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ARBEITSRECHT AKTUELL // 17/127

Än­de­rungs­kün­di­gung zur Fest­le­gung neu­er Auf­ga­ben

Soll das Än­de­rungs­an­ge­bot die Ar­beits­auf­ga­ben än­dern, muss der Ar­beit­ge­ber die neu­en Tä­tig­kei­ten kon­kret be­schrei­ben: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 26.01.2017, 2 AZR 68/16
Arbeitgeber übergibt Arbeitsvertrag zu Unterschrift, Allgemeine Geschäftsbedingungen, vorformulierte Vertragsklauseln

08.05.2017. Mit ei­ner Än­de­rungs­kün­di­gung kün­digt der Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­ver­hält­nis und bie­tet dem Ar­beit­neh­mer gleich­zei­tig des­sen Fort­set­zung an, vor­aus­ge­setzt, der Ar­beit­neh­mer ak­zep­tiert be­stimm­te Ver­trags­än­de­run­gen.

In ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on müs­sen sich Ar­beit­neh­mer rasch ent­schei­den, ob sie das Än­de­rungs­an­ge­bot an­neh­men oder mög­li­cher­wei­se un­ter dem Vor­be­halt ei­ner ge­richt­li­chen Über­prü­fung an­neh­men wol­len oder ob das Än­de­rungs­an­ge­bot gar kei­ne Grund­la­ge für ei­ne wei­te­re Zu­sam­men­ar­beit ist.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ver­langt da­her vom Ar­beit­ge­ber, sein Än­de­rungs­an­ge­bot ge­nau zu for­mu­lie­ren. Soll der Ar­beit­neh­mer an­de­re Ar­beits­auf­ga­ben als bis­her er­le­di­gen, müs­sen die ge­än­der­ten Auf­ga­ben sehr kon­kret be­schrie­ben wer­den, wie ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des BAG zeigt: BAG, Ur­teil vom 26.01.2017, 2 AZR 68/16.

Wann be­schreibt ein Ände­rungs­an­ge­bot die künf­ti­gen Auf­ga­ben zu un­ge­nau, so dass die Ände­rungskündi­gung un­wirk­sam ist?

Ist ein Ar­beit­neh­mer länger als ein hal­bes Jahr in ei­nem Be­trieb beschäftigt, in dem mehr als zehn Ar­beit­neh­mer tätig sind, ge­nießt er Kündi­gungs­schutz nach dem Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KSchG). Dann hat er auf der Grund­la­ge von § 2 KSchG vier Möglich­kei­ten, auf ei­ne Ände­rungskündi­gung zu re­agie­ren:

Er kann

  • das Ände­rungs­an­ge­bot an­neh­men, oder
  • das Ände­rungs­an­ge­bot aus­schla­gen und ge­gen die Kündi­gung Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­he­ben, oder
  • das Ände­rungs­an­ge­bot un­ter dem Vor­be­halt der so­zia­len Recht­fer­ti­gung (§ 2 KSchG) an­neh­men und Ände­rungs­schutz­kla­ge er­he­ben, oder
  • die Kündi­gung ak­zep­tie­ren und sich ei­nen neu­en Job su­chen.

Die Wahl zwi­schen die­sen vier ver­schie­de­nen Op­tio­nen muss der Ar­beit­neh­mer spätes­tens drei Wo­chen nach Er­halt der Kündi­gung tref­fen. Ent­schei­det er sich für die drit­te Op­ti­on, das heißt die An­nah­me un­ter Vor­be­halt, muss das Ge­richt über­prüfen, ob die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen gemäß dem (vom Ar­beit­neh­mer erst ein­mal an­ge­nom­me­nen) Ände­rungs­an­ge­bot „so­zi­al ge­recht­fer­tigt“ ist, d.h. ob der Ar­beit­ge­ber aus­rei­chend trif­ti­ge Gründe im Sin­ne von § 1 SK­chG für die Ver­tragsände­rung hat.

Da­mit der Ar­beit­neh­mer die­se Ent­schei­dung tref­fen kann und da­mit das Ar­beits­ge­richt später ei­ne recht­li­che Über­prüfung der strei­ti­gen Ver­tragsände­run­gen vor­neh­men kann, muss das Ände­rungs­an­ge­bot nach der ar­beits­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung ge­nau for­mu­liert sein (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 09/020 Ände­rungskündi­gung - Ge­nau­ig­keit des Ände­rungs­an­ge­bots, und in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 09/189 Ände­rungskündi­gung: Verständ­lich­keit des Ände­rungs­an­ge­bots). Mit sei­nem Ur­teil vom 26.01.2017 (2 AZR 68/16) hat das BAG die vom Ar­beit­ge­ber zu be­ach­ten­den An­for­de­run­gen wei­ter verschärft.

