar­beit­neh­mer die aus sei­ner Sicht ver­trags­gemäße Beschäfti­gung ver­langt, denn ein sol­ches Ur­teil kann er voll­stre­cken. Al­ler­dings ha­ben sol­che Kla­gen sel­ten Er­folg, da der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer hier die Wahl zwi­schen zwei Übeln hat:

  • Sagt er im Kla­ge­an­trag ge­nau, mit wel­chen Auf­ga­ben der Ar­beit­ge­ber ihn beschäfti­gen soll, hätte ei­ne dem­ent­spre­chen­des Ur­teil ei­nen klar de­fi­nier­ten und da­mit voll­stre­ckungsfähi­gen In­halt. Ein sol­cher An­trag ist da­her zulässig, aber lei­der oft un­be­gründet, da er das Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers außer Acht lässt: Der Ar­beit­ge­ber kann ja meist nicht nur die in der Kla­ge ge­nann­ten Ar­bei­ten zu­wei­sen, son­dern auf­grund sei­nes Wei­sungs­rechts auch an­de­re.
  • Will der Ar­beit­neh­mer da­her das Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers bei der For­mu­lie­rung sei­nes Kla­ge­an­trags re­spek­tie­ren, gerät in die Ge­fahr, die gewünsch­ten Ar­beits­auf­ga­ben zu un­ge­nau zu for­mu­lie­ren, z.B. durch Wie­der­ho­lung der abs­trak­ten Merk­ma­le ei­ner ta­rif­li­chen Ge­halts­grup­pe. Dann ist die Kla­ge als un­zulässig an­zu­wei­sen, da ein ihr ent­spre­chen­des Ur­teil kei­nen voll­streck­ba­ren In­halt hätte.

Un­ter sol­chen Umständen kann es pro­zes­s­ent­schei­dend sein, wenn der Ar­beit­neh­mer ei­ne präzi­se Stel­len­be­schrei­bung vor­wei­sen kann.

Der Streit­fall: Se­kretärin mit ge­ho­be­ner Ein­grup­pie­rung wird nach lan­ger Krank­heit nur noch mit un­ter­ge­ord­ne­ten Hilfs­ar­bei­ten be­traut

Im Streit­fall ging es um ei­ne Se­kretärin, die in ei­ner ka­tho­li­schen Ein­rich­tung ar­bei­te­te. Nach ih­rem Ar­beits­ver­trag war sie als "Ver­wal­tungs­an­ge­stell­te im Se­kre­ta­ri­ats- und Lie­gen­schafts­be­reich" beschäftigt, und zwar un­ter Ver­weis auf die kirch­li­che Ar­beits- und Vergütungs­ord­nung (KA­VO). Die für sie gel­ten­de Vergütungs­grup­pe gemäß KA­VO sah Ar­bei­ten vor, die "gründ­li­che und viel­sei­ti­ge Fach­kennt­nis­se" er­for­dern und zu­min­dest zu ei­nem Vier­tel selbständi­ge Leis­tun­gen.

Nach ei­ner von ihr er­stell­ten Auf­ga­be­be­schrei­bung aus dem Jah­re 2003 war sie mit Se­kre­ta­ri­ats­ar­bei­ten im Vor­zim­mer des Geschäftsführers und mit Ar­bei­ten im Lie­gen­schafts­be­reich beschäftigt, dort ins­be­son­de­re mit der An­la­ge und Führung der Grund­buch­ak­ten so­wie der Lie­gen­schafts­ka­tas­ter, der Ein­tra­gung, Be­las­tung und Löschung von Erb­bau­rech­ten, Dienst­bar­kei­ten, Grund­schul­den und Bau­las­ten, der Über­wa­chung von Geld­eingängen, Be­sitzübergängen so­wie von Ei­gen­tums­um­schrei­bun­gen.

Nach­dem sie im Jah­re 2010 über 100 Ta­ge krank­heits­be­dingt fehl­te so­wie die ers­ten fünf Mo­na­te des Jah­res 2011, kehr­te sie im Ju­ni 2011 wie­der in den Be­trieb zurück. Dort wur­de sie aber nur noch mit un­ter­ge­ord­ne­ten Hilfs­ar­bei­ten be­traut wie z.B. mit dem Ko­pie­ren von Do­ku­men­ten oder der Post­aus­gangs­be­ar­bei­tung.

