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Einstweiliger Rechtsschutz gegen Freistellung
02.11.2018. Bereits im August 2017 hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg Arbeitnehmern die rasche gerichtliche Durchsetzung ihres Anspruchs auf Beschäftigung wesentlich erleichtert (LAG Hamburg, Urteil vom 23.08.2017, 5 SaGa 2/17, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 18/102 LAG Hamburg stärkt Beschäftigungsanspruch).
Möchte ein freigestellter Arbeitnehmer seinen Beschäftigungsanspruch nämlich im gerichtlichen Eilverfahren durchsetzen, stellt sich die Frage, ob die fortlaufende Verweigerung der Beschäftigung ausreicht, damit der Streitfall als besonders eilbedürftig anzusehen ist. Diese Frage hatte das LAG Hamburg 2017 zugunsten der Arbeitnehmerseite mit ja beantwortet.
Dieser Sichtweise hat sich jetzt das LAG Niedersachsen angeschlossen: LAG Niedersachsen, Beschluss vom 08.10.2018, 12 Ta 279/18.
- Genügt es für die Eilbedürftigkeit einer Gerichtsentscheidung über eine vertragswidrige Freistellung, dass der Anspruch auf Beschäftigung tagtäglich zunichte gemacht wird?
- Im Streit: Langjährig beschäftigter Schulleiter wird mit siebenmonatiger Frist gekündigt und vorerst weiterhin eingesetzt, dann aber plötzlich freigestellt
- LAG Niedersachsen: Der Beschäftigungsanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis kann im Eilverfahren durchgesetzt werden, ohne dass der Arbeitnehmer ein besonderes Beschäftigungsinteresse belegen muss
Genügt es für die Eilbedürftigkeit einer Gerichtsentscheidung über eine vertragswidrige Freistellung, dass der Anspruch auf Beschäftigung tagtäglich zunichte gemacht wird?
Arbeitnehmer können nicht nur Lohnzahlung verlangen, sondern auch die Inanspruchnahme ihrer Arbeitsleistung, d.h. Beschäftigung durch den Arbeitgeber. Und wie man zur Durchsetzung eines offenen Lohanspruchs eine Lohnklage erheben kann, kann gegen eine unberechtigte Freistellung im Wege einer Klage auf Beschäftigung vorgehen.
Eine Klage auf Beschäftigung kann sich aber bereits in der ersten Instanz, d.h. bis zu einem arbeitsgerichtlichen Urteil, sechs bis zwölf Monate (oder länger) hinziehen. Daher ist ein effektiver Rechtsschutz für zu Unrecht freigestellte Arbeitnehmer nur durch ein arbeitsgerichtliches Eilverfahren möglich. Und das geht so: Der Arbeitnehmer erhebt einerseits eine reguläre Klage auf Beschäftigung (im sog. "Hauptsacheverfahren"), reicht daneben aber noch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein. Über diesen muss das Arbeitsgericht vorab und möglichst rasch entscheiden.
In einem solchen Eilverfahren kommt es darauf an, ob neben dem Anspruch auf Beschäftigung auch ein sog. Verfügungsgrund vorliegt. Ein Verfügungsgrund ist ein rechtlich anzuerkennender Grund dafür, dass das Gericht rascher als im Hauptsacheverfahren entscheidet. Immerhin werden Eilanträge meist binnen ein bis drei Wochen entschieden, manchmal auch schon wenige Tage nach Einreichung des Eilantrags. Ohne einen Verfügungsgrund ist eine solche Express-Justiz nicht zu haben, wie sich aus den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) und des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) über das Eilverfahren ergibt (§§ 935, 940 ZPO, § 62 Abs.2 Satz 1 ArbGG).
Hier fragt sich, ob ein Verfügungsgrund in Eilverfahren über einen Beschäftigungsanspruch bereits (immer) dann vorliegt, wenn (bzw. weil) der Beschäftigungsanspruch mit jedem Tag der rechtswidrigen Freistellung unwiederbringlich zunichte gemacht wird. Diese für Arbeitnehmer günstige Meinung vertreten z.B. das Hessische LAG (Urteil vom 28.06.2010, 16 SaGa 811/10, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/191 Recht auf Beschäftigung im Eilverfahren) und das LAG Hamburg (Urteil vom 23.08.2017, 5 SaGa 2/17, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 18/102 LAG Hamburg stärkt Beschäftigungsanspruch).
