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Be­triebs­be­ding­te Än­de­rungs­kün­di­gung

Bei ei­ner be­triebs­be­ding­ten Än­de­rungs­kün­di­gung we­gen Be­triebs­schlie­ßung muss der Ar­beit­ge­ber mit der Kün­di­gung die Wei­ter­ar­beit in ei­ner an­de­ren Stadt an­bie­ten, wenn dort Ar­beits­plät­ze frei sind. Ei­ne vor­he­ri­ge Ab­leh­nung des Orts­wech­sels zählt nicht: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 19.12.2011, 15 Sa 1264/11, 15 Sa 1461/11
Bildsymbol Treppe abwärts Kei­ne Be­schrän­kung des Kün­di­gungs­schutz­rechts durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung
18.03.2012. Bei ei­ner Be­triebs­schlie­ßung kommt es in der Re­gel zu ei­ner Kün­di­gungs­wel­le, mit der al­le Ar­beit­neh­mer ei­ne be­triebs­be­ding­te Kün­di­gung er­hal­ten. Ge­gen die Wirk­sam­keit sol­cher Kün­di­gun­gen ist meist kein Kraut ge­wach­sen, da der Ar­beit­ge­ber auch un­künd­ba­ren Ar­beit­neh­mern kün­di­gen kann, und zwar au­ßer­or­dent­lich aus wich­ti­gem Grun­de. Ei­ne Chan­ce, das Ar­beits­ver­hält­nis zu ret­ten, be­steht nur dann, wenn in ei­ner an­de­ren Stadt Ar­beits­plät­ze vor­han­den sind. Dann muss der Ar­beit­ge­ber Än­de­rungs­kün­di­gun­gen aus­spre­chen.

Da­bei muss der Ar­beit­ge­ber al­ler­dings recht­li­che Fall­stri­cke ver­mei­den, wie ei­ni­ge ak­tu­el­le Ent­schei­dun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg deut­lich ma­chen: LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 19.12.2011, 15 Sa 1264/11, 15 Sa 1461/11.

Be­triebs­be­ding­te Ände­rungskündi­gun­gen mit dem An­ge­bot ei­nes Orts­wech­sels - was ist zu be­ach­ten?

§ 1 Abs.2 Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) er­laubt bei ei­ner Be­triebs­sch­ließung Kündi­gun­gen aus be­triebs­be­ding­ten Gründen, da ei­ne sol­che Kündi­gung in­fol­ge der Stil­le­gung des gan­zen Be­triebs „durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se, die ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers in die­sem Be­trieb ent­ge­gen­ste­hen, be­dingt ist“.

Sind aber freie Ar­beitsplätze in ei­ner an­de­ren Stadt, d.h. in ei­nem dor­ti­gen Be­trieb des Ar­bei­ge­bers vor­han­den, muss der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mern des still­zu­le­gen­den Be­triebs ei­ne Ver­tragsände­rung an­bie­ten, d.h. die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses in der an­de­ren Stadt. Dann kann er zwar auch ei­ne Kündi­gung aus­spre­chen, aber ver­bun­den mit dem An­ge­bot der Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu geänder­ten Be­din­gun­gen (Orts­wech­sel), d.h. ei­ne Ände­rungskündi­gung gemäß § 2 KSchG. Der Ar­beit­neh­mer hat dann die Wahl, ob er das Ände­rungs­ge­bot an­nimmt oder aus­schei­det, was er vor al­lem dann ma­chen wird, wenn es ei­nen So­zi­al­plan mit at­trak­ti­ven Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen gibt.

Ar­beit­ge­ber können aber auf die­ser Grund­la­ge nicht vernünf­tig pla­nen. Denn wenn ein Be­trieb mit z.B. 500 Ar­beit­neh­mern ge­schlos­sen wer­den soll und es in ei­ner an­de­ren Stadt bzw. dem dor­ti­gen Be­trieb 100 freie Ar­beitsplätze gibt, weiß der Ar­beit­ge­ber nicht, wie vie­le Ar­beit­neh­mer mit­ge­hen wol­len, Im Ex­trem­fall ma­chen al­le 500 den Orts­wech­sel mit, und dann müss­te der Ar­beit­ge­ber ei­ne er­neu­te Wel­le von (dies­mal 400) Kündi­gun­gen aus­spre­chen.