Im Streit: Her­ab­stu­fung vom Soft­ware­ent­wick­ler zum Hilfs­ar­bei­ter

Ge­klagt hat­te ein tech­ni­scher An­ge­stell­ter, der seit März 1997 in ei­nem Be­trieb mit mehr als zehn Ar­beit­neh­mern beschäftigt war. Sei­ne Ar­beits­auf­ga­ben wa­ren gemäß Ar­beits­ver­trag ursprüng­lich wie folgt fest­ge­legt:

„1. Tätig­keit und Auf­ga­ben­ge­biet

[Der Kläger] (nach­fol­gend Ar­beit­neh­mer ge­nannt), tritt als Elek­tro­tech­ni­ker in das Un­ter­neh­men ein. Das Auf­ga­ben­ge­biet um­sch­ließt die Soft­ware-Er­stel­lung, Pro­jekt­be­treu­ung und -ab­wick­lung, In­be­trieb­set­zung, Kun­den­schu­lung usw. In das Auf­ga­ben­ge­biet wird der Ar­beit­neh­mer ca. ein hal­bes Jahr ein­ge­ar­bei­tet. Der Ar­beit­neh­mer erklärt sich im Rah­men sei­ner Tätig­keit mit Einsätzen auf Bau­stel­len ein­ver­stan­den.“

Nach­dem der An­ge­stell­te im No­vem­ber 2001 bei ei­nem Ver­kehrs­un­fall schwe­re Kopf­ver­let­zun­gen er­lit­ten hat­te, führ­te der Ar­beit­ge­ber im De­zem­ber 2005 ei­nen Ar­beits­test durch, bei dem der Kläger vor­han­de­ne Si­cher­heits-SPS an­pas­sen soll­te.

Auf­grund des Tests mein­te der Ar­beit­ge­ber, der An­ge­stell­te könn­te kei­ne kom­ple­xen Pro­gram­miertätig­kei­ten mehr durchführen. Da sprach er En­de März 2006 ei­ne or­dent­li­che Ände­rungskündi­gung aus. Dem Ände­rungs­an­ge­bot zu­fol­ge soll­te der Ar­beits­ver­trag zum The­ma Ar­beits­auf­ga­ben künf­tig fol­gen­de Re­ge­lung ent­hal­ten:

„1. Tätig­keit und Auf­ga­ben­ge­biet

[Der Kläger] (nach­fol­gend Ar­beit­neh­mer ge­nannt), tritt als Elek­tro­tech­ni­ker in das Un­ter­neh­men ein. Das Auf­ga­ben­ge­biet um­sch­ließt al­le Ar­bei­ten im La­ger, vor­ran­gig Fah­rer- und Ku­riertätig­kei­ten, hier­zu gehören ua. das Be- und Ent­la­den von Bau­stel­len- oder sons­ti­gem Ma­te­ri­al in und von Trans­port­fahr­zeu­gen, Stap­ler­fah­ren so­wie all­ge­mei­ne La­gertätig­kei­ten usw.

In das Auf­ga­ben­ge­biet wird [der Kläger] ca. ei­nen Mo­nat ein­ge­ar­bei­tet. Der Ar­beit­neh­mer erklärt sich im Rah­men sei­ner Tätig­keit mit Einsätzen auf Bau­stel­len ein­ver­stan­den.“

Ab­ge­se­hen von der Ände­rung der Ar­beits­auf­ga­ben sah das Ände­rungs­an­ge­bot vor, dass der An­ge­stell­te künf­tig statt ei­nes Mo­nats­ge­hal­tes von 2.709,00 EUR brut­to nur noch 8,50 EUR brut­to pro St­un­de er­hal­ten soll­te.

Der An­ge­stell­te nahm das Ände­rungs­an­ge­bot un­ter Vor­be­halt an und er­hob Ände­rungs­schutz­kla­ge, hat­te da­mit al­ler­dings we­der vor dem Ar­beits­ge­richt Wei­den (Ur­teil vom 18.12.2006, 5 Ca 468/06 S) noch vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nürn­berg Er­folg (Ur­teil vom 16.06.2015, 7 (2) Sa 229/07).

BAG: Enthält das Ände­rungs­an­ge­bot meh­re­re, künf­tig vom Ar­beit­neh­mer zu ver­rich­ten­de Tätig­kei­ten, dürfen sich die­se nicht wi­der­spre­chen

Das BAG hob die Ent­schei­dun­gen der Vor­in­stan­zen auf und ent­schied den Fall zu Guns­ten des An­ge­stell­ten, d.h. es gab der Kla­ge statt.