Die Gegenmeinung lautet: Arbeitnehmer haben nur dann einen Verfügungsgrund für einen Eilantrag auf Beschäftigung, wenn sie ein gesteigertes berufliches Interesse an einem weiteren Arbeitseinsatz haben, z.B. um ihre fachliche Qualifikation aufrechtzuerhalten, wie das bei Piloten oder Chirurgen der Fall ist, oder um beim Publikum nicht in Vergessenheit zu geraten, so z.B. bei Schauspielern oder Fernsehmoderatoren.
Dass die Arbeits- und Landesarbeitsgerichte in dieser Frage nicht einheitlich entscheiden, liegt vor allem daran, dass gegen Entscheidungen des LAG in Eilverfahren kein weiteres Rechtsmittel gegeben ist, mit dem man den Fall bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) treiben könnte. Wie die aktuelle Entscheidung des LAG Niedersachsen zeigt, setzt sich die für Arbeitnehmer günstige Ansicht aber allmählich durch.
Im Streit: Langjährig beschäftigter Schulleiter wird mit siebenmonatiger Frist gekündigt und vorerst weiterhin eingesetzt, dann aber plötzlich freigestellt
Der langjährige Schulleiter einer Berufsfachschule war im Mai 2018 ordentlich zum Jahresende 2018 gekündigt worden. Dagegen reichte er Kündigungsschutzklage ein.
Ende August wurde er dann ohne Begründung für den Rest der verbleibenden Kündigungsfrist freigestellt.
Um seine Beschäftigung im zwar gekündigten, aber noch bestehenden Arbeitsverhältnis durchzusetzen, beantragte er beim Arbeitsgericht Hannover den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück. Begründung des Gerichts: Der Schulleiter hätte ein besonderes Beschäftigungsinteresse darlegen müssen. Das hatte er nicht getan, so dass der Antrag nach Ansicht des Arbeitsgerichts zurückzuweisen war.
LAG Niedersachsen: Der Beschäftigungsanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis kann im Eilverfahren durchgesetzt werden, ohne dass der Arbeitnehmer ein besonderes Beschäftigungsinteresse belegen muss
In der zweiten Instanz vor dem LAG Niedersachsen hatte der Schulleiter Erfolg (LAG Niedersachsen, Beschluss vom 08.10.2018, 12 Ta 279/18). Das LAG verpflichtete den Arbeitgeber, ihn bis zum 31.12.2018 zu beschäftigen.
Zur Begründung stützte sich das LAG Niedersachsen auf das Urteil des LAG Hamburg vom 23.08.2017 (5 SaGa 2/17). Weiterhin heißt es in der Entscheidung des LAG Niedersachsen:
Der Beschäftigungsanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis folgt aus den §§ 611, 613 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit dem Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB), in das wiederum das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers "hineingelesen" wird (Art.1 und Art.2 Grundgesetz - GG). Beruft sich der Arbeitgeber im Prozess über die Beschäftigungspflicht auf (angeblich) entgegenstehende Interessen (z.B. auf einen Vertrauensverlust oder auf die Befürchtung des Verrats von Geschäftsgeheimnissen), muss das Gericht die beiderseitigen Interessen gegeneinander abwägen.
Weil aber der Beschäftigungsanspruch erst einmal als juristische Regel eindeutig besteht, ist es die Aufgabe des Arbeitgebers, das Gericht davon zu überzeugen, dass das Arbeitgeber-Interesse an einer Nicht-Beschäftigung überwiegt. Ohne einen solchen Vortrag ist die gerichtliche Wertabwägung kurz und muss zulasten des Arbeitgebers ausgehen.
Das heißt im Ergebnis: Es ist nicht Aufgabe des für seine Beschäftigung streitenden Arbeitnehmers, ein gesteigertes Beschäftigungsinteresse im Einzelfall ausdrücklich zu begründen. Denn der Beschäftigungsanspruch besteht erst einmal ohne Weiteres, weil er aus dem Arbeitsverhältnis folgt. Auf ein besonders gesteigertes Beschäftigungsinteresse kommt es erst dann an, wenn der Arbeitgeber seinerseits "vorlegt" und konkrete Tatsachen glaubhaft macht, die ihm die Beschäftigung unmöglich und/oder unzumutbar machen. Dann erst kommt es auf ein gesteigertes Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers an, denn ohne eine solches Interesse würden sich die Interessen des Arbeitgebers bei der Abwägung durchsetzen.