Es ist da­her aus Ar­beit­ge­ber­sicht ver­lo­ckend, vor­ab durch "frei­wil­li­ge" Ände­rungs­an­ge­bo­te her­aus­zu­fin­den, wer mit­kom­men möch­te und wer nicht, und den Nein­sa­gern dann ei­ne be­triebs­be­ding­te Be­en­di­gungskündi­gung (oh­ne er­neu­tes Ände­rungs­an­ge­bot) aus­zu­spre­chen. Ver­lo­ckend, aber recht­lich un­zulässig, wie das LAG Ber­lin-Bran­den­burg bestätigt hat.

Ab­leh­nung ei­nes vor­ab un­ter­brei­te­ten Ände­rungs­an­ge­bo­tes be­rech­tigt nicht zur Um­ge­hung ei­ner Ände­rungskündi­gung - auch nicht auf der Grund­la­ge ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung

Ein Zi­ga­ret­ten­her­stel­ler schloss im Lau­fe des Jah­res 2011 sei­nen Ber­li­ner Pro­duk­ti­ons­be­trieb und bau­te zu­gleich die Pro­duk­ti­on in Lan­gen­ha­gen bei Han­no­ver aus. In ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung war ver­ein­bart, dass bei feh­len­dem In­ter­es­se der Ar­beit­neh­mer an ei­nem vor­ab an­ge­bo­te­nen Ar­beits­platz in Lan­gen­ha­gen von ei­ner ernst­haf­ten und endgülti­gen Ab­leh­nung ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung in Lan­gen­ha­gen aus­zu­ge­hen sei. Dann soll­te nach dem Mo­dell die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung der Weg frei sein für be­triebs­be­ding­te Be­en­di­gungskündi­gun­gen.

Ein 1962 ge­bo­re­ner Tech­ni­ker be­warb sich vor sei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung nicht auf ei­ne Stel­le in Lan­gen­ha­gen. Ge­gen die Kündi­gung ging er dann mit ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge vor und hat­te Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin (Ur­teil vom 04.05.2011, 27 Ca 19523/10) und das LAG stell­ten fest, dass die Be­triebs­part­ner nicht zu­las­ten ih­rer Ar­beit­neh­mer von dem zwin­gen­den ge­setz­li­chen Kündi­gungs­schutz ab­wei­chen durf­ten, der es dem Ar­beit­neh­mer bei ei­ner Ände­rungskündi­gung er­laubt, die­se un­ter dem Vor­be­halt der so­zia­len Recht­fer­ti­gung an­zu­neh­men und die so­zia­le Recht­fer­ti­gung der Ver­tragsände­rung dann ge­richt­lich prüfen zu las­sen. Das hat­te be­reits das Bun­des­ar­beits­ge­richt im Jah­re 2005 so ent­schie­den (Ur­teil vom 21.03.2005, 2 AZR 132/04).

Fa­zit: Bei ei­ner be­vor­ste­hen­den Be­triebs­sch­ließung und gleich­zei­tig be­ste­hen­den frei­en Ar­beitsplätzen in ei­ner an­de­ren Stadt führt für den Ar­beit­ge­ber rein prak­tisch kein Weg dar­um her­um, die Be­reit­schaft zum Orts­wech­sel vor­ab ein­ver­nehm­lich zu klären. Das hat dann aber zur Fol­ge, dass die ursprüng­lich frei­en Ar­beitsplätze be­setzt sind, wenn es zur ei­gent­li­chen Kündi­gungs­wel­le kommt.

Dar­auf kann sich der Ar­beit­ge­ber aber recht­lich nicht be­ru­fen, da er das Nicht-mehr-Frei­sein die­ser Ar­beitsplätze selbst her­bei­geführt hat (§ 162 BGB). Da­her sind Ände­rungskündi­gun­gen aus­zu­spre­chen, mit der Fol­ge, dass der Ar­beit­ge­ber ein Pro­blem hätte, wenn jetzt erst­mals vie­le vor­he­ri­ger "Nein­sa­ger" ei­nem Orts­wech­sel zu­stim­men.

Um das zu ver­hin­dern, müssen at­trak­ti­ve So­zi­al­plan­ab­fin­dun­gen an­ge­bo­ten wer­den, und zwar mit Auf­bes­se­run­gen ("Sprin­ter"-An­ge­bo­ten) für den Fall der frühzei­ti­gen Zu­stim­mung zu ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag.

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Letzte Überarbeitung: 8. Mai 2017

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