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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/168

An­for­de­rung an ei­nen An­trag auf Wei­ter­be­schäf­ti­gung

Wel­che An­for­de­run­gen be­ste­hen bei ei­nem An­trag auf Wei­ter­be­schäf­ti­gung?: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 15.04.2009, 3 AZB 93/08
Baustelle mit Kran und Lastern An­spruch auf Wei­ter­be­schäf­ti­gung: der Teu­fel steckt auch hier im De­tail
16.09.2009. Das Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) hat­te dar­über zu be­fin­den, wann der Wei­ter­be­schäf­ti­gungs­an­spruch ei­nes Ar­beit­neh­mers be­stimmt ge­nug und da­mit voll­streck­bar ist.

Dass es im Fal­le ei­ner Kün­di­gungs­schutz­kla­ge sehr wich­tig sein kann, wie ein sol­cher An­trag auf Wei­ter­be­schäf­ti­gung ab­ge­fasst ist zeigt der nach­fol­gend be­spro­che­ne Be­schluss ein­mal mehr, BAG, Be­schluss vom 15.04.2009, 3 AZB 93/08.

An­trag auf Wei­ter­beschäfti­gung: Die Wahl zwi­schen zwei Übeln

Auf­grund des Ar­beits­ver­trags kann der Ar­beit­neh­mer nicht nur die Vergütung (Lohn bzw. Ge­halt), son­dern auch die An­nah­me sei­ner Ar­beits­leis­tung bzw. Beschäfti­gung ver­lan­gen. Der An­spruch auf Beschäfti­gung en­det mit dem Ar­beits­verhält­nis. Ob das Ar­beits­verhält­nis aber wirk­sam be­en­det wur­de oder nicht, ist oft strei­tig, vor al­lem wenn der Ar­beit­neh­mer nach ei­ner vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­hebt oder wenn er sich ge­gen ei­ne aus sei­ner Sicht un­wirk­sa­me Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­richt­lich zu Wehr setzt.

In sol­chen Fällen ist nach Ab­lauf der un­strei­ti­gen Ver­trags­dau­er während der Dau­er des Ge­richts­ver­fah­rens strei­tig, ob der Ar­beit­neh­mer Beschäfti­gung ver­lan­gen kann oder nicht. Der Ar­beit­ge­ber sagt nein, da er auf dem Stand­punkt steht, dass die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses wirk­sam ist. Der Ar­beit­neh­mer sagt ja, denn er hält die Kündi­gung bzw. Be­fris­tung für un­wirk­sam.

Hier hilft dem Ar­beit­neh­mer der An­spruch auf vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung, der die Zeit bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss der Kündi­gungs­schutz- bzw. der Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge über­brückt. Der An­spruch auf Wei­ter­beschäfti­gung kann sich bei Be­ste­hen ei­nes Be­triebs­rats und im Fal­le ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung aus § 102 Abs.5 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) er­ge­ben, falls der Be­triebs­rat der Kündi­gung un­ter Be­zug­nah­me auf die ge­setz­lich ge­nann­ten Wi­der­spruchs­gründe wi­der­spro­chen hat (sog. be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch), oder aus all­ge­mei­nen Ver­fas­sungs- und ar­beits­recht­li­chen Prin­zi­pi­en (sog. all­ge­mei­ner Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch).

Gibt das Ge­richt dem An­trag auf Ver­ur­tei­lung zur vorläufi­gen Wei­ter­beschäfti­gung statt, kann der Ar­beit­neh­mer sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung für die Zeit ei­nes Be­ru­fungs- oder Re­vi­si­ons­ver­fah­rens durch­set­zen, not­falls im We­ge der Zwangs­voll­stre­ckung, d.h. durch Be­an­tra­gung ei­nes Zwangs­gel­des ge­gen den beschäfti­gungs­un­wil­li­gen Ar­beit­ge­ber.

In je­dem Fall muss der An­spruch vor Ge­richt, in der Re­gel zu­sam­men mit der Kündi­gungs­schutz- bzw. der Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge, gel­tend ge­macht wer­den, d.h. der Ar­beit­neh­mer muss die Ver­ur­tei­lung des Ar­beit­ge­bers zur vorläufi­gen Wei­ter­beschäfti­gung in Form ei­nes be­stimm­ten An­trags gel­tend ma­chen. Hier hat er die Wahl zwi­schen zwei Übeln:

Ent­we­der der An­trag gibt die Art der Tätig­keit, die der Ar­beit­neh­mer vorläufig wei­ter ausüben möch­te, so ge­nau an, dass kein Streit über die rich­ti­ge Art der Beschäfti­gung ent­ste­hen kann und da­her auch die Voll­stre­ckung des im Ur­teil ti­tu­lier­ten bzw. aus­ge­ur­teil­ten An­spruchs un­pro­ble­ma­tisch wäre, da das Voll­stre­ckungs­ge­richt bei der Ent­schei­dung über ein vom Ar­beit­neh­mer be­an­trag­tes Zwangs­geld aus dem Ur­teil ge­nau er­se­hen kann, wel­che Art der Beschäfti­gung ge­schul­det ist. In ei­nem sol­chen Fall ist der An­trag zwar aus­rei­chend be­stimmt, aber ab­zu­wei­sen, da der Ar­beit­ge­ber die Ein­zel­hei­ten der Beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers im We­ge sei­nes Wei­sungs­rechts gemäß § 106 Ge­wer­be­ord­nung (Ge­wO) auch an­ders fest­le­gen kann als im Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag be­gehrt.

Oder der An­trag be­schränkt sich mit Rück­sicht auf das Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers dar­auf, die vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers „zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen als An­ge­stell­ter/ge­werb­li­cher Ar­beit­neh­mer“ zu ver­lan­gen. Dann wird oft von Ar­beits­ge­rich­ten und den wei­ter­beschäfti­gungs­un­wil­li­gen Ar­beit­ge­bern ein­ge­wandt, der An­trag sei so un­be­stimmt, dass er „kei­nen voll­stre­ckungsfähi­gen In­halt“ ha­be. Mit die­ser Be­gründung sind weit ge­fass­te Anträge auf Ver­ur­tei­lung zur Wei­ter­beschäfti­gung in der Ver­gan­gen­heit im­mer wie­der ab­ge­wie­sen wor­den.

Die Fra­ge ist da­her aus Kläger­sicht, ob man eher die ei­ne oder eher die an­de­re Ge­fahr in Kauf nimmt, mit sei­nem An­trag auf vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung Schiff­bruch zu er­lei­den. Zu der bei Kündi­gungs­schutz­kla­gen sehr wich­ti­gen Fra­ge, wie Wei­ter­beschäfti­gungs­anträge ab­ge­fasst sein soll­ten, hat sich nun­mehr das BAG geäußert (Be­schluss vom 15.04.2009, 3 AZB 93/08).

Der Fall: Ar­beit­ge­ber ver­wei­gert die Wei­ter­beschäfti­gung

Die Ar­beit­ge­be­rin hat­te ei­nem Ar­beit­neh­mer, der als Be­triebs­rat vor Kündi­gun­gen be­son­ders geschützt war, den­noch un­ter Be­ru­fung auf ei­ne be­haup­te­te Ab­tei­lungs­sch­ließung und das in sol­chen Fällen je nach Sach­la­ge ge­ge­be­ne Kündi­gungs­recht des § 15 Abs.5 Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) or­dent­lich gekündigt, und der Ar­beit­neh­mer hat­te da­ge­gen Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben. Die­se hat­te er in der ers­ten In­stanz ge­won­nen (Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bay­reuth vom 14.11.2007, 5 Ca 405/07). Das Ar­beits­ge­richt ver­ur­teil­te den Ar­beit­ge­ber da­bei zu­gleich zur vorläufi­gen Wei­ter­beschäfti­gung, und zwar mit der fol­gen­den, oft ver­wen­de­ten For­mu­lie­rung:

„Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen als An­ge­stell­ter über den Ab­lauf der Kündi­gungs­frist hin­aus bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens wei­ter­zu­beschäfti­gen.“

Der Ar­beit­neh­mer war zu­letzt im Kun­den­dienst ein­ge­setzt und dort in der Be­treu­ung ei­ner Hot­line für Kun­den di­gi­ta­ler Dik­tier­sys­te­me tätig. Dies er­gab sich aus den Ur­teils­gründen. Nach­dem sich der Kläger ei­ne voll­streck­ba­re Aus­fer­ti­gung des Ur­teils mit Ent­schei­dungs­gründen hat­te er­tei­len las­sen, er­wirk­te er ei­nen Zwangs­geld­be­schluss des Ar­beits­ge­richts Bay­reuth, da der Ar­beit­ge­ber sei­ner im Ur­teil aus­ge­spro­che­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­pflicht nicht nach­kam (Ar­beits­ge­richt Bay­reuth, Be­schluss vom 27.08.2008, 5 Ca 405/07). Da­ge­gen leg­te die Ar­beit­ge­be­rin Be­schwer­de zum Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nürn­berg ein. Das LAG re­du­zier­te das Zwangs­geld zwar von 3.000 EUR auf 1.000 EUR, wies die Be­schwer­de aber im übri­gen zurück und ließ die Rechts­be­schwer­de zum BAG zu (LAG Nürn­berg, Be­schluss vom 15.10.2008, 7 Ta 181/08).