Lautet das Ergebnis einer solchen Interessenabwägung, dass der Arbeitnehmer einen Beschäftigungsanspruch hat, gegen den der Arbeitgeber keine durchgreifenden Einwände erheben kann, steht der Verfügungsanspruch fest. Damit hat der Eilantrag auch im Ergebnis in der Regel Erfolg, denn der Verfügungsgrund (d.h. der Grund für die besondere Eilbedürftigkeit) ergibt sich dann daraus, dass der Beschäftigungsanspruch infolge (fortgesetzter) rechtswidriger Erfüllungsverweigerung durch den Arbeitgeber jeden Tag erneut untergeht. Dazu das LAG Niedersachsen (Beschluss, S.5 f.):
"Der Verfügungsgrund folgt in diesen Fällen bereits aus dem Umstand, dass der im Rahmen der Prüfung des Verfügungsanspruchs angenommene Beschäftigungsanspruch mit jedem Tag der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers wegen Zeitablaufs jeweils nicht nachholbar ist und damit endgültig untergeht."
Fazit: Mit der hier besprochenen Entscheidung folgt das LAG Niedersachsen dem Urteil des LAG Hamburg vom 23.08.2017 (5 SaGa 2/17) und erleichtert damit die effektive gerichtliche Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs im bestehenden Arbeitsverhältnis. Will der Arbeitgeber trotz einer gegen ihn ergangenen einstweiligen Verfügung die Beschäftigung weiterhin partout verhindern, bleibt ihm im gekündigten Arbeitsverhältnis kurzfristig oft nur die Möglichkeit, eine weitere Kündigung nachzuschieben. Das geht aber nicht so leicht oder ist mit Darstellungsproblemen verbunden, falls es einen Betriebsrat oder Personalrat gibt, der vorab zu beteiligen ist.
Der hier vom LAG Niedersachsen gestärkte Anspruch auf Beschäftigung während eines unstreitig (noch) bestehenden Arbeitsverhältnisses ist übrigens nicht zu verwechseln mit dem (schwächeren) Anspruch auf Weiterbeschäftigung, den gekündigte Arbeitnehmer (erst) für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist geltend machen können. Anders als der Beschäftigungsanspruch kommt der Weiterbeschäftigungsanspruch erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zum Tragen, also dann, wenn das Arbeitsverhältnis zumindest aus Sicht des Arbeitgebers bereits beendet ist. In der Regel setzt eine Weiterbeschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage in der ersten Instanz (vor dem Arbeitsgericht) erfolgreich war.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 08.10.2018, 12 Ta 279/18
- Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 23.08.2017, 5 SaGa 2/17
- Hessisches Landesarbeitsgericht , Urteil vom 28.06.2010, 16 SaGa 811/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Annahmeverzug des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Freistellungsklausel
- Handbuch Arbeitsrecht: Beschäftigung, Beschäftigungsanspruch
- Handbuch Arbeitsrecht: Freistellung, Suspendierung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Kündigung wegen Krankheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
- Handbuch Arbeitsrecht: Vergütung bei Arbeitsausfall
- Handbuch Arbeitsrecht: Versetzung
- Handbuch Arbeitsrecht: Weisungsrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Wiedereinstellung
- Handbuch Arbeitsrecht: Weiterbeschäftigung
- Tipps und Tricks: Was tun bei Versetzung?
- Arbeitsrecht aktuell: 20/090 Annahmeverzug und leidensgerechte Beschäftigung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/102 LAG Hamburg stärkt Beschäftigungsanspruch
- Arbeitsrecht aktuell: 18/082 Durchsetzung der Beschäftigung trotz Wegfall des Arbeitsplatzes
- Arbeitsrecht aktuell: 17/068 Einstweilige Verfügung bei Streit um den Arbeitsort
- Arbeitsrecht aktuell: 17/061 Weiterbeschäftigung im Kündigungsschutzverfahren und Freistellung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/398 Versetzung und Arbeitsverweigerung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/157 Versetzung mit Ortswechsel per Eilverfahren stoppen?
- Arbeitsrecht aktuell: 13/361 Weiterbeschäftigung oder Zwangsgeld
- Arbeitsrecht aktuell: 13/116 Klage gegen Versetzung
- Arbeitsrecht aktuell: 13/032 Weiterbeschäftigung per einstweiliger Verfügung
- Arbeitsrecht aktuell: 10/191 Recht auf Beschäftigung im Eilverfahren
- Arbeitsrecht aktuell: 09/168 Anforderung an einen Antrag auf Weiterbeschäftigung
Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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