In der knap­pen Ur­teils­be­gründung wer­fen die Er­fur­ter Rich­ter ih­ren Nürn­ber­ger Kol­le­gen gleich drei ju­ris­ti­sche Schnit­zer vor: Ers­tens ist auf der Grund­la­ge der vom LAG fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen nicht klar, war­um der An­ge­stell­te nicht da­zu in der La­ge sein soll­te, sei­ne ursprüng­li­chen Ar­beits­auf­ga­ben wei­ter­hin aus­zuführen, so das BAG. Zwei­tens war das Ände­rungs­an­ge­bot des Ar­beit­ge­bers zu un­ge­nau. Und drit­tens hat­te das LAG nicht über­prüft, war­um die Ab­sen­kung der Vergütung auf 8,50 EUR brut­to so­zi­al ge­recht­fer­tigt sein soll­te.

Sei­ne ei­ge­ne Ent­schei­dung zu Guns­ten des Ar­beit­neh­mers be­gründet das BAG al­lein mit der Un­ge­nau­ig­keit des Ände­rungs­an­ge­bots. Denn im ursprüng­li­chen Ver­trag wie auch im Ände­rungs­an­ge­bot heißt es, der Ar­beit­neh­mer sol­le als „Elek­tro­tech­ni­ker“ ar­bei­ten, was al­ler­dings we­gen der im Ände­rungs­an­ge­bot ge­nann­ten an­de­ren Auf­ga­ben künf­tig an­schei­nend doch nicht mehr gel­ten soll­te.

Hier un­ter­stellt das BAG zu­guns­ten des Ar­beit­ge­bers, dass die Be­zeich­nung der Po­si­ti­on als „Elek­tro­tech­ni­ker“ nicht zur Ver­wir­rung bei­ge­tra­gen hat, d.h. künf­tig kei­ne Be­deu­tung mehr ha­ben soll. Dann bleibt aber im­mer noch un­klar, so die Er­fur­ter Rich­ter, was mit dem im Ände­rungs­an­ge­bot ge­nann­ten „Einsätzen auf Bau­stel­len“ ge­meint ist, mit de­nen sich der Kläger ein­ver­stan­den erklären soll­te, denn in ers­ter Li­nie soll­te er doch künf­tig im La­ger, d.h. im Be­trieb des Ar­beit­ge­bers ar­bei­ten.

Im Er­geb­nis konn­te der An­ge­stell­te da­her „nicht aus­rei­chend er­ken­nen“, zu wel­chen Diens­ten (§ 611 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB) er bei An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots künf­tig ver­pflich­tet wäre, d.h. die Art der dann ge­schul­de­ten Ar­beits­leis­tung(en) blieb un­klar.

Fa­zit: Bei ei­ner Ände­rungskündi­gung muss das Ver­trags­an­ge­bot (= Ände­rungs­an­ge­bot) des Ar­beit­ge­bers ge­nau­er sein als beim Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags. Zwar müssen auch Ar­beits­ver­trags­an­ge­bo­te so ge­nau for­mu­liert sein, dass ein ein­fa­ches „ja“ als An­nah­me­erklärung den Ver­trag zu­stan­de bringt (das folgt aus § 145 BGB), doch ver­hin­dert auch die größte Un­ge­nau­ig­keit ei­ner Auf­ga­ben­be­schrei­bung beim erst­ma­li­gen Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags nicht des­sen Zu­stan­de­kom­men.

Denn schließlich kann ein Ar­beits­ver­trag auch münd­lich oder so­gar durch schlüssi­ges Ver­hal­ten rechts­wirk­sam ver­ein­bart wer­den, wo­hin­ge­gen ei­ne münd­li­che Kündi­gung nicht möglich ist (§ 623 BGB), ge­schwei­ge denn ei­ne Kündi­gung durch schlüssi­ges Ver­hal­ten. Außer­dem hat der Ar­beit­neh­mer ja schon ei­nen Ar­beits­ver­trag mit be­stimm­ten Auf­ga­ben, wenn er ei­ne Ände­rungskündi­gung erhält, so dass der Ar­beit­ge­ber jetzt ei­nen Un­ter­schied be­schrei­ben muss, nämlich den zwi­schen den bis­he­ri­gen Auf­ga­ben und den künf­ti­gen. Hier muss er ge­nau­er ar­bei­ten als beim erst­ma­li­gen Ver­trags­ab­schluss.


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Letzte Überarbeitung: 29. August 2019

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