Die Ar­beit­ge­be­rin ging zum BAG und wand­te dort ge­gen das Zwangs­geld im we­sent­li­chen ein, den Ar­beit­neh­mer nicht mehr beschäfti­gen zu können, da sie kei­ne Beschäfti­gungsmöglich­keit mehr be­sit­ze. Außer­dem hielt sie den Ur­teils­aus­spruch in be­zug auf die Wei­ter­beschäfti­gungs­pflicht für zu un­be­stimmt.

BAG: Es ist aus­rei­chend, wenn sich das Be­rufs­bild aus dem Ti­tel er­gibt

Das BAG bestätig­te das ge­gen die Ar­beit­ge­be­rin verhäng­te Zwangs­geld, d.h. es ent­schied eben­falls für den Ar­beit­neh­mer in sei­ner Ei­gen­schaft als Voll­stre­ckungsgläubi­ger.

Der Ein­wand der Unmöglich­keit der Beschäfti­gung wird zu­recht als „un­be­acht­lich“ ab­ge­tan, da der Ar­beit­ge­ber die­sen Ein­wand schon im Kündi­gungs­schutz­pro­zess vor dem Ar­beits­ge­richt er­ho­ben hat­te, da­mit aber nicht durch­ge­drun­gen war. Dann ent­spricht es der Tren­nung von Er­kennt­nis­ver­fah­ren und Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren, dass die­ser Ein­wand bei der Zwangs­voll­stre­ckung nicht noch ein­mal ei­ne Rol­le spie­len kann (an­dern­falls wäre ein Ur­teil nicht mehr wert als das Pa­pier, auf dem es ge­schrie­ben ist).

Im übri­gen hält das BAG den Ur­teils­aus­spruch zur Wei­ter­beschäfti­gungs­pflicht für aus­rei­chend kon­kret, um als Grund­la­ge für Voll­stre­ckungs­maßnah­men zu die­nen. Hier­zu heißt es in dem Be­schluss (Rn.20), Ein­zel­hei­ten hin­sicht­lich der Art der Beschäfti­gung oder sons­ti­gen Ar­beits­be­din­gun­gen müsse der Ti­tel nicht ent­hal­ten. Es genügt viel­mehr nach An­sicht des BAG, wenn sich das „Be­rufs­bild“, mit dem der Ar­beit­neh­mer beschäftigt wer­den soll, aus dem Ti­tel er­gibt.

Dem Be­schluss des BAG ist zu­zu­stim­men. Es muss genügen, wenn An­trag und Ur­teils­aus­spruch schlag­wort­ar­tig um­reißen, in wel­cher Funk­ti­on der Ar­beit­neh­mer wei­ter­beschäftigt wer­den soll, d.h. z.B. als „Ar­bei­ter“, „An­ge­stell­ter“ oder als „Ver­triebs­mit­ar­bei­ter“, und wenn sich wei­te­re As­pek­te der zu­letzt aus­geübten Tätig­keit aus den Ur­teils­gründen er­ge­ben. Ver­weist das Ur­teil auf Schriftsätze der Par­tei­en, können so­gar die­se ergänzend her­an­ge­zo­gen wer­den.

Ei­ne ge­naue­re Be­schrei­bung des In­hal­tes der Tätig­keit ist vom Ar­beit­neh­mer im Rah­men des Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trags nicht zu ver­lan­gen, da der Ar­beit­ge­ber sonst in sei­nem Di­rek­ti­ons­recht be­ein­träch­tig wäre. Beschäftigt er den Ar­beit­neh­mer (wie in dem hier ent­schie­de­nen Fall) trotz ei­nes ent­spre­chen­den, im Ur­teil ent­hal­te­nen ge­richt­li­chen Rechts­be­fehls über­haupt nicht, ist der Hin­weis auf die an­geb­lich feh­len­de Be­stimmt­heit der Wei­ter­beschäfti­gungs­pflicht auch als wi­dersprüchli­ches Ver­hal­ten an­zu­se­hen.

Im Er­geb­nis stärkt der Be­schluss des BAG die Po­si­ti­on von Ar­beit­neh­mern in ge­richt­li­chen Be­stands­strei­tig­kei­ten, in­dem er die Durch­set­zung des Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruchs er­leich­tert bzw. tak­ti­sche Spie­gel­fech­te­rei­en des ver­klag­ten Ar­beit­ge­ber er­schwert. Auf­grund des ihm zu­ste­hen­den Wei­sungs­rechts hat die­ser nor­ma­ler­wei­se kei­nen recht­lich trif­ti­gen Grund, sich über man­geln­de Be­stimmt­heit der aus­ge­ur­teil­ten Wei­ter­beschäfti­gungs­pflicht zu be­schwe­ren.

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Letzte Überarbeitung: 29. November 2018

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