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Betriebsbedingte Änderungskündigung
Dabei muss der Arbeitgeber allerdings rechtliche Fallstricke vermeiden, wie einige aktuelle Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg deutlich machen: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.12.2011, 15 Sa 1264/11, 15 Sa 1461/11.
- Betriebsbedingte Änderungskündigungen mit dem Angebot eines Ortswechsels - was ist zu beachten?
- Ablehnung eines vorab unterbreiteten Änderungsangebotes berechtigt nicht zur Umgehung einer Änderungskündigung - auch nicht auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung
Betriebsbedingte Änderungskündigungen mit dem Angebot eines Ortswechsels - was ist zu beachten?
§ 1 Abs.2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erlaubt bei einer Betriebsschließung Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen, da eine solche Kündigung infolge der Stillegung des ganzen Betriebs „durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist“.
Sind aber freie Arbeitsplätze in einer anderen Stadt, d.h. in einem dortigen Betrieb des Arbeigebers vorhanden, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmern des stillzulegenden Betriebs eine Vertragsänderung anbieten, d.h. die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in der anderen Stadt. Dann kann er zwar auch eine Kündigung aussprechen, aber verbunden mit dem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen (Ortswechsel), d.h. eine Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG. Der Arbeitnehmer hat dann die Wahl, ob er das Änderungsgebot annimmt oder ausscheidet, was er vor allem dann machen wird, wenn es einen Sozialplan mit attraktiven Abfindungsregelungen gibt.
Arbeitgeber können aber auf dieser Grundlage nicht vernünftig planen. Denn wenn ein Betrieb mit z.B. 500 Arbeitnehmern geschlossen werden soll und es in einer anderen Stadt bzw. dem dortigen Betrieb 100 freie Arbeitsplätze gibt, weiß der Arbeitgeber nicht, wie viele Arbeitnehmer mitgehen wollen, Im Extremfall machen alle 500 den Ortswechsel mit, und dann müsste der Arbeitgeber eine erneute Welle von (diesmal 400) Kündigungen aussprechen.
Es ist daher aus Arbeitgebersicht verlockend, vorab durch "freiwillige" Änderungsangebote herauszufinden, wer mitkommen möchte und wer nicht, und den Neinsagern dann eine betriebsbedingte Beendigungskündigung (ohne erneutes Änderungsangebot) auszusprechen. Verlockend, aber rechtlich unzulässig, wie das LAG Berlin-Brandenburg bestätigt hat.
Ablehnung eines vorab unterbreiteten Änderungsangebotes berechtigt nicht zur Umgehung einer Änderungskündigung - auch nicht auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung
Ein Zigarettenhersteller schloss im Laufe des Jahres 2011 seinen Berliner Produktionsbetrieb und baute zugleich die Produktion in Langenhagen bei Hannover aus. In einer Betriebsvereinbarung war vereinbart, dass bei fehlendem Interesse der Arbeitnehmer an einem vorab angebotenen Arbeitsplatz in Langenhagen von einer ernsthaften und endgültigen Ablehnung einer Weiterbeschäftigung in Langenhagen auszugehen sei. Dann sollte nach dem Modell dieser Betriebsvereinbarung der Weg frei sein für betriebsbedingte Beendigungskündigungen.
Ein 1962 geborener Techniker bewarb sich vor seiner betriebsbedingten Kündigung nicht auf eine Stelle in Langenhagen. Gegen die Kündigung ging er dann mit einer Kündigungsschutzklage vor und hatte Erfolg. Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 04.05.2011, 27 Ca 19523/10) und das LAG stellten fest, dass die Betriebspartner nicht zulasten ihrer Arbeitnehmer von dem zwingenden gesetzlichen Kündigungsschutz abweichen durften, der es dem Arbeitnehmer bei einer Änderungskündigung erlaubt, diese unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung anzunehmen und die soziale Rechtfertigung der Vertragsänderung dann gerichtlich prüfen zu lassen. Das hatte bereits das Bundesarbeitsgericht im Jahre 2005 so entschieden (Urteil vom 21.03.2005, 2 AZR 132/04).
Fazit: Bei einer bevorstehenden Betriebsschließung und gleichzeitig bestehenden freien Arbeitsplätzen in einer anderen Stadt führt für den Arbeitgeber rein praktisch kein Weg darum herum, die Bereitschaft zum Ortswechsel vorab einvernehmlich zu klären. Das hat dann aber zur Folge, dass die ursprünglich freien Arbeitsplätze besetzt sind, wenn es zur eigentlichen Kündigungswelle kommt.
Darauf kann sich der Arbeitgeber aber rechtlich nicht berufen, da er das Nicht-mehr-Freisein dieser Arbeitsplätze selbst herbeigeführt hat (§ 162 BGB). Daher sind Änderungskündigungen auszusprechen, mit der Folge, dass der Arbeitgeber ein Problem hätte, wenn jetzt erstmals viele vorheriger "Neinsager" einem Ortswechsel zustimmen.
Um das zu verhindern, müssen attraktive Sozialplanabfindungen angeboten werden, und zwar mit Aufbesserungen ("Sprinter"-Angeboten) für den Fall der frühzeitigen Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.12.2011, 15 Sa 1264/11 und 15 Sa 1461/11
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Webseite)
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsstilllegung, Betriebsschließung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Änderungskündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialplan
- Arbeitsrecht aktuell: 17/127 Änderungskündigung zur Festlegung neuer Aufgaben
- Arbeitsrecht aktuell: 14/126 Sozialauswahl bei Änderungskündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/056 Weisungsrecht: Änderungskündigung unwirksam
- Arbeitsrecht aktuell: 10/008 Änderungskündigung und Weiterbeschäftigungsanspruch
- Arbeitsrecht aktuell: 09/189 Änderungskündigung: Verständlichkeit des Änderungsangebots
- Arbeitsrecht aktuell: 09/020 Änderungskündigung - Genauigkeit des Änderungsangebots
Letzte Überarbeitung: 8. Mai 2017
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