Ih­re Kla­ge auf ver­trags­ge­rech­te Beschäfti­gung hat­te vor dem Ar­beits­ge­richt Dort­mund kei­nen Er­folg (Ur­teil vom 16.02.2012, 3 Ca 4563/11), denn das Ar­beits­ge­richt be­wer­te­te den An­trag auf Beschäfti­gung mit Ar­bei­ten ent­spre­chend der KA­VO-Vergütungs­grup­pe als zu un­ge­nau und da­mit als un­zulässig. Den wei­te­ren An­trag auf Beschäfti­gung mit den in der Auf­ga­ben­be­schrei­bung ge­nann­ten Ar­bei­ten wies das Ar­beits­ge­richt we­gen des Wei­sungs­rechts des Ar­beit­ge­bers als un­be­gründet zurück, denn die­se Auf­ga­ben­be­schrei­bung war nicht Ver­trags­be­stand­teil ge­wor­den.

LAG Hamm: Bei un­wirk­sa­mer Ver­set­zung hat der Ar­beit­neh­mer ei­nen An­spruch auf Beschäfti­gung mit den bis­he­ri­gen Auf­ga­ben am bis­he­ri­gen Ort

Das in der Be­ru­fung zuständi­ge LAG Hamm gab der Kla­ge da­ge­gen statt, d.h. es ver­ur­teil­te den Ar­beit­ge­ber da­zu, der Se­kretärin die in der Stel­len­be­schrei­bung ausführ­lich be­schrie­be­nen Ar­beits­auf­ga­ben zu­zu­wei­sen.

Zur Be­gründung be­zieht sich das LAG auf ei­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) aus dem Jah­re 2010, mit der das BAG be­kräftigt hat­te, dass der Ar­beit­neh­mer im Fal­le ei­ner un­wirk­sa­men Ver­set­zung ei­nen klag­ba­ren An­spruch auf Zu­wei­sung der ihm vor der Ver­set­zung über­tra­ge­nen Auf­ga­ben hat (BAG, Ur­teil vom 25.08.2010, 10 AZR 275/09 - wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/029 Kon­trol­le ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­set­zungs­klau­sel).

Und da die Beschäfti­gung der Se­kretärin ab ih­rer Rück­kehr im Ju­ni 2010 mit nicht ver­trags­gemäßen bzw. un­ter­wer­ti­gen Auf­ga­ben ei­ne sol­che un­wirk­sa­me Ver­set­zung dar­stell­te, konn­te die Se­kretärin ih­ren elf Punk­te (!) um­fas­sen­den An­trag auf Beschäfti­gung gemäß der Stel­len­be­schrei­bung aus dem Jah­re 2003 durch­brin­gen.

Der Ein­wand des Ar­beit­ge­bers, dass die­se Stel­len­be­schrei­bung nicht Ver­trags­in­halt ge­wor­den sei, war zwar rich­tig, half ihm aber nicht. Denn es ging ja gar nicht um den Ver­trags­in­halt, son­dern um die recht­lich ver­bind­li­che Kon­kre­ti­sie­rung der Ar­beits­auf­ga­ben durch den Ar­beit­ge­ber, die die­ser letzt­ma­lig vor der rechts­wid­ri­gen Ver­set­zung vom Ju­ni 2010 vor­ge­nom­men hat­te.

Fa­zit: Kla­gen auf ver­trags­ge­rech­te Beschäfti­gung können Er­folg ha­ben, d.h. mit ei­nem Ur­teil en­den, das dem Ar­beit­ge­ber bis ins Ein­zel­ne vor­schreibt, wel­che Auf­ga­ben er dem Ar­beit­neh­mer zu­zu­wei­sen hat. Vor­aus­set­zung ist al­ler­dings, dass der Ar­beit­neh­mer kon­kret dar­legt (und auch be­wei­sen kann), dass er vor der rechts­wid­ri­gen Ver­set­zung mit den ein­ge­klag­ten Auf­ga­ben be­traut war. Die­sen Nach­weis konn­te die Kläge­rin hier im Streit­fall mit ei­ner Auf­ga­ben­be­schrei­bung führen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den sie hier:

Letzte Überarbeitung: 29. November 2018

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 4.5 von 5 Sternen (5 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de